Christoph Peters hat einen Roman geschrieben, wie es ihn seit Wolfgang Koeppens "Das Treibhaus" nicht gegeben hat: eine schonungslose Bestandsaufnahme der politischen Kultur eines ganzen Landes.Siebenstädter hat schon alles gesehen. Als Moderator einer Politsendung im Radio kennt er sich aus mit den Spielregeln der Berliner Spitzenpolitik, dem Schattenreich der Hinterzimmer, mit der Gnadenlosigkeit eines Betriebs, dem es nur um Machterhalt geht. Siebenstädter ist so beliebt wie berüchtigt, einer, der an gar nichts glaubt und sich prädestiniert fühlt, die Lügen der Eliten aufzudecken. Mit der Coronakrise jedoch verändert sich das Spiel: Siebenstädter hat ebenso Zweifel an den staatlichen Maßnahmen wie Abscheu gegenüber Verschwörungsgläubigen. Unerwartet erhält er das Angebot der Liberalen, die Seiten zu wechseln, während Maria Andriessen, aufsteigender Stern der Sozialdemokratie, sich mehr für ihn zu interessieren scheint, als es bei einem verheirateten Mann angemessen wäre. Vor allem aber spürt Siebenstädter, dass seine Zeit langsam abläuft - warum also nicht alles auf eine Karte setzen?
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Christoph Schröder ist hin und weg von Christoph Peters' Roman. Meisterhaft umgesetzt scheint ihm Peters' im Coronajahr 2020 angesiedelte Beschreibung des Berliner Politikbetriebs und Medienzirkus durch die Augen des mittelalten, als scharfzüngiger Radiomoderator begannt gewordenen Familienvaters Kurt Siebenstädter, der mittlerweile als Reaktionär betrachtet wird. Erinnert fühlt sich der Kritiker hier an Koeppens "Das Treibhaus", und wie Peters nun Berlins "erregte Erschöpfung" in einem "kalkuliert nervtötenden" Strom beschreibt, in dem sämtliche Gegenwartsschlagwörter (Trump, Querdenker) und -Persönlichkeiten (Lindner, Drosten) zusammencollagiert werden, findet der Kritiker höchst effektvoll und erzähltechnisch versiert. Dabei bewundert Schröder die ausgezeichnete Beobachtungsgabe des Autors sowie die Fähigkeit, die Fallen der Thematik gekonnt zu umgehen - so nehme er zum Beispiel den Vorwurf, einen "larmoyanten Midlife-Crisis-Roman" geschrieben zu haben, vorweg, indem er ihn "permanent mitdenkt", so der begeisterte Kritiker - wie genau, macht er dabei allerdings nicht ganz deutlich.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Als Leser dieses bitterbösen wie hochkomischen Buchs glaubt man manchmal geradezu in Siebenstädters Kopf zu stecken.« Christian Schröder / Der Tagesspiegel