Monika Maron von einer ganz anderen Seite
"Ich saß verloren in meiner Wohnung und fragte mich, was ich hier eigentlich sollte. Mein Hund war gestorben und hatte mich in die Einsamkeit entlassen. Ich brauchte einen neuen Hund." Die unvergessliche Geschichte von Bonnie Propeller, dem Hund mit den zwei Namen, handelt von unerfüllbaren Erwartungen und unverhofftem Glück; von Freude, Liebe - und von der selbstverordneten Notwendigkeit, dreimal am Tag das Haus zu verlassen.
Ungekürzte Lesung mit Monika Maron
1 CD, ca. 1h
"Ich saß verloren in meiner Wohnung und fragte mich, was ich hier eigentlich sollte. Mein Hund war gestorben und hatte mich in die Einsamkeit entlassen. Ich brauchte einen neuen Hund." Die unvergessliche Geschichte von Bonnie Propeller, dem Hund mit den zwei Namen, handelt von unerfüllbaren Erwartungen und unverhofftem Glück; von Freude, Liebe - und von der selbstverordneten Notwendigkeit, dreimal am Tag das Haus zu verlassen.
Ungekürzte Lesung mit Monika Maron
1 CD, ca. 1h
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2020Auf den Hund
Gespannt erwartet und schon da: Monika Marons neues Buch
Rede da noch jemand von der angeblichen Gemächlichkeit klassischen Büchermachens! Noch keine vier Wochen ist es her, dass der Verlag Hoffmann und Campe mitteilte, dass die künftigen Bücher von Monika Maron bei ihm erscheinen werden, und schon ist das erste zu kaufen: "Bonnie Propeller", eine schmale Erzählung von nicht einmal fünfzig Seiten für den stolzen Preis von fünfzehn Euro. Das sind Handke-Verhältnisse, also gewissermaßen Nobelpreisaufschlag, wobei der kommerzielle Ritterschlag für Monika Maron sich einem Nackenschlag verdankt: Im Oktober hatte sich ihr bisheriger Verlag S. Fischer nach fast vierzig Jahren von der Schriftstellerin getrennt, weil er das wechelseitige Vertrauensverhältnis dadurch zerstört sah, dass sie eine kleine Essaysammlung in einer aus Verlagssicht unliebsamen, weil von politisch rechter Seite vertriebenen Buchreihe erscheinen ließ (F.A.Z. vom 21. und 22. Oktober).
Dadurch ist die Neugier auf das neue Büchlein angeheizt worden, bei dem man sich wundern mochte, dass es so knapp nach dem erst im August erschienenen Fischer-Letztling, dem Roman "Artur Lanz", als Manuskript bereitlag. Zumal die Handlung von "Bonnie Propeller" fast bis an die unmittelbare Gegenwart heranerzählt. Monika Maron muss es auf den Nägeln gebrannt haben, diesen Text zu schreiben.
Doch wer ein politisches Buch erwartet hatte (was "Artur Lanz" mit seiner Beschwörung von Zivilcourage durchaus ist), der wird enttäuscht: Maron erzählt erkennbar autobiographisch über ihren neuen Hund, jene Bonnie Propeller des Titels, die von der Ich-Erzählerin, einer wie Maron 1941 geborenen namenlosen Schriftstellerin, nach dem Tod des Vorgängers bei einer Fundhund-Vermittlung aufgestöbert wird, aber zunächst die Erwartungen enttäuscht. Wie sich dann doch Begeisterung fürs ebenso tiefbeinige wie hochbegabte Tier einstellt, das ist herzerwärmend zu lesen.
Hunde, so erfahren wir gleich zu Beginn des Buchs, brauchen für die Erzählerin nichts zu wissen vom Dreißigjährigen Krieg. Anders also als im Fall der Krähe Munin aus dem gleichnamigen vorletzten Maron-Roman. "Bonnie Propeller" führt die bei Maron seit "Endmoränen" latente Tierthematik fort, setzt aber auf instrumentelle statt intellektuelle Vernunft. Es ist ein mehrheitsfähiges Buch dank Harmlosigkeit.
Aber die leicht Erregbaren unter Monika Marons Verächtern können beunruhigt sein: Einmal fällt in "Bonnie Propeller" der Begriff "Corona-Regime", und ein paar Seiten der Frauchen-Hündchen-Geschichte spielen im und ums Dresdner Buchhaus Loschwitz, dessen Publikation des erwähnten Essaybandes den Anlass für S. Fischer dargestellt hatte, sich von seiner Autorin zu trennen.
ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gespannt erwartet und schon da: Monika Marons neues Buch
Rede da noch jemand von der angeblichen Gemächlichkeit klassischen Büchermachens! Noch keine vier Wochen ist es her, dass der Verlag Hoffmann und Campe mitteilte, dass die künftigen Bücher von Monika Maron bei ihm erscheinen werden, und schon ist das erste zu kaufen: "Bonnie Propeller", eine schmale Erzählung von nicht einmal fünfzig Seiten für den stolzen Preis von fünfzehn Euro. Das sind Handke-Verhältnisse, also gewissermaßen Nobelpreisaufschlag, wobei der kommerzielle Ritterschlag für Monika Maron sich einem Nackenschlag verdankt: Im Oktober hatte sich ihr bisheriger Verlag S. Fischer nach fast vierzig Jahren von der Schriftstellerin getrennt, weil er das wechelseitige Vertrauensverhältnis dadurch zerstört sah, dass sie eine kleine Essaysammlung in einer aus Verlagssicht unliebsamen, weil von politisch rechter Seite vertriebenen Buchreihe erscheinen ließ (F.A.Z. vom 21. und 22. Oktober).
Dadurch ist die Neugier auf das neue Büchlein angeheizt worden, bei dem man sich wundern mochte, dass es so knapp nach dem erst im August erschienenen Fischer-Letztling, dem Roman "Artur Lanz", als Manuskript bereitlag. Zumal die Handlung von "Bonnie Propeller" fast bis an die unmittelbare Gegenwart heranerzählt. Monika Maron muss es auf den Nägeln gebrannt haben, diesen Text zu schreiben.
Doch wer ein politisches Buch erwartet hatte (was "Artur Lanz" mit seiner Beschwörung von Zivilcourage durchaus ist), der wird enttäuscht: Maron erzählt erkennbar autobiographisch über ihren neuen Hund, jene Bonnie Propeller des Titels, die von der Ich-Erzählerin, einer wie Maron 1941 geborenen namenlosen Schriftstellerin, nach dem Tod des Vorgängers bei einer Fundhund-Vermittlung aufgestöbert wird, aber zunächst die Erwartungen enttäuscht. Wie sich dann doch Begeisterung fürs ebenso tiefbeinige wie hochbegabte Tier einstellt, das ist herzerwärmend zu lesen.
Hunde, so erfahren wir gleich zu Beginn des Buchs, brauchen für die Erzählerin nichts zu wissen vom Dreißigjährigen Krieg. Anders also als im Fall der Krähe Munin aus dem gleichnamigen vorletzten Maron-Roman. "Bonnie Propeller" führt die bei Maron seit "Endmoränen" latente Tierthematik fort, setzt aber auf instrumentelle statt intellektuelle Vernunft. Es ist ein mehrheitsfähiges Buch dank Harmlosigkeit.
Aber die leicht Erregbaren unter Monika Marons Verächtern können beunruhigt sein: Einmal fällt in "Bonnie Propeller" der Begriff "Corona-Regime", und ein paar Seiten der Frauchen-Hündchen-Geschichte spielen im und ums Dresdner Buchhaus Loschwitz, dessen Publikation des erwähnten Essaybandes den Anlass für S. Fischer dargestellt hatte, sich von seiner Autorin zu trennen.
ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.12.2020Niedliches Tier, köstliche Geschichte
Die politische Aufregung um Monika Maron lädt sogar ihre harmlose Idylle „Bonnie Propeller“ mit Bedeutung auf
Scharfzüngig sei sie, kann man über die Schriftstellerin Monika Maron lesen. In ihrer neuen Erzählung „Bonnie Propeller“ ist sie es nicht. Der Titel lässt an Kinderbücher von einst denken, im Genre der humoristischen Idylle, die Heldin ist ein kleiner Hund.
Leicht ließe er sich in die Reihe der Hunde eintragen, die, mal Retter, mal gerettet, in den Büchern Monika Marons auftauchen. Das muss aber nicht sein. Die Erzählerin, wie die Autorin Jahrgang 1941 und allein lebende Großstädterin in Berlin mit ländlichem Domizil in Vorpommern, macht von Beginn an klar, dass Bonnie Propeller sich auf einer Art Planstelle bewähren muss: „Momo starb ein paar Tage vor Weihnachten.“ Der Vorgänger ist aber nicht tot, sondern geistert als Erinnerung durch die Erzählung, wie Bruno, der Vorvorgänger. Beide waren Rüden, beide größer als Bonnie Propeller, beide der Stellenbeschreibung gewachsen: „Zwischen dem Hund und mir geht es nur um das Elementare, um die Nahrung, die Gemeinsamkeit und um Liebe. Es ist das Bündnis von zwei Kreaturen mit dem einzigen Zweck, einander Freude und Beistand zu sein.“
Die Begegnung der Kreaturen auf Augenhöhe ist der Gegenentwurf zum Machtgefälle zwischen Herr und Hund, sie findet in der Welt statt, in der vor noch nicht allzu langer Zeit die Hundehalterin ein „Frauchen“, der Hundehalter ein „Herrchen“ war. Auch bei riesigen Doggen. Die Pfleger in den Tierheimen sagen, dass sich niemand einen Hund anschaffen soll, der nicht bereit ist, Autoritätsperson zu sein. Das Kreaturenbündnis folgt einer anderen Idee, sie zielt eher Richtung Paradies.
In der modernen Literatur hat die reine Idylle, das Vollglück in der Beschränkung, ausgedient. Sie muss sich immer noch gegen alles abschirmen, was sie bedroht, macht das aber längst nicht mehr durch Ausschluss, sondern durch die Allzweckwaffe des humoristischen Erzählens. Ein Satz wie „Den Hund verstehen bedeutet auch, das Tier in mir zu verstehen“ könnte auf abgründige Abwege führen, aber nicht bei diesem Hund, nicht bei Bonnie Propeller. Dafür ist er zu niedlich – seine Haupteigenschaft – und die Geschichte, was es mit seinem Namen auf sich hat, zu köstlich.
Nein, nicht er, sondern sie. Bonnie Propeller ist die erste Hündin, die sich die Erzählerin anschafft. Sie muss eine Leerstelle füllen, die von Rüden geschaffen wurde. In einer Zeit, in der „die Diskussion über das biologische und das konstruierte soziale Geschlecht von Menschen sogar bis in die Hunderatgeber gedrungen“ ist. So wird sie in der gendergerechten Sprache dieser Erzählung zur „Rüdin“. Damit sind die Schwierigkeiten der Leerstellenauffüllung aber nicht behoben. Sie liegen darin, dass Bonnie Propeller klein und hässlich ist. Das sah auf dem Internetvideo, mit dem für sie geworben wurde, noch anders aus. Beim Nachmessen fehlen zehn Zentimeter. Die Stellenanwärterin hat das Zeug, zur Enttäuschung zu werden.
Aber zum Glück auch zur komisch-liebenswerten Figur, und das lässt sich die Erzählerin nicht entgehen und setzt zur Vertreibung der Enttäuschungsgeister kleine selbstironische Tupfer. Am Ende ist alles, alles gut und natürlich darf der Todfeind der Idylle, der Tod, nur im Hintergrund herumrumoren. In dezenten Anspielungen wie der, dass sich die Erzählerin im Formular der Hundevermittlung zehn Jahre jünger macht und Bonnie Propeller sehr jung ist: „Dieses kleine, unschöne Tier sollte nun mein letzter Hund sein, mit dem ich schicksalhaft bis zum Tod verbunden bleiben sollte. Nein, nein“.
Leider ist Bonnie Propeller der Erzählungsband abhanden gekommen, in dem sie einen Platz hätte finden können. Klein, wie sie ist, kann sie ein ganzes Buch nicht füllen. Wenn man nachmisst, kommt sie gerade mal auf 45 Seiten, denen man nicht vorwerfen kann, zu eng bedruckt zu sein. Monika Marons neuer Verlag bringt die Hundeidylle, in der es dem humoristischen Ton nicht immer gelingt, die schwanzwedelnde Treuherzigkeit im Zaum zu halten, dennoch zum Preis von 15 Euro heraus.
Das ist eine Spekulation zum einen auf das Weihnachtsgeschäft, zum anderen auf das Aufsehen, das Monika Maron jüngst erregt hat, als sie einige ihrer Essays in der „Exil“-Reihe der Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen veröffentlichte. Die Publikation führte zum Konflikt mit dem S.-Fischer-Verlag, in dem ihre Bücher seit Jahrzehnten, schon zu DDR-Zeiten erschienen. Die vom Verlag geforderte „Distanzierung von einem publizistischen Netzwerk, in dem völkisch und rassistisch argumentiert wird“, mochte die Autorin nicht leisten, es kam zur Trennung. In „Bonnie Propeller“ gibt es zwar eine Lesung bei einer anonymen Dresdner Buchhändlerin, aber die bleibt Staffage. Der Verlag verkauft das Buch dennoch mit einer Art Skandalaufschlag und degradiert Bonnie Propeller, kaum hat sie mit Mühe das Herz ihres Frauchens erobert, zur Trittbrettfahrerin einer politischen Aufregung.
Woher kommt in der deutschen Literatur das Modell des Umschlags von politischer Dramatik in die Hundeidylle? Von Thomas Mann. Im März 1918 hat er die „Betrachtungen eines Unpolitischen“ abgeschlossen, nicht weit weg von konservativer Revolution, jedenfalls anti-republikanisch und sofort danach mit der Arbeit an „Herr und Hund“ begonnen. Damit war er im Oktober fertig. Dann kam die Republik. Die Erzählung handelt von einem Hund aus dem Volk, „Bauschan“. Sein Vorgänger, ein Aristokrat namens Perceval, wurde erschossen. Nicht lange, nachdem Thomas Mann in „Herr und Hund“ über Herr und Knecht, die Jagd und sein Verhältnis zu Lederpeitschen nachgedacht hatte, begann seine Aussöhnung mit der Republik. Auf dieses Modell können wir hoffen. Das rechtfertigt aber nicht den überhöhten Preis.
LOTHAR MÜLLER
Monika Maron: Bonnie Propeller. Erzählung. Hoffmann und Campe, Hamburg 2020. 64 Seiten, 15 Euro.
Der Verlag verkauft das Buch mit
Skandalaufschlag und macht
Bonnie zur Trittbrettfahrerin
Nicht Herr und Hund, nicht
Machtgefälle,
sondern
Augenhöhe:
Die Autorin
Monika Maron
und ihr weiblicher Hund Bonnie
Propeller.
Fotos: Vivian J. Rhein-
heimer, privat
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Die politische Aufregung um Monika Maron lädt sogar ihre harmlose Idylle „Bonnie Propeller“ mit Bedeutung auf
Scharfzüngig sei sie, kann man über die Schriftstellerin Monika Maron lesen. In ihrer neuen Erzählung „Bonnie Propeller“ ist sie es nicht. Der Titel lässt an Kinderbücher von einst denken, im Genre der humoristischen Idylle, die Heldin ist ein kleiner Hund.
Leicht ließe er sich in die Reihe der Hunde eintragen, die, mal Retter, mal gerettet, in den Büchern Monika Marons auftauchen. Das muss aber nicht sein. Die Erzählerin, wie die Autorin Jahrgang 1941 und allein lebende Großstädterin in Berlin mit ländlichem Domizil in Vorpommern, macht von Beginn an klar, dass Bonnie Propeller sich auf einer Art Planstelle bewähren muss: „Momo starb ein paar Tage vor Weihnachten.“ Der Vorgänger ist aber nicht tot, sondern geistert als Erinnerung durch die Erzählung, wie Bruno, der Vorvorgänger. Beide waren Rüden, beide größer als Bonnie Propeller, beide der Stellenbeschreibung gewachsen: „Zwischen dem Hund und mir geht es nur um das Elementare, um die Nahrung, die Gemeinsamkeit und um Liebe. Es ist das Bündnis von zwei Kreaturen mit dem einzigen Zweck, einander Freude und Beistand zu sein.“
Die Begegnung der Kreaturen auf Augenhöhe ist der Gegenentwurf zum Machtgefälle zwischen Herr und Hund, sie findet in der Welt statt, in der vor noch nicht allzu langer Zeit die Hundehalterin ein „Frauchen“, der Hundehalter ein „Herrchen“ war. Auch bei riesigen Doggen. Die Pfleger in den Tierheimen sagen, dass sich niemand einen Hund anschaffen soll, der nicht bereit ist, Autoritätsperson zu sein. Das Kreaturenbündnis folgt einer anderen Idee, sie zielt eher Richtung Paradies.
In der modernen Literatur hat die reine Idylle, das Vollglück in der Beschränkung, ausgedient. Sie muss sich immer noch gegen alles abschirmen, was sie bedroht, macht das aber längst nicht mehr durch Ausschluss, sondern durch die Allzweckwaffe des humoristischen Erzählens. Ein Satz wie „Den Hund verstehen bedeutet auch, das Tier in mir zu verstehen“ könnte auf abgründige Abwege führen, aber nicht bei diesem Hund, nicht bei Bonnie Propeller. Dafür ist er zu niedlich – seine Haupteigenschaft – und die Geschichte, was es mit seinem Namen auf sich hat, zu köstlich.
Nein, nicht er, sondern sie. Bonnie Propeller ist die erste Hündin, die sich die Erzählerin anschafft. Sie muss eine Leerstelle füllen, die von Rüden geschaffen wurde. In einer Zeit, in der „die Diskussion über das biologische und das konstruierte soziale Geschlecht von Menschen sogar bis in die Hunderatgeber gedrungen“ ist. So wird sie in der gendergerechten Sprache dieser Erzählung zur „Rüdin“. Damit sind die Schwierigkeiten der Leerstellenauffüllung aber nicht behoben. Sie liegen darin, dass Bonnie Propeller klein und hässlich ist. Das sah auf dem Internetvideo, mit dem für sie geworben wurde, noch anders aus. Beim Nachmessen fehlen zehn Zentimeter. Die Stellenanwärterin hat das Zeug, zur Enttäuschung zu werden.
Aber zum Glück auch zur komisch-liebenswerten Figur, und das lässt sich die Erzählerin nicht entgehen und setzt zur Vertreibung der Enttäuschungsgeister kleine selbstironische Tupfer. Am Ende ist alles, alles gut und natürlich darf der Todfeind der Idylle, der Tod, nur im Hintergrund herumrumoren. In dezenten Anspielungen wie der, dass sich die Erzählerin im Formular der Hundevermittlung zehn Jahre jünger macht und Bonnie Propeller sehr jung ist: „Dieses kleine, unschöne Tier sollte nun mein letzter Hund sein, mit dem ich schicksalhaft bis zum Tod verbunden bleiben sollte. Nein, nein“.
Leider ist Bonnie Propeller der Erzählungsband abhanden gekommen, in dem sie einen Platz hätte finden können. Klein, wie sie ist, kann sie ein ganzes Buch nicht füllen. Wenn man nachmisst, kommt sie gerade mal auf 45 Seiten, denen man nicht vorwerfen kann, zu eng bedruckt zu sein. Monika Marons neuer Verlag bringt die Hundeidylle, in der es dem humoristischen Ton nicht immer gelingt, die schwanzwedelnde Treuherzigkeit im Zaum zu halten, dennoch zum Preis von 15 Euro heraus.
Das ist eine Spekulation zum einen auf das Weihnachtsgeschäft, zum anderen auf das Aufsehen, das Monika Maron jüngst erregt hat, als sie einige ihrer Essays in der „Exil“-Reihe der Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen veröffentlichte. Die Publikation führte zum Konflikt mit dem S.-Fischer-Verlag, in dem ihre Bücher seit Jahrzehnten, schon zu DDR-Zeiten erschienen. Die vom Verlag geforderte „Distanzierung von einem publizistischen Netzwerk, in dem völkisch und rassistisch argumentiert wird“, mochte die Autorin nicht leisten, es kam zur Trennung. In „Bonnie Propeller“ gibt es zwar eine Lesung bei einer anonymen Dresdner Buchhändlerin, aber die bleibt Staffage. Der Verlag verkauft das Buch dennoch mit einer Art Skandalaufschlag und degradiert Bonnie Propeller, kaum hat sie mit Mühe das Herz ihres Frauchens erobert, zur Trittbrettfahrerin einer politischen Aufregung.
Woher kommt in der deutschen Literatur das Modell des Umschlags von politischer Dramatik in die Hundeidylle? Von Thomas Mann. Im März 1918 hat er die „Betrachtungen eines Unpolitischen“ abgeschlossen, nicht weit weg von konservativer Revolution, jedenfalls anti-republikanisch und sofort danach mit der Arbeit an „Herr und Hund“ begonnen. Damit war er im Oktober fertig. Dann kam die Republik. Die Erzählung handelt von einem Hund aus dem Volk, „Bauschan“. Sein Vorgänger, ein Aristokrat namens Perceval, wurde erschossen. Nicht lange, nachdem Thomas Mann in „Herr und Hund“ über Herr und Knecht, die Jagd und sein Verhältnis zu Lederpeitschen nachgedacht hatte, begann seine Aussöhnung mit der Republik. Auf dieses Modell können wir hoffen. Das rechtfertigt aber nicht den überhöhten Preis.
LOTHAR MÜLLER
Monika Maron: Bonnie Propeller. Erzählung. Hoffmann und Campe, Hamburg 2020. 64 Seiten, 15 Euro.
Der Verlag verkauft das Buch mit
Skandalaufschlag und macht
Bonnie zur Trittbrettfahrerin
Nicht Herr und Hund, nicht
Machtgefälle,
sondern
Augenhöhe:
Die Autorin
Monika Maron
und ihr weiblicher Hund Bonnie
Propeller.
Fotos: Vivian J. Rhein-
heimer, privat
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Judith von Sternburg gelingt es, auch über den "winzigen", ihrer Meinung nach im Grunde nichts über sich selbst hinaus bedeutenden Text von Monika Maron etwas Freundliches zu schreiben. Nämlich, dass das Büchlein prima als Weihnachtsgeschenk taugt, der Preis mit 15 Euro (für 55 Seiten!) nicht zu hoch für ein Geschenk ist und fast jeder mit einem Hundethema etwas anfangen kann. Freude bereitet Sternburg Marons Ehrlichkeit, wenn die Erzählerin von der Trauer über den alten und den Vorbehalten gegen den etwas hässlichen neuen Hund berichtet, auch wenn der schlichte Ton nicht an Thomas Mann heranreicht, wie die Rezensentin feststellt.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Eine kleine schöne Erzählung über das Alter.« Anne-Dore Krohn rbb Kultur 20201202