Mexiko, 1950. Ein verstörender Brief führt die junge Noemí in das entlegene Herrenhaus High Place in den mexikanischen Bergen: Ihre frisch vermählte Cousine Catalina behauptet, ihr Mann Virgil Doyle wolle sie vergiften. Das Ansehen der englischen Familie Doyle ist längst verblasst und ihr Herrenhaus zu einem düsteren Ort geworden. Doch Noemí hat keine Angst - weder vor dem eitlen Ehegatten ihrer Cousine noch vor Howard Doyle, dem widerwärtigen Familienoberhaupt. Aber als Noemí herausfindet, was auf High Place vor sich geht, ist es zu spät: Sie ist längst in einem Netz aus Gewalt und Wahnsinn gefangen.Ungekürzte Lesung mit Julia Nachtmann2 mp3-CDs ca. 12 h 30 min
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2022Zwischen Wahn und Traum
Silvia Moreno-Garcias erzeugt feines Schauern
Der Titel lässt es nicht unbedingt vermuten, aber statt bunten Folklorekitsches setzt nebliges Bergland die Atmosphäre in "Der Mexikanische Fluch" - ein abgelegenes viktorianisches Anwesen mit dem vielsagenden Namen High Place. Hierhin reist die angehende Anthropologin Noemí, um bei ihrer frisch verheirateten Cousine nach dem Rechten zu sehen. In einem beunruhigenden Brief schreibt Catalina von Stimmen in den Wänden; von Gift, das ihr Ehemann aus verarmtem englischen Geldadel ihr untermischt.
Ein klassischer Fall von Verfolgungswahn, oder schwebt sie in ernsthafter Gefahr? Silvia Moreno-Garcia ("Die Tochter des Doktor Moreau") beginnt in groben Strichen das Leben einer bessergestellten Junggesellin im Mexiko-Stadt der Fünfzigerjahre zu zeichnen, setzt Noemí aber schnell in den Zug. Bei ihrer Ankunft dauert es dann schon nicht mehr lange, bis die ersten Winks in Richtung wegbereitender Schauerklassiker einsetzen: "Sturmhöhe", "Rebecca", "Dracula". Mit jeder Seite wird die bewusst etwas antiquiert gewählte Sprache opulenter, halluzinatorischer, lässt die schimmeligen Wände des Hauses, in dem Noemí fortan mit Catalinas Familie residiert, seine angelaufenen Ornamente und düsteren Winkel als unheimliche Präsenz lebendig werden, in deren Aura die Grenzen zwischen Realität, Traum und Wahn verschwimmen. So exerziert "Der Mexikanische Fluch" zunächst die gängigen Themen der Gothic-Literatur in all ihrem altmodischen Reiz durch - weibliche Fremdbestimmung und Sprachlosigkeit, das Haus als Verkörperung einer angeschlagenen Psyche - um im entscheidenden Moment die Formel aufzubrechen: In Gestalt Noemís, die sich der Rolle des eleganten, aber traurigen Weibchens gegenüber verweigert, die Ärmel hochkrempelt und zur Detektivin avanciert. Und schließlich, weil sich der Plot immer mehr in eine herrlich schangelnde Allegorie auf die Folgen von Kolonialismus und Imperialismus hineinsteigert. kd
Silvia Moreno-Garcia: "Der mexikanische Fluch". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Frauke Meier.
Limes Verlag,
München 2022.
416 S., geb.,
22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Silvia Moreno-Garcias erzeugt feines Schauern
Der Titel lässt es nicht unbedingt vermuten, aber statt bunten Folklorekitsches setzt nebliges Bergland die Atmosphäre in "Der Mexikanische Fluch" - ein abgelegenes viktorianisches Anwesen mit dem vielsagenden Namen High Place. Hierhin reist die angehende Anthropologin Noemí, um bei ihrer frisch verheirateten Cousine nach dem Rechten zu sehen. In einem beunruhigenden Brief schreibt Catalina von Stimmen in den Wänden; von Gift, das ihr Ehemann aus verarmtem englischen Geldadel ihr untermischt.
Ein klassischer Fall von Verfolgungswahn, oder schwebt sie in ernsthafter Gefahr? Silvia Moreno-Garcia ("Die Tochter des Doktor Moreau") beginnt in groben Strichen das Leben einer bessergestellten Junggesellin im Mexiko-Stadt der Fünfzigerjahre zu zeichnen, setzt Noemí aber schnell in den Zug. Bei ihrer Ankunft dauert es dann schon nicht mehr lange, bis die ersten Winks in Richtung wegbereitender Schauerklassiker einsetzen: "Sturmhöhe", "Rebecca", "Dracula". Mit jeder Seite wird die bewusst etwas antiquiert gewählte Sprache opulenter, halluzinatorischer, lässt die schimmeligen Wände des Hauses, in dem Noemí fortan mit Catalinas Familie residiert, seine angelaufenen Ornamente und düsteren Winkel als unheimliche Präsenz lebendig werden, in deren Aura die Grenzen zwischen Realität, Traum und Wahn verschwimmen. So exerziert "Der Mexikanische Fluch" zunächst die gängigen Themen der Gothic-Literatur in all ihrem altmodischen Reiz durch - weibliche Fremdbestimmung und Sprachlosigkeit, das Haus als Verkörperung einer angeschlagenen Psyche - um im entscheidenden Moment die Formel aufzubrechen: In Gestalt Noemís, die sich der Rolle des eleganten, aber traurigen Weibchens gegenüber verweigert, die Ärmel hochkrempelt und zur Detektivin avanciert. Und schließlich, weil sich der Plot immer mehr in eine herrlich schangelnde Allegorie auf die Folgen von Kolonialismus und Imperialismus hineinsteigert. kd
Silvia Moreno-Garcia: "Der mexikanische Fluch". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Frauke Meier.
Limes Verlag,
München 2022.
416 S., geb.,
22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Gänsehautalarm!« Booklist »Unwiderstehlich! Eine düstere und feministische Wiedererweckung des Schauerromans.« Vanity Fair
»Zwischen Wahn und Traum - Silvia Moreno-Garcia erzeugt feines Schauern.« FAZ