Was für eine geniale Gruselszene: Ursula Wüsthof spielt eine knarzige Alte, die am Kaminfeuer bei heißem Alkohol angeblich wahre Schauergeschichten zum Besten gibt, bis die Kinder des Hauses sich nicht mehr ins Bett trauen. Unvermittelt taucht man in die alten Zeiten ein, als man noch mit den Augen
eines Kindes als mythischer Denker mit faszinierten und verängstigten Bildern vor Augen hoffte,…mehrWas für eine geniale Gruselszene: Ursula Wüsthof spielt eine knarzige Alte, die am Kaminfeuer bei heißem Alkohol angeblich wahre Schauergeschichten zum Besten gibt, bis die Kinder des Hauses sich nicht mehr ins Bett trauen. Unvermittelt taucht man in die alten Zeiten ein, als man noch mit den Augen eines Kindes als mythischer Denker mit faszinierten und verängstigten Bildern vor Augen hoffte, dass die Geschichte gut ausgeht, und sich am liebsten ins Bett verkrochen hätte, wenn es nur nicht so spannend gewesen wäre. Ich hatte seinerzeit auch eine solche Tante – und bis heute weiß ich nicht, ob ich sie für ihre Geschichten und die Alpträume im Nachhinein hassen oder lieben soll.
Der kleine Gabriel, meisterhaft gespielt von Edward McMenemy, ist jedenfalls völlig gefesselt, ein neugieriger, aufgeweckter Kerl kurz vor der Schwelle zum Erwachsenwerden, noch Kind an der Seite seiner kleinen Freundin (Marlene Bosenius), aber eben auch schon den Kinderschuhen entwachsen. Wer Rosalie aus dem Film „Die Zeit der Wölfe“ kennt, weiß was ich meine, hier steht ein Mensch an der Schwelle zu seiner Initiation, zur Einkehr in die Erwachsenenwelt. In diesem Alter sind Verbote Aufforderungen und Ermahnungen Empfehlungen. Und die Liebe ist auch schon zum Greifen nahe.
Marc Gruppe hat aus den Zutaten der Vorlage Eric Stenbocks eine schauerliche Grenzgänger-Geschichte gezaubert, untermalt mit allen erdenkbaren Zutaten. Obwohl ich eigentlich nur hören kann, was geschieht, kann ich die verbotene Blume auf der anderen Flussseite riechen, salzige Tränen schmecken, und den Verlockungen der anderen Seite mit allen Sinnen erliegen. Es ist völlig unmöglich, sich dem Sog der Geschichte zu entziehen, ebenso wie es für Gabriel unmöglich ist, seinen Instinkten zu folgen.