Das Gleichnis von den zwei verlorenen Söhnen
Timothy Keller beschäftigt sich in seinem Buch mit dem altbekannten Gleichnis vom verlorenen Sohn aus der Bibel. Nur schaut er viel genauer hin, als konventionelle Auslegungen dies tun: Normalerweise wird diese Geschichte dahingehend interpretiert,
dass ein Mensch, der verloren war, durch Gottes Liebe und Vergebung, welche völlig kostenlos gewährt…mehrDas Gleichnis von den zwei verlorenen Söhnen
Timothy Keller beschäftigt sich in seinem Buch mit dem altbekannten Gleichnis vom verlorenen Sohn aus der Bibel. Nur schaut er viel genauer hin, als konventionelle Auslegungen dies tun: Normalerweise wird diese Geschichte dahingehend interpretiert, dass ein Mensch, der verloren war, durch Gottes Liebe und Vergebung, welche völlig kostenlos gewährt werden, wieder aufgenommen wird.
Hier jedoch habe auch ich das Gleichnis zum ersten Mal aus einem ganz anderen Blickwinkel gesehen. Es gibt nicht nur einen, sondern zwei verlorene Söhne, auch der ältere Bruder, dem gemeinhin keine allzu große Bedeutung beigemessen wird, hat sich von seinem Vater abgewandt. Diese Erkenntnis erschließt uns ganz andere Möglichkeiten, das Ganze zu betrachten. Diese Möglichkeiten schöpft der Autor in seinem Buch sehr schön aus. In klarer und prägnanter Sprache macht er uns darauf aufmerksam, dass es nicht nur einen Weg gibt, sich von Gott abzuwenden. Es gibt nicht nur den Weg der Selbstfindung, den der jüngere Sohn beschritten hat. Da ist auch noch der Weg der Moralisierung, des peinlichst genauen Befolgens aller Regeln. Ein Weg, auf dem man sich auf den ersten Blick nichts vorwerfen kann. Doch ist das wirklich so?
„Um wirklich Christen zu werden, müssen wir auch die Gründe bereuen, aus denen wir je etwas richtig gemacht haben.“
Dieses Zitat beschreibt es sehr treffend. Wichtig ist nicht, dass wir gut sind, sondern warum wir gut sind und für wen wir es sind: Für Gott oder für uns selbst. Das Phänomen der älteren Brüder dieser Welt, die sich moralisch nichts vorzuwerfen haben, ist weit verbreitet. Auch ich konnte nicht anders, als mich selbst an der einen oder anderen Stelle wiederzufinden: Diese Erwartungshaltung, wenn ich das Richtige tue, dann möchte ich bitte auch mit einem schönen Leben dafür belohnt werden, ist denke ich weit verbreitet. Sie begeht allerdings den Fehler, dass wir uns selbst zu unseren eigenen Erlösern und Richtern aufschwingen, und somit Gott keinen Platz mehr lassen. Und, noch viel schlimmer: Meistens sind wir uns nicht dessen bewusst, dass wir das, was wir vermeintlich für Gott tun, nur für uns selbst tun. Somit fällt es dem jüngeren Sohn, dem scheinbar Verloreneren einfacher, zurückzukehren, weil er sich dessen bewusst ist, dass er verloren ist.
Ein gelungenes Buch darüber, was das Evangelium uns sagen möchte. Vielleicht gibt es noch mehr solcher Gleichnisse, bei denen man genauer hinschauen könnte.
Von mir gibt es nur vier Sterne, weil mir das Buch zwar insgesamt wirklich gut gefallen hat und ich einiges daraus mitnehme, aber den Wow-Effekt, den ein richtig geniales und überzeugendes Buch für mich beim Lesen haben muss, habe ich ein bisschen vermisst. Trotzdem kann ich es euch nur weiterempfehlen.