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"Bronsteins Kinder" sind der 19Jährige Hans und seine Schwester, die doppelt so alte Elle. Sie lebt seit Jahren in einem Heim für Nervenkranke; seit dem Krieg, seit sie als jüdisches Kind in ein Versteck gegeben wurde, überfällt sie Leute mit bestimmten Gesichtern. Damals lebte Hans zusammen mit seinem Vater; die Mutter war bald nach seiner Geburt gestorben. Hans liebte die Studentin Martha Lepschitz. Der Vater von Hans besaß ein Häuschen vor der Stadt im Wald; dorthin fuhren sie häufig, um allein zu sein, manchmal auch ohne des Vaters Wissen. Eines Tages fand Hans das Haus besetzt. Dies war…mehr

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Produktbeschreibung
"Bronsteins Kinder" sind der 19Jährige Hans und seine Schwester, die doppelt so alte Elle. Sie lebt seit Jahren in einem Heim für Nervenkranke; seit dem Krieg, seit sie als jüdisches Kind in ein Versteck gegeben wurde, überfällt sie Leute mit bestimmten Gesichtern. Damals lebte Hans zusammen mit seinem Vater; die Mutter war bald nach seiner Geburt gestorben. Hans liebte die Studentin Martha Lepschitz. Der Vater von Hans besaß ein Häuschen vor der Stadt im Wald; dorthin fuhren sie häufig, um allein zu sein, manchmal auch ohne des Vaters Wissen. Eines Tages fand Hans das Haus besetzt. Dies war der Beginn einer Geschichte, die sein Leben veränderte...
(4 CDs, Laufzeit: 4h 50)
Autorenporträt
Becker, Jurek
Jurek Becker wurde am 30. September 1937 in Lodz/Polen geboren und starb 1997. Er wuchs im Ghetto in Lodz auf und wurde später in Konzentrationslagern inhaftiert. 1945 siedelte er in den Ostteil Berlins über. Aus politischen Gründen wird er vom Studium ausgeschlossen und geht an die Filmhochschule Babelsberg. Neben zahlreicher Drehbücher schreibt er ab 1969 Romane.

Grube, Christoph
Christoph Grube wurde 1978 in Erlangen geboren. Nach seinem Studium der Germanistik und Geschichte absolvierte er eine mehrjährige Sprecherausbildung bei der Münchner Theaterpädagogin Ursula Nisser und der Schauspielerin Astrid von Jenny.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Seit dem Tod seines Vaters lebt der 19-jährige Hans Bronstein bei den Eltern seiner Freundin Martha Lepschitz, in die er längst nicht mehr verliebt ist. Er schreibt, um nicht irre zu werden. Ein Jahr früher: Wenn Hans und Martha miteinander schlafen wollen, fahren sie zum Sommerhaus seines Vaters - er besitzt heimlich einen Zweitschlüssel. So entdeckt er, dass sein Vater und zwei andere Holocaust-Überlebende dort einen ehemaligen KZ-Aufseher gefangen halten und foltern. Hin- und hergerissen zwischen der Loyalität zu seinem ihm plötzlich entfremdeten Vater und Mitleid mit dem Gequälten, sucht Hans Rat bei seiner älteren Schwester. Elle, die ihrer Kriegstraumata wegen scheinbar wahllos Menschen angreift, lebt in einer Anstalt. Hier wird viel verhandelt: Erwachsenwerden, Selbstjustiz, jüdische Identität, die bodenlose Fremdheit zwischen den Generationen. Hans ist kein klassischer Sympathieträger, er denkt zu klar, und das ist gut. Seine Ratlosigkeit macht ihn un- und allparteiisch. Das stellt Christoph Grube nuancenreich dar. Er gibt dem Ich-Erzähler Kühle und Ungeduld, eine kalte Neugier, aber auch Verletzlichkeit und eine kindliche Sehnsucht nach Trost.

© BÜCHERmagazin, Elisabeth Dietz (ed)
"Er (Christoph Grube) gibt dem Ich-Erzähler Kühle und Ungeduld, eine kalte Neugier, aber auch Verletzlichkeit und eine kindliche Sehnsucht nach Trost." Bücher

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.01.2005

Band 45
Der Karpfen in der Wanne
Jurek Beckers Roman „Bronsteins Kinder”
„Vor einem Jahr kam mein Vater auf die denkbar schwerste Weise zu Schaden, er starb.” So lakonisch beginnt Hans seine Erzählung. Mit dem Verstand will er erledigen, was andere mit ihren Gefühlen leisten, und er wünscht sich das „steinerne Herz”, damit ihm in Zukunft sterben kann, wer will, „noch so ein Jahr wird mir nicht mehr passieren”. Was sich dann als Szenerie enthüllt, scheint zu gewaltig, zu überdimensioniert für die DDR-Welt des Sommers 1973 zu sein: In einem Wochenendhaus in der Nähe von Berlin wird ein ehemaliger KZ-Aufseher gefangen gehalten. Seine drei Entführer, die ihn verhören und foltern, sind Juden, frühere Häftlinge, unter ihnen Hans’ Vater, der, wenn es ein Gericht gäbe, das von ihnen, den Juden, anerkannt würde, nie auf die Idee einer Folterung gekommen wäre.
Was Hans erzählt, erklärt nicht, warum sich die drei Männer gebärden wie „die Helden eines Alptraums”. Über den Tod des Vaters weiß man am Ende kaum mehr als zu Beginn, ebenso wenig erfährt man, warum die Liebe zwischen Hans und Martha sich verflüchtigt hat. Dafür wird der Widerspruch zwischen dem Erlebten und dem Versuch, darauf angemessen zu reagieren, immer deutlicher und schmerzhafter. Auch für den Leser.
Hans, der es ablehnt, das Kind eines „Opfers” zu sein, für den das Konzentrationslager Neuengamme „kaum mehr als ein böses Wort” ist, der geglaubt hatte, „nach dreißig Jahren könnten sie wie normale Menschen leben”, kann nur zusehen, wie aus dem Ort der heimlichen Treffen mit Martha eine stinkende Folterkammer wird. Als er sich zur Tat entschließt, ist der Vater bereits tot. Hans verkauft bald darauf das Wochenendhaus - an einen Schriftsteller.
Jurek Becker, 1937 im Ghetto von Lodz geboren, überlebt im Konzentrationslager Ravensbrück mit seiner Mutter, die kurz nach der Befreiung stirbt. Sein Vater, am Ende des Kriegs im KZ Sachsenhausen, findet den schwer kranken Sohn, sie bleiben in Berlin. Nicht nur der Hintergrund der Shoa verbindet „Jakob der Lügner” (1969) und „Der Boxer” (1976) mit „Bronsteins Kinder” (1986 im Westen, 1987 im Osten veröffentlicht). In allen drei Büchern wird das Erzählen selbst zum Thema. Elle, die Schwester von Hans, überlebte bei einem Bauern versteckt die Nazizeit, muss aber wegen ihrer aggressiven Anfälle in einer Anstalt leben. Keiner kann sich aussuchen, „wann er den Verstand verliert”. Auf der anderen Seite ist da Martha, die Schauspielerin wird. Hans findet es bitter, dass sie „eine jüdische Abstammung oder ein jüdisches Gesicht zu Geld” macht.
Das Gleichgewicht, das diese Erzählung überhaupt erst möglich macht, die Balance, die zwischen dem Wunsch nach einem steinernen Herzen und der Ursache dieses Wunsches besteht, ist fragil. Das Erzählen selbst wird zur Balancierstange, die Hans vor dem Absturz bewahrt. Das macht diesen Tonfall, das ganze Buch so eindringlich und zu einem der besten, die in den letzten Jahrzehnten auf Deutsch geschrieben wurden. Hier spricht jemand, um nicht zu erstarren, um am Leben und bei Verstand zu bleiben, obwohl er weiß, dass man über dem Erlebten eigentlich nur den Verstand verlieren kann. Dieser Widerspruch prägt noch die Sicht auf das profanste Detail. Beim Anblick eines Karpfens in der Badewanne, der noch lebt, weil unklar ist, wer ihn schlachten soll, räsoniert Hans: „Wäre er ein Vogel, würde ich ihm das Fenster öffnen.”
INGO SCHULZE
Jurek Becker
Foto: Nikolaus Becker
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