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Christoph Peters hat einen Roman geschrieben, wie es ihn seit Wolfgang Koeppens "Das Treibhaus" nicht gegeben hat: eine schonungslose Bestandsaufnahme der politischen Kultur eines ganzen Landes.Siebenstädter hat schon alles gesehen. Als Moderator einer Politsendung im Radio kennt er sich aus mit den Spielregeln der Berliner Spitzenpolitik, dem Schattenreich der Hinterzimmer, mit der Gnadenlosigkeit eines Betriebs, dem es nur um Machterhalt geht. Siebenstädter ist so beliebt wie berüchtigt, einer, der an gar nichts glaubt und sich prädestiniert fühlt, die Lügen der Eliten aufzudecken. Mit der…mehr

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Produktbeschreibung
Christoph Peters hat einen Roman geschrieben, wie es ihn seit Wolfgang Koeppens "Das Treibhaus" nicht gegeben hat: eine schonungslose Bestandsaufnahme der politischen Kultur eines ganzen Landes.Siebenstädter hat schon alles gesehen. Als Moderator einer Politsendung im Radio kennt er sich aus mit den Spielregeln der Berliner Spitzenpolitik, dem Schattenreich der Hinterzimmer, mit der Gnadenlosigkeit eines Betriebs, dem es nur um Machterhalt geht. Siebenstädter ist so beliebt wie berüchtigt, einer, der an gar nichts glaubt und sich prädestiniert fühlt, die Lügen der Eliten aufzudecken. Mit der Coronakrise jedoch verändert sich das Spiel: Siebenstädter hat ebenso Zweifel an den staatlichen Maßnahmen wie Abscheu gegenüber Verschwörungsgläubigen. Unerwartet erhält er das Angebot der Liberalen, die Seiten zu wechseln, während Maria Andriessen, aufsteigender Stern der Sozialdemokratie, sich mehr für ihn zu interessieren scheint, als es bei einem verheirateten Mann angemessen wäre. Vor allem aber spürt Siebenstädter, dass seine Zeit langsam abläuft - warum also nicht alles auf eine Karte setzen?
Autorenporträt
Christoph Peters wurde 1966 in Kalkar geboren. Er ist Autor zahlreicher Romane und Erzählungsbände und wurde für seine Bücher mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Wolfgang-Koeppen-Preis (2018) und dem Thomas-Valentin-Literaturpreis der Stadt Lippstadt (2021). Christoph Peters lebt heute in Berlin
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.10.2022

Leerdrehende Machtmaschine
Vom Bonner Treibhaus in den Berliner Sandkasten: Christoph Peters erzählt aus dem Innenleben einer kriselnden Funktionselite
„Laber Rhabarber“, sagt sich Kurt Siebenstädter, wenn er nachdenkt. Über sich, über das permanente Gerede um ihn herum, das er selbst täglich mitproduziert; über seine Funktion im großen Betrieb der Meinungen, in dem er als eine kritische Stimme gilt oder zumindest galt, wobei ihm selbst immer klar war, dass das System die Kritik an sich stets mitgedacht und aufgesogen hat. „Laber Rhabarber“, und diese klassische 1980er-Jahre-Wendung, die in Siebenstädter herumgeistert, zeigt auch, was er für einer ist – ein Mann knapp über 50, geprägt vom Zeitgeist einer hedonistischen Epoche. Ein Auslaufmodell, der verständnislos zusieht, wie Begriffe umgedeutet werden, wie ein Skeptiker plötzlich verdächtig wird, und wie eine ironisch-distanzierte Haltung zu den Dingen als ausgelaugte Pose eines privilegierten, haltungslosen Reaktionärs gedeutet wird.
Aber noch sitzt Kurt Siebenschläfer nicht im, aber doch sehr nahe am Zentrum der Macht. Seine Frühsendung in Deutschlands einflussreichstem Radiosender hat ihm den Ruf eines gnadenlosen Gesprächspartners eingebracht; den eines Mannes, der keine Schonung kennt, keine Unterschiede macht und an nichts glaubt außer daran, dass die Medien nicht Haltung zu zeigen, sondern unangenehm zu sein hätten. „Der Sandkasten“ ist Christoph Peters zehnter Roman. Es hat dem am Niederrhein geborenen, in Berlin lebenden Schriftsteller schon immer spürbar Freude bereitet, die Genres zu brechen. Sein Repertoire reicht von Adoleszenzromanen bis hin zu comichaften Genregeschichten mit der Rasanz japanischer Actionfilme. Jetzt hat Peters sich an die Gegenwart und ihre politischen Stimmungen herangeschrieben, arbeitet nicht mehr retrospektiv, sondern unmittelbar, und da er ein ungemein kluger Autor ist, weiß er um die Fallen, in die er dabei laufen könnte. Darum hat er in vollendeter Raffinesse eben diese Fallen zum Thema gemacht.
„Der Sandkasten“ spielt an zwei Tagen in Berlin, dem 9. und 10. November 2020, Corona-Zeit, Lockdown, und ist unter anderem ein Schlüsselroman. Christian Linder, Wolfgang Kubicki, Jens Spahn oder Karl Lauterbach haben allesamt prägnante Auftritte, wenn auch nicht unter ihrem Klarnamen, denn Peters legt Wert darauf, der Fiktion Raum zu lassen: Zwar ist er ein ausgezeichneter Beobachter, der in wenigen Zeilen das Charakteristische an diesen öffentlichen Figuren herausarbeiten kann („der Prototyp einer überholten Politikergeneration, skrupellos, machtgeil, sexistisch: der fleischgewordene Herrenwitz“), doch stehen sie, wie der Protagonist Kurt Siebenstädter auch, nur als Chiffren eines leer drehenden Betriebs, einer Machterhaltungsmaschinerie inmitten eines künstlich stillgelegten Landes.
Das ist als Ansatz erst einmal nicht originell, doch Christoph Peters ist ein Schriftsteller, der immer genau weiß, was er will und darüber hinaus über die dafür notwendigen literarischen Mittel verfügt. Er nutzt zum einen Wolfgang Koeppen als Gewährsmann und dessen 1953 erschienenen Roman „Das Treibhaus“ als Folie, um Analogien vorzuführen und Strukturen im in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur erstaunlich selten literarisch beschriebenen politischen Betrieb freizulegen.
Ulf Erdmann Zieglers glänzender, im vergangenen Jahr erschienener Roman „Eine andere Epoche“ ist diesbezüglich eine Ausnahme. Zum anderen rekurriert Peters stilistisch auf die klassische Moderne, auf die Großstadtromane des frühen 20. Jahrhunderts, springt in den Perspektiven, bedient sich der Collage- und Montagetechnik erzeugt einen Strom von Nachrichtenschnipseln, Schlagwörtern, Schlagzeilen; Donald Trump, die Querdenker, die Bezichtiger und Aufheizer – all das läuft in einem kalkuliert nervtötenden, kursiv gedruckten Strang permanent nebenher, während Kurt Siebenstädter, aus der Halbdistanz der dritten Person beobachtet, auf das blickt, was hinter ihm liegt, und das fürchtet, was noch kommen könnte – sein persönlicher Absturz.
Koeppens Bonner Treibhaus wird bei Peters zum Berliner Sandkasten. Eine Stadt, auf märkischem Sand gebaut. Siebenstädter ist ein Kind der niederrheinischen Provinz; das ist von Bedeutung, weil er den Blick des Kleinbürgers auf die da oben niemals losgeworden ist. Siebenstädter ist ein scharfer Rhetoriker, dem plötzlich vorgeworfen wird, seine Fähigkeiten falsch einzusetzen und in seiner Sendung zu oft Menschen zu Wort kommen zu lassen, die auf der falschen Seite stehen. Auch seine um 13 Jahre jüngere Frau und seine pubertierende Tochter halten ihn, der als junger Mann mit der linken Anarchoszene sympathisierte, mittlerweile für einen alterskonservativen Sack, der nicht mehr in die sensiblen Zeiten passt.
Siebenstädter selbst wiederum hat den Eindruck, es breite sich „ein obskurer Neomoralismus aus, nicht weniger bigott als die sauer-pietistische Verklemmtheit der Nachkriegsjahre.“ Dieses Gefühl, der Eindruck, dass im Gewand des Fortschritts das Ewiggestrige eine Renaissance feiert, führt zum einen direkt an die Frontlinien der Gegenwart, bildet zugleich aber den Brückenschlag zu Koeppens „Treibhaus“. Die junge Bonner Republik bei Koeppen und die noch nicht sehr alte Berliner Republik bei Peters befinden sich gleichermaßen in einem Zustand der erregten Erschöpfung und der frei drehenden Intrigen und Machtspiele.
Christoph Peters gelingt in „Der Sandkasten“ etwas, das gar nicht hoch genug geschätzt werden kann: Er zeigt diese Atmosphäre in all ihren Ambivalenzen, stellt Haltungen aus, schaut durch den Filter von Siebenstädters Lebenserfahrung und Idiosynkrasien auf die Welt, ohne dabei denunziatorisch zu werden. Darüber hinaus bleibt Peters auf der Plotebene hochgradig unterhaltsam, bis hin zu einem frühmorgendlichen Showdown in Form eines Interviews mit dem Gesundheitsminister, in dem Siebenstädter, um es vorsichtig zu sagen, selbst für seine Verhältnisse übergriffig wird.
Wer bösartig sein will, könnte Peters Bestandsaufnahme einer von der Pandemie gebeutelten und von Diskursen umzingelten Funktionselite als larmoyanten Midlife-Crisis-Roman abtun. Doch Peters hat sein Buch gegen diesen Vorwurf imprägniert, indem er ihn permanent mitdenkt. Wie Wolfgang Koeppen hat auch Peters seinem Roman jeweils ein Zitat des Dichters Novalis und des britischen Diplomaten Harold Nicolson vorangestellt und auf diese Weise einen Echoraum geschaffen. „Der Prozeß der Geschichte ist ein Verbrennen“, heißt es bei Novalis. In „Das Treibhaus“ wird der Abgeordnete Keetenheuve am Ende „gänzlich unnütz, er war sich selbst eine Last“. Er stürzt sich von einer Brücke. In „Der Sandkasten“ steht Siebenstädter in der Schluss-Szene ebenfalls auf der Brücke und blickt ins Wasser.
CHRISTOPH SCHRÖDER
Kalkuliert nervtötend läuft
ein Nachrichtenstrom
neben der Handlung her
Christoph Peters: Der Sandkasten. Roman,
Luchterhand Verlag,
München 2022.
252 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Christoph Schröder ist hin und weg von Christoph Peters' Roman. Meisterhaft umgesetzt scheint ihm Peters' im Coronajahr 2020 angesiedelte Beschreibung des Berliner Politikbetriebs und Medienzirkus durch die Augen des mittelalten, als scharfzüngiger Radiomoderator begannt gewordenen Familienvaters Kurt Siebenstädter, der mittlerweile als Reaktionär betrachtet wird. Erinnert fühlt sich der Kritiker hier an Koeppens "Das Treibhaus", und wie Peters nun Berlins "erregte Erschöpfung" in einem "kalkuliert nervtötenden" Strom beschreibt, in dem sämtliche Gegenwartsschlagwörter (Trump, Querdenker) und -Persönlichkeiten (Lindner, Drosten) zusammencollagiert werden, findet der Kritiker höchst effektvoll und erzähltechnisch versiert. Dabei bewundert Schröder die ausgezeichnete Beobachtungsgabe des Autors sowie die Fähigkeit, die Fallen der Thematik gekonnt zu umgehen - so nehme er zum Beispiel den Vorwurf, einen "larmoyanten Midlife-Crisis-Roman" geschrieben zu haben, vorweg, indem er ihn "permanent mitdenkt", so der begeisterte Kritiker - wie genau, macht er dabei allerdings nicht ganz deutlich.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Als Leser dieses bitterbösen wie hochkomischen Buchs glaubt man manchmal geradezu in Siebenstädters Kopf zu stecken.« Christian Schröder / Der Tagesspiegel