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Eine kleine Straße in Holland 1945: in einer Winternacht wird hier der mit den Nazis kollaborierende Polizist Ploeg erschossen. Eine fast unbedeutende Episode in der Geschichte des großen Mordens des Weltkrieges. Für die Bewohner der aus nur vier Häusern bestehenden Straße aber eine Katastrophe. Der zwölfjährige Anton Steenwijk, sieht durch einen Spalt in der Jalousie, wie der Nachbar Korteweg mit seiner Tochter Karin aus seinem Haus stürzt und die Leiche vor das Haus der Steenwijks schleift. Minuten später ist ein Kommando der Deutschen da. Weil Ploeg vor ihrer Tür liegt, werden die…mehr

Produktbeschreibung
Eine kleine Straße in Holland 1945: in einer Winternacht wird hier der mit den Nazis kollaborierende Polizist Ploeg erschossen. Eine fast unbedeutende Episode in der Geschichte des großen Mordens des Weltkrieges. Für die Bewohner der aus nur vier Häusern bestehenden Straße aber eine Katastrophe. Der zwölfjährige Anton Steenwijk, sieht durch einen Spalt in der Jalousie, wie der Nachbar Korteweg mit seiner Tochter Karin aus seinem Haus stürzt und die Leiche vor das Haus der Steenwijks schleift. Minuten später ist ein Kommando der Deutschen da. Weil Ploeg vor ihrer Tür liegt, werden die Steenwijks verhaftet, ihr Haus niedergebrannt. Anton sieht seine Eltern nie wieder. Er wird mit der tatsächlichen Attentäterin, die bei der folgenden Razzia zufällig verhaftet wurde, zusammengesperrt. Anton hat Glück und überlebt. Dreißig Jahre später kann er die Fakten jener Nacht genau rekonstruieren und trifft alle Beteiligten wieder: den Sohn des Polizisten Ploeg, der seinen Vater für ein Opfe r der Kommunisten hält, er erfährt, dass die Freundin jener Nacht in der Zelle die Schuld am Tod seiner Eltern trug, weil sie genau wusste, dass die Deutschen sich für den Mord an den Unschuldigen rächen würden. Und er trifft auch Karin Korteweg, die damals half, Ploegs Leiche vor die Tür seiner Eltern zu legen und die erzählt, dass ihr Vater Selbstmord verübt hat, weil er seine Schuld am Tod d er Steenwijks nicht ertragen konnte. So geraten die einstmals klaren Fronten zwischen Freund und Feind, zwischen Besatzung und Widerstand durcheinander und als bestürzendes Fazit bleibt, dass nur diejenigen, die in der Nacht des Attentates die Rolläden herunterließen und nichts gehört und gesehen haben wollen am Ende als einzige eine weiße Weste behalten.
Autorenporträt
Harry Mulisch, geboren 1927 in Haarlem, lebte in Amsterdam. In seinem umfangreichen Werk, Erzählungen, Romane, Theaterstücke, Gedichte, Essays, Studien, Reportagen, Libretti und Drehbücher, spielen der Zweite Weltkrieg und dessen Folge, der Kalte Krieg, eine wichtige Rolle. Harry Mulisch erhielt zahlreiche Literaturpreise, unter anderem den Niederländischen Staatspreis für Literatur. 2010 verstarb Harry Mulisch.
Trackliste
CD 1
1Das Attentat00:06:59
2Das Attentat00:14:58
3Das Attentat00:19:52
4Das Attentat00:11:33
5Das Attentat00:16:53
CD 2
1Das Attentat00:13:43
2Das Attentat00:12:39
3Das Attentat00:07:14
4Das Attentat00:09:58
5Das Attentat00:09:29
6Das Attentat00:14:11
7Das Attentat00:02:43
CD 3
1Das Attentat00:07:57
2Das Attentat00:05:52
3Das Attentat00:12:48
4Das Attentat00:05:37
5Das Attentat00:08:02
6Das Attentat00:05:59
7Das Attentat00:10:09
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.07.2004

Band 19
Schüsse in der Winternacht
Harry Mulischs Roman „Das Attentat”
„Weit, weit zurück, im Zweiten Weltkrieg, wohnte ein gewisser Anton Steenwijk mit seinen Eltern und seinem Bruder am Stadtrand von Haarlem.” Fast wie ein Märchen beginnt der 1982 veröffentlichte Roman „Das Attentat” des Niederländers Harry Mulisch, aber schon auf der ersten Seite begreifen wir, dass da ein raffinierter Erzähler anhebt zu einer Geschichte, die eher einem Albtraum gleicht. In einer Winternacht des Jahres 1945 fallen in einem aus vier Häusern bestehenden Weiler Schüsse. Durch die Jalousie können es der elfjährige Anton Steenwijk und sein Bruder genau sehen: Vor dem Nachbargrundstück liegt auf der Straße ein Fahrrad und daneben ein Mann, Fake Ploeg, „der größte Mörder und Verräter von Haarlem und Umgebung”. Schlimmer noch, die beiden Buben sehen auch, wie plötzlich der Nachbar aus dem Haus stürzt, sich mehrfach umschaut und den vor seiner Tür liegenden Polizeiinspektor vor das Haus der Steenwijks schleift.
Zehn Minuten später sind die deutschen Soldaten da. Der kleine Anton ist der einzige der Steenwijks, der die Vergeltungsaktion der Besatzer überlebt. Mehr als zwanzig Jahre später hört er nach einer Beerdigung einen Mann erzählen, wie er den Polizeiinspektor in jener Winternacht mit drei Schüssen vom Fahrrad geholt hat. Dieser Mann, dieser Widerstandskämpfer, schließt Anton Steenwijk, ist also dafür verantwortlich, dass seine Eltern und sein Bruder erschossen wurden.
Von da an rutscht für ihn vieles ins Unbegreifliche und Absurde. Weil die Opfer, wie sich nach und nach herausstellt, manchmal eben auch Täter sind und die Kinder der Täter nach dem Krieg auch Opfer. Weil die Ein- und Aufteilung der Welt in Täter und Opfer nicht zu taugen scheint für ein Begreifen dessen, was in diesen Kriegs- und Besatzungsjahren passiert ist. Warum haben die Widerstandskämpfer, die doch mit einer Vergeltungsaktion der Deutschen rechnen mussten, bei der Erschießung des Polizeiinspektors das Leben Unschuldiger riskiert? Und warum hat der Nachbar diesen Kollaborateur ausgerechnet vor das Haus der Steenwijks geschleift, warum hat er ihn nicht etwa vor dem Grundstück des anderen Nachbarn liegen lassen?
Während sich viele Kollaborateure nach dem Krieg - das Wunder gibt es überall - rasch in Widerstandskämpfer verwandeln, werden ihre Opfer nicht fertig mit der Vergangenheit. Und als wollte die Geschichte im Nachhinein ihre Opfer verhöhnen, haben diejenigen, die in der Nacht des Attentats nichts gehört und gesehen haben wollen, als Einzige eine weiße Weste.
„Das Attentat” ist in den Niederlanden heute ein Klassiker, Schullektüre und Thema zahlloser historischer und literarischer Dissertationen. Der Roman wurde bislang mehr als 700000-mal verkauft. Dabei ist das packend erzählte Buch des 1927 in Haarlem geborenen Mulischs, der Sohn einer jüdischen Mutter ist und eines österreichischen Vaters, welcher während der deutschen Besetzung die enteigneten Guthaben deportierter Juden verwaltete, von einer geradezu diabolischen Komplexität und Raffinesse. Mulisch räumt nicht nur mit dem Klischee vom Widerstand der (im Sinne von: aller) Niederländer auf, sondern demontiert auch dramaturgisch geschickt alle Parameter der politischen Moral. Warum und wie einer zum Schwein wird, oder eben nicht, das muss immer wieder neu erzählt werden.
CHRISTOPH BUCHWALD
Harry Mulisch
Foto: Chris van Houts
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