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"Ein Berg gekochter Muscheln auf dem Tisch, davor ausharrend Mutter, Tochter und Sohn, wie hypnotisiert vom Schatten des Abwesenden: Der Vater wird von einer Dienstreise zurückerwartet, die 'der letzte Meilenstein auf dem Weg zur Beförderung' sein soll. (...) Erst am Ende, als die Mutter sich abrupt zu ihrer Bewunderung für Medea, die Kindstöterin der antiken Mythologie bekennt, fällt Licht in die Kerker der Harmonierituale: 'Wir habe es meiner Mutter aber nicht übel genommen, daß sie uns alle vergiften wollte, sondern haben uns nur gefreut, daß das Versöhnliche, worunter wir sehr gelitten…mehr

Produktbeschreibung
"Ein Berg gekochter Muscheln auf dem Tisch, davor ausharrend Mutter, Tochter und Sohn, wie hypnotisiert vom Schatten des Abwesenden: Der Vater wird von einer Dienstreise zurückerwartet, die 'der letzte Meilenstein auf dem Weg zur Beförderung' sein soll. (...) Erst am Ende, als die Mutter sich abrupt zu ihrer Bewunderung für Medea, die Kindstöterin der antiken Mythologie bekennt, fällt Licht in die Kerker der Harmonierituale: 'Wir habe es meiner Mutter aber nicht übel genommen, daß sie uns alle vergiften wollte, sondern haben uns nur gefreut, daß das Versöhnliche, worunter wir sehr gelitten hatten, endlich einmal verschwunden war'" Der Spiegel Birgit Vanderbeke erhielt 1990 für Das Muschelessen den Ingeborg-Bachmann-Preis.
Autorenporträt
Birgit Vanderbeke, geboren 1956 im brandenburgischen Dahme, lebte bis zu ihrem Tod Ende 2021 im Süden Frankreichs. Ihr umfangreiches Werk wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis und dem Kranichsteiner Literaturpreis. 2007 erhielt sie die Brüder-Grimm-Professur an der Kasseler Universität.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2021

Keine Ausflucht auf die Metaebene

"Jede Ähnlichkeit mit lebenden / oder toten Personen / ist zufällig und von der Autorin / nicht beabsichtigt." Ein Satz, wie er sonst auf Kinoleinwänden prangt, stand diesem schmalen Buch voran. Und wer da nicht schon ein ungutes Gefühl bekam, bekam es eine Seite später: "Es ist natürlich kein Zeichen gewesen, wie wir hinterher manchmal gesagt haben, es ist ein ungutes Omen gewesen."

Dass unsere Deutschlehrerin gerade Birgit Vanderbekes "Das Muschelessen" für unsere zehnte Klasse aussuchte, war, sagte ich mir hinterher, ein Zeichen gewesen. Die Erzählstimme war jung und weiblich wie wir; sie lebte in einer patriarchalen Welt, wie wir, Schülerinnen einer Klosterschule; sie in Ost-, wir in Westdeutschland. Ein Text, der brachial die Abgründe einer Familie freilegte und uns schonungslos vor Gedankengänge stellte, die viele vielleicht gar nicht betreten wollten (oder: sollten). Eine Lektüre, über die wir schwer mit Abstand sprechen konnten, weil jede von uns natürlich wusste: Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen waren vorhanden. Stilmittelanalysen wurden hier selbst zum Euphemismus, und Ausflüchte auf Metaebenen konnten nur den Kern treffen. Die vorangestellte Allusion hätte nicht perfekter sein können als für unsere Klasse.

Als das "Muschelessen" im Müll endete, wich das ungute einem befreienden Gefühl. Nicht (nur), weil die Lektüre endlich vorbei war, sondern weil sie uns antrug: Illusionen müssen nicht gewahrt werden.

Caroline Jebens

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Birgit Vanderbeke zeichnet in diesem literarischen Debüt, das ihr den Ingeborg-Bachmann-Preis eintrug, ihren maschinenhaft kalkulierenden ,Helden' mit eisiger Genauigkeit.« Der Spiegel