Draufgängerisches, schnörkelloses Erzählen präzise beschleunigt, ohne ein Gramm Fett." DIE ZEITJörg Fausers Roman Der Schneemann ist die Geschichte eines Kleinkriminellen, der durch Zufall an fünf Pfund Kokain gerät. Der Traum vom sorglosen Leben auf den Bahamas rückt in greifbare Nähe, wären da nicht die Profis des Rauschgifthandels, die dem Protagonisten Blum sein Eigentum wieder abjagen wollen. Von Malta über München, Frankfurt, Amsterdam bis Ostende schleppt Blum den in Old Spice-Rasierschaum versteckten Schnee mit sich herum, ohne damit endlich die großen Lappen an Land zu ziehen . Am Ende ist die Welt für Blum so wie zu Beginn des Romans: Man blieb, was man war, man hatte noch Glück dabei, man wurde, was jeder werden wollte, ein Sieger im Kleinen, auf der langen Strecke zwischen Sekt und Selters. Ein deutscher Kriminalroman mit Schmiß und Witz, also eine Rarität. Fauser erzählt die Verlierergeschichte mit gekonntem Einsatz einschlägiger, oft irrwitzig überdrehter Krimi-Klischees. Er belastet sie nicht mit sozialkritischem Bierernst, wohl aber würzt er die Story mit beeindruckender, ironisch gefilterter Orts-, Milieu- und Branchenkenntnis ob da Kölner Bahnhofsambiente, Münchner Schickeria oder Frankfurter Underground skizziert werden, Macher in Halbseide oder ein alter Vertreter, der in Fußgängerzonen niederrheinischer Kleinstädte obskure Waschmittel feilbietet, die seit 57 Jahren einen aussichtslosen Kampf gegen Henkel führten . Fauser weist sich als ein Kenner deutscher Wirklichkeiten aus. Der Spiegel
Das Buch "Der Schneemann" von Jörg Fauser ist erschienen im Alexander Verlag und im Buchhandel erhältlich.
Das Buch "Der Schneemann" von Jörg Fauser ist erschienen im Alexander Verlag und im Buchhandel erhältlich.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2006Der Sound eines Werkes
Jörg Fauser in der Romanfabrik
Jörg Fauser war der Amerikaner unter den deutschen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Autoren wie Burroughs, Bukowski, Chandler und Hammett waren ihm Inspiration. Er schrieb über Drogen, Sex und hartes Saufen. Er versuchte sich in zahlreichen literarischen Gattungen und verfaßte Gedichte, Erzählungen, Romane, Krimis, Reportagen und eine Biographie von Marlon Brando. Einem größeren Publikum wurde er aber als Songtexter bekannt. Fauser schrieb die Texte zu Achim Reichels Hitalbum "Der Spieler". Als schließlich noch 1985 Fausers furioser Krimi "Der Schneemann" mit Marius Müller-Westernhagen verfilmt wurde, schien der Schriftsteller endlich den Durchbruch geschafft zu haben. Doch zwei Jahre später war Fauser tot. Im Morgengrauen des 17. Juli 1987, am Tag nach seinem 43. Geburtstag, wurde er auf der A 94 bei München von einem Lastwagen überfahren.
Mit Fauser selbst schien auch sein Werk mit einem Schlag verschwunden. Seit einiger Zeit wird sein Geist von jungen Literaten beschworen, die in ihm einen der Begründer der deutschen Popliteratur sehen. Aber auch wenn Stuckrad-Barre, Droste oder Dobler Fausers Werk bei jeder Gelegenheit preisen, scheint ein Revival noch nicht in Sicht. Wie gerechtfertigt seine Wiederentdeckung wäre, konnte man in der Frankfurter Romanfabrik erleben. Dort präsentierte das Wuppertaler Duo "Lebendigital" sein Programm "Fausertracks". Keyboarder Jochen Rausch und Gitarrist Detlev Cremer haben Gedichte, die Fauser in den siebziger Jahren für den Rundfunk einlas, vertont und so der Stimme des Autors Musik gegeben. Die an Electronica und Laptop-Pop erinnernden Arrangements ließen erahnen, welche Rolle imaginäre Musik gespielt haben könnte, als Fauser seine Gedichte schrieb. In dieser Darbietung wurde aus dem Poeten ein visionärer Songschreiber und Sprechsänger.
Videoinstallationen von Kai Dollbaum verstärkten die suggestive Kraft von Fausers Texten, die noch immer so frisch wirken, als seien sie gerade erst verfaßt worden. Neben den hörenswerten "Fausertracks", die auch auf CD erhältlich sind, gab es an diesem Abend auch Fauser pur. Mike Litt, Moderator beim WDR, las einige Passagen aus dem Roman "Rohstoff" und Texte aus dem neu verlegten Gedichtband "Trotzki, Goethe und das Glück". Vielleicht wird es noch einige Jahre dauern, bis Fauser endgültig als einer der großen deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts wahrgenommen wird. "Lebendigital" hätten mit ihrem Projekt einen wichtigen Beitrag dazu geleistet.
CHRISTIAN RIETHMÜLLER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jörg Fauser in der Romanfabrik
Jörg Fauser war der Amerikaner unter den deutschen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Autoren wie Burroughs, Bukowski, Chandler und Hammett waren ihm Inspiration. Er schrieb über Drogen, Sex und hartes Saufen. Er versuchte sich in zahlreichen literarischen Gattungen und verfaßte Gedichte, Erzählungen, Romane, Krimis, Reportagen und eine Biographie von Marlon Brando. Einem größeren Publikum wurde er aber als Songtexter bekannt. Fauser schrieb die Texte zu Achim Reichels Hitalbum "Der Spieler". Als schließlich noch 1985 Fausers furioser Krimi "Der Schneemann" mit Marius Müller-Westernhagen verfilmt wurde, schien der Schriftsteller endlich den Durchbruch geschafft zu haben. Doch zwei Jahre später war Fauser tot. Im Morgengrauen des 17. Juli 1987, am Tag nach seinem 43. Geburtstag, wurde er auf der A 94 bei München von einem Lastwagen überfahren.
Mit Fauser selbst schien auch sein Werk mit einem Schlag verschwunden. Seit einiger Zeit wird sein Geist von jungen Literaten beschworen, die in ihm einen der Begründer der deutschen Popliteratur sehen. Aber auch wenn Stuckrad-Barre, Droste oder Dobler Fausers Werk bei jeder Gelegenheit preisen, scheint ein Revival noch nicht in Sicht. Wie gerechtfertigt seine Wiederentdeckung wäre, konnte man in der Frankfurter Romanfabrik erleben. Dort präsentierte das Wuppertaler Duo "Lebendigital" sein Programm "Fausertracks". Keyboarder Jochen Rausch und Gitarrist Detlev Cremer haben Gedichte, die Fauser in den siebziger Jahren für den Rundfunk einlas, vertont und so der Stimme des Autors Musik gegeben. Die an Electronica und Laptop-Pop erinnernden Arrangements ließen erahnen, welche Rolle imaginäre Musik gespielt haben könnte, als Fauser seine Gedichte schrieb. In dieser Darbietung wurde aus dem Poeten ein visionärer Songschreiber und Sprechsänger.
Videoinstallationen von Kai Dollbaum verstärkten die suggestive Kraft von Fausers Texten, die noch immer so frisch wirken, als seien sie gerade erst verfaßt worden. Neben den hörenswerten "Fausertracks", die auch auf CD erhältlich sind, gab es an diesem Abend auch Fauser pur. Mike Litt, Moderator beim WDR, las einige Passagen aus dem Roman "Rohstoff" und Texte aus dem neu verlegten Gedichtband "Trotzki, Goethe und das Glück". Vielleicht wird es noch einige Jahre dauern, bis Fauser endgültig als einer der großen deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts wahrgenommen wird. "Lebendigital" hätten mit ihrem Projekt einen wichtigen Beitrag dazu geleistet.
CHRISTIAN RIETHMÜLLER
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Sowohl Buchvorlage als auch Umsetzung können Wolfgang Schneider voll und ganz überzeugen. Jörg Fausers Roman über einen Lebenskünstler und Möchtegern-Drogendealer im Deutschland der späten Siebziger sei "gewitzt und spannend" und haltbarer als die Werke Rolf Dieter Brinkmanns, die auf Schneider mittlerweile etwas bemüht wirken. Heikko Deutschmann vermag es, wenn man dem Rezensenten trauen darf, diese Mischung aus Schelmenroman und atmosphärischem Bericht in reinstes "Hörkino" zu verwandeln. Der routinierte Deutschmann strenge sich wirklich an, dem schmierigen Protagonisten das richtige Flair zu vermitteln: "Da wird der Hals verengt und Räuspermasse gebildet, da wird der Ton über ein imaginäres Reibeisen gepresst." Am Anfang stört Schneider das betonte Kunsthandwerk des Vorlesers noch, dann werden beide aber entspannter und der Rezensent kann sich selbst ein "stetig wachsendes Hörvergnügen" attestieren.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Was er schrieb, brannte sich ein.«