Produktdetails
  • Verlag: Patmos Verlag
  • Anzahl: 2 Audio CDs
  • Erscheinungstermin: 9. November 1998
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-13: 9783491910041
  • Artikelnr.: 07657438
Autorenporträt
Thomas Mann, geb. 1875 in Lübeck, wohnte seit 1894 in München. 1933 verließ er Deutschland und lebte zuerst in der Schweiz am Zürichsee, dann in den Vereinigten Staaten, wo er 1938 eine Professur an der Universität in Princeton annahm. Später hatte er seinen Wohnsitz in Kalifornien, danach wieder in der Schweiz. Er starb in Zürich am 12. August 1955. Thomas Mann zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns umfangreiches und vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Für seinen ersten großen Roman Die Buddenbrooks erhielt er 1929 den Nobelpreis für Literatur.
Trackliste
CD 1
1Die Betrogene Teil 100:42:24
CD 2
1Die Betrogene Teil 200:47:42
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.08.2002

DAS HÖRBUCH
Greisenkühnheit
Inge Keller liest Thomas Manns
Erzählung „Die Betrogene”
Ein Hörvergnügen von schwer auszulotender Schrägheit bereitet Inge Kellers Lesung von Thomas Manns später Erzählung „Die Betrogene”. Die große greise Mimin des Deutschen Theaters hat den Text geschickt auf anderthalb Stunden gekürzt und damit dramatisch zugespitzt. Den rednerischen Stil Thomas Manns verwandelt sie in ein düsteres Rezitativ von teils grausiger, teils komischer Wucht.
Mit gedehnten, nur am Ende abfallenden Legatos gibt Keller die novellenhaften Einleitungssätze, mit spitzem Akzent nur die Namen der westdeutschen Schauplätze höhnisch markierend: Düs-sel-dorf! So werden die Kulissen um jene Frau Rosalie von Tümmler aufgebaut, deren klimakterial erhitzte Liebesillusion den prekären Stoff der Novelle liefert. Rosalies Tochter Anna malt: Herrlich, wie Keller die Charakteristik dieser „höchst geistigen, die bloße Naturnachahmung verschmähenden, den Sinneseindruck ins streng Gedankliche, abstrakt Symbolische, oft ins Kubisch-Mathematische transfigurierenden” Kunst mit der stimmliche Kneifzange in die Luft hält.
Das drachenhafte Greinen nimmt einen drohend-rollenden Ton an, wenn Inge Keller die jungmännlichen Reize des amerikanischen Hauslehrers Ken Keaton in ihrer Wirkung auf Frau von Tümmler zu orchestrieren hat: „seehr ann- sehnliche, ronn-de, kräff-tige, weis-se, jun-ge Arrme”. Aber Keller belässt es nicht bei Greisenhohn. Ein halbe Seite später gesteht Rosalie sich selbst ermattet ihre Liebe. Und die Schauspielerin lässt plötzlich ein junges lispelndes Mädchen erblühen, fast einen Cherubino: „Großer Gott, ich liebe ihn ja, liebe ihn, wie ich nie geliebt, ist das denn zu fassen?” Kläglich- rührendes, halblautes Wimmern.
Wer unter den deutschen Schauspielerinnen gebietet über ein größeres Register? Rosalie will mit ihrer Liebe nichts Bürgerliches mehr, sie flüchtet ins Unbedingte. Eine fast Schillersche Rhetorik hebt uns auf ein hohes Plateau: „Die Hoffnung, wer will sie bestimmen, wie du es verlangst?”
Diese oft als misslungen gescholtene Erzählung ist von einer Kühnheit, die die Gefahr des Lächerlichen nicht mehr scheut. Wann hat ein männlicher Autor so ins Innere einer Frau geblickt? Dieses Innere ist rührend, aber auch grausig-unappetitlich, eine blutige, strömende Natur, die ein sublimes Empfinden tragisch täuscht. Frau von Tümmler wähnt ihre Regel wiedergekommen, aber es ist Unterleibskrebs. Zwischen Einfühlung und Ekel oszilliert die Erzählung. Inge Kellers zwischen dem Männlichen und dem Mädchenhaften ausgespannte Stimmlage hebt diese Ambivalenz schreckerregend und komisch ans Licht. Rosalie von Tümmler! Ken Keaton! Sind das nicht Namen aus einem Transvestitenfilm? Thomas Mann hat im Alter alle Rücksichten fahren lassen, und Inge Keller ist ihm in seiner Kühnheit gefolgt. Wir danken begeistert. GUSTAV SEIBT
THOMAS MANN: Die Betrogene. Gelesen von Inge Keller. Patmos Verlag, 2 MC, ca. 100 Minuten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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