Der Autor und Kabarettist Jess Jochimsen (Jg. 1970) veröffentlichte im Deutschen Taschenbuch Verlag bisher meist kurze Prosatexte und Satiren (u.a. „Das Dosenmilch-Trauma“ (dtv 20370), „Flaschendrehen“ (dtv 20568) oder „DanebenLeben“ (dtv 21034)).
Nun liegt mit „Bellboy oder: Ich schulde Paul
einen Sommer“ sein erster Roman vor. Dass dieser ebenfalls eine Portion Humor, ja Zynismus enthält, ist…mehrDer Autor und Kabarettist Jess Jochimsen (Jg. 1970) veröffentlichte im Deutschen Taschenbuch Verlag bisher meist kurze Prosatexte und Satiren (u.a. „Das Dosenmilch-Trauma“ (dtv 20370), „Flaschendrehen“ (dtv 20568) oder „DanebenLeben“ (dtv 21034)).
Nun liegt mit „Bellboy oder: Ich schulde Paul einen Sommer“ sein erster Roman vor. Dass dieser ebenfalls eine Portion Humor, ja Zynismus enthält, ist fast selbstverständlich. „Bellboy“ ist die Geschichte des 31jährigen Lukas, der vom Land in die große Stadt geflohen ist. Hier in München hat er längst ein neues Leben gefunden. Sein Studium hat er zwar abgebrochen, doch seine Jobs als Nachhilfslehrer und Kirchendiener in einem evangelischen Pfarrhaus lassen ihm noch jede Menge Freizeit. Dazu hat er ein paar Kumpels und hin und wieder eine Frauenbekanntschaft. Lukas nimmt alles ziemlich locker und lässig.
Aber irgendwie holt ihn seine ländliche Vergangenheit immer wieder ein. Rückblickend muss er feststellen, dass seine Verwandtschaft nur guter Durchschnitt ist: drei Scheidungen, zwei Selbstmorde und ein Haufen Trinker. Eben typisch bayrische Provinz.
Doch eines Tages taucht sein demenzkranker Cousin Paul auf und alles gerät aus den Fugen und zwingt damit Lukas zu einer familiären Erinnerungsreise zurück in seine groteske Provinz-Kindheit. Dabei haben die beiden eine Menge Abenteuer zu bestehen. So wird nebenbei ein Ausflugsschiff versenkt, ein Landstrich verwüstet, ein halbes Provinznest geschwängert und eine ganze Reihe der Zehn Gebote gebrochen. Eigentlich wollte Lukas seine hinterwäldlerischen Spuren verwischen, doch nun steckt er mittendrin.
Fazit: „Bellboy“ ist ein witziges und flott geschriebenes Buch, das den Leser aber nicht nur zum Lachen sondern auch zum Nachdenken anregt
Manfred Orlick