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Die Wiederentdeckung aus Italien: eine melancholische Liebesgeschichte im Rom der siebziger Jahre im Stil von Fellinis "La Dolce Vita"Rom, Anfang der siebziger Jahre: Der junge Leo Gazzarra kommt aus Mailand in die Ewige Stadt, die ihm alles zu bieten scheint. Ein befreundetes Paar überlässt ihm seine Wohnung und verkauft ihm einen alten Alfa Romeo, ein anderer Freund verschafft ihm einen Job beim "Corriere dello Sport". Mühelos fast findet er Anschluss, frequentiert die angesagten Bars und begegnet eines Abends der so exzentrischen wie umwerfenden Arianna, die sein Leben umkrempelt.Gianfranco…mehr

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Produktbeschreibung
Die Wiederentdeckung aus Italien: eine melancholische Liebesgeschichte im Rom der siebziger Jahre im Stil von Fellinis "La Dolce Vita"Rom, Anfang der siebziger Jahre: Der junge Leo Gazzarra kommt aus Mailand in die Ewige Stadt, die ihm alles zu bieten scheint. Ein befreundetes Paar überlässt ihm seine Wohnung und verkauft ihm einen alten Alfa Romeo, ein anderer Freund verschafft ihm einen Job beim "Corriere dello Sport". Mühelos fast findet er Anschluss, frequentiert die angesagten Bars und begegnet eines Abends der so exzentrischen wie umwerfenden Arianna, die sein Leben umkrempelt.Gianfranco Calligarich hat mit "Der letzte Sommer in der Stadt" einen Roman voller Wunder geschrieben, einen Roman, der auf jeder Seite Fellinis "La Dolce Vita" und Paolo Sorrentinos "La Grande Bellezza" heraufbeschwört und durch seine schwindelerregende Unrast fasziniert.
Autorenporträt
Gianfranco Calligarich, geboren 1947 in Asmara, Eritrea, stammt aus einer Triestiner Familie. Er wuchs in Mailand auf, bevor er nach Rom zog, wo er als Journalist und Drehbuchautor arbeitet. 1994 gründete er das Teatro XX Secolo. Die Originalausgabe von Der letzte Sommer in der Stadt erschien 1973. Der Roman wird derzeit in zwanzig Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2022

Rom, zum Sterben schön
Nach fast fünfzig Jahren auf Deutsch: Gianfranco Calligarichs Roman "Der letzte Sommer in der Stadt"

Der Schriftsteller Giorgio Manganelli, geboren 1921 in Mailand, gestorben 1990 in Rom, hat in einer kleinen, 1973 veröffentlichten Betrachtung diese zwei Städte verglichen: Mailand, "eine Stadt des Nordens, Schwester von Zürich und Cousine von Lübeck", schmäht er für "eine Art fieberhafter Hässlichkeit, eine hastige und unmanierliche Funktionalität", Rom dagegen schätzt er für den "schönen Eindruck, in einer Stadt zu leben, die weitgehend aus Ruinen besteht, . . . wie in einem verlassenen Museum".

Seit Fellinis Film "La dolce vita" (1959), auf den Luciano Bianciardi mit dem Roman "La vita agra" (Das saure Leben, 1962), einer sarkastischen, von Carlo Lizzani verfilmten Abrechnung mit Mailand, antwortete, sind Gegensatz und Rivalität der beiden Metropolen ein häufiger Topos. "Die schweren Speisen, der endlose Sommer, laute Nächte" in Rom, "pastose Nebel" und "Mangel an Farben" in Mailand: Jene Attribute und Motive, die Manganelli in "Rom und Mailand" anführt, finden sich auch in dem Roman "Der letzte Sommer in der Stadt" von Gianfranco Calligarich, der im selben Jahr 1973 herauskam und nun, fast ein halbes Jahrhundert später, erstmals auf Deutsch erscheint.

"Ich habe das Meer immer geliebt", bekennt Leo Gazzarra, der Icherzähler, auf der zweiten Seite und nennt die Nähe zum Meer als "einen der Gründe, weshalb es mich nach Rom zog". Zudem ist er familiär vorbelastet: Sein slawischer Großvater hatte die Jugend auf den Handelsschiffen des Mittelmeers verbracht, bevor er in Mailand strandete. Rom ist, so Leo schon nach einem Jahr, "der einzige Ort, an dem ich leben könnte . . ., denn Rom birgt einen besonderen Rausch in sich, der die Erinnerungen verbrennt". Die Aussicht, die Mailand bietet, findet er schrecklich: "einen Abschluss machen, heiraten und Geld scheffeln".

"Wenn ihr die Stadt liebt, wird sie sich euch darbieten, wie ihr sie euch wünscht", sagt Leo über Rom und lebt danach. Als das Büro der medizinisch- literarischen Zeitschrift, die ihn als Korrespondenten eingestellt hat, nach einem Jahr geschlossen wird und er aus dem Palazzo eines bankrotten Grafen ausziehen muss, hat Leo so viele Kontakte geknüpft, dass er erst mal ohne Job über die Runden kommt. Er übernimmt die Wohnung eines Künstlerpaars, das für zwei Jahre nach Mexiko geht, und dessen alten Alfa gleich mit, erkundet die Stadt, ihre Plätze, Sehenswürdigkeiten und Hotspots, schlägt sich durch Bars und schläft sich durch Betten, lässt sich zum Essen und zu Feten einladen, lebt und träumt in den Tag hinein, sogar seinen dreißigsten Geburtstag hätte er fast vergessen.

Auf einer Party begegnet er Arianna, einer kapriziösen Schönheit und Langzeitstudentin der Architektur aus Venedig, die beiden verlieben sich, streifen durch die Nacht und fahren ans Meer, genießen das Nichtstun und können ihr Glück doch nicht fassen und ihm eine Richtung geben. Die "Beklemmung, die ich nicht loswurde, und dieser stechende Schmerz in meiner Brust" sind Empfindungen, die den bindungsschwachen, ziellosen Leo über Gemeinplätze nicht hinausführen: "Dieses abgeschriebene Leben gab es, mein Leben, das sich ändern musste."

Calligarich schreibt eine schlanke, jazzig pulsierende Prosa mit schwingenden Melodiebögen und unruhigen Rhythmen, überraschenden Metaphern und schnellen Sprüngen, die auch in der Übersetzung von Karin Krieger funkelt und flirrt. Wie er eine Kulturschickeria, Künstler, Journalisten, eine Galeristin, Bohemiens - auch ein Tennisprofi ist darunter -, porträtiert, erfasst das Lebensgefühl einer Generation zwischen Sehnsucht und ausgelebter Sinnlichkeit, Einsamkeit und Ennui: Es ist die Zeit vor Aids und Rauchverbot, als auf der Piazza del Popolo noch Autos (und keine E-Roller) parkten, Nachtschwärmer mit tragbaren Plattenspielern unterwegs waren, Redakteure Pfeife rauchten, die Zugfahrt von Mailand nach Rom noch "acht Stunden" (Manganelli) dauerte, man zum Telefonieren einen Gettone brauchte und es völlig ausreichte, "kein Volltrottel zu sein, um als Genie durchzugehen" und beim Fernsehen einen Job zu kriegen. Aber Leo weiß schon nach einem Tag, dass das nichts für ihn ist, und schlüpft beim "Corriere dello Sport" unter, doch nicht als Journalist, sondern nur als Schreibkraft, die Texte transkribiert.

"Der letzte Sommer in der Stadt" ist eine Hommage an Rom, und um es hell leuchten zu lassen, greift Calligarich den Vergleich mit Mailand noch einmal auf. Als Arianna sich mit einem reichen Salonmaler verbandelt, sehnt sich Leo kurz vor Weihnachten "ein bisschen nach dem anständigen, etwas dumpfen Leben, das man in meiner düsteren Stadt führte", nimmt den Nachtzug und geht an einem "fahlen Morgen" zum Haus der Eltern. Aber statt sie zu besuchen, beobachtet er, wie der Vater aus der Tür kommt und sich von der Mutter verabschiedet. Mit dem Gefühl, zu stören, dreht er um und fährt zurück: "Die Traurigkeit überfiel mich, als der Zug sich in Bewegung setzte."

Gianfranco Calligarich, der 1947 (nach anderen Angaben: 1939) in Asmara in Eritrea geboren wurde und in Mailand aufgewachsen ist, hat in Rom als Journalist und Drehbuchautor gearbeitet, bis er 1994 ein Off-Theater gründete. Dass sein Debütroman, der, von Natalia Ginzburg gefördert, nach der erfolgreichen Erstauflage in der Versenkung verschwand und danach zweimal, 2010 und 2018, neu herauskam, nun in zwanzig Sprachen übersetzt wird, dürfte auch mit Paolo Sorrentinos Film "La grande bellezza" zu tun haben, der dasselbe Thema in wunderschöne Bilder verpackt und nostalgische Gefühle bedient. Doch während das Kino die Hohlheit einer selbstverliebten Clique nur reproduziert, schält der Roman, auch wenn die Frauenfiguren seltsam stereotyp geraten, ihren bitteren Kern heraus. ANDREAS ROSSMANN

Gianfranco Calligarich: "Der letzte Sommer in der Stadt". Roman.

Aus dem Italienischen von Karin Krieger.

Zsolnay Verlag, Wien 2022. 208 S., geb.,

22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ein kostbarer Roman [...]. Calligarich erzählt und reflektiert mit Eleganz, die Poesie seiner Sprache geht auch in der sorgfältigen deutschen Übersetzung nicht verloren." Susanna Bastaroli, Die Presse am Sonntag, 20.02.22 "Mit einer wunderbar Haken schlagenden Sprache, [...] Witz und Poesie schildert dieses Buch, das in Italien in den Siebzigern berühmt war und nun international wiederentdeckt wird, eine süße und traurige Liebesgeschichte." Wolfgang Höbel, Der Spiegel, 19.02.22 "Der sinnlichste Rom-Roman seit Langem! ... Ein Buch voller leibhaftiger Figuren und poetischer Sehnsüchte. Ein Setting, in dem Leute noch ohne Handytexten durchs Nachtleben ziehen, um Freunde und Bekannte zu treffen - und mit etwas Glück sogar die Liebe. ... Caput mundi als Kulisse postmoderner Liebessehnsüchte hat lange keiner so zauberhaft geschildert wie Calligarich." Marc Reichwein, Literarische Welt, 05.02.22 "All die Höhen und Tiefen der Beziehung bettet Gianfranco Calligarich ein in wunderbare, skurrile und dramatische Episoden wie ein Fellini mit der Schreibfeder. Er erweckt markante Charaktere zum Leben und schüttelt anscheinend so nebenbei famose Erkenntnisse aus dem Ärmel. Ein zartes und fragiles Werk über die Magie des Augenblicks und das nur selten verdrängbare Wissen, dass alles seine Zeit und seine Vergänglichkeit hat." Werner Krause, Kleine Zeitung, 29.01.22 "Rom-Sehnsucht gegen den Pandemie-Blues: Heldin des Buchs ist die Stadt, und die Menschen darin dürfen sich in ihr frei verlieren." Gerald Heidegger, orf.at, 24.1.22 "Intensiv leuchtet Gianfranco Calligarichs Der letzte Sommer in der Stadt. ... Eine wilde, zärtliche, schräge Liebesgeschichte, die ins Schwitzen bringt." Barbara Weitzel, Die Welt am Sonntag kompakt, 23.1.22 "Eine Liebeserklärung an das Leben in faszinierender Intensität. Ein grandioses, zartes und fragiles Werk über die Magie des Augenblicks und das nur selten verdrängbare Wissen, dass alles seine Zeit und seine Vergänglichkeit hat." Werner Krause, Kleine Zeitung, 22.1.22 "Wie eine Reise in den Süden und in vergangene Zeiten." Dirk Versendaal, Stern, 20.1.22 "Calligarich hat eine ganz eigene Stimme ..., ein fabelhaftes visuelles Gespür für solche kleinen Szenen, man sieht das sofort vor sich, als habe man es selbst an der Piazza del Popolo erlebt. Ein großes Geschenk." Peter Körte, FAS, 9.1.22 "Dieser erste Roman ist ein Meisterwerk! Eine Liebesgeschichte, die in Rom zwischen La dolce vita und La Grande Bellezza spielt: elegant, melancholisch, außergewöhnlich gut geschrieben." Frédéric Beigbeder "Ein Roman für alle, die Philipp Roth oder Jonathan Franzen lieben. ... Eine Lektüre voller Überraschungen." Guiseppe Gena, Vanity Fair "Der Roman erweckt die Erinnerung an eine ebenso glühende wie frivole Epoche der italienischen Geschichte. ... Die Dialoge, so köstlich wie ein Glas Barolo, erinnern an das aristokratische und literarische Geplänkel eines Woody-Allen-Films. Die Piazza del Popolo oder das Meer, in dem sich der 'ägyptische Himmel' spiegelt, erinnern an die Wanderungen in Rom von Stendhal." Flavie Philipon, Elle "Beeindruckend! Calligarich beschwört Italiens Plätze, Partys, Strände und Bars mit einer Stimmung, die an Hemmingways 'Ein Fest fürs Leben' erinnert ... das Gefühl, dass Leo allein auf der Welt ist, wird ergreifend vermittelt." Nicola Vacca, linea "Eine Liebesgeschichte, bei der man den Verstand verliert. ... Wenn du merkst, dass sich die Träume von jemanden in Luft auflösen, dann gib ihm dieses Buch zu lesen. Er wird wieder richtig lernen zu träumen." Fabrizio Ottaviani, Il Giornale "Den letzten Sommer in der Stadt vergisst man nie wieder." Paolo di Stefano, Corriere della Serra…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Rezensentin Sigrid Löffler hofft, dass Gianfranco Calligarich durch die Wiederentdeckung seines Romans "Der letzte Sommer in der Stadt" endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient. Der italienische Roman erschien bereits 1973 und erzählt von der Liebe des 30-jährigen Ich-Erzählers Leo, unverkennbar ein Alter Ego des Schriftstellers, zu einer jungen Frau und der Stadt, in der er lebt - dem altehrwürdigen Rom, beschreibt Löffler. Das beschriebene Milieu und Figurenensemble gibt einen Einblick in den römischen Zeitgeist der frühen siebziger Jahre und erinnert die Rezensentin an Federico Fellinis Film "La Dolce Vita" aus dem Jahr 1960. Diese Hymne auf Rom und Abgesang auf die Jugend ist ein wiederentdecktes kleines Meisterwerk, das sich gut gehalten hat, schließt Löffler.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.02.2022

Nur Rom bleibt sich ewig gleich
Durchdrungen von tiefer Trauer und dennoch hingerissen von der Schönheit des Lebens: Gianfranco Calligarichs Roman „Der letzte Sommer in der Stadt“
Gianfranco Calligarich versteht sich auf Leichtigkeit. In seinem aus der Versenkung wieder aufgetauchten Roman „Der letzte Sommer in der Stadt“, ursprünglich 1973 erschienen und dann jahrzehntelang vergessen, herrscht eine bezwingende Stimmung. Sämtliche Figuren, darunter militante Müßiggänger und Gelegenheitsschriftsteller, eine Antiquitätenhändlerin, ein TV-Redakteur, eine unschlüssige Studentin, ein Tennisprofi auf Abwegen, der ein oder andere abgebrannte Graf, verhinderte Drehbuchautoren und natürlich Journalisten, taumeln gegenwartstrunken durch die römischen Nächte.
Dass sich unter der vermeintlichen Unbeschwertheit zumindest bei Calligarichs Haupthelden eine tiefe Melancholie verbirgt, ahnt man von der ersten Seite an. Denn der Autor lässt Leo Gazzarra, der dreißig Jahre alt ist, aus Mailand stammt und sich nun seit einiger Zeit in Rom durchschlägt, selbst das Wort ergreifen. Der Roman ist nach dem Strukturprinzip eines Kreises aufgebaut und besteht aus einer langen Rückblende: Gazzarra befindet sich in einer Meeresbucht südlich der Hauptstadt und beginnt, aus der Retrospektive seine Geschicke darzulegen, um am Ende genau wieder am Ausgangspunkt zu landen. Wovon dazwischen die Rede ist? Von der Liebe zu einer Frau, die sich entzieht, finanziellen Engpässen, dem Verlust eines Freundes. Oder, wie es das Motto von T.S. Eliot vorweg nimmt: „Wie er stieg und sank, durchlief er die Stufen von Alter und Jugend. Und trieb in den Wind.“
Leo Gazzarra wendet sich direkt an seine Leser, das epische Mittel der Vorausdeutung kommt immer wieder zum Einsatz, und das Ganze gewinnt den Charakter eines Bekenntnisses, einer Lebensbeichte. Sein Großvater war ein slawischer Seemann, und tatsächlich verwendet auch sein Enkel mit Vorliebe eine maritime Metaphorik, von Karin Krieger glänzend übersetzt, ebenso wie Leo Gazzaras kolloquiales und zugleich elegantes Parlando. Der junge Mann versteht sich nämlich vor allem auf eines: „die Segel zu setzen“ und einen Abgang zu machen, bevor es allzu brenzlig wird.
Aber zuallererst ist er ein Verführer, jemand, der sein Gegenüber durch Schlagfertigkeit und Bonmots erobert. Mit schwingenden Satzperioden, durchsetzt von pointierten Dialogen und bildhaften Vergleichen, schildert er seinen Abschied aus Mailand, den Schmerz, sich von seinem durch den Zweiten Weltkrieg zerrütteten Vater zu lösen, die Ankunft in Rom und seine erste Anstellung als Korrespondent einer medizinisch-literarischen Zeitschrift. Letztere währt nur ein Jahr, bietet aber, da die Redaktion in der Villa des bankrotten Adligen Giovanni Rubino di Sant’Elia ihren Sitz hatte, ein Exempel in stilvollem Nichtstun.
Etliche der kostbaren Möbel des Hauses sind bereits gepfändet, nur der Steinway-Flügel ist noch da, und in einen Morgenmantel gehüllt, gibt der Graf am Spätnachmittag sein Repertoire zum Besten. Nach der Kündigung hält sich Leo Gazzarra mit Aushilfsjobs beim Corriere dello Sport über Wasser, tippt Artikel vom Tonband ab, bezieht eine Wohnung von Freunden und übernimmt deren altersschwachen Alfa Romeo. Sämtliche Zutaten für ein Leben wie ein Filmstar aus den frühen 1960er Jahren scheinen beisammen zu sein, und dann kommt auch noch die besagte Frau ins Spiel: eine überspannte venezianische Architekturstudentin namens Arianna mit Psychiatrieerfahrung, die Leo durch ihre spielerische Lebensauffassung in den Bann schlägt. Richtig füreinander entscheiden können sie sich aber nicht, und es geht eine Weile hin und her.
Weniger glamourös ist Leo Gazzarras Kampf gegen den Suff, in den er immer wieder abzurutschen droht. Als sich Arianna mit einem schwerreichen Künstler einlässt und dann sein bester Freund Graziano, mit dem er gerade noch ein Drehbuch geschrieben hat, am Alkohol zugrunde geht, dreht der lustvolle Taumel der Sommernächte ins Leere. Gianfranco Calligarich, der die Veröffentlichung seines Debüts der Schriftstellerin Natalia Ginzburg verdankte, lange als Regisseur beim italienischen Fernsehen arbeitete, dann ein erfolgreiches Off-Theater gründete und erst seit 2004 mit einigen Romanen erneut als Schriftsteller reüssierte, lässt etliche autobiografische Erfahrungen in seinen Erstling einfließen.
Er wurde 1947 in Asmara/ Eritrea geboren und wuchs genau wie sein Held in Mailand auf. Nach dem Schulabbruch folgte eine Ausbildung als Journalist in Urbino und dann der Umzug nach Rom, wo er bei ein, zwei Magazinen unterkam und hingerissen war von der behäbigen Grandezza der Stadt. Es waren die späten Jahre der Via Veneto, die der Schriftsteller Ennio Flaiano schon in seinen Feuilletons porträtiert hatte und der er dann mit Federico Fellini in dem mythischen Film „La dolce vita“ ein Denkmal setzte. Meistens hat man nur den streunenden Reporter Marcello Rubini – verkörpert von Marcello Mastroianni –, den sensationslüsternen Fotografen Paparazzo und die badende Anita Ekberg im Trevi-Brunnen im Kopf, aber es ist ja auch die Geschichte des Intellektuellen Steiner, der aus Verzweiflung über das saturierte, selbstgefällige Treiben einer immer rastloseren Bohème schließlich seine Kinder und sich selbst tötet.
Das Echo des Skandals, den der Film 1959 bei seiner Uraufführung auslöste, wird in den 1960er Jahren noch spürbar gewesen sein. „La dolce vita“ wirkt jedenfalls wie die Folie von Calligarichs Roman, sein Held Leo wie ein geläuterter Widergänger von Marcello und dem apokalyptischen Steiner. Auch die Schauplätze, wie die modernen Wohnungen am Stadtrand, die nächtlichen Straßen, die bröckelnden Brunnen auf den Plätzen scheinen dem Film nachempfunden.
Dass Calligarichs Roman, den es nur einen Sommer lang zu kaufen gab, auf Interesse stieß, mag mit diesem déjà-vu-Effekt zu tun gehabt haben: Zum letzten Mal ließ jemand das vergnügungssüchtige Rom der frühen 1960er Jahre aufleben, durchdrungen von tiefer Trauer, aber dennoch hingerissen von der Schönheit des Lebens. Zwar geht auch diese Geschichte schlecht aus, aber das Bild der Stadt scheint weniger beschädigt als bei Fellini, der es, nach Flaianos Worten, als einen Ort voller Fäulnis und Verwesung ins Bild setzte. Calligarichs Roman war ein merkwürdiges Schicksal beschieden. Er erschien 1973 bei Garzanti, erreichte binnen weniger Wochen eine Auflage von 17.000 und verschwand aus unerklärlichen Gründen anschließend von der Bildfläche. Bei den Bouquinisten war er noch zu haben, und unter Liebhabern reichte man sich „Der letzte Sommer in der Stadt“ weiter. Dass der Roman 2012 bei Aragno herauskam und plötzlich wieder sein Publikum fand, hing einerseits mit dem verblüffend zeitlosen Sujet und der funkelnden Sprache zusammen, andererseits aber auch mit der Omnipräsenz einer Dekadenzerfahrung.
Ganz Italien schien davon ergriffen, und es ist kein Zufall, dass Paolo Sorrentino in seinem Film „La grande bellezza“ dann ein Jahr später auf Fellinis große Metapher zurückgriff. Ob Fellini, Sorrentino oder Calligarich: Es geht um die italienische Lust am Karneval, am kompletten Ausnahmezustand, worauf Fastenzeit, Einkehr und Buße folgen, was den Drang einer erneuten Verletzung der Normen nur steigert. Eine anthropologische Konstante. Und bei Calligarich kann man genau das erleben: Nur Rom bleibt sich ewig gleich. Schlimmstenfalls wird man zum Opfer seiner Schönheit.
MAIKE ALBATH
Bei Gianfranco Calligarich blüht es noch einmal auf, das vergnügungssüchtige Rom der Sechzigerjahre.
Foto: imago stock&people
Gianfranco Calligarich: Der letzte Sommer in der Stadt. Roman. Aus dem Italienischen von Karin Krieger. Zsolnay Verlag, Wien 2021.
208 Seiten, 22 Euro.
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