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»Nur die Toten haben die Zeit, diese Sprache zu lernen.« Mark Twain
Hitler, Scheiße, Lufthansa. Diese drei deutschen Wörter kennt Abbas Khider, als er aus dem Irak flieht. Zwanzig Jahre später ist er ein vielfach ausgezeichneter deutscher Schriftsteller. Dies ist sein ungewöhnliches Lehrbuch für ein neues Deutsch. Voller Geschichten, voller Leben und mit zahlreichen Lektionen in Weltoffenheit und Humor.
Akzentfrei schreiben kann er, akzentfrei sprechen wird er wohl nie lernen. Früher träumte Abbas Khider davon, eines Tages die Welt zu verändern. Heute findet er, die deutsche Sprache wäre
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Produktbeschreibung
»Nur die Toten haben die Zeit, diese Sprache zu lernen.« Mark Twain

Hitler, Scheiße, Lufthansa. Diese drei deutschen Wörter kennt Abbas Khider, als er aus dem Irak flieht. Zwanzig Jahre später ist er ein vielfach ausgezeichneter deutscher Schriftsteller. Dies ist sein ungewöhnliches Lehrbuch für ein neues Deutsch. Voller Geschichten, voller Leben und mit zahlreichen Lektionen in Weltoffenheit und Humor.

Akzentfrei schreiben kann er, akzentfrei sprechen wird er wohl nie lernen. Früher träumte Abbas Khider davon, eines Tages die Welt zu verändern. Heute findet er, die deutsche Sprache wäre doch schon mal ein schöner Anfang. Deutsch für alle ist ein Trostbuch für alle Deutschlernenden und deren Angehörige, für Expats, Einwanderer und Menschen in mehrsprachigen Liebesbeziehungen, und ein Vademecum für alle Lauchs, die glauben, die deutsche Sprache bereits zu kennen - und Spaß an ihr haben. Provokant, erhellend und unterhaltsam gelingt Abbas Khider dabei auch ein satirischer Blick auf die deutsche Gesellschaft. Viel Spaß mit der Rechtschreibreform des Abbas Khider.
Autorenporträt
Abbas Khider, 1973 in Bagdad geboren, wurde mit 19 Jahren wegen seiner politischen Aktivitäten verhaftet. Nach seiner Entlassung floh er 1996 aus dem Irak und hielt sich als »illegaler« Flüchtling in verschiedenen Ländern auf. Seit 2000 lebt er in Deutschland. Abbas Khiders Debütroman »Der falsche Inder« erschien 2008. Es folgten »Die Orangen des Präsidenten«, »Brief in die Auberginenrepublik«, »Ohrfeige«, »Deutsch für alle« und »Der Palast der Miserablen«. Für seine Texte wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Nelly-Sachs-Preis und dem Hilde-Domin-Preis.

Omar El-Saeidi, 1980 in Gießen geboren, studierte an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock. Seit 2009 gehört er zum Theaterensemble in Bielefeld. Außerdem wirkte er in diversen Film- und Fernsehproduktionen mit, u. a. in Liebling des Himmels, Zum Sterben zu früh sowie München ´72. Neben seiner Arbeit als Schauspieler ist El-Saeidi als Regisseur, Schauspielcoach und Sprecher tätig. Er lieh bereits dem Erzähler in Abbas Khiders Hörspiel Ohrfeige seine Stimme.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2019

Die Sprache aufräumen
Verben vor: Abbas Khider erfindet ein „Deutsch für alle“
Vor zwanzig Jahren flüchtete der gebürtige Iraker Abbas Khider nach Deutschland. Damals war er 27 Jahre alt. Zuvor hatte er anderthalb Jahre in einem Gefängnis von Saddam Hussein eingesessen. Seine Freude an der Philosophie mag ihm dabei geholfen haben, das guten Mutes zu überstehen.
In der Bundesrepublik angekommen, wollte er die Lektüre fortsetzen. Zwischen ihm und den Texten von Kant, Hegel und Heidegger stand aber ein gewaltiges Hindernis: Die deutsche Sprache. Ihr hat er jetzt eine wahrhaft entzückende Hommage gewidmet. „Dieses Büchlein“, schreibt er, „ist ernsthafter sprachwissenschaftlicher Schwachsinn.“ Ja! Recht hat er! Es ist wirklich bekloppt – und zugleich so herrlich!
„Als ich in der Bundesrepublik ankam“, schreibt Khider, „kannte ich lediglich drei deutsche Wörter: Hitler, Scheiße und Lufthansa.“ Ob das nun genauso stimmt oder nicht: Auch nach Monaten des Lernens war der junge Mann grammatisch alles andere als gefestigt.
Steine seines Anstoßes waren „nicht nur die heimtückischen Artikel, die gefährlichen Deklinationen, auflauernden Verbflexionen und die Stolperfallen der Verbposition, sondern auch der Kasus des Dativs und Genitivs, die unzähligen Pronomen und Präpositionen, die unregelmäßigen und trennbaren Verben, die Umlautbuchstaben und viele andere seltsame sprachliche Eigenheiten“.
Mit dem Erlernen von Fremdsprachen ist es so eine Sache. Das Französische präsentiert sich vielen wie ein Fischweib, das die Hände in die Seiten stemmt und erklärt: „Mich lernst du nicht!“ Das Englische ist heuchlerisch: Anfangs flutscht alles, die Grammatik scheint simpel zu sein; kaum aber denken die Adepten, so schwierig sei das ja gar nicht, laufen sie an den Finessen dieser schönen Sprache auf.
Dem Flüchtling Khider ging es nun aber um das Deutsche. Schließlich wollte er Kant, Hegel und Heidegger im Original lesen. Und er wollte Deutsch reden können. Das ist ein sehr verständliches Ansinnen. Unverständlich ist Khider freilich bis heute, wie man die Umlaute ä, ö und ü richtig ausspricht. Das ä zählt für ihn „zu den schrecklichen Kreaturen unter den Buchstaben“.
Ein ähnliches Problem ist der Rezensentin einmal von einer Engländerin vorgetragen worden, die sagte, sie bringe das deutsche ö nicht richtig hin. Die Lösung dafür war einfach: Fast ein jeder hat schon von dem australischen Medienmogul Rupert Murdoch gehört. In dessen Namen findet sich das deutsche ö in schönster Reinheit. Nicht dass Khider dieser Rat seinerzeit in Sachen ä geholfen hätte: „Man muss den Mund verstellen, fast miauen wie eine Katze.“
Und es geht weiter: Wozu steht das Verb bei Nebensätzen am Ende? Wieso werden manche Verben geteilt wie in dem Satz „das Kind steht auf“. Warum müssen Adjektive passend zum Substantiv gebeugt werden? Wozu gibt es fast mehr Präpositionen als französische Käsesorten? Und warum um Himmels willen wird die betörende Marylin Monroe plötzlich zu einem Ding, wenn man sie „das Weib“ oder „das Mädchen“ nennt?
Der Schriftsteller Abbas Khider hat es auf sich genommen, die deutsche Sprache aufzuräumen: Der Genitiv und der Dativ werden abgeschafft, desgleichen die meisten Präpositionen und die Umlaute. Die Zahl der Personalpronomina wird auf das Nötigste reduziert. Tuwörter stehen grundsätzlich an zweiter Stelle im Satz, womit alle Nebensätze sich erübrigt haben – was endlich dem schlauen Briten entgegenkommt, der einstmals sagte, die Gedanken von Immanuel Kant seien eine Zumutung, weil man drei Bücher von ihm lesen müsse, bis das Verb kommt. Außerdem werden die Deklinationen weitgehend eliminiert, denn „die Deklination ist wirklich das schlimmste, was die Deutschen neben dem Artikel und dem Sturmgewehr erfunden haben“. Die Artikel – der, die und das – werden deshalb auch entsorgt (für Sturmgewehre ist Khider leider nicht zuständig).
Mit diesen Verbesserungen entsteht zum Beispiel folgender Satz „Wegen de schlecht Wetter hocke i in de Wohnung von de Oma und lese de Bibel.“
Die deutsche Sprache, so renoviert, wäre für Ausländer viel leichter zu erlernen. Im Subtext des Buches geht es um Politik: Um Flüchtlinge, um Ausländerfeindlichkeit. Den Buchstaben ß beschreibt Khider als einen Flüchtling: aus der Schweiz wurde er ausgewiesen.
Khider muss ein Menschenfreund sein. Die Lektüre seines Buches bereitet eine Riesenfreude und noch dazu können alle deutschen Muttersprachler drei Kreuze schlagen, dass Deutsch für sie keine Fremdsprache ist.
Anzumerken wäre noch, dass das Deutsche eine sehr freundliche Eigenschaft hat: Wenn es gesprochen wird, erübrigen sich viele grammatische Feinheiten und die Sprache nähert sich der von Khider aufgeräumten ziemlich an. Ruft jemand auf einer Baustelle oder in einem Büro einen Kollegen, sagt sie nicht „Kannst du mal kurz kommen?“, sondern sie sagt „Kannsemakurzkomm?“
FRANZISKA AUGSTEIN
Abbas Khider, geboren 1973
in Bagdad. 2008
erschien sein Debütroman
„Der falsche Inder“.
Foto: picture alliance/J. Kalaene
Abbas Khider:
Deutsch für alle.
Das endgültige Lehrbuch. Carl Hanser Verlag,
München 2019.
123 Seiten, 14 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2019

Diese Sprache ist ein Ungeheuer
Und Deklination ein zu linderndes Übel: Abbas Khider will das Deutsche, das er so meisterhaft beherrscht, umkrempeln

"Seit ich die deutsche Sprache kenne, träume ich nicht mehr davon, die Welt zu verändern. Ich habe nur noch ein Ziel im Leben: Ich will die Sprache erneuern." Das ist kühn und eine Herausforderung. Im Jahr 2000 kam Abbas Khider im Alter von 27 Jahren nach Deutschland, geboren wurde er in Bagdad. In seinen ersten Romanen erzählt er über einen Gefängnisaufenthalt in der Heimatstadt, über die jahrelange Flucht rund ums Mittelmeer, um einen sicheren Ort frei von Verfolgung, Folter, Korruption und Diktatur zu finden, über seine ersten Erfahrungen mit der deutschen Polizei, der Flüchtlingsbürokratie und die Abenteuer eines Gestrandeten, der überall um sein Leben und seine Existenz kämpfen muss.

Nun ist er angekommen. Im Gepäck hatte er zunächst nur drei deutsche Worte: Hitler, Scheiße, Lufthansa. Über Hitler hatte er durch die Übersetzung von "Mein Kampf" gehört. Es war das Lieblingsbuch des ältesten Sohnes des irakischen Diktators Saddam Hussein und lag in allen Buchläden Bagdads aus. In Jordanien hörte er von der Lufthansa, deren Maschinen "so unerreichbar wie Europa, so märchenhaft wie ein fliegender Teppich" waren. Das Wort "Scheiße" erweiterte seinen Wortschatz im Hauptbahnhof von Bozen, wo ein Mitarbeiter der Caritas den Asylbewerbern auf die Frage, wie das Leben für ihresgleichen in Deutschland sei, lakonisch mit diesem Wort antwortete. Er sollte recht behalten, wie Abbas Khider später feststellte: "Das meistgesprochene Wort der Bürger auf deutschen Straßen und Gehwegen ist: SCHEISSE."

Keine guten Voraussetzungen für einen jungen Mann, der die Freiheit sucht und voller Hoffnungen ist. Dreimal musste der Flüchtling sein Abitur ablegen, bis es endlich Anerkennung fand und er in München Literaturwissenschaft studieren konnte. Die deutsche Sprache, die er in seinen Romanen so meisterhaft unter Beweis stellt, ist ihm immer noch ein Ungeheuer, und deshalb findet er in seinem jüngsten Buch den Mut, die deutsche Sprache zu erneuern, um seine linguistischen Traumata zu bewältigen. "Ich meine damit nicht nur die heimtückischen Artikel, die gefährlichen Deklinationen, auflauernden Verbflexionen und die Stolperfallen der Verbposition, sondern auch den Kasus des Dativs und Genitivs, die unzähligen Pronomen und Präpositionen, die unregelmäßigen und trennbaren Verben, die Umlautbuchstaben und viele andere seltsame sprachliche Eigenheiten."

Einen deutschen Muttersprachler verblüffen zunächst die stupenden Kenntnisse der deutschen Grammatik, die Khider bis in die feinsten Details aufspürt und ihren Sinn oder Unsinn in Frage stellt. Grammatik scheint ein buntscheckiges Steckenpferd des Autors zu sein. Was uns ganz selbstverständlich ist, bringt den arabischen Schriftsteller in höchste Not. Vor allem die Umlaute ä, ü, ö, die er aus seiner Sprache nicht kennt. Die Krönung des Umlauts ist der Diphthong: "ÄU ist tatsächlich das Äußerste dessen, was meine Anatomie aus Gesichtsmuskeln, Stimmbändern, Kehlkopf, Zunge und Zwerchfell zulässt." Und trotz aller Pein mit diesen Buchstabenscheusalen erzählt Khider mit Witz und Ironie, wie er in seinen mündlichen Texten Worte mit Umlauten umgeht, um nicht in die deutschen Aussprachefallen zu treten und ungefährdet ans Ende seines Satzes zu kommen.

Und so geht es munter weiter. Der neudeutsche Autor lässt sich viel einfallen - mal komisch, mal skurril, mal schlitzohrig oder spitzzüngig -, um für jeden Neuankömmling die Sprache geschmeidiger, verständlicher und einfacher zu machen. Auch das ist Integration. Offen bleibt dabei, wie ernst es der neue Sprachschöpfer meint. Wann spielt er hemmungslos mit den Deklinationen, Pronomen und Artikeln, wann führt er den Deutschen schulmeisterlich vor, wie verquer ihre Sprache ist? Alle Nomen-Endungen auf -lein, -chen, -tum sind sächlich, also "das Mädchen", obwohl es doch eindeutig weiblich ist, aber es heißt männlich "der Reichtum" und "der Irrtum", trotz der Tum-Endung. Logik scheint nicht die Stärke der deutschen Sprache zu sein. Khider hat einen verwegenen Vorschlag, er schafft einen Universalartikel: Der bestimmte Artikel lautet einheitlich "de", der unbestimmte Artikel "e", Plural "die". So kommen lustige Sätze zustande: "E Flüchtling redet in de Botschaft mit e Mitarbeiter und e Mitarbeiterin über de Visum." Das klingt in unseren Ohren wie Gossen-Deutsch oder Penner-Slang, Khider aber wünscht ein für alle Mal den Verzicht auf die Deklination des Artikels. Damit nicht genug. Der Dativ, der dem Genitiv sein Tod ist, wird abgeschafft, der Genitiv in eine bayerische Von-Form verwandelt: statt "der Frau" heißt es nun neudeutsch "von de Frau".

Da fragt man sich allerdings, was das soll? Warum bleibt der Autor nicht konsequent bei seinem Vereinfachungsschema, dem Verzicht auf jede Deklination, und dann hieße es im Genitiv nicht "von de Frau", sondern weiterhin streng neudeutsch "de Frau". Vielleicht will der Autor seine Leserschaft auch ein wenig an der Nase herümführen? Wir bauen ihm dann eben noch ein extra Ü ein, damit auch er sein Vergnügen hat, wenn schon seine Urteile so harsch sind: "Die Deklination ist wirklich das Schlimmste, was die Deutschen neben dem Artikel und dem Sturmgewehr erfunden haben."

Bei dem Problem der Stellung des Verbs im Deutschen kann man dem Autor nur zustimmen. Seine Position im Nebensatz ganz am Ende ist eine Zumutung - Simultanübersetzer können davon ihr eigenes Lied singen. Khider fordert, dass das Verb immer nach dem Subjekt stehe, und gibt uns als Beispielsatz: "Ali Baba ist sehr glücklich, weil er kann verzichten jetzt auf de Verb an de Ende von de Nebensatz." Das Personalpronomen "sie" missfällt dem Autor ebenso. "Er" und "es" lässt er gelten, aber "sie" hat einen Buchstaben zu viel und fällt aus dem Rahmen. Im Khiderschen Neudeutsch also wird aus dem "sie" ein "em" - klingt eher unelegant, aber das ist auch nicht die Richtschnur des Wortreformers. Er ficht ungehemmt und lustvoll seinen Streit mit den Adjektiven und Präpositionen aus, Verben sollen grundsätzlich regelmäßig und untrennbar sein, den Bestand der Präpositionen hat der Autor radikal reduziert und neue aus dem Arabischen eingeführt als Akt der Völkerverständigung.

Dieses "endgültige Lehrbuch" liest sich wie ein Sprach-Comic, freiwilliger und unfreiwilliger Humor tänzeln umeinander, Logik und Unsinn führen Ringelreihn. Dada lässt grüßen, und die konkrete Poesie runzelt die Stirn. Sollten die deutschen Muttersprachler keine Einsicht zeigen, ihre Sprache umkrempeln zu lassen, dann hat Abbas Khider noch eine starke Truppe im Hinterhalt im Kampf gegen seinen Hauptfeind, den Umlaut. Wenn die Umlaute eine Erfindung der Türken sind, wie rechtsradikale Politiker vermuten, dann sollten sie abgeschoben und abgeschafft werden. "Dann entwickelt sich eine neue Bewegung der Umlaute-Verprügeln-Mode" - davon träumt unser Autor im letzten Satz seines Lehrbuchs: "Die Rechtsradikalen sind meine große Hoffnung." Ein Schelm, wer anderes behauptet.

LERKE VON SAALFELD

Abbas Khider: "Deutsch für alle". Das endgültige Lehrbuch.

Hanser Verlag, München 2019. 123 S., geb., 14,- [Euro].

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