Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 6,50 €
  • Audio CD

Hoch oben auf den Dächern der Stadt liegt das Paradies. Dort, über einer von Konzernen, Gentechnik und Drogen beherrschten Welt schafft sich die Sekte "Gärtner Gottes" eine neue Gesellschaft.
In einer am Abgrund stehenden Welt versuchen die "Gärtner Gottes" eine Parallelgesellschaft aufzubauen und ein Leben im Einklang mit der Natur zu führen. Sie leben auf den Dachgärten der Stadt und folgen Adam One, der das Ende der Menschheit voraussagt. Die junge Toby findet Zuflucht bei den "Gärtnern Gottes" und steigt mit der Zeit zur Anführerin auf. Ren gehört seit ihrer Kindheit zu der Sekte. Als…mehr

Produktbeschreibung
Hoch oben auf den Dächern der Stadt liegt das Paradies. Dort, über einer von Konzernen, Gentechnik und Drogen beherrschten Welt schafft sich die Sekte "Gärtner Gottes" eine neue Gesellschaft.
In einer am Abgrund stehenden Welt versuchen die "Gärtner Gottes" eine Parallelgesellschaft aufzubauen und ein Leben im Einklang mit der Natur zu führen. Sie leben auf den Dachgärten der Stadt und folgen Adam One, der das Ende der Menschheit voraussagt. Die junge Toby findet Zuflucht bei den "Gärtnern Gottes" und steigt mit der Zeit zur Anführerin auf. Ren gehört seit ihrer Kindheit zu der Sekte. Als ein unkontrollierbares Virus in wenigen Tagen den Großteil der Menschheit auslöscht, müssen beide Frauen in einer zukunftslosen Welt ihren Weg finden. Größtenteils aus Tobys Perspektive erzählt Margaret Atwood von einer Welt, in der die globalisierte Wirtschaft die Kontrolle übernommen, die Forschung jegliche Ethik verworfen hat und in der die Menschheit am Rande ihres Unterganges steht.
Autorenporträt
Margaret Atwood, geboren 1939 in Ottawa, ist eine der wichtigsten Autorinnen Kanadas. Ihre Werke liegen in über 20 Sprachen übersetzt vor und wurden national und international vielfach aus gezeichnet. Neben Romanen verfasst sie auch Essays, Kurzgeschichten und Lyrik. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Booker Prize, dem kanadischen Giller Prize und mit dem Prinz-von- Asturien-Preis (2008),mit dem Nelly-Sachs-Preis (2009) und dem PEN Pinter Prize (2016).
Sie lebt mit ihrer Familie in Toronto.

Regina Lemnitz markante Stimme kennt man nicht zuletzt durch die Synchronisation von Hollywoodstars wie Whoopi Goldberg, Roseanne Barr und Kathy Bates. Sie spielt Theater und singt, fesselt in Krimi- (Mary Higgins Clark) und Thrillerlesungen (Stephen King) und in einfühlsamen Geschichten ( Dewey und ich ).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.2009

Gärtner der Apokalypse
Flucht ins Wellness-Spa: Margaret Atwoods Dystopie

Einem rettenden Heißluftballon gleich schwebt eine goldgelbe Zwiebel auf dem Cover von Margaret Atwoods neuestem Roman - doch an ihrem Strunk ist kein Korb für mitfliegende Passagiere angebracht. Schon in "Oryx und Crake" (2003) stand die Auslöschung der herkömmlichen Menschheit zugunsten einer friedlicheren grasfressenden Variante im Mittelpunkt. Damals hatte die kanadische Gewinnerin des Booker Prize 2000 ihre Leserschaft erstmals mit männlichen Protagonisten überrascht oder auch schockiert, und nun präsentiert "Das Jahr der Flut", ähnlich wie "Die Penelopiade" (2005), die weibliche Version einer bereits vorliegenden Geschichte.

Bereits 1986 hatte sich Atwood im "Report der Magd" an einer Anti-Utopie versucht. Sie selbst bezeichnet ihre Romane als "speculative fiction", statt sie dem Genre der "science fiction" zuzuschreiben, und tatsächlich besticht Atwoods Werk durch die enge Verwobenheit seiner imaginierten Apokalyptik mit dem Hier und Jetzt. Wie jede Zukunftserzählung muss sich auch "Das Jahr der Flut" auf sein prophetisches Potential hin befragen lassen. Mit seinen manipulierten Retortenbabys hat sich Aldous Huxleys "Schöne Neue Welt" (1932), ähnlich wie George Orwells totalitäres Überwachungsszenario "1984" (1948), als leider nur allzu vorausschauend erwiesen. Atwood vermutet die Katastrophe im viralen Sektor: Die wasserlose Flut ist eine Seuche, und auch wenn es momentan so aussieht, als ob die Gefahr der Schweinegrippe überschätzt wurde, ist nicht ausgeschlossen, dass der Großteil der Menschheit eines Tages von einer weltweiten Epidemie dahingerafft werden wird.

Atwoods Roman changiert zwischen dem Jahr fünfundzwanzig der Flut und der Zeit vor der Katastrophe. Die burschikose Toby und die weitaus jüngere und mädchenhafte Ren sind zwei der wenigen Überlebenden - Toby, weil sie klug genug war, sich im rechten Moment allein in einem Wellness-Spa zu verbarrikadieren, und Ren, weil sie zum Zeitpunkt des Grippeausbruchs in der Isolationszelle ihres Nachtclubs eingesperrt war. Beide kennen sich von ihrer früheren Zeit bei den "Gärtnern", einer sektenartigen Vereinigung, die sich den Zwängen eines aufs brutalste ökonomisierten und technisierten Systems zu entziehen versucht, indem ihre Mitglieder auf den Dächern der Stadt ökologisches Gemüse anbauen und sich bemühen, in größtmöglicher Abgeschiedenheit und Eintracht zusammenzuleben.

Kein Fleisch zu essen, so lehrt jene Hippie-Vereinigung, ist weitaus entscheidender als das Ob und Wie des fleischlichen Genusses. In Notzeiten darf man kurzfristig auf tierische Proteine umsteigen - allerdings nur solange man seinen eigenen Körper ebenfalls als Teil von "Gottes großem Eiweißregen" versteht. Außerdem sollte man zumindest auf den Verzehr von Wirbeltieren verzichten, denn denen wird ein ausgeprägteres Schmerzempfinden nachgesagt als ihren Weichtierverwandten. Was die Gärtner euphemistisch unter notfalls zu vertilgenden "Landkrabben" verstehen, kann man sich also ungefähr vorstellen.

Neben den Gärtnern gibt es noch etliche andere Gruppierungen: die Sicherheitsleute des CorpSeCorps, die im Produzieren und Verschleudern von Leichen stark involviert sind; die Mitarbeiter des Gesundheitskonzerns HelthWyzer, der an der Ausmerzung sämtlicher Fehler im Bauplan von Mensch und Tier arbeitet; und schließlich die Masse der hedonistischen Plebsler. Atwood vermeidet eine allzu schematische Charakterisierung ihrer Figuren, denn auch innerhalb der Milieus gibt es große Unterschiede: während Adam Eins, der spirituelle Anführer der Gärtner, Gewalt radikal ausschließt, ist Zeb alias Adam Sechs der Ansicht, "dass Gewalt vor allem der eigenen Person gegenüber minimiert werden müsse". Der abschließende Ausblick auf die vom Genmanipulateur Crake hergestellten Gutmenschen ist da weit weniger unterhaltsam: Diesen Harmoniewesen mit ihren mächtigen blauen Genitalien geht jede Form von Aggressivität ab.

Die Gärtner hingegen bleiben nur allzu menschlich, abgesehen von Adam Eins, dem es vergönnt ist, jedes Kapitel mit einer christlich-mystischen Grundsatzrede einzuleiten, bevor er seine Gemeinde zum Anstimmen typischer Gärtnerlieder einlädt, deren Stanzen und Metrik stark an William Blakes "Songs of Innocence and Experience" erinnern, ohne allerdings auch nur annähernd deren Doppelbödigkeit zu erreichen. Aber vielleicht gefallen diese Texte manchem Leser gesungen ja viel besser - sie liegen online auch vertont vor.

Atwoods Roman hat seine Längen, doch die Stärken überwiegen. Die Schwierigkeit, den Leser davon zu überzeugen, dass in dieser Horrorwelt tatsächlich Menschen leben, meistert die Autorin, indem sie Beschreibungen vermeidet und es dem Fortgang der Handlung überlässt, zu klären, um was es sich zum Beispiel bei einem "See/H/Öhr-LekkerBit" handelt (eine portables synästhetisches Freizeitmedium), oder was es mit Rens "Biostrumpf" auf sich hat (ein atmungsaktives und höchst kleidsames Ganzkörperkondom). An dieser Stelle auch ein Hoch auf die Übersetzerin, die diese Details ins Deutsche übertragen hat, ohne dass deren lautmalerische Griffigkeit abhandengekommen wäre.

Ähnlich wie Atwoods erster Roman "Die essbare Frau" (1969, deutsch 1985) driftet auch "Das Jahr der Flut" stets unmerklich ins Surreale hinüber. Wie bei einem (Alb)Traum erscheinen einem allmählich selbst die absurdesten Details durchaus plausibel, die, sobald man bewusst darüber nachdenkt, plötzlich grotesk bis urkomisch wirken. Zum Beispiel die sogenannten Löwammer (Englisch: "liobams"), eine Mischung aus Löwe und Lamm, deren Heranzüchtung die Sekte der Wolf-Jesajaisten vorangetrieben hat, weil sie es nicht mehr erwarten konnten, bis die Löwen endlich friedlich bei den Lämmern liegen. Oder aber der Begriff der "Brache", den die Gärtner wählen, um den Zustand depressiver Frauen, meist Mitte fünfzig herum, zu beschreiben: mit Sicherheit ein sehr viel freundlicheres Wort als Klimakterium, da es die Möglichkeit erneuter (wenn auch vielleicht nicht biologischer) Fruchtbarkeit zumindest nicht ausschließt.

"Science" und "Fiction", Wissenschaft und Fiktion, sagt Margaret Atwood, gehen von den gleichen Fragen aus: Was wäre wenn? Und warum? Es ist kein Zufall, dass Schreiben im "Report der Magd" (1996) verboten ist und die Gärtnerkinder im "Jahr der Flut" ihre Notizen nur auf Schiefertafeln machen dürfen, die wieder leicht abzuwischen sind. Unkontrolliertes Schreiben ist kaum weniger riskant als eine Wissenschaft, die alle Fragen stellt und zu beantworten versucht. Die spätabendliche Lektüre des Atwoodschen Albtraums vom "Jahr der Flut" jedenfalls kann einen ruhigen Schlaf durchaus gefährden.

MARGRET FETZER.

Margaret Atwood: "Das Jahr der Flut". Roman. Aus dem Amerikanischen von Monika Schmalz. Berlin Verlag, Berlin 2009. 478 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Wo Margaret Atwood einen unruhigen Wassertropfen bemerkt, kann sie voraussehen und vorauserzählen bis zur Sturmflut." - Eva Menasse