Bogotá, 2009: Der Jura-Professor Antonio Yammara erfährt über eine Fernsehnachricht vom Tod eines Nilpferds, das zuvor aus dem ehemaligen Privatzoo des legendären Drogenkönigs Pablo Escobar entflohen war. Unmittelbar fühlt er sich in die Zeit der 90er-Jahre zurückversetzt, als der Drogenkrieg auf offener Straße ausgetragen wurde und er miterleben musste, wie ein Freund kaltblütig ermordet wurde. Bis heute quält Antonio die Erinnerung an jenen Tag und er beginnt, Nachforschungen anzustellen. Schmerzvoll erkennt er, wie stark sein eigenes Leben von der gewaltsamen Vergangenheit des Landes bestimmt wurde.
Hörspiel mit Sebastian Rudolph, Bernhard Schütz u.v.a.
2 CDs Laufzeit 99 min
Hörspiel mit Sebastian Rudolph, Bernhard Schütz u.v.a.
2 CDs Laufzeit 99 min
buecher-magazin.deAm Anfang steht der Tod eines Nilpferds. Es war aus dem Privatzoo des Drogenkönigs Escobar ausgebrochen, der nach dessen Tod langsam zerfällt. Die Nachricht wirft Jura-Professor Antonio Yammara in die Neunzigerjahre zurück, in die Drogenkriege von Bogotá. Damals wurde Ricardo Laverde, ein trauriger Einzelgänger, mit dem er seine Abende verbrachte, neben ihm erschossen. Yammara wurde reizbar, depressiv, agoraphob, vernachlässigte seine junge Familie - bis ihn Maya Fritz fand, Laverdes Tochter. Von ihr erfuhr er die Geschichte des geheimnisvollen Toten, der als junger Mann mit dem Flugzeug Marihuana und Kokain transportierte. Das Hörspiel zeichnet sich vor allem durch die sorgfältig ausgestalteten Atmos und die guten Leistungen sämtlicher Sprecher aus. Bernhard Schütz' Ricardo kann man seine Tränensäcke anhören, Sebastian Rudolphs Antonio wirkt stets gefährdet, zerbrechlich, instabil. Maya, die nicht nur ihren Vater auf tragische Weise verloren hat, klingt melancholisch, selbst wenn sie lacht. Nicht zuletzt ermöglicht das Werk einen kritischen Blick auf die prohibitive Drogenpolitik Richard Nixons und seiner Nachfolger.
© BÜCHERmagazin, Elisabeth Dietz (ed)
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.11.2014Kolumbiens Karambolage
Juan Gabriel Vásquez’ Roman „Das Geräusch der Dinge beim Fallen“ erzählt
vom Verhängnis seines Landes – aufgehängt an der Geschichte einer Freundschaft
VON KARL-MARKUS GAUSS
Der 1973 in Bogotá geborene Juan Gabriel Vásquez zählt zu den weltweit erfolgreichsten Erzählern seiner Generation. Sein perfekt konstruierter Roman „Die Informanten“, auf Deutsch 2010 erschienen, führte in jene Jahre zurück, als in der deutschen Gemeinde Kolumbiens national gesinnte Zuwanderer und jüdische Flüchtlinge aufeinander trafen, und handelte das Thema von Schuld und Erinnerung nicht auf die politisch erwartbare Weise ab. 2011 und 2013 waren zwei weitere Romane des von Vargas Llosa gerühmten Autors ins Deutsche übersetzt worden, die freilich ein wenig an dem Ehrgeiz laborieren, die Dinge chronikalisch verschachtelt und gesucht originell darzubieten. Der neue Roman, „Das Geräusch der Dinge beim Fallen“, ein Versuch über die Gewalt und darüber, was sie aus den Kolumbianern macht, hat Juan Gabriel Vásquez sogleich begeistertes Lob von Kollegen wie Jonathan Frantzen und zwei hoch dotierte Literaturpreise eingetragen.
Im Sommer 2009 wurde in Kolumbien, unter großer Anteilnahme der Presse und deren gerührter Leserschaft, ein Nilpferd gejagt und schließlich erschossen. Es war dem heruntergekommenen Privatzoo eines Mannes entlaufen, der sechzehn Jahre vorher gejagt und erschossen worden war, des Drogenbarons Pablo Escobar, eine der finstersten Gestalten der kolumbianischen Geschichte. Über ein Jahrzehnt lang hatte er sein Land schikaniert, missliebige Politiker und Journalisten ermorden lassen, mit Korruption und Gewalt einen Staat im Staate errichtet und im unwegsamen, wälderreichen Bergland ein von privaten Truppen gesichertes Luxusresort bewohnt.
Die Nachricht vom getöteten Nilpferd weckt in Antonia Yammara die Erinnerung an seine Kindheit und Jugend, über die der Schatten des Krieges zwischen Escobars Drogenkartell und dem kolumbianischen Staat fiel, besonders aber die an einen merkwürdigen Mann, dessen Wege die seinen vor gut fünfzehn Jahren kreuzten. Dieser dürre, rätselhafte Ricardo Laverde, ein gramgebeugter, einsamer Mann, von dem es hieß, dass er lange im Gefängnis gesessen war, verbrachte so wie der junge Jura-Professor Yammara seine Freizeit gerne in einem Billardsalon von Bogotá. Kaum dass sie Freundschaft schließen, wird auf Laverde ein Attentat verübt, dem er zum Opfer fällt und bei dem Yammara, als zufälliger Begleiter, schwer verletzt und fürs Leben traumatisiert wird: Der einst so gewinnende jüngste Professor der Fakultät wird danach von Panikattacken gequält, kann zeitweise seine Wohnung nicht mehr verlassen, mit seiner Ehefrau nicht mehr schlafen, aber auch nicht mehr reden, ohne in Wut zu geraten oder von Weinkrämpfen geschüttelt zu werden. All dies, die Gestalt Laverdes, seine eigene sich verdüsternde Geschichte, das kolumbianische Verhängnis beginnt Yammara jetzt neuerlich zu bedrängen. Ihm bleibt nichts, als seine Geschichte zu erzählen – die Geschichte eines Mannes, der hinter das Geheimnis eines anderen Mannes kommen möchte, um Klarheit über sich, seine Zeit, sein Land zu erlangen.
Wer war dieser Laverde? Warum saß er im Gefängnis und wer hat ihn erschossen? Juan Gabriel Vásquez lässt Yammara von seiner aktuellen Recherche und seiner eigenen Vergangenheit, aber auch von dem berichten, was er über Laverde, dessen Jugend und Leben herausgefunden hat. Dabei springt er von den Sechzigerjahren in die Gegenwart des Erzählens, von der Zeit, als Escobar seine Herrschaft des Schreckens etabliert, in jene, da das ganze Land in Gewalt und Gegengewalt versunken und darüber „die Resignation Teil unseres Nationalcharakters“ geworden ist.
Es gelingt ihm mit leichter Hand, Zeiten und Schauplätze zu wechseln, dabei achtet er jedoch sorgsam darauf, dass keine Verwirrung entsteht, sondern über das allgemeine Chaos und das private Desaster so erzählt wird, dass den Lesern die Übersicht nicht verloren geht. Überhaupt neigt der handwerklich souveräne Autor dazu, seine Leser nicht überfordern zu wollen, darum wiederholt er manches, erklärt er anderes und verstreut streckenweise etwas altkluge Sentenzen. Manchmal versucht er sich an kühnen Bildern, die schlichtweg blöde sind: „Ihr Gesicht war wie ein Fest, das alle Gäste verlassen hatten.“ Anderes wiederum ist so selbstverständlich, dass man sich wundert, warum es betont wird, etwa wenn der Ich-Erzähler endlich die Tochter Laverdes kennenlernt: „Sofort wusste ich, dass sie in meinem Alter war . . .“.
In der psychologischen Analyse ist der Autor am besten, wenn er schmerzliche Erfahrungen seiner Protagonisten auslotet. Verstört bemerkt Yammara eines Tages, dass seine kleine, von ihm innig geliebte Tochter nicht die Schönheit ihrer Mutter, sondern „stattdessen meine groben Züge geerbt hatte, meine schweren Knochen, meine auffälligen Ohren“. Politisch aber wird der Roman geradezu brisant, als Yammara hinter Laverdes Verstrickung in das Verbrechen kommt.
Ende der Sechzigerjahre waren Tausende US-Amerikaner nach Lateinamerika gegangen, idealistische Angehörige des Peace Corps, lauter junge Leute, die zu Hause gegen den Vietnam-Krieg demonstrierten und in den Entwicklungsländern das Ihre zur Verbesserung der Welt beitragen wollten. Aber ihr revolutionärer Eifer erlahmte bald, und was sie nach Lateinamerika brachten, war nicht die Idee des Umsturzes, sondern der Hippie-Traum vom bescheidenen Kommunardenleben, die tägliche Ration Drogen inklusive. Der Drogenhandel, der zur global agierenden Industrie geworden ist und Hunderte Millionen Menschen auf aller Welt versklavt hat, er wurde von Kerlen ins Land gebracht, die aus ihren Universitäten und Karrieren flohen und sich in Lateinamerika ihre bewusstseinserweiternden Räusche genehmigen wollten. Ihr erster Drogenkurier wurde Laverde, der das Land mit seinen Gebirgen und Wäldern kannte und als Pilot einer kleinen Propellermaschine ein verwegen kühner Könner war.
Juan Gabriel Vásquez geht in eine Ära zurück, als der Drogenhandel erst anfing, zum Big Business zu werden, in die vermeintlich „unschuldigen Jahre“, als Aussteiger damit begannen, bescheidene Geschäfte mit Drogen zu machen, um sich ihre kleinen Idyllen zu finanzieren. Und so erzählt er spannend und kenntnisreich wieder von Dingen, die alle seine Romane umkreisen, von Schuld, Verrat, von der Verstrickung des Einzelnen in die großen Verbrechen der Welt.
Juan Gabriel Vásquez: Das Geräusch der Dinge beim Fallen. Roman. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt/Main 2014.
296 Seiten, 22,95 Euro. E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Juan Gabriel Vásquez’ Roman „Das Geräusch der Dinge beim Fallen“ erzählt
vom Verhängnis seines Landes – aufgehängt an der Geschichte einer Freundschaft
VON KARL-MARKUS GAUSS
Der 1973 in Bogotá geborene Juan Gabriel Vásquez zählt zu den weltweit erfolgreichsten Erzählern seiner Generation. Sein perfekt konstruierter Roman „Die Informanten“, auf Deutsch 2010 erschienen, führte in jene Jahre zurück, als in der deutschen Gemeinde Kolumbiens national gesinnte Zuwanderer und jüdische Flüchtlinge aufeinander trafen, und handelte das Thema von Schuld und Erinnerung nicht auf die politisch erwartbare Weise ab. 2011 und 2013 waren zwei weitere Romane des von Vargas Llosa gerühmten Autors ins Deutsche übersetzt worden, die freilich ein wenig an dem Ehrgeiz laborieren, die Dinge chronikalisch verschachtelt und gesucht originell darzubieten. Der neue Roman, „Das Geräusch der Dinge beim Fallen“, ein Versuch über die Gewalt und darüber, was sie aus den Kolumbianern macht, hat Juan Gabriel Vásquez sogleich begeistertes Lob von Kollegen wie Jonathan Frantzen und zwei hoch dotierte Literaturpreise eingetragen.
Im Sommer 2009 wurde in Kolumbien, unter großer Anteilnahme der Presse und deren gerührter Leserschaft, ein Nilpferd gejagt und schließlich erschossen. Es war dem heruntergekommenen Privatzoo eines Mannes entlaufen, der sechzehn Jahre vorher gejagt und erschossen worden war, des Drogenbarons Pablo Escobar, eine der finstersten Gestalten der kolumbianischen Geschichte. Über ein Jahrzehnt lang hatte er sein Land schikaniert, missliebige Politiker und Journalisten ermorden lassen, mit Korruption und Gewalt einen Staat im Staate errichtet und im unwegsamen, wälderreichen Bergland ein von privaten Truppen gesichertes Luxusresort bewohnt.
Die Nachricht vom getöteten Nilpferd weckt in Antonia Yammara die Erinnerung an seine Kindheit und Jugend, über die der Schatten des Krieges zwischen Escobars Drogenkartell und dem kolumbianischen Staat fiel, besonders aber die an einen merkwürdigen Mann, dessen Wege die seinen vor gut fünfzehn Jahren kreuzten. Dieser dürre, rätselhafte Ricardo Laverde, ein gramgebeugter, einsamer Mann, von dem es hieß, dass er lange im Gefängnis gesessen war, verbrachte so wie der junge Jura-Professor Yammara seine Freizeit gerne in einem Billardsalon von Bogotá. Kaum dass sie Freundschaft schließen, wird auf Laverde ein Attentat verübt, dem er zum Opfer fällt und bei dem Yammara, als zufälliger Begleiter, schwer verletzt und fürs Leben traumatisiert wird: Der einst so gewinnende jüngste Professor der Fakultät wird danach von Panikattacken gequält, kann zeitweise seine Wohnung nicht mehr verlassen, mit seiner Ehefrau nicht mehr schlafen, aber auch nicht mehr reden, ohne in Wut zu geraten oder von Weinkrämpfen geschüttelt zu werden. All dies, die Gestalt Laverdes, seine eigene sich verdüsternde Geschichte, das kolumbianische Verhängnis beginnt Yammara jetzt neuerlich zu bedrängen. Ihm bleibt nichts, als seine Geschichte zu erzählen – die Geschichte eines Mannes, der hinter das Geheimnis eines anderen Mannes kommen möchte, um Klarheit über sich, seine Zeit, sein Land zu erlangen.
Wer war dieser Laverde? Warum saß er im Gefängnis und wer hat ihn erschossen? Juan Gabriel Vásquez lässt Yammara von seiner aktuellen Recherche und seiner eigenen Vergangenheit, aber auch von dem berichten, was er über Laverde, dessen Jugend und Leben herausgefunden hat. Dabei springt er von den Sechzigerjahren in die Gegenwart des Erzählens, von der Zeit, als Escobar seine Herrschaft des Schreckens etabliert, in jene, da das ganze Land in Gewalt und Gegengewalt versunken und darüber „die Resignation Teil unseres Nationalcharakters“ geworden ist.
Es gelingt ihm mit leichter Hand, Zeiten und Schauplätze zu wechseln, dabei achtet er jedoch sorgsam darauf, dass keine Verwirrung entsteht, sondern über das allgemeine Chaos und das private Desaster so erzählt wird, dass den Lesern die Übersicht nicht verloren geht. Überhaupt neigt der handwerklich souveräne Autor dazu, seine Leser nicht überfordern zu wollen, darum wiederholt er manches, erklärt er anderes und verstreut streckenweise etwas altkluge Sentenzen. Manchmal versucht er sich an kühnen Bildern, die schlichtweg blöde sind: „Ihr Gesicht war wie ein Fest, das alle Gäste verlassen hatten.“ Anderes wiederum ist so selbstverständlich, dass man sich wundert, warum es betont wird, etwa wenn der Ich-Erzähler endlich die Tochter Laverdes kennenlernt: „Sofort wusste ich, dass sie in meinem Alter war . . .“.
In der psychologischen Analyse ist der Autor am besten, wenn er schmerzliche Erfahrungen seiner Protagonisten auslotet. Verstört bemerkt Yammara eines Tages, dass seine kleine, von ihm innig geliebte Tochter nicht die Schönheit ihrer Mutter, sondern „stattdessen meine groben Züge geerbt hatte, meine schweren Knochen, meine auffälligen Ohren“. Politisch aber wird der Roman geradezu brisant, als Yammara hinter Laverdes Verstrickung in das Verbrechen kommt.
Ende der Sechzigerjahre waren Tausende US-Amerikaner nach Lateinamerika gegangen, idealistische Angehörige des Peace Corps, lauter junge Leute, die zu Hause gegen den Vietnam-Krieg demonstrierten und in den Entwicklungsländern das Ihre zur Verbesserung der Welt beitragen wollten. Aber ihr revolutionärer Eifer erlahmte bald, und was sie nach Lateinamerika brachten, war nicht die Idee des Umsturzes, sondern der Hippie-Traum vom bescheidenen Kommunardenleben, die tägliche Ration Drogen inklusive. Der Drogenhandel, der zur global agierenden Industrie geworden ist und Hunderte Millionen Menschen auf aller Welt versklavt hat, er wurde von Kerlen ins Land gebracht, die aus ihren Universitäten und Karrieren flohen und sich in Lateinamerika ihre bewusstseinserweiternden Räusche genehmigen wollten. Ihr erster Drogenkurier wurde Laverde, der das Land mit seinen Gebirgen und Wäldern kannte und als Pilot einer kleinen Propellermaschine ein verwegen kühner Könner war.
Juan Gabriel Vásquez geht in eine Ära zurück, als der Drogenhandel erst anfing, zum Big Business zu werden, in die vermeintlich „unschuldigen Jahre“, als Aussteiger damit begannen, bescheidene Geschäfte mit Drogen zu machen, um sich ihre kleinen Idyllen zu finanzieren. Und so erzählt er spannend und kenntnisreich wieder von Dingen, die alle seine Romane umkreisen, von Schuld, Verrat, von der Verstrickung des Einzelnen in die großen Verbrechen der Welt.
Juan Gabriel Vásquez: Das Geräusch der Dinge beim Fallen. Roman. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt/Main 2014.
296 Seiten, 22,95 Euro. E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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