"Der Chronist der Winde" hat Afrika aus der Perspektive eines Straßenkindes beschrieben. "Das Auge des Leoparden" erzählt von den Erfahrungen eines erwachsenen Mannes auf diesem faszinierenden und fremden Kontinent.
Eigentlich hatte der junge Mann nur eine kurze Reise nach Afrika machen wollen, aber dann war er neunzehn Jahre gebliegen. Statt in Uppsala sein Jurastudium zu beenden, übernimmt er in Lusaka die Hühnerfarm einer weißen Engländerin, deren Mann im Busch verschollen ist. Dabei verfolgt er ehrgeizige Reformpläne: Er will neue Häuser für die Schwarzen bauen, ihnen höhere Löhne zahlen und ihren Kindern eine Schule einrichten. Er sorgt für die Witwe eines schwarzen Handwerkers und ihre vier Töchter, deren jüngste für ihn wie eine eigene Tochter wird. Doch bald mehren sich die Zeichen, dass sich die Zustände wohl nicht so rasch in seinem Sinne ändern lassen. Seine weißen Nachbarn werden massakriert. Den Kopf seines getöteten Schäferhundes findet er mit herausgeschnittener Zunge an einen Baum gebunden. Und der Mann, den er für seinen einzigen schwarzen Freund hält, rät ihm, für immer wegzugehen.
Eigentlich hatte der junge Mann nur eine kurze Reise nach Afrika machen wollen, aber dann war er neunzehn Jahre gebliegen. Statt in Uppsala sein Jurastudium zu beenden, übernimmt er in Lusaka die Hühnerfarm einer weißen Engländerin, deren Mann im Busch verschollen ist. Dabei verfolgt er ehrgeizige Reformpläne: Er will neue Häuser für die Schwarzen bauen, ihnen höhere Löhne zahlen und ihren Kindern eine Schule einrichten. Er sorgt für die Witwe eines schwarzen Handwerkers und ihre vier Töchter, deren jüngste für ihn wie eine eigene Tochter wird. Doch bald mehren sich die Zeichen, dass sich die Zustände wohl nicht so rasch in seinem Sinne ändern lassen. Seine weißen Nachbarn werden massakriert. Den Kopf seines getöteten Schäferhundes findet er mit herausgeschnittener Zunge an einen Baum gebunden. Und der Mann, den er für seinen einzigen schwarzen Freund hält, rät ihm, für immer wegzugehen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.08.2004Der Malaria-Mörder
Henning Mankells Roman „Das Auge des Leoparden”
„Warum bin ich ich, denkt er. Ich und kein anderer?” Hans Olofson ist zwölf, als ihn diese Frage zum ersten Mal überfällt. Erik, sein Vater, war früher Seemann, jetzt ist er ein trunksüchtiger Holzfäller in den Wäldern Südschwedens. Seine Mutter hat er nie gekannt. Hans hat keine leichte Kindheit und Jugend. Er ist ein Grübler, der das Unglück magisch anzuziehen scheint: Sture, sein einziger Freund, bricht sich bei einer Mutprobe das Rückgrat; Janine, seine erste große Liebe, ertränkt sich im Fluss. Nach Abbruch seines Jurastudiums findet Hans sich im Jahre 1969 als Verwalter einer Hühnerfarm in Sambia wieder. Aber je länger er in Afrika lebt, desto weniger findet er sich in seiner Wahlheimat zurecht, die ihm immer fremder und bedrohlicher erscheint.
„Das Auge des Leoparden”, im Original bereits 1990 erschienen, zeichnet zugleich das Porträt eines unglücklichen, zerrissenen Menschen und eines unglücklichen, zerrissenen Kontinents. Das Talent, das Henning Mankell seit Jahren an die Spitze der Bestsellerlisten führt, bewährt sich auch hier. Der Autor versteht es, schwerwiegende existentielle und politische Probleme so aufzubereiten, dass der Leser sich mit ihnen auch im Liegestuhl oder am Strand konfrontieren mag.
Der Roman beginnt im Jahr 1987. Ein heftiger Malariaanfall lässt in dem vom Fieber geschüttelten Hans seine Vergangenheit emporsteigen. Der Umgang mit der Technik der Rückblende zeigt, ein wie cleverer Erzähler Mankell ist. Er schaltet nicht zwischen zwei, sondern zwischen drei Zeitebenen hin und her: der afrikanischen Gegenwart des Anfangs, der Jugend von Hans in Schweden und seinen Anfängen in Sambia. Der Wechsel von einer Vergangenheitsstufe zur anderen vollzieht sich selbstverständlich immer dann, wenn es spannend wird, und selbstverständlich fehlt es von Zeit zu Zeit auch nicht an verheißungsvollen Andeutungen, die zusätzlich die Neugierde des Lesers kitzeln sollen.
Durchschaut man die erzählerischen Tricks, mit denen der Autor arbeitet, so gibt es zwei Möglichkeiten: Bewunderung ob ihres überaus routinierten Einsatzes oder gerade deswegen ein gewisser Überdruss. Um von diesem Roman fasziniert zu werden, muss man seine Form völlig übersehen oder sie im Gegenteil bewundern wie das Ineinandergreifen eines Uhrwerks.
Ein kühler Blick auf Afrika
Sehr für „Das Auge des Leoparden” spricht auf jeden Fall der von jeglicher Dritte Welt-Romantik freie Blick auf Afrika. Mankell schildert den unverhohlenen Rassismus der weißen Farmer, verhehlt aber auch nicht die Korruptheit und Gier, den Aberglauben und die Gewaltbereitschaft der Afrikaner. Für die teils durch die koloniale Vergangenheit, teils durch uralte kulturelle Unterschiede hervorgerufene Kluft zwischen Schwarz und Weiß gibt es am Ende des Romans keine Lösung: Hans Olofson, der in Afrika den Sinn suchte, tötet dort zwei Männer und kehrt resigniert zurück nach Schweden.
CHRISTOPH HAAS
HENNING MANKELL: Das Auge des Leoparden. Roman. Aus dem Schwedischen von Paul Berf. Zsolnay Verlag, Wien 2004. 379 Seiten, 21,50 Euro.
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Henning Mankells Roman „Das Auge des Leoparden”
„Warum bin ich ich, denkt er. Ich und kein anderer?” Hans Olofson ist zwölf, als ihn diese Frage zum ersten Mal überfällt. Erik, sein Vater, war früher Seemann, jetzt ist er ein trunksüchtiger Holzfäller in den Wäldern Südschwedens. Seine Mutter hat er nie gekannt. Hans hat keine leichte Kindheit und Jugend. Er ist ein Grübler, der das Unglück magisch anzuziehen scheint: Sture, sein einziger Freund, bricht sich bei einer Mutprobe das Rückgrat; Janine, seine erste große Liebe, ertränkt sich im Fluss. Nach Abbruch seines Jurastudiums findet Hans sich im Jahre 1969 als Verwalter einer Hühnerfarm in Sambia wieder. Aber je länger er in Afrika lebt, desto weniger findet er sich in seiner Wahlheimat zurecht, die ihm immer fremder und bedrohlicher erscheint.
„Das Auge des Leoparden”, im Original bereits 1990 erschienen, zeichnet zugleich das Porträt eines unglücklichen, zerrissenen Menschen und eines unglücklichen, zerrissenen Kontinents. Das Talent, das Henning Mankell seit Jahren an die Spitze der Bestsellerlisten führt, bewährt sich auch hier. Der Autor versteht es, schwerwiegende existentielle und politische Probleme so aufzubereiten, dass der Leser sich mit ihnen auch im Liegestuhl oder am Strand konfrontieren mag.
Der Roman beginnt im Jahr 1987. Ein heftiger Malariaanfall lässt in dem vom Fieber geschüttelten Hans seine Vergangenheit emporsteigen. Der Umgang mit der Technik der Rückblende zeigt, ein wie cleverer Erzähler Mankell ist. Er schaltet nicht zwischen zwei, sondern zwischen drei Zeitebenen hin und her: der afrikanischen Gegenwart des Anfangs, der Jugend von Hans in Schweden und seinen Anfängen in Sambia. Der Wechsel von einer Vergangenheitsstufe zur anderen vollzieht sich selbstverständlich immer dann, wenn es spannend wird, und selbstverständlich fehlt es von Zeit zu Zeit auch nicht an verheißungsvollen Andeutungen, die zusätzlich die Neugierde des Lesers kitzeln sollen.
Durchschaut man die erzählerischen Tricks, mit denen der Autor arbeitet, so gibt es zwei Möglichkeiten: Bewunderung ob ihres überaus routinierten Einsatzes oder gerade deswegen ein gewisser Überdruss. Um von diesem Roman fasziniert zu werden, muss man seine Form völlig übersehen oder sie im Gegenteil bewundern wie das Ineinandergreifen eines Uhrwerks.
Ein kühler Blick auf Afrika
Sehr für „Das Auge des Leoparden” spricht auf jeden Fall der von jeglicher Dritte Welt-Romantik freie Blick auf Afrika. Mankell schildert den unverhohlenen Rassismus der weißen Farmer, verhehlt aber auch nicht die Korruptheit und Gier, den Aberglauben und die Gewaltbereitschaft der Afrikaner. Für die teils durch die koloniale Vergangenheit, teils durch uralte kulturelle Unterschiede hervorgerufene Kluft zwischen Schwarz und Weiß gibt es am Ende des Romans keine Lösung: Hans Olofson, der in Afrika den Sinn suchte, tötet dort zwei Männer und kehrt resigniert zurück nach Schweden.
CHRISTOPH HAAS
HENNING MANKELL: Das Auge des Leoparden. Roman. Aus dem Schwedischen von Paul Berf. Zsolnay Verlag, Wien 2004. 379 Seiten, 21,50 Euro.
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»Was als Zufallsspiel und Tagtraum begonnen hatte, wird zu einer Lebensaufgabe - und angesichts der dort herrschenden politischen Verhältnisse allmählich zu einem Kampf um Leben und Tod. Henning Mankells neuer Afrika-Roman erzählt von den Gegensätzen zwischen Afrika und Europa, von den Folgen des Kolonialismus in einem jungen, unabhängig gewordenen afrikanischen Staat, dessen Bewohner zwischen Korruption und Terror auf der einen und Freiheitsdrang und Idealismus auf der anderen Seite leben. Ein spannender und kluger, keineswegs pessimistischer Roman, der in eindrücklichen Bildern über die Faszination und die Fremdheit des >dunklen Kontinents< reflektiert.« Neue Zürcher Zeitung