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Reynaldo lebt im Zentrum Havannas. Nachdem seine gesamte Familie innerhalb kurzer Zeit zu Tode kommt, wandert der Junge unter Mordverdacht in den Knast. Nichts Besonderes im Havanna der 1990er Jahre, wo Mord und Totschlag an der Tagesordnung sind und es an Motiven dafür nicht mangelt: Hass, Eifersucht, Habgier und Hunger, bis hin zu Selbstmord aus Verzweiflung. Der Mangel am Elementarsten befreit die Menschen von jedem moralischen Korsett - was durchaus auch positive Seiten haben kann. Nirgendwo treibt das Unternehmertum buntere Blüten, vögelt man hemmungsloser, genießt man das Leben…mehr

Produktbeschreibung
Reynaldo lebt im Zentrum Havannas. Nachdem seine gesamte Familie innerhalb kurzer Zeit zu Tode kommt, wandert der Junge unter Mordverdacht in den Knast. Nichts Besonderes im Havanna der 1990er Jahre, wo Mord und Totschlag an der Tagesordnung sind und es an Motiven dafür nicht mangelt: Hass, Eifersucht, Habgier und Hunger, bis hin zu Selbstmord aus Verzweiflung. Der Mangel am Elementarsten befreit die Menschen von jedem moralischen Korsett - was durchaus auch positive Seiten haben kann. Nirgendwo treibt das Unternehmertum buntere Blüten, vögelt man hemmungsloser, genießt man das Leben freizügiger. Nach vier Jahren Knast ist Reynaldo um zahlreiche sexuelle Erfahrungen, etliche Tätowierungen und ein Piercing reicher und lässt sich - keineswegs gebrochen - von Abenteuer zu Abenteuer treiben. Bis er Magda kennen lernt ... 'Der König von Havanna' handelt von einem, der das Leben schon hinter sich hat und lebt, als ob er es noch vor sich hätte, von einem, der mit allen Wassern gewaschen
ist und trotzdem wie ein unbeschriebenes Blatt erscheint.
Autorenporträt
Stephan Benson, Jahrgang 1964, spielte an renommierten Theatern wie dem Schauspielhaus Zürich und dem Thalia Theater Hamburg. Der facettenreiche Darsteller ist in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen zu sehen (u.a. "Tatort"). Stephan Benson ist ein vielbeschäftigter Sprecher. Er lebt in Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.2003

Die Unterklasse mag's organisch
Cuba libre für alle: Ein neuer Roman von Pedro Juan Gutiérrez

Wer in unseren Zeiten eine neue Lust am Schund zu entdecken glaubt, der könnte in den seit kurzem auch in deutscher Übersetzung erscheinenden Werken des Kubaners Pedro Juan Gutiérrez Bestätigung finden. Nach seiner "Schmutzigen Havanna Trilogie" liegt hierzulande nun sein zweiter Roman vor.

Reynaldo, sein Held, wächst mit Mutter, Großmutter und einem Bruder in einem Armenviertel Havannas auf. Als er dreizehn Jahre alt ist, verletzt sein Bruder die Mutter im Streit tödlich und stürzt sich vom Dach, woraufhin die Großmutter einem Herzinfarkt erliegt. Die Polizei glaubt, Reynaldo habe Mutter und Bruder getötet. Der noch nicht strafmündige Junge wird in eine "Besserungsanstalt" gesteckt. Nach drei Jahren nutzt er eine Gelegenheit zur Flucht. Nun vagabundiert er durch Havanna, raucht Marihuana, trinkt Rum, bettelt, nimmt ab und zu Gelegenheitsjobs an oder beteiligt sich an kleinkriminellen Aktionen. Wenn er so zu etwas Geld kommt oder Menschen ihm helfen wollen, ist ihm das eigentlich eher lästig.

Armut ist ihm vertraut; und schließlich ist er trotzdem der "König von Havanna". Dies spielt zum einen auf seinen Namen an, dessen Kurzform "Rey" zugleich das spanische Wort für "König" ist. Zum anderen erhält er diesen Titel aufgrund eines körperlichen Vorzugs: Ihm eignet "ein wunderschöner dicker Schwanz von zweiundzwanzig Zentimeter Länge, in der Farbe dunklen Zimts, mit einem schwarzen Glanz", auch "das Tier" genannt. Ein Intimpiercing erhöht noch das Entzücken seiner zahlreichen Sexpartnerinnen. Außerhalb des Bettes gerät der "König" jedoch immer tiefer ins Elend.

Diese Geschichte eines sozial Unterprivilegierten, der ohne wirkliche innere Entwicklung verschiedene Stationen voller - vor allem sexueller - Abenteuer durchläuft, folgt äußerlich dem Muster des Pikaro-Romans. Erzählt wird allerdings in der dritten Person, und Reflexionen des Helden kommen kaum vor, denn: "Zum Glück dachte er nicht viel." Die Erzählweise wirkt, vielleicht gewollt, bisweilen etwas unsortiert, so als füge der Erzähler Informationen spontan und manchmal widersprüchlich ein, wenn sie ihm gerade in den Sinn kommen. Gelegentlich wird diese Perspektive von Erzählerkommentaren der ambitionierten Art durchbrochen: "Er war nur etwas zerknittert, schmuddelig, zerzaust, wodurch er ziemlich organisch in das apokalyptische Ambiente der Städte am Ende des Jahrtausends paßte." Prägender als diese im Rahmen der Romanhandlung eher unpassenden Einschübe ist aber das eifrige Bemühen des Autors um Härte und vor allem Obszönität.

Ein Grund für die Beachtung, die Gutiérrez auch hierzulande zuteil wird, ist neben der neuen Lust am Trivialen, der Freude daran, "dem elitären Meinungsterror der Durs-Grünbein-Fraktion Bescheid zu stoßen" (so einmal Rainer Moritz, Gutiérrez' deutscher Verleger), das spätestens seit dem "Buena Vista Social Club" (wieder) erwachte Interesse am Inselstaat: Kuba ist Kult. Schließlich dient Belletristik mitunter auch der Vermittlung landeskundlicher Informationen. Natürlich kann man dafür auch Sachbücher lesen, aber wer wollte sich schon in eine soziologische Studie über die Lebensumstände der urbanen Unterschicht Havannas vertiefen?

In "Der König von Havanna" kann man viel erfahren über Armut und Hunger, Gewalt und Resignation, Machismo und Sexbesessenheit im heutigen Kuba. Das Bild, das hier entsteht, ist keine Widerlegung der Buena-Vista-Romantik, wohl aber deren notwendige Ergänzung. Es gibt nur wenige direkte politische Anspielungen, aber gerade in der Tatsache, daß die Handlung sich ähnlich auch in Rio de Janeiro oder Bogotá abspielen könnte, liegt die politische Brisanz.

Denn das wichtigste Argument für Fidel Castros Kuba war ja immer, daß es dort eine bessere Sozialstruktur und weniger Armut gebe als im übrigen Lateinamerika. Wenn das wegfällt, wie in den neunziger Jahren geschehen - nach dem Ende der sowjetischen Hilfe bei Fortbestand des amerikanischen Embargos -, bleibt nicht mehr viel auf der Habenseite des Systems. Es überrascht nicht, daß Gutiérrez' Bücher in seinem Heimatland, wo er nach wie vor lebt und auch zu bleiben gedenkt, auf dem Index stehen.

Die Informationen sind angekommen. Ihrer literarischen Gestaltung hätte allerdings eine größere sprachliche und erzählerische Kraft gutgetan, als sie Pedro Juan Gutiérrez zur Verfügung steht.

HARDY REICH

Pedro Juan Gutiérrez: "Der König von Havanna". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Harald Riemann. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2003. 287 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.08.2003

Genitales Gähnen
Der neue Havanna-Roman von Pedro Juan Gutiérrez
Zur Strafe wird das Ende gleich im ersten Satz verraten: Der jugendliche Antiheld stirbt auf der Müllkippe, nachdem er es der Leiche seiner Freundin nochmal ordentlich besorgt hat und ihn die Ratten zu Dutzenden angebissen haben. Dass der neue Roman des Kubaners Pedro Juan Gutiérrez so unerträglich langweilig ist, liegt nicht unbedingt an seinem Sujet: Aus der Kombination von Systemkritik und Sex, Verelendung und Stumpfheit hätte man schon etwas machen können. Aber die größte Lebensnähe schützt nicht vor Monotonie, und ohne formales Gestaltungstalent bleibt jede Milieuschilderung an ihren Protagonisten kleben.
„Der König von Havanna” erzählt die Geschichte des sechzehnjährigen Rey, der im Schmutz aufwächst, im Knast landet, flieht und sich als Kleinkrimineller durchschlägt. Sein herausragendes Merkmal ist ein riesiger, gepiercter Penis, mit dem er all die lüsternen Frauen Havannas und gelegentlich einen Transvestiten beglückt. Übelriechende Genitalien, Hunger und Dreck beflügeln den Kopulator eher, als dass sie ihn von seiner Bestimmung abhielten, und deshalb muss man sich von Akt zu Akt schleppen, bis das begrenzte Repertoire der Körperöffnungen endlich abgearbeitet ist: „So gefiel sie ihm, schön stinkend. Dann fing sie an, an ihm zu lutschen. Sie gingen in Stellung Neunundsechzig. Seit vielen Tagen hatten sie sich nicht gewaschen. Sie waren zwei Schweine, gierig nacheinander wie Tiere. Und erneut begingen sie eine ihrer verrückten Orgien.”
Vom „Gerät” über den „Goldschwanz” bis zum „Riesendödel” – der Erzähler bemüht sich um semantische Vielfalt. Ekelfaktoren wie Filzläuse und Fäkaldetails sollen die Leser bei der Stange halten. Derweil vermodert die Hauptstadt Kubas. Menschen werden zu Tieren, Polizisten knüppeln, Bettler sterben, Häuser stürzen ein und nur im „Dollargebiet” ist das Leben erträglich. Diese Gesellschaftskritik bringt zwar den Kuba-Kitsch im Stil von „Buena Vista Social Club” zum Verblassen, aber eine erzählerische und stilistische Form lässt sich aus ihr nicht gewinnen.
Gutiérrez, Jahrgang 1950 und mit dem Roman „Schmutzige Havanna Trilogie” bekannt geworden, erweitert das Klischee ‚kubanische Lebensfreude‘ einfach um ‚kubanische Sexbesessenheit‘ . Wenn er dabei eine Bloßstellung von Geschlechtsmythen beabsichtigt hat, ist ihm auch dieser Versuch gründlich misslungen. Denn der Kult der Härte wird wie die Endlosschleife einer Telefonsexnummer immer weiter gespult und penetriert jede Form der Kritik. „Dir ist nicht zu helfen... Du leidest unter akutem Brutalo-Machismus, und an der Krankheit wirst du zugrundegehen.” Die Diagnose stammt vom Transvestiten Sandra, und sie wird recht behalten. Penetriert wird sie natürlich auch.
JUTTA PERSON
PEDRO JUAN GUTIÉRREZ: Der König von Havanna. Roman. Aus dem Spanischen von Harald Riemann. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2003. 287 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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