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Schon im 18. Jahrhundert ein perfekter Entertainer: Guiseppe Balsamo alias Conte di Cagliostro verstand es, sein Publikum in den Bann zu ziehen. Lustvoll erzählt Autor Michael Schneider, wie es dem entlaufenen Apothekerlehrling aus Palermo gelang, dass just der kleine Gaukler die abergläubischen Eliten des Ancien Régime als Wunderheiler, als Hellseher, zuletzt als Großmeister einer Loge derart nasführen konnte. Wie er, tief verstrickt in die Halsbandaffäre um Königin Antoinette, dennoch einer Verurteilung entkam. Um dann doch in den Kerkern der Inquisition zu enden Die inszenierte Lesung mit…mehr

Produktbeschreibung
Schon im 18. Jahrhundert ein perfekter Entertainer: Guiseppe Balsamo alias Conte di Cagliostro verstand es, sein Publikum in den Bann zu ziehen. Lustvoll erzählt Autor Michael Schneider, wie es dem entlaufenen Apothekerlehrling aus Palermo gelang, dass just der kleine Gaukler die abergläubischen Eliten des Ancien Régime als Wunderheiler, als Hellseher, zuletzt als Großmeister einer Loge derart nasführen konnte. Wie er, tief verstrickt in die Halsbandaffäre um Königin Antoinette, dennoch einer Verurteilung entkam. Um dann doch in den Kerkern der Inquisition zu enden Die inszenierte Lesung mit den Stimmen von Marie Bäumer und Felix von Manteuffel taucht ein in eine vergangene Epoche und lässt den Hörer bis zum Ende atemlos an Cagliostros Abenteuern teilhaben.
Autorenporträt
Michael Schneider, Dr. phil., ist Privatdozent und Projektleiter am Institut für Sozialwissenschaften der TU München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.2007

Hochstapler von Palermo
Vollendet: Michael Schneiders Cagliostro-Roman

Ein Bauer will einen Wolf, eine Ziege und einen Kohlkopf über einen Fluss transportieren; auf der Fähre hat aber außer ihm selbst immer nur einer Platz. Und er muss dafür sorgen, dass weder Wolf und Ziege noch Ziege und Kohlkopf zusammen an einem Ufer verbleiben. Denn der Hunger des Wolfes auf die Ziege, der Hunger der Ziege auf den Kohlkopf sind groß. Wie oft muss der Bauer übersetzen, um den Transport so zu bewerkstelligen, dass niemand gefressen wird? Dieses Rätsel stellt der Titelheld in Michael Schneiders Roman "Das Geheimnis des Cagliostro" der Frau, die er heiraten möchte. Herrlich werden im Roman die Mühen beschrieben, mit der es der Schönen gelingt, das Rätsel zu lösen. Die Lösung beschert ihr einen Ehemann, dessen überwältigende Suggestivkraft und faszinierende Zwielichtigkeit ihresgleichen suchen.

Gestaltet hat Schneider diesen Protagonisten, einen rechtschaffenen Seelenverwandten von Thomas Manns Felix Krull, nach der historischen Figur des Alessandro Conte di Cagliostro. Dieser wurde 1743 als Giuseppe Balsamo in Palermo geboren und wuchs vaterlos in armen Verhältnissen auf. Balsamo trat zunächst ins Kloster ein, wo er in der Apotheke mithalf und mystisches Wissen erwarb, kehrte nach Schwierigkeiten mit der klösterlichen Disziplin nach Palermo zurück und ergaunerte sich durch Betrügereien seinen Lebensunterhalt. 1768 verschlug es ihn nach Rom, wo er Lorenza Feliciani heiratete, Komplizin seiner späteren Unternehmungen.

So wie Lorenza, die später als falsche Adlige Contessa Serafina mit ihrem Schwindlergemahl durch die Lande zog, von Cagliostros spielerisch-rätselhaftem Werben fasziniert ist, so macht auch der Autor Schneider aus seiner Faszination für die rätselhafte Figur des Cagliostro keinen Hehl. Wie vor ihm neben der russischen Zarin Katharina I., Johann Wolfgang von Goethe und dem russischen Autor Michail Kusmin sage und schreibe mehr als fünfhundert andere Autoren und Biographen und Chronisten interessiert Schneider sich hier für eine Person, die wie kaum eine andere die dunkle Seite des Jahrhunderts der Aufklärung verkörpert und durch raffinierte Demagogie sowie ein feines Gespür für kollektive Sehnsüchte die Massen begeisterte.

Michael Schneider gelingt im Roman eine so unterhaltsame wie profunde Neuinterpretation der Figur und ihrer Zeit. Er erzählt die Geschichte ausgehend vom Ende der Karriere des weltreisenden Alchimisten und Seelenverführers. Nach spiritistischen Sitzungen und alchimistischen Experimenten an verschiedenen Orten hatte sich Cagliostro unter dem Namen "Groß-Kophta" als Anführer einer freimaurerischen Richtung nach einem von ihm selbst entwickelten "ägyptischen Ritus" stilisiert. 1779 hatte man ihm in Mitau sogar die Regierungsgewalt über das Herzogtum antragen wollen. 1785 hatte er sich in Paris niedergelassen, wo er, in die spirituelle Lücke des abgereisten Wunderheilers Mesmer springend, mit offenen Armen empfangen wurde. In die sogenannte Halsbandaffäre verwickelt, war er verhaftet und zusammen mit Lorenza-Serafina in der Bastille gefangen gehalten worden. Nach einem Freispruch hatte er Frankreich verlassen müssen und kam 1789, im Jahr der Französischen Revolution, nach Rom. Dort versuchte er, eine neue Freimaurerloge nach ägyptischem Ritus zu gründen. Von den Autoritäten des Kirchenstaates, der die Freimaurer erbittert verfolgt, wurde Cagliostro verhaftet und wegen Häresie und anderer Delikte vor Gericht gestellt.

Hier beginnt also Schneiders Roman. Der inhaftierte Cagliostro blickt zurück auf sein Leben und erzählt in unverblümter Frechheit, voller Witz, Charme und Intelligenz seinen Weg aus einem Armenviertel Palermos in die höchsten Kreise seiner Zeit. In einem weiteren Erzählstrang liest der mit dem Verhör beauftragte Großinquisitor Zelada Cagliostros Aufzeichnungen. Dessen Gedanken und seine bei der Lektüre immer stärker auflodernde Wut gegen Cagliostros schelmenhafte, hochstapelnde und überaus erfolgreiche Selbstglorifizierung mit Strahlkraft auf ganz Europa wecken in dem Inquisitor zähneknirschende Bewunderung.

Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich wunderbar plastisch eine Illustration der abstrakten Dialektik von Glaube und Vernunft, von Ver- und Entzauberung, die umso mehr an Spannung gewinnt, je mehr Cagliostros Ausführungen sich gegen Zeladas Religion wenden, deren Mittel des "Seelenfangs" sich mit denen des Protagonisten decken. In der Kombination des komplexen historischen Stoffes, der narrativen Erörterung philosophischer Kernthesen und souveräner Prosasprache gelingt Michael Schneider - der, wie man auf der Website des Autors erfahren kann, gelegentlich selbst als Zauberer auftritt - ein bezaubernder Roman, der die Vorzüge der Unterhaltung mit dem Angebot zur höheren Reflexion vereint. Dies geschieht in einer Vollendetheit, wie man sie in der deutschsprachigen Literatur eher selten findet. Der Zauber, den die Figur des Cagliostro auf den Autor ausgeübt haben muss, ist in den Roman eingesponnen. Man wird sich ihm nicht entziehen können und ihm ebenso erliegen wie Lorenza alias Contessa Serafina dem verrätselten Heiratsantrag um Bauer, Ziege und Wolf.

BEATE TRÖGER.

Michael Schneider: "Das Geheimnis des Cagliostro". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007. 704 S., geb., 19,90 [Euro].

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»Ein rundum gelungener historischer Roman mit allen positiven Zugaben des Fachs: Spannung, Figurenreichtum und packende Handlung.« Buchkultur, Österreich