Gute Rede, gutes Buch
Da in diesem Büchlein nur die Rede von Rosa aus Würzburg veröffentlicht wird, ist es selbst mit dem kurzen Vorwort von Gregor Gysi in einer Stunde gelesen.
Allein schon, dass Gysi zu diesem Thema das Vorwort liefert, ist erstaunlich. Dem nicht an Gott glaubenden ist es
wichtig, dass der befreiende Charakter religiöser Ideen nicht verloren geht. (15) Und so spricht er…mehrGute Rede, gutes Buch
Da in diesem Büchlein nur die Rede von Rosa aus Würzburg veröffentlicht wird, ist es selbst mit dem kurzen Vorwort von Gregor Gysi in einer Stunde gelesen.
Allein schon, dass Gysi zu diesem Thema das Vorwort liefert, ist erstaunlich. Dem nicht an Gott glaubenden ist es wichtig, dass der befreiende Charakter religiöser Ideen nicht verloren geht. (15) Und so spricht er von der Entfremdung zur Religion durch die Philosophen Hegel, Feuerbach, Marx und Benjamin. Religionen hätten den Vorteil, Moral- und Wertvorstellungen allgemein prägen zu können.
Genug des Vorworts – jetzt kommt Rosa mit der Jahreslosung: „Gib mir ein hörendes Herz.“ (20) Dies ist die Kernaussage seines Vortags, denn eigentlich passt die Kirche nicht mehr in „unser Zeitalter der Bastelreligion, wo jeder irgendwie sein eigenes Weltbild konstruiert“ (23) in einem religiösen Pluralismus mit sehr vielen unterschiedlichen Deutungsangeboten. Und bei der Corona-Pandemie zeigte sich, dass die Stimme der Kirche gar nicht mehr gehört wurde.
Einige stellen schon die Gesellschaft als solche in Frage, weil nur noch Prozesse und Institutionen nebeneinander existieren. Der Autor glaubt aber, dass eine Gesamtheit verschiedener Institutionen noch besteht. Er kritisiert das Reden vom ständigen Wachstum, das gar nicht präzisiert werden kann. So spricht er vom „rasenden Stillstand“, weil der Sinn für die Vorwärtsbewegung verloren gegangen ist. „Genau genommen glaubt keiner mehr [...], dass es besser wird. Der globale Konkurrenzkampf wird in Zeiten der Klimakrise noch viel schärfer werden“ (48) oder „Wir müssen alles tun, […] damit es der nachfolgenden Generation nicht viel schlechter gehen wird als uns.“ (52)
Am meisten beunruhigt ihn der Wandel der politischen Kultur: „Der politisch Andersdenkende wird nicht mehr einfach nur als Dialogpartner [...] gesehen, sondern als ekelerregenden Feind, den man zum Schweigen bringen muss.“ (43) Früher glaubte Rosa, dass Demokratie funktioniere, wenn „jeder eine Stimme hat, die hörbar gemacht wird.“ (53) Heute fügt er noch Ohren hinzu, die diese Stimmen auch hören. Er vertritt die These, dass die Kirchen über „ein kognitives Reservoir verfügen, über Riten und Praktiken, über Räume, in denen ein hörendes Herz eingeübt und vielleicht auch erfahren werden kann.“ (55f) Selbst spricht der Soziologe von Selbstwirksamkeit, von Resonanz. „Resonanz heißt für mich Hören und Antworten; etwas erreicht mich und ruft mich an, und ich stelle plötzlich fest, es entsteht eine Verbindung dadurch, dass ich in der Lage bin, auf das Empfangene zu reagieren.“ (59f)
Burnout sei das Gegenteil von Resonanz, die zur Optimierung schlecht geeignet sei. Religion erinnere uns, dass es eine andere Weltbeziehung als das Leistungsprinzip gibt. Sie vergegenwärtigt Resonanzbeziehungen, vor allem in der katholischen Kirche.
Abschließend schreibt Rosa: „Religion hat die Kraft, sie hat ein Ideenreservoir und ein rituelles Angebot voller entsprechender Lieder, entsprechender Gesten, entsprechender Räume, entsprechender Traditionen und entsprechender Praktiken, die einen Sinn dafür öffnen, was es heißt, sich anrufen zu lassen, sich transformieren zu lassen, in Resonanz zu stehen.“ (74)
In der Kürze liegt die Würze. 5 Sterne