Libyen, Sommer 2011: Jamila entgeht knapp Gaddafis Truppen. Mit ihrem kleinen Sohn Farid flieht sie quer durch die Wüste bis ans Meer. Doch in dem überfüllten Flüchtlingsboot, das sie besteigen, stirbt nicht nur die Hoffnung auf eine Zukunft in Europa. Auf Sizilien geht der achtzehnjährige Vito am Strand spazieren und findet eine Kette, wie sie arabische Kinder tragen. Er denkt an seine Mutter Angelina, die in Libyen aufgewachsen ist. Die Sehnsucht nach der früheren Heimat führt sie zurück zu ihren Wurzeln.
Das gleichnamige Buch ist im DuMont Buchverlag erschienen.
Das gleichnamige Buch ist im DuMont Buchverlag erschienen.
Gut gemeint
Margaret Mazzantinis Roman
„Das Meer am Morgen“
Nach Bestsellern wie „Das schönste Wort der Welt“ und „Geh nicht fort“, widmet sich die Autorin und Schauspielerin Margaret Mazzantini brandaktuellen Themen: Die europäische Abschottung gegen Asylsuchende, Gaddafis Regime und der Bürgerkrieg 2011 bilden den dramatische Hintergrund für „Das Meer am Morgen“. Darin fliehen Jamila und ihr kleiner Sohn Farid aus Libyen, nachdem Farids Vater ermordet wurde. Sie schaffen es auf ein überfülltes Boot – mit Ziel Italien. Bald kommt es vom Kurs ab und jede Hoffnung schwindet. Angelina und Vito dagegen wohnen auf Sizilien. Die Mutter hatte in Tripolis gelebt, bis nach dem Putsch 1969 die in der Kolonialzeit angesiedelten Italiener vertrieben wurden. Angelina quält die Sehnsucht nach ihrer „arabischen“ Kindheit, Vito sein Dasein als verwöhnter Jugendlicher. Eines Tages fischt er Farids Glücksbringer aus dem Treibgut am Strand.
Die wenig geläufigen Fakten zur italienisch-libyschen Geschichte und die aktuelle Flüchtlingspolitik mit ihren tödlichen Folgen sind solide recherchiert. Aber Mazzantini erstickt den Stoff unter einem Teppich blumiger Metaphern: „Der Rost der Sehnsucht knirschte wie Sand zwischen seinen Zähnen“, erfährt man über Farids Großvater. Nicht genug der Baustoffkunde, auch „die Erinnerung ist Kalk auf den Wegen des Blutes.“ Als das Kind selbst im Sterben liegt und halluziniert, Ameisen würden auf seiner Haut krabbeln, schallt es aus dem auktorialen Off: „Sind das die Füße der Geschichte?“ Man kann solche Entgleisungen nicht zynisch nennen, dazu ist der Roman viel zu offensiv gut gemeint. Doch während die träumerischen Bilder anfangs noch Farids kindlichen Blick wiederzugeben scheinen, verliert die aufdringlich poetische Sprache bald den Bezug zu ihren Protagonisten. Sie wird zum Selbstzweck und das Leiden zur Kulisse.
CORNELIA FIEDLER
Margaret Mazzantini: Das Meer am Morgen. Roman. Aus dem Italienischen von Karin Krieger. DuMont Verlag, Köln 2012. 128 Seiten. 16,99 Euro.
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