Zu Onkel Brian auf die Mill Farm? Die zwölfjährige Midge, eine richtige Großstadtpflanze, kann sich wahrhaftig Aufregenderes vorstellen, als ausgerechnet Ferien auf dem Lande. Doch dann geraten die Ferien-Idylle und Midges Leben aus den Fugen: In einer alten Scheune entdeckt Midge - ein geflügeltes Pferd. Es ist verletzt und Midge rettet sein Leben. Pegs, das magische Pferd, nimmt das Mädchen mit in den Wald hinter der Dornenhecke, wo die letzten Elben leben. Und so beginnt ein dramatisches Abenteuer, in dessen Verlauf Midge nicht nur die geheimnisvolle Welt der Elben-Völker kennen lernt, sondern mehr als einmal in tödliche Gefahr gerät.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2005Unter der Brombeerhecke
Steve Augardes Abenteuer-Fantasyroman vom "Kleinen Volk"
Ein schwerverletzter Minischimmel mit silberner Mähne und perlmuttschimmernden Flügeln ruft per Telepathie um Hilfe und wird von einem Mädchen gerettet. Diese einprägsame Szene entstammt keinem Zeichentrickfilm für Barbie-Girls, sondern dem ersten Roman des Illustrators, Musikers und Papierkünstlers Steve Augarde. Er beweist, daß gekonntes Erzählen mit Humor durchaus auch eine Dosis Kitsch verkraftet. Sein umfangreicher Kinderroman "Das kleine Volk" ist keine bonbonfarbene Fantasyblase, sondern bodenständig-spannende Lektüre in bester britischer Tradition. Steve Augarde folgt mit seinem erklärtermaßen "altmodischen Buch" Klassikern wie Kenneth Grahames "Wind in den Weiden" oder Richard Adams' "Unten am Fluß", denen es gelingt, einen ganzen Kosmos eigenartiger Wesen in einem verschlafenen Winkel zwischen Fluß und Wäldchen unterzubringen.
Daß das Landleben alles andere als ereignislos ist, bewahrheitet sich schnell für die zwölfjährige Midge, die den Sommer über auf dem Bauernhof ihres chaotischen Onkels geparkt wird. In dessen verfallener Scheune stolpert die Londoner Stadtpflanze über ein geflügeltes Pferd und hält den Pegasus zunächst für ein mißlungenes Gen-Experiment auf der Flucht. Doch Erklärungsversuche des gesunden Menschenverstands reichen nicht aus, um die folgenden Wochen zu überstehen: Die Rettung des Fabelwesens "Pegs" bringt Midge mit den Stämmen der "Verschiedenartigen" aus ebenjenem verwilderten Wald in Kontakt, dessen Verkauf Onkel Brian gerade ahnungslos plant.
Das grotesk anzuschauende "kleine Volk" ist "fremdartig, wild und manchmal tödlich" - tief im Wald verborgen leben sie: mißtrauische Naturwesen, keine gemütlichen Hobbits mit guten Umgangsformen. Doch auch unter ihnen gibt es sympathische Gestalten, die man gern genauer kennenlernt. Midges Anwesenheit läßt dort allerlei interne Intrigen eskalieren, so daß sie und ihr Cousin George in eine gefährliche Kettenreaktion verwickelt werden. Als es auf dem Bauernhof zum Showdown kommt, behält ausgerechnet dessen zickige ältere Schwester Katie einen kühlen Kopf.
Steve Augarde gewinnt Midges Familie und Erlebnissen viel Komik ab. Eindrücklich vermittelt er aber auch Momente plötzlichen Schauderns angesichts des Gefahrenpotentials einer vermeintlich bezähmten Natur: Eine Brombeerhecke kann zur Bedrohung werden, und selbst in der kleinsten Kuschelkatze stecken die Anlagen von Tojo, dem riesigen Hofkater und unbarmherzigen Jäger. Ohne Öko-Zeigefinger oder angestrengtes "Fantasie-muß-gerettet-werden-Pathos" erhält der Wald schließlich fast beiläufig einen längeren Zerstörungsaufschub.
Wie weitgehend ihre Familiengeschichte mit den Geheimnissen des alten Waldes verbunden ist, dämmert Midge nur langsam. Zum Glück entscheidet sich ihre streßgeplagte Mutter für den Umzug aufs Land, so daß die Tochter ihre Nachforschungen zu Pegs, der hexenhaften "Grünen Maven" und ihrer verschollenen Urgroßtante Celandine fortsetzen kann. Steve Augardes Trilogie übertrifft jedenfalls bereits im ersten Band vieles, was das üppig wuchernde phantastische Genre ansonsten zu bieten hat.
ANNETTE ZERPNER
Steve Augarde: "Das kleine Volk". Aus dem Englischen übersetzt von Ursula Höfker. Arena Verlag, Würzburg 2005. 456 S., geb., 16,90 [Euro]. Ab 11 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Steve Augardes Abenteuer-Fantasyroman vom "Kleinen Volk"
Ein schwerverletzter Minischimmel mit silberner Mähne und perlmuttschimmernden Flügeln ruft per Telepathie um Hilfe und wird von einem Mädchen gerettet. Diese einprägsame Szene entstammt keinem Zeichentrickfilm für Barbie-Girls, sondern dem ersten Roman des Illustrators, Musikers und Papierkünstlers Steve Augarde. Er beweist, daß gekonntes Erzählen mit Humor durchaus auch eine Dosis Kitsch verkraftet. Sein umfangreicher Kinderroman "Das kleine Volk" ist keine bonbonfarbene Fantasyblase, sondern bodenständig-spannende Lektüre in bester britischer Tradition. Steve Augarde folgt mit seinem erklärtermaßen "altmodischen Buch" Klassikern wie Kenneth Grahames "Wind in den Weiden" oder Richard Adams' "Unten am Fluß", denen es gelingt, einen ganzen Kosmos eigenartiger Wesen in einem verschlafenen Winkel zwischen Fluß und Wäldchen unterzubringen.
Daß das Landleben alles andere als ereignislos ist, bewahrheitet sich schnell für die zwölfjährige Midge, die den Sommer über auf dem Bauernhof ihres chaotischen Onkels geparkt wird. In dessen verfallener Scheune stolpert die Londoner Stadtpflanze über ein geflügeltes Pferd und hält den Pegasus zunächst für ein mißlungenes Gen-Experiment auf der Flucht. Doch Erklärungsversuche des gesunden Menschenverstands reichen nicht aus, um die folgenden Wochen zu überstehen: Die Rettung des Fabelwesens "Pegs" bringt Midge mit den Stämmen der "Verschiedenartigen" aus ebenjenem verwilderten Wald in Kontakt, dessen Verkauf Onkel Brian gerade ahnungslos plant.
Das grotesk anzuschauende "kleine Volk" ist "fremdartig, wild und manchmal tödlich" - tief im Wald verborgen leben sie: mißtrauische Naturwesen, keine gemütlichen Hobbits mit guten Umgangsformen. Doch auch unter ihnen gibt es sympathische Gestalten, die man gern genauer kennenlernt. Midges Anwesenheit läßt dort allerlei interne Intrigen eskalieren, so daß sie und ihr Cousin George in eine gefährliche Kettenreaktion verwickelt werden. Als es auf dem Bauernhof zum Showdown kommt, behält ausgerechnet dessen zickige ältere Schwester Katie einen kühlen Kopf.
Steve Augarde gewinnt Midges Familie und Erlebnissen viel Komik ab. Eindrücklich vermittelt er aber auch Momente plötzlichen Schauderns angesichts des Gefahrenpotentials einer vermeintlich bezähmten Natur: Eine Brombeerhecke kann zur Bedrohung werden, und selbst in der kleinsten Kuschelkatze stecken die Anlagen von Tojo, dem riesigen Hofkater und unbarmherzigen Jäger. Ohne Öko-Zeigefinger oder angestrengtes "Fantasie-muß-gerettet-werden-Pathos" erhält der Wald schließlich fast beiläufig einen längeren Zerstörungsaufschub.
Wie weitgehend ihre Familiengeschichte mit den Geheimnissen des alten Waldes verbunden ist, dämmert Midge nur langsam. Zum Glück entscheidet sich ihre streßgeplagte Mutter für den Umzug aufs Land, so daß die Tochter ihre Nachforschungen zu Pegs, der hexenhaften "Grünen Maven" und ihrer verschollenen Urgroßtante Celandine fortsetzen kann. Steve Augardes Trilogie übertrifft jedenfalls bereits im ersten Band vieles, was das üppig wuchernde phantastische Genre ansonsten zu bieten hat.
ANNETTE ZERPNER
Steve Augarde: "Das kleine Volk". Aus dem Englischen übersetzt von Ursula Höfker. Arena Verlag, Würzburg 2005. 456 S., geb., 16,90 [Euro]. Ab 11 J.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Im Zentrum von Steve Augardes erstem Kinderbuch "Das Kleine Volk", dessen Titel sich auf das Volk der Elfen bezieht, steht zunächst ein kleines Mädchen - die zwölfjährige Midge, die unsere Rezensentin Hilde Elizabeth Menzel sofort ins Herz geschlossen hat. Mut sowie ihre Fähigkeit zu Freundschaft und Treue seien es, die aus Midge eine vortreffliche Identifikationsfigur machen, so Menzel. Das Mädchen pflegt auf der Farm ihres Onkels heimlich ein geflügeltes Pferd, durch welches sie später mit einigen der fünf im nahegelegenen Wald lebenden Elfenstämmen in Konflikt gerät. Die Feindseligkeiten, denen sich Midge bald ausgesetzt sieht, seien so ernsthaft, dass die Rezensentin dem Buch das Happy End nicht ganz abkauft. Aber schließlich handele es sich um den ersten Teil einer Trilogie, räumt Menzel ein, und es gebe reichlich Hinweise auf weitere spannende Begegnungen mit dem Kleinen Volk. Augarde hat diesen "atmosphärisch dichten Roman", der "spannend und poetisch zugleich" sei, zur Freude der Rezensentin mit einem außergewöhnlich kunstvollen Cover versehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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