Ein Schriftsteller wird zu einer Kreuzfahrt eingeladen, nicht als zahlender Passagier, sondern als sogenannter "Gastkünstler". Ein anständiges Honorar, die Kabine mit Außenbalkon, freie Verpflegung und andere kostenlose Annehmlichkeiten können ihn aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in dem 18seitigen Begleitschreiben der Einladung ungeahnte Pflichten und darin allerlei Peinlichkeiten lauern, gerade für einen Schriftsteller, der die Einsamkeit liebt und nicht auf ein Schiff mit 5000 aufgedrehten und sonnenhungrigen Passagieren gehört. Doch er macht sich die Entscheidung nicht leicht und schreibt zum Vergnügen der Leser einen langen Antwortbrief an die Reederei, in dem er auf humorvoll-präzise Art die Absurdität einer solchen Kombination von Schriftstellerei und Kreuzfahrtschifffahrt offenlegt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.2017Ozeanische Ambition
Wer sich auf ein Kreuzfahrtschiff begibt, sucht nicht nur das Meer und die Ferne, sondern will auch unterhalten werden - nicht nur von Bauchrednern und Schlagersängern, sondern auch von Schriftstellern. Die allerdings nutzen das Setting gern für andere Zwecke, wenn sie sich sozusagen als "eingebettete Poeten" einschiffen lassen, um in Wahrheit die Auswüchse der Gegenwart zu erkunden. Entertainmentzwang, Buffetexzesse und moderner Ennui lassen sich nun einmal kaum irgendwo so unmittelbar studieren wie an Bord eines solchen Schiffes. Berühmt ist die Szene in Jonathan Franzens Roman "Korrekturen", in der er Alfred vom Oberdeck eines schwimmenden Bespaßungscenters über Bord gehen lässt.
Den ultimativen Kreuzfahrer-Text hat David Foster Wallace schon 1996 geschrieben, "Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich". Diesem Vergleich will Bodo Kirchhoff sich in seinem Buch "Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt" gar nicht erst aussetzen. Und lässt deshalb seinen Protagonisten, einen Frankfurter Schriftsteller vorgerückten Alters, dessen Gefährtin eine fast blinde Hündin ist, überhaupt nicht an Bord gehen. Er schreibt stattdessen eine E-Mail. Es ist die Antwort auf die Einladung einer Reederei, zur Weihnachtszeit als "Sprachlieferant" unter zahlendem Publikum durch die Karibik zu schippern, die sich zu vorgerückter Stunde und nach einigen Flaschen Wein zur hundertzwanzigseitigen Suada weitet. Mit ethnologischer Gründlichkeit zerlegt Kirchhoff das Schiff seiner Albträume und lässt dabei seinen wehleidigen Misanthropen über die ozeanische Ambition unter der karibischen Sonne schwadronieren. Und zeigt uns dabei einen Dichter, der sich nach der Zuwendung eines Publikums sehnt, dessen Geschmack er zugleich verachtet.
S.K.
Bodo Kirchhoff: "Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt". Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2017. 128 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wer sich auf ein Kreuzfahrtschiff begibt, sucht nicht nur das Meer und die Ferne, sondern will auch unterhalten werden - nicht nur von Bauchrednern und Schlagersängern, sondern auch von Schriftstellern. Die allerdings nutzen das Setting gern für andere Zwecke, wenn sie sich sozusagen als "eingebettete Poeten" einschiffen lassen, um in Wahrheit die Auswüchse der Gegenwart zu erkunden. Entertainmentzwang, Buffetexzesse und moderner Ennui lassen sich nun einmal kaum irgendwo so unmittelbar studieren wie an Bord eines solchen Schiffes. Berühmt ist die Szene in Jonathan Franzens Roman "Korrekturen", in der er Alfred vom Oberdeck eines schwimmenden Bespaßungscenters über Bord gehen lässt.
Den ultimativen Kreuzfahrer-Text hat David Foster Wallace schon 1996 geschrieben, "Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich". Diesem Vergleich will Bodo Kirchhoff sich in seinem Buch "Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt" gar nicht erst aussetzen. Und lässt deshalb seinen Protagonisten, einen Frankfurter Schriftsteller vorgerückten Alters, dessen Gefährtin eine fast blinde Hündin ist, überhaupt nicht an Bord gehen. Er schreibt stattdessen eine E-Mail. Es ist die Antwort auf die Einladung einer Reederei, zur Weihnachtszeit als "Sprachlieferant" unter zahlendem Publikum durch die Karibik zu schippern, die sich zu vorgerückter Stunde und nach einigen Flaschen Wein zur hundertzwanzigseitigen Suada weitet. Mit ethnologischer Gründlichkeit zerlegt Kirchhoff das Schiff seiner Albträume und lässt dabei seinen wehleidigen Misanthropen über die ozeanische Ambition unter der karibischen Sonne schwadronieren. Und zeigt uns dabei einen Dichter, der sich nach der Zuwendung eines Publikums sehnt, dessen Geschmack er zugleich verachtet.
S.K.
Bodo Kirchhoff: "Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt". Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2017. 128 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main