Blutig. Apokalyptisch. Dramatisch. Bizarr.
In der Vorweihnachtszeit richtet eine Paketbombe an einer Schule nahe Pittsburgh ein Massaker an. Kinder sterben. Holly Gibney verfolgt die furchtbaren Nachrichten im Fernsehen. Der Reporter vor Ort erinnert sie an den gestaltwandlerischen Outsider, den sie glaubt vor nicht allzu langer Zeit zur Strecke gebracht zu haben. Ist jene monströse, sich von Furcht nährende Kreatur wieder erwacht?
Die titelgebenden Geschichte "Blutige Nachrichten" - eine Stand-alone-Fortsetzung des Bestsellers "Der Outsider" - ist nur einer von vier Kurzromanen in Stephen Kings neuer Kollektion, die uns an ebenso fürchterliche wie faszinierende Orte entführt. Mit einem Nachwort des Autors zur Entstehung jeder einzelnen Geschichte.
Ungekürzte Lesung mit David Nathan
2 MP3-CDs, ca. 16h 21min
In der Vorweihnachtszeit richtet eine Paketbombe an einer Schule nahe Pittsburgh ein Massaker an. Kinder sterben. Holly Gibney verfolgt die furchtbaren Nachrichten im Fernsehen. Der Reporter vor Ort erinnert sie an den gestaltwandlerischen Outsider, den sie glaubt vor nicht allzu langer Zeit zur Strecke gebracht zu haben. Ist jene monströse, sich von Furcht nährende Kreatur wieder erwacht?
Die titelgebenden Geschichte "Blutige Nachrichten" - eine Stand-alone-Fortsetzung des Bestsellers "Der Outsider" - ist nur einer von vier Kurzromanen in Stephen Kings neuer Kollektion, die uns an ebenso fürchterliche wie faszinierende Orte entführt. Mit einem Nachwort des Autors zur Entstehung jeder einzelnen Geschichte.
Ungekürzte Lesung mit David Nathan
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2020In den Wäldern Jahr um Jahr seit Jahren und also auch in diesem Jahr: Ein neues Buch von Stephen King. "Blutige Nachrichten" (Heyne, 24 Euro) vereint vier Kurzromane und schließt nicht nur formal an ältere Sammelbände an, in denen er Meisterwerke wie "Die Leiche" oder "Rita Hayworth" in kleinere Einheiten verpackt hatte. Es scheint, als würde King sich in jedem neuen Buch seine alten Motive noch einmal vornehmen, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Ein hadernder Schriftsteller zieht sich in eine Hütte tief in den Wäldern zurück und schließt einen Pakt mit seinen Dämonen ab, um seinen besten Roman zu schreiben. Ein Junge freundet sich mit einem alten Mann an und telefoniert auch nach dessen Tod mit ihm. Und Holly Gibney, die Heldin aus Kings letzten Thrillern, ist auch wieder da. Das klingt wie sentimentalster Stoff für Fans und ist es auch - wäre Stephen King, bald 73 Jahre alt, nicht stilistisch so sicher und frei wie im Grunde noch nie. Man könnte fast sagen, jetzt wird er immer besser, aber was wäre er dann früher gewesen?
tob
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
tob
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.08.2020Moonwalk aus dem
Schablonendasein
Neue Lieferung der Short Stories von Stephen King
Bevor Stephen King als Schriftsteller ein reicher Mann wurde, hauste er mit seiner Frau und den Kindern in einem heruntergekommenen Wohnwagen. Das Geld, das er als Aushilfsenglischlehrer verdiente – läppische 6400 Dollar im Jahr, wie er einst dem Playboy erzählte – reichte aber nicht mal für den Lebensunterhalt im Trailer.
Also jobbte King nachts noch in einer Wäscherei und schrieb Kurzgeschichten. Die verkaufte er für ein paar Dollar an Zeitschriften, die man dem Segment der Gentlemen-Unterhaltung zuordnen kann. Publikationen wie The Dude oder Cavalier. Es waren die glorreichen Siebzigerjahre, als das Internet weder die Print- noch die Erotikindustrie bedrohte.
Kings Exit-Strategie aus der Wohnwagen-Misere wurde sein Debütroman „Carrie“, 1974, mit dem seine Karriere als finanziell sorgloser Bestsellerautor begann. Das Genre der Pulp Fiction in Kurzform hat der heute 72-Jährige über die Jahrzehnte aber trotzdem mit großer Freude gepflegt. Die Kurzgeschichten des Langschreibers King, die selten unter 100 Seiten lang sind, gibt es in diversen Sammelbänden, von denen nun ein neuer erschienen ist: „Blutige Nachrichten“ enthält vier Stories, die er in den letzten Jahren verfasst hat.
Das Genre liegt King, er erreicht darin eine erzählerische Finesse, die seinen Romanen manchmal abgeht. Was man zum Beispiel daran erkennen kann, dass die besten Verfilmungen seiner Bücher oft nicht auf seinen Romanen basieren, sondern auf den Short Stories: Aus „Die Leiche“ wurde der Sommerabenteuerfilm „Stand by Me“, aus „Rita Hayworth and the Shawshank Redemption“ die Gefängnisballade „Die Verurteilten“.
In der kurzen Form übertreibt es der Gruselliebhaber King nicht immer gar so mit den obskuren Monstern und Überwesen, die seine Romane bevölkern. Stattdessen besinnt er sich auf den Horror, von dem es schon im normalen Leben genug gibt – sanft zugespitzt natürlich. Er hat Geschichten verfasst, in denen es um Liebeskummer geht, um Einsamkeit, um Rechtsextremismus. Alles Themen, mit denen er in der Öffentlichkeit eher nicht in Verbindung gebracht wird, weil der popkulturelle Einfluss seiner Horrorclowns, Zombiekatzen und Körperfresser immer größer war.
Schade eigentlich, denn King ist auch ein ausgezeichneter Chronist weniger übernatürlicher Befindlichkeiten, zumal der amerikanischen. Eines seiner schönsten Werke ist die Novellen-Sammlung „Hearts in Atlantis“ (1999), in der es um die 68er-Generation und das schwere Erbe des Vietnamkriegs geht, das Amerika bis in die Gegenwart hinein formt.
Gegen sein Horror-Image schreibt King auch im neuen Band ein wenig an, in der Kurzgeschichte „Chucks Leben“. Darin geht es um einen Bankbuchhalter mit grauem Anzug und grauem Leben. Der spaziert nach einer Tagung durch Boston und trifft auf der Bolyston Street einen Straßenmusiker, dessen Schlagzeugspiel ihn dazu verleitet, die Aktentasche abzustellen und zu tanzen. Ein winziger revolutionärer Akt in einem regelkonformen Leben. Wie dieser arme Kerl für ein paar Minuten per Moonwalk aus seinem Schablonendasein ausbricht, das letztlich auch eine Horrorgeschichte ist, das ist die schönste Passage des Bandes.
Um sie genießen zu können, muss man allerdings erst an der ersten Kurzgeschichte vorbei, der schlechtesten der vier. Sie liest sich, als hätte ein lustlos programmierter Stephen-King-Algorithmus sie verfasst. „Mr. Harrigans Telefon“ erzählt von einem Jungen, der sich bei einem knorrigen Millionär ein paar Dollar dazuverdient, indem er ihm vorliest. Nach dem Tod des Alten hat der Junge über ein iPhone weiterhin Kontakt zu ihm und er bittet ihn aus der Gruft um Hilfe. Solche obskuren Plots liebt King und manchmal funktionieren sie auch, wenn er sie mit Figuren bevölkert, die das Übernatürliche glaubhaft machen; hier bleiben die Protagonisten aber so blass, dass man diesen Einstieg am besten überblättert.
Es gibt außerdem eine Mini-Fortsetzung seines Romans „Der Outsider“ von 2018, deren Titel dem Band seinen Namen gibt: „Blutige Nachrichten“. Die junge Privatdetektivin Holly – King, der alte Männerschreiber, hat sich in den letzten Jahren redlich Mühe gegeben, öfter mal aus weiblicher Perspektive zu erzählen – verdächtigt einen Reporter des Lokalfernsehens, selbst hinter dem Bombenanschlag auf eine Schule zu stecken, über den er so kenntnisreich berichtet.
Am lustigsten ist die letzte Kurzgeschichte mit dem Titel „Die Ratte“. Darin zieht sich ein Schriftsteller, der bislang nur Kurzgeschichten zustande gebracht hat, und mit allen Romanversuchen seine Familie und sich selbst an den Rand des Nervenzusammenbruchs manövriert hat, in eine verlassene Waldhütte zurück. Ein letzter Versuch, das Opus Magnum zu schaffen, von dem er träumt, einen opulenten Westernroman.
Als nach ein paar Dutzend Seiten wieder die Schreibblockade einsetzt, kratzt in einer stürmischen Nacht eine hässliche Ratte an der Tür zur Hütte, die eine Reinkarnation von Jonathan Franzen ist – oder den Schriftsteller zumindest sehr gut zu imitieren weiß. Sie zitiert ausführlich aus einem Vortrag Franzens über die Tücken des kreativen Schreibens, den der Protagonist vor einiger Zeit gehört hat. Und sie bietet ihrem verzweifelten Gegenüber einen faustischen Pakt an: Sie werde dafür sorgen, dass er seinen Roman erfolgreich zu Ende schreiben könne, auch eine Veröffentlichung sei nicht ausgeschlossen. Aber, sagt die Franzen-Ratte, jemand, der dir wichtig ist, muss sterben dafür.
DAVID STEINITZ
In der kurzen Form übertreibt
King es nicht so mit den Monstern
und Überwesen seiner Romane
Die Ratte ist eine Reinkarnation
von Jonathan Franzen, oder
imitiert ihn zumindest sehr gut
Stephen King: Blutige Nachrichten. Aus dem Englischen von Bernhard Kleinschmidt. Heyne, München 2020. 560 Seiten, 24 Euro.
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Schablonendasein
Neue Lieferung der Short Stories von Stephen King
Bevor Stephen King als Schriftsteller ein reicher Mann wurde, hauste er mit seiner Frau und den Kindern in einem heruntergekommenen Wohnwagen. Das Geld, das er als Aushilfsenglischlehrer verdiente – läppische 6400 Dollar im Jahr, wie er einst dem Playboy erzählte – reichte aber nicht mal für den Lebensunterhalt im Trailer.
Also jobbte King nachts noch in einer Wäscherei und schrieb Kurzgeschichten. Die verkaufte er für ein paar Dollar an Zeitschriften, die man dem Segment der Gentlemen-Unterhaltung zuordnen kann. Publikationen wie The Dude oder Cavalier. Es waren die glorreichen Siebzigerjahre, als das Internet weder die Print- noch die Erotikindustrie bedrohte.
Kings Exit-Strategie aus der Wohnwagen-Misere wurde sein Debütroman „Carrie“, 1974, mit dem seine Karriere als finanziell sorgloser Bestsellerautor begann. Das Genre der Pulp Fiction in Kurzform hat der heute 72-Jährige über die Jahrzehnte aber trotzdem mit großer Freude gepflegt. Die Kurzgeschichten des Langschreibers King, die selten unter 100 Seiten lang sind, gibt es in diversen Sammelbänden, von denen nun ein neuer erschienen ist: „Blutige Nachrichten“ enthält vier Stories, die er in den letzten Jahren verfasst hat.
Das Genre liegt King, er erreicht darin eine erzählerische Finesse, die seinen Romanen manchmal abgeht. Was man zum Beispiel daran erkennen kann, dass die besten Verfilmungen seiner Bücher oft nicht auf seinen Romanen basieren, sondern auf den Short Stories: Aus „Die Leiche“ wurde der Sommerabenteuerfilm „Stand by Me“, aus „Rita Hayworth and the Shawshank Redemption“ die Gefängnisballade „Die Verurteilten“.
In der kurzen Form übertreibt es der Gruselliebhaber King nicht immer gar so mit den obskuren Monstern und Überwesen, die seine Romane bevölkern. Stattdessen besinnt er sich auf den Horror, von dem es schon im normalen Leben genug gibt – sanft zugespitzt natürlich. Er hat Geschichten verfasst, in denen es um Liebeskummer geht, um Einsamkeit, um Rechtsextremismus. Alles Themen, mit denen er in der Öffentlichkeit eher nicht in Verbindung gebracht wird, weil der popkulturelle Einfluss seiner Horrorclowns, Zombiekatzen und Körperfresser immer größer war.
Schade eigentlich, denn King ist auch ein ausgezeichneter Chronist weniger übernatürlicher Befindlichkeiten, zumal der amerikanischen. Eines seiner schönsten Werke ist die Novellen-Sammlung „Hearts in Atlantis“ (1999), in der es um die 68er-Generation und das schwere Erbe des Vietnamkriegs geht, das Amerika bis in die Gegenwart hinein formt.
Gegen sein Horror-Image schreibt King auch im neuen Band ein wenig an, in der Kurzgeschichte „Chucks Leben“. Darin geht es um einen Bankbuchhalter mit grauem Anzug und grauem Leben. Der spaziert nach einer Tagung durch Boston und trifft auf der Bolyston Street einen Straßenmusiker, dessen Schlagzeugspiel ihn dazu verleitet, die Aktentasche abzustellen und zu tanzen. Ein winziger revolutionärer Akt in einem regelkonformen Leben. Wie dieser arme Kerl für ein paar Minuten per Moonwalk aus seinem Schablonendasein ausbricht, das letztlich auch eine Horrorgeschichte ist, das ist die schönste Passage des Bandes.
Um sie genießen zu können, muss man allerdings erst an der ersten Kurzgeschichte vorbei, der schlechtesten der vier. Sie liest sich, als hätte ein lustlos programmierter Stephen-King-Algorithmus sie verfasst. „Mr. Harrigans Telefon“ erzählt von einem Jungen, der sich bei einem knorrigen Millionär ein paar Dollar dazuverdient, indem er ihm vorliest. Nach dem Tod des Alten hat der Junge über ein iPhone weiterhin Kontakt zu ihm und er bittet ihn aus der Gruft um Hilfe. Solche obskuren Plots liebt King und manchmal funktionieren sie auch, wenn er sie mit Figuren bevölkert, die das Übernatürliche glaubhaft machen; hier bleiben die Protagonisten aber so blass, dass man diesen Einstieg am besten überblättert.
Es gibt außerdem eine Mini-Fortsetzung seines Romans „Der Outsider“ von 2018, deren Titel dem Band seinen Namen gibt: „Blutige Nachrichten“. Die junge Privatdetektivin Holly – King, der alte Männerschreiber, hat sich in den letzten Jahren redlich Mühe gegeben, öfter mal aus weiblicher Perspektive zu erzählen – verdächtigt einen Reporter des Lokalfernsehens, selbst hinter dem Bombenanschlag auf eine Schule zu stecken, über den er so kenntnisreich berichtet.
Am lustigsten ist die letzte Kurzgeschichte mit dem Titel „Die Ratte“. Darin zieht sich ein Schriftsteller, der bislang nur Kurzgeschichten zustande gebracht hat, und mit allen Romanversuchen seine Familie und sich selbst an den Rand des Nervenzusammenbruchs manövriert hat, in eine verlassene Waldhütte zurück. Ein letzter Versuch, das Opus Magnum zu schaffen, von dem er träumt, einen opulenten Westernroman.
Als nach ein paar Dutzend Seiten wieder die Schreibblockade einsetzt, kratzt in einer stürmischen Nacht eine hässliche Ratte an der Tür zur Hütte, die eine Reinkarnation von Jonathan Franzen ist – oder den Schriftsteller zumindest sehr gut zu imitieren weiß. Sie zitiert ausführlich aus einem Vortrag Franzens über die Tücken des kreativen Schreibens, den der Protagonist vor einiger Zeit gehört hat. Und sie bietet ihrem verzweifelten Gegenüber einen faustischen Pakt an: Sie werde dafür sorgen, dass er seinen Roman erfolgreich zu Ende schreiben könne, auch eine Veröffentlichung sei nicht ausgeschlossen. Aber, sagt die Franzen-Ratte, jemand, der dir wichtig ist, muss sterben dafür.
DAVID STEINITZ
In der kurzen Form übertreibt
King es nicht so mit den Monstern
und Überwesen seiner Romane
Die Ratte ist eine Reinkarnation
von Jonathan Franzen, oder
imitiert ihn zumindest sehr gut
Stephen King: Blutige Nachrichten. Aus dem Englischen von Bernhard Kleinschmidt. Heyne, München 2020. 560 Seiten, 24 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
David Steinitz findet Steven King am raffiniertesten in seinen Kurzgeschichten. Der neue Band macht ihn daher zunächst einmal neugierig auf weniger Grusel und mehr feine Zuspitzungen des Alltagshorrors. Fündig wird der Rezensent in der Story "Chucks Leben" über einen langweiligen Buchhalter mit einem kurzen Moonwalk-Moment oder auch in der letzten, in der es um einen Schriftsteller mit Schreibblockade geht, der mit einer Jonathan Franzen ähnelnden Ratte einen faustischen Pakt schließt. Die erste der Geschichten soll der Leser lieber überschlagen, rät Steinitz, die in seinen Ohren klingt, als hätte ein King-Algorithmus sie verfasst.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Für den Kritiker enervierend, aber natürlich auch toll ist, dass King trotz seines hohen Outputs anscheinend nicht in der Lage ist, langweilige Bücher zu schreiben.« Andreas Borcholte, Der Spiegel