Allan Karlsson hat keine Lust auf seine Geburtstagsfeier im Altenheim. Obwohl der Bürgermeister und die Presse auf den 100jährigen Jubilar warten, steigt Allan kurzerhand aus dem Fenster und verduftet. Bald schon sucht ganz Schweden nach dem kauzigen Alten, doch der ist es gewohnt, das Weltgeschehen durcheinander zu bringen und sich immer wieder aus dem Staub zu machen.
Mit viel Charme begleitet Otto Sander den schlitzohrigen Allan auf seiner herrlich komischen Flucht durch Schweden und lässt augenzwinkernd die politischen Verwicklungen des 100-Jährigen Revue passieren.
Mit viel Charme begleitet Otto Sander den schlitzohrigen Allan auf seiner herrlich komischen Flucht durch Schweden und lässt augenzwinkernd die politischen Verwicklungen des 100-Jährigen Revue passieren.
CD 1 | |||
1 | Montag, 2. Mai 2005 | 00:11:18 | |
2 | Montag, 2. Mai 2005 | 00:05:38 | |
3 | Montag, 2. Mai 2005 | 00:07:35 | |
4 | Montag, 2. Mai 2005 | 00:09:10 | |
5 | 1905-1929 | 00:09:45 | |
6 | 1905-1929 | 00:10:02 | |
7 | Montag, 2. Mai 2005 | 00:04:36 | |
8 | Montag, 2. Mai 2005-Dienstag, 3. Mai 2005 | 00:09:49 | |
9 | Montag, 2. Mai 2005-Dienstag, 3. Mai 2005 | 00:06:42 | |
CD 2 | |||
1 | Montag, 2. Mai 2005-Dienstag, 3. Mai 2005 (Fortsetzung) | 00:10:21 | |
2 | Montag, 2. Mai 2005-Dienstag, 3. Mai 2005 (Fortsetzung) | 00:10:27 | |
3 | 1929-1939 | 00:09:48 | |
4 | 1929-1939 | 00:07:55 | |
5 | Dienstag, 3. Mai-Mittwoch, 4. Mai 2005 | 00:10:32 | |
6 | Dienstag, 3. Mai-Mittwoch, 4. Mai 2005 | 00:05:09 | |
7 | Dienstag, 3. Mai-Mittwoch, 4. Mai 2005 | 00:06:26 | |
8 | Dienstag, 3. Mai-Mittwoch, 4. Mai 2005 | 00:07:20 | |
9 | 1939-1945 | 00:04:48 | |
CD 3 | |||
1 | 1939-1945 (Fortsetzung) | 00:07:46 | |
2 | Montag, 9. Mai 2005 | 00:04:48 | |
3 | Montag, 9. Mai 2005 | 00:07:22 | |
4 | 1945-1947 | 00:05:54 | |
5 | 1945-1947 | 00:08:24 | |
6 | 1945-1947 | 00:10:30 | |
7 | Montag, 9. Mai 2005 | 00:06:58 | |
8 | Montag, 9. Mai 2005 | 00:10:38 | |
9 | 1947-1948 | 00:11:03 | |
10 | 1947-1948 | 00:05:07 | |
CD 4 | |||
1 | 1947-1948 (Fortsetzung) | 00:10:03 | |
2 | 1947-1948 (Fortsetzung) | 00:08:59 | |
3 | 1947-1948 (Fortsetzung) | 00:08:52 | |
4 | Montag, 9. Mai 2005 | 00:05:40 | |
5 | Montag, 9. Mai 2005 | 00:06:29 | |
6 | 1948-1953 | 00:04:23 | |
7 | 1948-1953 | 00:05:32 | |
8 | 1948-1953 | 00:05:42 | |
9 | 1948-1953 | 00:08:53 | |
10 | 1948-1953 | 00:06:26 | |
11 | Dienstag, 10. Mai 2005 | 00:04:05 | |
CD 5 | |||
1 | 1953 | 00:10:48 | |
2 | 1953 | 00:05:29 | |
3 | 1953 | 00:04:19 | |
4 | 1953 | 00:08:15 | |
5 | 1953 | 00:07:29 | |
6 | Mittwoch, 11. Mai-Mittwoch, 25. Mai 2005 | 00:03:50 | |
7 | 1953-1968 | 00:10:18 | |
8 | Donnerstag, 26. Mai 2005 | 00:02:09 | |
9 | Mittwoch, 25. Mai-Donnertsag, 26. Mai 2005 | 00:06:33 | |
10 | 1968 | 00:09:43 | |
11 | 1968 | 00:09:37 | |
CD 6 | |||
1 | Donnerstag, 26. Mai 2005 | 00:07:35 | |
2 | Freitag, 27. Mai 2005 | 00:07:43 | |
3 | Freitag, 27. Mai 2005 | 00:08:25 | |
4 | Freitag, 27. Mai 2005 | 00:08:01 | |
5 | 1968-1982 | 00:07:52 | |
6 | 1968-1982 | 00:08:16 | |
7 | 1968-1982 | 00:07:14 | |
8 | Freitag, 27. Mai 2005-Donnerstag, 16. Juni 2005 | 00:10:07 | |
9 | 1982-2005 | 00:05:24 | |
10 | Montag, 2. Mai 2005 | 00:00:47 | |
11 | Epilog | 00:01:25 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2012Das Tuch zum Buch
Das kann ja nur heiter werden: Mehr als spannende Lektüre und ein weiches Strandlaken braucht der Mensch nicht für einen Tag in der Sonne. Aber um ganz abzuschalten und sich auf die Geschichte zu konzentrieren, muss das Umfeld stimmen. Wie soll man mit dem Helden des Liebesromans fiebern, wenn sich auf dem Stoff Star-Wars-Figuren bekriegen? Hier liegt zusammen, was zusammengehört.
Von Jennifer Wiebking
Alltag oder Indonesien?
Das Pendleton-Handtuch erzählt von der traditionellen Ikat-Webtechnik, die ihre Wurzeln in Nordostasien hat und sich anschließend südlich, Richtung Indonesien, orientierte, wo auch Allan Karlssons Lebensgeschichte Station macht. Schon zuvor begegnen sich aber Bestseller und Badetuch flüchtig im Altersheim. Denn dort beginnt der Roman über den hundert Jahre alten Rentner, und auch die Grundfarben des Frottee-Tuches, die eher wie ganz gewöhnlicher Alltag als Exotik anmuten, könnten da zu Hause sein. Na ja, bis man eben die spitzen schwarzen Pfeile auf dem Tuch entdeckt und sich Karlsson zum Angriff rüstet: Über das Fenster seines Zimmers im Erdgeschoss, die Pantoffeln noch an den Füßen, macht er sich an seinem hundertsten Geburtstag einfach aus dem Staub.
Jonas Jonasson, "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand", Carl's Books, 416 Seiten, 14,99 Euro.
Handtuch: Pendleton, 40 Euro.
Zwei für die Freizeit.
David Nicholls, Autor von "Zwei an einem Tag", ist Engländer. Ob er sich im Urlaub an Deutschen stört, die ihm mit ihren Handtüchern zuvorkommen und Liegestühle reservieren? Es soll ja schon Orte mit Handtuch-Polizisten geben, die ein Auge auf die Tücher geworfen haben, die herrenlos auf der Liege verweilen. Ein Wendehandtuch wie dieses von Joop! vermeidet hingegen die Festnahme, indem es ständig sein Gesicht wechselt, indem es zwei Seiten hat, die so unterschiedlich hell und dunkel sind, dass man glaubt, sie gehörten nicht zusammen. Auch Emma und Dexter aus "Zwei an einem Tag" wissen lange nicht, ob sie füreinander bestimmt sind. Ihre Leben laufen so parallel nebeneinander her wie die Seiten des Wendehandtuchs, die abwechselnd ihr Recht auf pralle Sonne einfordern - ohne dass sich ein Tourist dazwischenlegt.
David Nicholls, "Zwei an einem Tag", Heyne, 544 Seiten, 9,99 Euro.
Handtuch: Joop!, 48 Euro.
Keine Angst vor Leoparden.
Nervigste Frage der lieben Mitreisenden, die dieses Buch im Urlaub zu Gesicht bekommen: Geht es in der Geschichte um einen Leoparden? Nein. "Leopard" beschreibt den Killer lediglich in seinem unauffälligen Verhalten. Er ist einer, der seine Morde aus dem Hinterhalt heraus plant, der unberechenbar ist und dessen Spur sich besonders schwierig verfolgen lässt. Für ihn lässt sich Harry Hole, Kommissar der Nesbø-Bücher, überreden, von Hongkong nach Oslo zurückzukehren, um dort zu ermitteln. Auf der anderen Seite: Wer furchtlos genug für diesen achten Fall von Hole ist, wer schon "Fledermaus", den ersten Fall, oder "Schneemann", den siebten, bei sich zu Hause im Regal stehen hat, wird sich bestimmt nicht vor einem Handtuch fürchten, das Leoparden in seinem Muster doch noch wörtlich nimmt.
Jo Nesbø, "Leopard", Ullstein, 704 Seiten, 10,99 Euro.
Handtuch: Louis Vuitton, 405 Euro.
Kunst auf Sand.
In den neunziger Jahren erlebte das Handtuch einen Aufstieg: Aus dem einfachen Frotteelappen wurde ein Designerstück. Heute hingegen geht es in die entgegengesetzte Trend-Richtung: Aus dem Kunstwerk wird ein einfaches Handtuch. Julian Schnabel, Yoko Ono, Peter Doig, Barbara Kruger oder Ed Ruscha haben für die Marke Works on Whatever (WOW) bereits Handtücher gestaltet, die gewisse Strandabschnitte wie Kunstgalerien aussehen lassen. Für die Künstler ist das auch eine Möglichkeit, sich mit einem Alltagsprodukt mitzuteilen. Ed Ruscha zum Beispiel deutet mit dem Satz "The study of friction and wear on mating surfaces" die verflochtenen Stränge von Beziehungsmustern auf dem Handtuch an. "Die Liebeshandlung" von Jeffrey Eugenides vertieft sie anschließend.
Jeffrey Eugenides, "Die Liebeshandlung", Rowohlt, 624 Seiten, 24,95 Euro.
Handtuch: Works on Whatever (WOW), 95 Euro.
Freiheit, immer.
Auf dem Tuch ist die Freiheitsstatue abgebildet. Da muss auch Natale, "Der Junge, der Träume schenkte", auf dem Schiff aus Übersee vorbei. Gerade ist er dabei, in die Vereinigten Staaten zu immigrieren, und bekommt bald einen neuen Namen, Christmas, sowie eine neue Heimat verpasst. "Du bist Amerikaner", bleut ihm die Mutter ein, und Christmas wiederholt es, etwa wenn ihn andere Jungs beschimpfen. Überhaupt plaudert er so lange, bis der amerikanische Traum seiner ist, als hätte er den Gedanken an Lady Liberty so im Kopf, wie sie beim Leser im Nacken liegt.
Luca di Fulvio, "Der Junge, der Träume schenkte", Bastei Lübbe, 783 Seiten, 9,99 Euro.
Handtuch: Möve, 49,90 Euro.
Frottee und andere Stoffe.
In den vierziger Jahren entdecken drei Frauen auf der Suche nach süßem Ruhm süße Psychopharmaka. Anfangs scheinen diese so ungefährlich wie ein Stück Katjes-Yoghurt-Gum. Aus dem Erzählstoff wurden ein Buch und mehrere Filme; Petit Bateau rollt nun für den Sommer auf dem Frottee Punkte und Streifen aus, die an den Rausch von Jennifer, Anne und Neely erinnern. Auch wenn es sich auf diesem Stoff viel besser leben und lesen lässt.
Jacqueline Susann, "Valley of the Dolls", Grove/Atlantic Inc., 442 Seiten, 11,20 Euro (im englischen Original). Auf Deutsch gebraucht bei Amazon-Händlern zu kaufen.
Handtuch: Petit Bateau, 49 Euro.
Strand- und Mordmotive.
Sommer in Frankreich: Vom Handtuch wird viel erwartet. Inmitten der Massen markiert es den Platz, auf dem man nur Schönes erleben möchte. Gut also, wenn das Sonnenschirm-Motiv von Hermès die besten anderthalb Quadratmeter Strand als reserviert kennzeichnet, selbst wenn man sich kurz im Meer abkühlt. Dass sich Schönes auch mit Schauerlichem versteht, zeigt der andere Sommer in Frankreich: Der Kommissar ist neu an der bretonischen Küste und hat es gleich mit dem Mord an dem Besitzer eines legendären Hotels zu tun, in dem Urlauber eigentlich die schönsten Wochen des Jahres verbringen sollen. Dort ist auch das Hermès-Strandtuch vermutlich kein Fremder.
Jean-Luc Bannalec, "Bretonische Verhältnisse", Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 14,99 Euro.
Handtuch: Hermès, 410 Euro.
Tragödien in Blau-Weiß.
Das Paar aus Berlin könnte die Zeit mit dem deutschen Tauchlehrer auf Lanzarote auch nutzen, um in dem 14000-Euro-Urlaub wirklich etwas zu lernen. Vor den beiden liegt schließlich nichts als der Atlantik, der dem Mix aus November-Winden und Sonnenstrahlen eine Bühne zum Tanzen bietet und daraus bestimmt Lichtmosaike kreiert, die dem Motiv auf dem Strandhandtuch von Ralph Lauren ähneln. Aber so verworren, wie das Muster des Tuches daherkommt, ist auch die Beziehung des Paares. Auf dem blau-weißen Tuch mag man in den Lesepausen wegdösen, ansonsten erlebt man Tauchgänge in allerlei Tiefen, echte und metaphorische.
Juli Zeh, "Nullzeit", Schöffling & Co., 256 Seiten, 19,95 Euro.
Handtuch: Ralph Lauren Home, 125 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das kann ja nur heiter werden: Mehr als spannende Lektüre und ein weiches Strandlaken braucht der Mensch nicht für einen Tag in der Sonne. Aber um ganz abzuschalten und sich auf die Geschichte zu konzentrieren, muss das Umfeld stimmen. Wie soll man mit dem Helden des Liebesromans fiebern, wenn sich auf dem Stoff Star-Wars-Figuren bekriegen? Hier liegt zusammen, was zusammengehört.
Von Jennifer Wiebking
Alltag oder Indonesien?
Das Pendleton-Handtuch erzählt von der traditionellen Ikat-Webtechnik, die ihre Wurzeln in Nordostasien hat und sich anschließend südlich, Richtung Indonesien, orientierte, wo auch Allan Karlssons Lebensgeschichte Station macht. Schon zuvor begegnen sich aber Bestseller und Badetuch flüchtig im Altersheim. Denn dort beginnt der Roman über den hundert Jahre alten Rentner, und auch die Grundfarben des Frottee-Tuches, die eher wie ganz gewöhnlicher Alltag als Exotik anmuten, könnten da zu Hause sein. Na ja, bis man eben die spitzen schwarzen Pfeile auf dem Tuch entdeckt und sich Karlsson zum Angriff rüstet: Über das Fenster seines Zimmers im Erdgeschoss, die Pantoffeln noch an den Füßen, macht er sich an seinem hundertsten Geburtstag einfach aus dem Staub.
Jonas Jonasson, "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand", Carl's Books, 416 Seiten, 14,99 Euro.
Handtuch: Pendleton, 40 Euro.
Zwei für die Freizeit.
David Nicholls, Autor von "Zwei an einem Tag", ist Engländer. Ob er sich im Urlaub an Deutschen stört, die ihm mit ihren Handtüchern zuvorkommen und Liegestühle reservieren? Es soll ja schon Orte mit Handtuch-Polizisten geben, die ein Auge auf die Tücher geworfen haben, die herrenlos auf der Liege verweilen. Ein Wendehandtuch wie dieses von Joop! vermeidet hingegen die Festnahme, indem es ständig sein Gesicht wechselt, indem es zwei Seiten hat, die so unterschiedlich hell und dunkel sind, dass man glaubt, sie gehörten nicht zusammen. Auch Emma und Dexter aus "Zwei an einem Tag" wissen lange nicht, ob sie füreinander bestimmt sind. Ihre Leben laufen so parallel nebeneinander her wie die Seiten des Wendehandtuchs, die abwechselnd ihr Recht auf pralle Sonne einfordern - ohne dass sich ein Tourist dazwischenlegt.
David Nicholls, "Zwei an einem Tag", Heyne, 544 Seiten, 9,99 Euro.
Handtuch: Joop!, 48 Euro.
Keine Angst vor Leoparden.
Nervigste Frage der lieben Mitreisenden, die dieses Buch im Urlaub zu Gesicht bekommen: Geht es in der Geschichte um einen Leoparden? Nein. "Leopard" beschreibt den Killer lediglich in seinem unauffälligen Verhalten. Er ist einer, der seine Morde aus dem Hinterhalt heraus plant, der unberechenbar ist und dessen Spur sich besonders schwierig verfolgen lässt. Für ihn lässt sich Harry Hole, Kommissar der Nesbø-Bücher, überreden, von Hongkong nach Oslo zurückzukehren, um dort zu ermitteln. Auf der anderen Seite: Wer furchtlos genug für diesen achten Fall von Hole ist, wer schon "Fledermaus", den ersten Fall, oder "Schneemann", den siebten, bei sich zu Hause im Regal stehen hat, wird sich bestimmt nicht vor einem Handtuch fürchten, das Leoparden in seinem Muster doch noch wörtlich nimmt.
Jo Nesbø, "Leopard", Ullstein, 704 Seiten, 10,99 Euro.
Handtuch: Louis Vuitton, 405 Euro.
Kunst auf Sand.
In den neunziger Jahren erlebte das Handtuch einen Aufstieg: Aus dem einfachen Frotteelappen wurde ein Designerstück. Heute hingegen geht es in die entgegengesetzte Trend-Richtung: Aus dem Kunstwerk wird ein einfaches Handtuch. Julian Schnabel, Yoko Ono, Peter Doig, Barbara Kruger oder Ed Ruscha haben für die Marke Works on Whatever (WOW) bereits Handtücher gestaltet, die gewisse Strandabschnitte wie Kunstgalerien aussehen lassen. Für die Künstler ist das auch eine Möglichkeit, sich mit einem Alltagsprodukt mitzuteilen. Ed Ruscha zum Beispiel deutet mit dem Satz "The study of friction and wear on mating surfaces" die verflochtenen Stränge von Beziehungsmustern auf dem Handtuch an. "Die Liebeshandlung" von Jeffrey Eugenides vertieft sie anschließend.
Jeffrey Eugenides, "Die Liebeshandlung", Rowohlt, 624 Seiten, 24,95 Euro.
Handtuch: Works on Whatever (WOW), 95 Euro.
Freiheit, immer.
Auf dem Tuch ist die Freiheitsstatue abgebildet. Da muss auch Natale, "Der Junge, der Träume schenkte", auf dem Schiff aus Übersee vorbei. Gerade ist er dabei, in die Vereinigten Staaten zu immigrieren, und bekommt bald einen neuen Namen, Christmas, sowie eine neue Heimat verpasst. "Du bist Amerikaner", bleut ihm die Mutter ein, und Christmas wiederholt es, etwa wenn ihn andere Jungs beschimpfen. Überhaupt plaudert er so lange, bis der amerikanische Traum seiner ist, als hätte er den Gedanken an Lady Liberty so im Kopf, wie sie beim Leser im Nacken liegt.
Luca di Fulvio, "Der Junge, der Träume schenkte", Bastei Lübbe, 783 Seiten, 9,99 Euro.
Handtuch: Möve, 49,90 Euro.
Frottee und andere Stoffe.
In den vierziger Jahren entdecken drei Frauen auf der Suche nach süßem Ruhm süße Psychopharmaka. Anfangs scheinen diese so ungefährlich wie ein Stück Katjes-Yoghurt-Gum. Aus dem Erzählstoff wurden ein Buch und mehrere Filme; Petit Bateau rollt nun für den Sommer auf dem Frottee Punkte und Streifen aus, die an den Rausch von Jennifer, Anne und Neely erinnern. Auch wenn es sich auf diesem Stoff viel besser leben und lesen lässt.
Jacqueline Susann, "Valley of the Dolls", Grove/Atlantic Inc., 442 Seiten, 11,20 Euro (im englischen Original). Auf Deutsch gebraucht bei Amazon-Händlern zu kaufen.
Handtuch: Petit Bateau, 49 Euro.
Strand- und Mordmotive.
Sommer in Frankreich: Vom Handtuch wird viel erwartet. Inmitten der Massen markiert es den Platz, auf dem man nur Schönes erleben möchte. Gut also, wenn das Sonnenschirm-Motiv von Hermès die besten anderthalb Quadratmeter Strand als reserviert kennzeichnet, selbst wenn man sich kurz im Meer abkühlt. Dass sich Schönes auch mit Schauerlichem versteht, zeigt der andere Sommer in Frankreich: Der Kommissar ist neu an der bretonischen Küste und hat es gleich mit dem Mord an dem Besitzer eines legendären Hotels zu tun, in dem Urlauber eigentlich die schönsten Wochen des Jahres verbringen sollen. Dort ist auch das Hermès-Strandtuch vermutlich kein Fremder.
Jean-Luc Bannalec, "Bretonische Verhältnisse", Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 14,99 Euro.
Handtuch: Hermès, 410 Euro.
Tragödien in Blau-Weiß.
Das Paar aus Berlin könnte die Zeit mit dem deutschen Tauchlehrer auf Lanzarote auch nutzen, um in dem 14000-Euro-Urlaub wirklich etwas zu lernen. Vor den beiden liegt schließlich nichts als der Atlantik, der dem Mix aus November-Winden und Sonnenstrahlen eine Bühne zum Tanzen bietet und daraus bestimmt Lichtmosaike kreiert, die dem Motiv auf dem Strandhandtuch von Ralph Lauren ähneln. Aber so verworren, wie das Muster des Tuches daherkommt, ist auch die Beziehung des Paares. Auf dem blau-weißen Tuch mag man in den Lesepausen wegdösen, ansonsten erlebt man Tauchgänge in allerlei Tiefen, echte und metaphorische.
Juli Zeh, "Nullzeit", Schöffling & Co., 256 Seiten, 19,95 Euro.
Handtuch: Ralph Lauren Home, 125 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.08.2012Ein Hauch
von Unsterblichkeit
Über den sagenhaften Erfolg von Jonas Jonassons Roman
Es ist merkwürdig und zugleich beruhigend, dass im Zeitalter gigantischer Datensammelei, mit der Konsumentenprofile ergründet und maßgeschneiderte Produkte an den restlos durchleuchteten Kunden gebracht werden, der literarische Bestseller sich nach wie vor nicht planen lässt. Immer wieder kommt es vor, dass Verleger und Lektoren sich in alle möglichen Körperteile beißen, weil sie mit der Ablehnung eines Manuskripts nichtsahnend ein Vermögen von der Schreibtischkante gewiesen haben. Der umgekehrte Fall, dass etwa ein Buch, das im Ursprungsland ein Renner war, hoffnungsvoll erworben wird und dann in der Übersetzung floppt, lässt sich zur Not mit kulturellen oder sonstigen Transferproblemen begründen. Wenn aber ein Spätdebütanten-Opus aus Schweden, das bei fünf von sechs Verlagen abgeblitzt war, weltweit zum Millionenseller aufsteigt, herrscht schwere Erklärungsnot: warum ausgerechnet der? Und könnte man vielleicht nach ähnlichem Rezept . . .? Es wird nicht funktionieren, so viel ist gewiss.
Für uns ignorante Feuilletonisten aber, die wir Jonas Jonassons Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ beim Erscheinen der deutschen Version im vorigen Jahr einfach nicht zur Kenntnis genommen haben, bestätigt sich abermals, wie unwichtig wir für den Verkaufserfolg literarischer Erzeugnisse sind. Nun ist bei vielen Bestsellerlisten-Kandidaten ohnehin klar, dass sie nicht in die Zuständigkeit der professionellen Literaturkritik fallen und auch nicht mit entsprechender Intention verfertigt wurden. Bei diesem Buch jedoch, das seit April unangefochten die Spiegel -Liste anführt und in der vorigen Woche, wie es so schön heißt, die Millionengrenze geknackt hat, ergibt die verspätete Lektüre, dass wir damals tatsächlich etwas übersehen haben – wie übrigens auch die schwedischen Kollegen zwei Jahre zuvor. Denn Jonassons ebenso haarsträubende wie lebensweise Geschichte eines Jahrhundertzeugen, der wider Willen in sämtliche wichtigen politischen Ereignisse verwickelt wird und es dennoch schafft, sich aus allem herauszuhalten, kann vielen gewissenhaft rezensierten Werken der Gegenwartsliteratur das Wasser reichen – oder besser: den Wodka.
Denn wie man es bei einem so durch und durch schwedischen Epos erwarten darf, wird hier ordentlich getrunken und gern darüber geredet. Vor Leuten, die nicht trinken, solle er sich in Acht nehmen, hat der Romanheld Allan Karlsson von seinem Vater gelernt, der in Russland vom Sozialisten zum Zarenverehrer mutierte und bei der Verteidigung seines zehn Quadratmeter großen, zur „unabhängigen Republik“ erklärten Privatgrundstücks von Lenins Soldaten erschossen wurde. Dieser Lebenslauf en miniature bildet das Prinzip der gesamten Erzählung ab: Ideologien werden als lächerliche Konstrukte entlarvt, und die Tragik des kleinen Mannes wird mit der Komik des weltpolitischen Geschehens verflochten. Als Lebensmotto taugt, wie sich herausstellt, einzig der Satz, den Allans Mutter sprach, als sie vom Tod ihres Gatten erfuhr: „Es ist, wie es ist, und es kommt, wie es kommt.“ Das heißt freilich nicht, dass das, was ist und was kommt, keinen Spaß machen darf.
So beginnt der Roman denn auch eher harmlos mit dem beliebten Motiv des Greises, der gegen die Spaßbremsen der Seniorenbetreuung rebelliert. Eine Stunde vor der offiziell anberaumten Feier seines hundertsten Geburtstags büxt Allan Karlsson aus dem Altersheim von Malmköping aus und macht sich auf den Weg zum Busbahnhof – in der schwedischen Provinz das Tor zur weiten Welt. Dort soll er auf den Koffer eines wenig sympathischen jungen Mannes aufpassen und steigt, weil er dringend die Kleidung wechseln möchte, kurz entschlossen mit dem fremden Gepäck in den Bus, der nach „Byringe Bahnhof“ fährt. Im Koffer befinden sich 50 Millionen Kronen aus Drogengeschäften.
Es folgt eine Mischung aus Krimikomödie, Schelmenstück und Roadmovie, die nur die Rahmenhandlung bildet, aber für sich schon kurzweilig genug wäre. Zwar ist das Schema bekannt – Polizei und Gangster jagen einen einerseits naiven, andererseits listenreichen Zufallsräuber –, doch Jonas Jonasson hat seinen hochbetagten Helden und die Figuren, die er auf seiner Flucht um sich schart, so reich mit allen Eigenarten ausgestattet, die wir seit Pippi Langstrumpf und Kalle Blomquist an den Schweden lieben, dass man einen Großteil des Publikumserfolgs wohl dieser indirekten Wiederbegegnung mit Kindheitsidolen und -idyllen zuschreiben darf.
Es fügt sich nämlich, dass der hundert-jährige Allan Karlsson mit dem siebzigjährigen Gelegenheitsdieb Julius Jonsson, dem ewigen Studenten Benny Ljungberg, der schönen, rothaarigen Schimpfwortvirtuosin Gunilla Björklund und deren Haustieren, der Elefantenkuh Sonja und dem Schäferhund Buster, eine Wohngemeinschaft bildet, und zwar in einem roten Holzhäuschen mit weißen Fensterrahmen an einem See im småländischen Fichtenwald. Später stoßen zu der Truppe noch Bennys Bruder, der ehemals gaunerhafte, inzwischen religiös gewordene Lebensmittelgroßhändler Bosse Ljungberg, sowie zwei der Verfolger, der Ex-Ganove Piranha und der einsame Kriminalkommissar Aronsson. Alle vertragen sich prächtig, profitieren gemeinsam von den Millionen im Koffer und brechen am Ende zu einem neuen Leben in wärmeren Zonen auf.
Leichen werden auf komisch-makabre Weise beseitigt, Konflikte so schlitzohrig wie friedfertig ausgetragen, die Dialoge funkeln von abgeklärtem Zynismus und phlegmatischer Lakonie, und zuweilen fühlt man sich von fern an Detlev Bucks Film „Wir können auch anders“ erinnert. Obendrein springt bei allem noch eine treffsichere schwedische Gesellschaftssatire heraus, die kriminelle Karrieren, begriffsstutzige Polizisten, rechtsradikale Pöbler und einiges andere aufs Korn nimmt.
Die eigentliche Story indes, in Rückblicken eingeschoben, ist noch viel kühner und im wahrsten Sinne durchgeknallt. Es ist die Lebensgeschichte des 1905 geborenen Allan Karlsson, der als Neunjähriger von der Schule abgeht, um in einer Nitroglyzerinfabrik zu arbeiten, fleißig mit Sprengstoff experimentiert und seine eigene Firma Dynamit-Karlsson gründet. Eingesperrt wegen eines Sprengunfalls mit tödlichen Folgen, zwangssterilisiert von einem wahnsinnigen Rassenbiologen (die gab es in Schweden offenbar schon vor 1929), schließlich als Sprengstofftechniker in einer Kanonengießerei untergekommen, lässt er sich von einem Kollegen aus Madrid zum Gastspiel im Spanischen Bürgerkrieg überreden, wo er dem leibhaftigen General Franco begegnet. Das ist der Beginn seiner nicht mehr abreißenden Verstrickung in die Weltpolitik nach dem Modell von „Forrest Gump“, nur dass er, anders als letzterer, nicht bloß als reiner Tor zwischen die Protagonisten gerät, sondern, nachdem man auf seine sprengtechnischen Kompetenzen aufmerksam geworden ist, von den Mächtigen verschiedener ideologischer Lager gesucht und weitergereicht wird, schließlich sogar als Atomexperte.
Deshalb, und weil Allan Karlsson eben kein reiner Tor ist, sondern eher ein bauernschlauer Pragmatiker, ist hier die ironische Brechung des welthistorischen Parcours viel ausgeprägter. Beim Ersinnen abstruser Konstellationen und Konfrontationen hat Jonas Jonasson überschäumende Phantasie entwickelt, und Figuren wie Herbert Einstein, der tumbe Bruder des großen Albert, werden dem Roman einen Hauch Unsterblichkeit sichern. Außerdem wird hier immer wieder mit einfachsten Mitteln der Irrsinn des Krieges aus der Perspektive der kleinen Leute beleuchtet, und insofern ist der „Hundertjährige“ auch eine Art Simplicissimus light, auf den zutrifft, was Joseph von Eichendorff über Grimmelshausens Simplicius sagte: „. . . und es ist eine Lust zuzusehen, wie er diese bestialische Welt humoristisch bewältigt.“
Hätten wir das Buch beizeiten rezensiert, hätten wir ihm ein paar Längen angekreidet. Jetzt, nach dem Riesenerfolg, sehen wir das anders: wie schön, dass es noch so viele entspannte, geduldige Leser gibt.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
Diesen Überraschungsbestseller
hatte die professionelle Kritik
nicht auf der Rechnung
Forrest Gump und Simplicissimus
light ist der „Hunderjährige“
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
von Unsterblichkeit
Über den sagenhaften Erfolg von Jonas Jonassons Roman
Es ist merkwürdig und zugleich beruhigend, dass im Zeitalter gigantischer Datensammelei, mit der Konsumentenprofile ergründet und maßgeschneiderte Produkte an den restlos durchleuchteten Kunden gebracht werden, der literarische Bestseller sich nach wie vor nicht planen lässt. Immer wieder kommt es vor, dass Verleger und Lektoren sich in alle möglichen Körperteile beißen, weil sie mit der Ablehnung eines Manuskripts nichtsahnend ein Vermögen von der Schreibtischkante gewiesen haben. Der umgekehrte Fall, dass etwa ein Buch, das im Ursprungsland ein Renner war, hoffnungsvoll erworben wird und dann in der Übersetzung floppt, lässt sich zur Not mit kulturellen oder sonstigen Transferproblemen begründen. Wenn aber ein Spätdebütanten-Opus aus Schweden, das bei fünf von sechs Verlagen abgeblitzt war, weltweit zum Millionenseller aufsteigt, herrscht schwere Erklärungsnot: warum ausgerechnet der? Und könnte man vielleicht nach ähnlichem Rezept . . .? Es wird nicht funktionieren, so viel ist gewiss.
Für uns ignorante Feuilletonisten aber, die wir Jonas Jonassons Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ beim Erscheinen der deutschen Version im vorigen Jahr einfach nicht zur Kenntnis genommen haben, bestätigt sich abermals, wie unwichtig wir für den Verkaufserfolg literarischer Erzeugnisse sind. Nun ist bei vielen Bestsellerlisten-Kandidaten ohnehin klar, dass sie nicht in die Zuständigkeit der professionellen Literaturkritik fallen und auch nicht mit entsprechender Intention verfertigt wurden. Bei diesem Buch jedoch, das seit April unangefochten die Spiegel -Liste anführt und in der vorigen Woche, wie es so schön heißt, die Millionengrenze geknackt hat, ergibt die verspätete Lektüre, dass wir damals tatsächlich etwas übersehen haben – wie übrigens auch die schwedischen Kollegen zwei Jahre zuvor. Denn Jonassons ebenso haarsträubende wie lebensweise Geschichte eines Jahrhundertzeugen, der wider Willen in sämtliche wichtigen politischen Ereignisse verwickelt wird und es dennoch schafft, sich aus allem herauszuhalten, kann vielen gewissenhaft rezensierten Werken der Gegenwartsliteratur das Wasser reichen – oder besser: den Wodka.
Denn wie man es bei einem so durch und durch schwedischen Epos erwarten darf, wird hier ordentlich getrunken und gern darüber geredet. Vor Leuten, die nicht trinken, solle er sich in Acht nehmen, hat der Romanheld Allan Karlsson von seinem Vater gelernt, der in Russland vom Sozialisten zum Zarenverehrer mutierte und bei der Verteidigung seines zehn Quadratmeter großen, zur „unabhängigen Republik“ erklärten Privatgrundstücks von Lenins Soldaten erschossen wurde. Dieser Lebenslauf en miniature bildet das Prinzip der gesamten Erzählung ab: Ideologien werden als lächerliche Konstrukte entlarvt, und die Tragik des kleinen Mannes wird mit der Komik des weltpolitischen Geschehens verflochten. Als Lebensmotto taugt, wie sich herausstellt, einzig der Satz, den Allans Mutter sprach, als sie vom Tod ihres Gatten erfuhr: „Es ist, wie es ist, und es kommt, wie es kommt.“ Das heißt freilich nicht, dass das, was ist und was kommt, keinen Spaß machen darf.
So beginnt der Roman denn auch eher harmlos mit dem beliebten Motiv des Greises, der gegen die Spaßbremsen der Seniorenbetreuung rebelliert. Eine Stunde vor der offiziell anberaumten Feier seines hundertsten Geburtstags büxt Allan Karlsson aus dem Altersheim von Malmköping aus und macht sich auf den Weg zum Busbahnhof – in der schwedischen Provinz das Tor zur weiten Welt. Dort soll er auf den Koffer eines wenig sympathischen jungen Mannes aufpassen und steigt, weil er dringend die Kleidung wechseln möchte, kurz entschlossen mit dem fremden Gepäck in den Bus, der nach „Byringe Bahnhof“ fährt. Im Koffer befinden sich 50 Millionen Kronen aus Drogengeschäften.
Es folgt eine Mischung aus Krimikomödie, Schelmenstück und Roadmovie, die nur die Rahmenhandlung bildet, aber für sich schon kurzweilig genug wäre. Zwar ist das Schema bekannt – Polizei und Gangster jagen einen einerseits naiven, andererseits listenreichen Zufallsräuber –, doch Jonas Jonasson hat seinen hochbetagten Helden und die Figuren, die er auf seiner Flucht um sich schart, so reich mit allen Eigenarten ausgestattet, die wir seit Pippi Langstrumpf und Kalle Blomquist an den Schweden lieben, dass man einen Großteil des Publikumserfolgs wohl dieser indirekten Wiederbegegnung mit Kindheitsidolen und -idyllen zuschreiben darf.
Es fügt sich nämlich, dass der hundert-jährige Allan Karlsson mit dem siebzigjährigen Gelegenheitsdieb Julius Jonsson, dem ewigen Studenten Benny Ljungberg, der schönen, rothaarigen Schimpfwortvirtuosin Gunilla Björklund und deren Haustieren, der Elefantenkuh Sonja und dem Schäferhund Buster, eine Wohngemeinschaft bildet, und zwar in einem roten Holzhäuschen mit weißen Fensterrahmen an einem See im småländischen Fichtenwald. Später stoßen zu der Truppe noch Bennys Bruder, der ehemals gaunerhafte, inzwischen religiös gewordene Lebensmittelgroßhändler Bosse Ljungberg, sowie zwei der Verfolger, der Ex-Ganove Piranha und der einsame Kriminalkommissar Aronsson. Alle vertragen sich prächtig, profitieren gemeinsam von den Millionen im Koffer und brechen am Ende zu einem neuen Leben in wärmeren Zonen auf.
Leichen werden auf komisch-makabre Weise beseitigt, Konflikte so schlitzohrig wie friedfertig ausgetragen, die Dialoge funkeln von abgeklärtem Zynismus und phlegmatischer Lakonie, und zuweilen fühlt man sich von fern an Detlev Bucks Film „Wir können auch anders“ erinnert. Obendrein springt bei allem noch eine treffsichere schwedische Gesellschaftssatire heraus, die kriminelle Karrieren, begriffsstutzige Polizisten, rechtsradikale Pöbler und einiges andere aufs Korn nimmt.
Die eigentliche Story indes, in Rückblicken eingeschoben, ist noch viel kühner und im wahrsten Sinne durchgeknallt. Es ist die Lebensgeschichte des 1905 geborenen Allan Karlsson, der als Neunjähriger von der Schule abgeht, um in einer Nitroglyzerinfabrik zu arbeiten, fleißig mit Sprengstoff experimentiert und seine eigene Firma Dynamit-Karlsson gründet. Eingesperrt wegen eines Sprengunfalls mit tödlichen Folgen, zwangssterilisiert von einem wahnsinnigen Rassenbiologen (die gab es in Schweden offenbar schon vor 1929), schließlich als Sprengstofftechniker in einer Kanonengießerei untergekommen, lässt er sich von einem Kollegen aus Madrid zum Gastspiel im Spanischen Bürgerkrieg überreden, wo er dem leibhaftigen General Franco begegnet. Das ist der Beginn seiner nicht mehr abreißenden Verstrickung in die Weltpolitik nach dem Modell von „Forrest Gump“, nur dass er, anders als letzterer, nicht bloß als reiner Tor zwischen die Protagonisten gerät, sondern, nachdem man auf seine sprengtechnischen Kompetenzen aufmerksam geworden ist, von den Mächtigen verschiedener ideologischer Lager gesucht und weitergereicht wird, schließlich sogar als Atomexperte.
Deshalb, und weil Allan Karlsson eben kein reiner Tor ist, sondern eher ein bauernschlauer Pragmatiker, ist hier die ironische Brechung des welthistorischen Parcours viel ausgeprägter. Beim Ersinnen abstruser Konstellationen und Konfrontationen hat Jonas Jonasson überschäumende Phantasie entwickelt, und Figuren wie Herbert Einstein, der tumbe Bruder des großen Albert, werden dem Roman einen Hauch Unsterblichkeit sichern. Außerdem wird hier immer wieder mit einfachsten Mitteln der Irrsinn des Krieges aus der Perspektive der kleinen Leute beleuchtet, und insofern ist der „Hundertjährige“ auch eine Art Simplicissimus light, auf den zutrifft, was Joseph von Eichendorff über Grimmelshausens Simplicius sagte: „. . . und es ist eine Lust zuzusehen, wie er diese bestialische Welt humoristisch bewältigt.“
Hätten wir das Buch beizeiten rezensiert, hätten wir ihm ein paar Längen angekreidet. Jetzt, nach dem Riesenerfolg, sehen wir das anders: wie schön, dass es noch so viele entspannte, geduldige Leser gibt.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
Diesen Überraschungsbestseller
hatte die professionelle Kritik
nicht auf der Rechnung
Forrest Gump und Simplicissimus
light ist der „Hunderjährige“
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