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Eines Nachts erfährt der Arzt Amin Jaafie, dass seine Frau bei einem Anschlag ums Leben kam. Zugleich wird ihm eröffnet, dass sie selbst diesen Anschlag verübt haben soll. Nach dem Schock macht sich Jaafie auf die Suche nach den Spuren des Menschen, den er durch und durch zu kennen glaubte ... Ein Hörspiel über Treue und Verrat, das vom Ohr direkt in die Seele kriecht. Sprachrhythmus, Inhalt und Musik sind jederzeit im Einklang, präzise und virtuos aufeinander abgestimmt: eine akustische Reise in menschliche Abgründe.

Produktbeschreibung
Eines Nachts erfährt der Arzt Amin Jaafie, dass seine Frau bei einem Anschlag ums Leben kam. Zugleich wird ihm eröffnet, dass sie selbst diesen Anschlag verübt haben soll. Nach dem Schock macht sich Jaafie auf die Suche nach den Spuren des Menschen, den er durch und durch zu kennen glaubte ...
Ein Hörspiel über Treue und Verrat, das vom Ohr direkt in die Seele kriecht. Sprachrhythmus, Inhalt und Musik sind jederzeit im Einklang, präzise und virtuos aufeinander abgestimmt: eine akustische Reise in menschliche Abgründe.
Autorenporträt
Yasmina Khadra ist der Künstlername des 1955 geborenen Autors Mohammed Moulessehoul. Als hoher Offizier der algerischen Armee veröffentlichte er seine ersten Bücher wegen der strengen Zensurbestimmungen unter den beiden Namen seiner Frau. Erst nachdem er im Dezember 2000 mit seiner Familie nach Frankreich ins Exil gegangen war, konnte er dieses Pseudonym lüften. Yasmina Khadra lebt heute in Paris. Im Jahr 2012 wurde er mit dem Grand Prix de Littérature Henri Gal ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.09.2006

Vom Himmel in die Hölle
Yasmina Khadras fesselnder Roman über Gewalt im Nahen Osten

Es beginnt mit dem Lärm der Detonation, trocken, ganz nah, wie das Zerreißen von Stoff, dann Stille. Erstes Stöhnen, Schreie, Durcheinander von Körper- und Objektteilen. Mehr Verwunderung als Panik. Schließlich das seltsam schmerzlose Abdriften des Bewußtseins in eine schwebende Zeitlosigkeit. Auf den letzten Seiten explodiert dann dieselbe Bombe noch einmal. Und daß es nicht die war, die wir erwarteten, daß die andere, vom Titel her erwartete Bombe erst innerhalb dieser erinnerten Rahmenerzählung hochgeht, verschafft diesem Roman seinen grandiosen Aufbau. Er funktioniert wie das Doppelgetriebe einer Spirale des Terrors im Nahen Osten, das beim Vor- und Zurückdrehen immer neue Lesemöglichkeiten ergibt und die Spannung so steigert, daß man das Buch nicht mehr weglegen kann.

Der Algerier Mohammed Moulessehoul alias Yasmina Khadra hat schon als Armeeoffizier, der seine Bücher unter Pseudonym verfaßte, bewiesen, wie souverän er die Romanform beherrschte, bis hin zum Thriller. Nachdem er vor sechs Jahren die Uniform auszog, die Armee verließ und sich in Frankreich etablierte, gewannen seine Bücher auch thematisch an Substanz. Die bürgerkriegsartigen Ereignisse im Algerien der neunziger Jahre, die Situation der Frauen Afghanistans unter den Taliban waren Themen der letzten Jahre. Dieser neue, in Israel und Palästina spielende Roman erweitert den Horizont mit einer Geschichte, die das Thema frontal angeht. Mit ihrer ausgeklügelten Griffigkeit hätte sie geradewegs ins Feld der frommen Wünsche und schönen Allgemeinplätze führen können. Der Autor entgeht aber auch hier den Tücken seines Talents.

Sein Held Amin Jaafari, Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft, ist ein erfolgreicher Chirurg in Tel Aviv und hat gelernt, mit den alltäglichen kleinen Schikanen wegen seiner Herkunft zu leben. Was für ihn zählt, ist die Liebe zu seinem Beruf, ist seine Karriere, sein angenehmes Leben, sind seine Freunde. Wenn dann in einem Restaurant nahe am Spital eine Selbstmörderbombe hochgeht, sucht er am Operationstisch Leben zu retten, bis er vor Müdigkeit schließlich umfällt. Noch in der Nacht erfährt er anschließend, daß auch seine eigene Frau unter den Opfern war: als Attentäterin.

Das kann er nicht akzeptieren, nach den Jahren des offensichtlichen gemeinsamen Glücks, das keinen Schatten von Verstimmung und politischer Anspannung erkennen ließ. Er begibt sich auf die Suche nach dem, was im Kopf seiner Frau zu dieser Tat geführt haben konnte, und nach dem verborgenen Zeichen, das er nicht zu deuten verstand. Daß er auf dieser Suche scheitert, aber dennoch tief genug in die Verstrickungen einer von ihm bisher geleugneten tödlichen Feindschaft vordringt, die keine beschwichtigenden Antworten mehr zuläßt, macht dieses Buch so spannend. Und auch so finster. Trotzdem entsteht kein Zerrbild, sondern der Abgrund des terroristischen Akts schillert in tausend Nuancen.

Da wird dem nach dem Attentat verstörten Chirurgen zwar von einigen Nachbarn "Terrorist!", "Verräter!", "dreckiger Araber!", "undankbarer Mistkerl!" hinterhergeschrieen; doch halten seine Freunde ihm die Treue und läuft die Ermittlung im Ganzen korrekt. Da krächzen im Taxi durch Bethlehem zwar Prediger ihre Tiraden des Ressentiments von der Kassette und prügeln einige subalterne Hilfskräfte der Untergrundorganisationen auch auf den unwillkommenen Schnüffler ein. Doch entsprechen die dort Agierenden nicht dem Klischee des Fanatikers oder eiskalten Zynikers der Macht, der sprengstoffgeplusterte Menschen skrupellos auf dem Umweg über den Himmel in die Hölle des Grauens schickt. Die Untergrundführer sind vielmehr verständige Männer, nur halt im totalen Krieg.

Man mag, wie manche britische oder amerikanische Kritiker dies vorab taten, gegen diesen Roman einwenden, er biete eine Verharmlosung des terroristischen Akts und übersehe die dahinterstehende menschenverachtende Kraft, die kalt über die erklärten Ziele hinwegmanipuliere. Doch verkennt dieser Einwand eine Kernaussage des Romans: Amin Jaafari selbst ist nach dem Schock zunächst fest überzeugt, seine Frau sei ein Opfer geworden, manipuliert von einer gerissenen Bande egoistischer Wucherer mit dem Unglück der Palästinenser. Er erfährt in seiner Initiationsreise durch die alltägliche Demütigung aber immerhin so viel, daß das persönliche Glück seiner Frau, deren nachdenklicher Blick schon im Foto auf dem Nachttisch hinter ihrem regenbogenstrahlenden Lächeln zurückblieb, von der Hoffnungslosigkeit eines ganzen Volks zernagt wurde. "Wenn alle Träume ausrangiert sind, wird der Tod zur letzten Zuflucht", sagt ein Untergrundführer zum Chirurgen. Möge er selbst auch am Prinzip des - für ihn bisher bequemen - Lebens und Durchhaltens festhalten, so müsse er die Wahl seiner Frau respektieren und sie in Frieden ruhen lassen. Daß diese monströse Wahl, die unschuldige Restaurantgänger, darunter zahlreiche Kinder, mit in den Tod reißt, noch diesseits des Menschenmöglichen angesiedelt und als solches ins Zwielicht menschlicher Entscheidungsfreiheit gehalten wird, macht den besonderen literarischen Wert dieses Romans aus.

In dieser Perspektive jedenfalls muß man ihn lesen. Er erweitert den Verständnishorizont absurder Gewaltbereitschaft, manchmal mit Anklängen an Albert Camus, jedoch versetzt mit Lichtblicken der Hoffnung, wo unsere Alltagswahrnehmung sich gern mit vorgefaßter Meinung begnügt. In Interviews hat der Autor Yasmina Khadra sein Buch als Roman über den Nahost-Konflikt dargestellt. Das brauchen wir ihm nicht abzunehmen. Er war persönlich nie im Land und vermag keine neue, originelle Sicht auf die konkrete Lage dort zu vermitteln.

Als subtile literarische Transposition des menschlichen Dramas in politischer und existentieller Extremsituation hält das Buch uns aber bis zur letzten Seite im Bann. Die Übersetzerin Regina Keil-Sagawe, die bei anderen algerischen Autoren schon ihre nachbildende Sprachgewalt unter Beweis gestellt hat, überzeugt wiederum mit einer souveränen Textfassung, wenn auch beim verhaltenen, trockeneren Stil dieses Autors mitunter etwas mehr Nähe zum Original ratsam gewesen wäre.

JOSEPH HANIMANN

Yasmina Khadra: "Die Attentäterin". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Regina Keil-Sagawe. Verlag Nagel & Kimche im Hanser Verlag, München 2006. 270 S., geb., 19,90 [Euro].

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