"Ich finde es unanständig, vorsichtig zu leben, ich kann es nicht." schrieb Emmy Hennings 1928 als eine der der schillerndsten Frauenfiguren der Moderne.Rastlos, heimatlos, vielseitig begabt, naiv, melancholisch und stets selbstreflektierend verdichtete sie ihr Leben als Tänzerin, Schauspielerin, Dichterin, Autorin (u.a. für den Simplicissimus), Morphinistin, Gelegenheitsprostituierte, Revoluzzerin und früher Bohemien zwischen Berlin, München und Zürich in einer schieren Sucht nach Leben als Abenteuer.Als Gefährtin und oftmals Geliebte vieler Künstler, u.a. Erich Mühsam, Joachim Ringelnatz, Johannes R. Becher, Ernst Bloch, Georg Heym, Kurt Wolff und Walter Benjamin legt sie an der Seite Hugo Balls mit der Gründung des "Cabaret Voltaire" in Zürich den Grundstein zur Schaffung des Dadaismus und findet erst Ruhe in der späten Freundschaft zu Hermann Hesse, ihrer selbstgewählten Heimat im Schweizer Tessin und der Zuwendung zum katholischen Glauben.Auf drei CDs vollzieht der HamburgerRegisseur und Künstler Karmers unter Mitarbeit von 15 Sprechern eine fragmentarische Annäherung an das "Verdichtungswunder" Emmy Hennings in einer Collage aus Texten, Prosa, Lyrik und Briefen von und über Emmy Hennings.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Wenn überhaupt, dann ist Emmy Hennings als Frau von Hugo Ball und Mitbegründerin des Cabaret Voltaire ein Begriff, bedauert Alexander Cammann, der ihre wenig bekannte frühere Karriere als Schauspielerin, Muse, Schriftstellerin und Prostituierte mindestens so spannend findet - immerhin trat Hennings da mit Claire Waldoff auf, verdrehte Erich Mühsam, Johannes R. Becher und Jakob van Hoddis den Kopf und zog die Eifersucht Else Lasker-Schülers auf sich. Mühsam schwärmt von ihrem "erotischen Genie", und Hennings auch selbst reflektiert ihre Befindlichkeit, wenn sie etwa feststellt: "Ich bin kein erfreulicher Umgang für mich". Eine spannende Begegnung mit einer spannenden Person in einer spannenden Zeit an einem spannenden Ort also, an der der Rezensent nur eine Kleinigkeit auszusetzen hat: Zwar überzeugt ihn der Collagecharakter der akustischen Annäherung konzeptionell, aber eine Trackliste hätte er dennoch praktisch gefunden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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