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Steve Coll erzählt die Geschichte einer der mächtigsten und reichsten Familien der arabischen Halbinsel. Oberhaupt Mohammed Bin Laden, Städtebauer und Finanzier der saudi-arabischen Königsfamilie, baute ein global agierendes Imperium mit engen Verbindungen in die USA auf. Gegen den westlichen Lebenswandel seiner Familie rebellierte Osama Bin Laden, der mit den Anschlägen vom 11. September die Geschicke seiner Familie und den Verlauf der Weltgeschichte nachhaltig veränderte. Eine faszinierende, gut recherchierte Chronik, in der die Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit der arabischen Welt deutlich wird.…mehr

Produktbeschreibung
Steve Coll erzählt die Geschichte einer der mächtigsten und reichsten Familien der arabischen Halbinsel. Oberhaupt Mohammed Bin Laden, Städtebauer und Finanzier der saudi-arabischen Königsfamilie, baute ein global agierendes Imperium mit engen Verbindungen in die USA auf. Gegen den westlichen Lebenswandel seiner Familie rebellierte Osama Bin Laden, der mit den Anschlägen vom 11. September die Geschicke seiner Familie und den Verlauf der Weltgeschichte nachhaltig veränderte. Eine faszinierende, gut recherchierte Chronik, in der die Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit der arabischen Welt deutlich wird.
Autorenporträt
Steve Coll: Steve Coll, geboren 1958, arbeitete über zwanzig Jahre für die "Washington Post" und schreibt für das Magazin "The New Yorker". Für seine journalistischen Arbeiten erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter zweimal den renommierten Pulitzer-Preis. Gegenwärtig ist er Präsident der New America Foundation, einer überparteilichen gesellschaftspolitischen Denkfabrik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.06.2008

Mehr Bauherr als Feldherr
Wie Osama bin Laden seine Erfahrungen aus den USA nutzte
Eine größere Ironie der Geschichte kann es wohl kaum geben: Osama bin Laden hasst die Amerikaner nicht zuletzt deshalb, weil sie ihm während seines Kampfes gegen die Russen in Afghanistan keine Stinger-Flugabwehrraketen verkaufen wollten. 1984 war der Sohn einer märchenhaft reichen saudischen Familie zum ersten Mal nach Afghanistan gereist – als Tourist, nicht als Terrorist. Er wurde Zeuge von Kämpfen in der Nähe eines Lagers arabischer Freiwilliger. Erstmals in seinem Leben spürte er die Erschütterungen von Granaten.
Nach der Schilderung von Steve Coll fühlte sich bin Laden schuldig, weil er für die Sache, der er sich verschrieben hatte, erst spät ein körperliches Risiko eingegangen war. Einem syrischen Journalisten vertraute er dies an. Er habe auf seine Freunde und Lieben gehört und sei aus Sicherheitsgründen zu Hause geblieben. „Ich glaube, dass diese vierjährige Verspätung mich verpflichtet, im Namen Gottes selbst ein Märtyrer zu werden.” Dies sollte er in den kommenden Jahren immer wieder behaupten, während er es zugleich hartnäckig vermied, seine Worte in die Tat umzusetzen. Aber bin Laden wurde auch nicht als Märtyrer gebraucht. Wegen seiner Fähigkeiten, Spendengelder für den afghanischen Widerstand gegen die russische Besatzung aufzutreiben, war sein Leben viel zu kostbar – im wahrsten Sinne des Wortes.
Dieses Leben, das gänzlich anders verlief als das seiner 24 Brüder und 29 Schwestern, schildert Steve Coll in einem brillanten und eindrucksvollen Porträt der Familie bin Laden. Der zweifache Pulitzer-Preisträger spiegelt ihre Geschichte im unruhigen, von Gier und Geheimhaltung geprägten und letztlich für beide Seiten enttäuschenden Bündnis zwischen Saudi-Arabien und den USA. Denn bis zu dem Moment, in dem Osama sich selbst zum internationalen Terrorismus bekannte, hatte sich seine Familie geschäftlich sehr viel stärker in Amerika engagiert, als allgemein bekannt war. Seine Geschwister besaßen dort Einkaufszentren, Mietshäuser, Eigentumswohnanlagen, luxuriöse Landsitze, privatisierte Gefängnisse, einen Flughafen und Aktien. Sie besuchten US-Universitäten, pflegten Freundschaften und Geschäftsbeziehungen zu Amerikanern und bemühten sich um amerikanische Pässe für ihre Kinder.
Coll erzählt über Hunderte Seiten von diesem Leben der bin Ladens. Wie sie Hollywoodfilme finanzierten, gemeinsam mit dem Countrysänger Kenny Rogers mit Vollblutpferden handelten und mit Donald Trump Immobiliengeschäfte machten. Wie sie George Bush sen., Jimmy Carter und Prinz Charles als Freunde betrachteten. Wie sie im wörtlichen wie auch im kulturellen Sinn einen eindrucksvollen Anteil des Amerika besaßen, dem Osama den Krieg erklärte.
Diesen Krieg begann er schon lange vor dem 11. September. Und Osama führte ihn mit Mitteln und Methoden, die er in der Welt kennengelernt hatte, die er nun zerstören wollte. So waren unter den ersten vier Komitees, die er für seinen Feldzug gegen die Russen in Afghanistan ins Leben rief, eines für Medienaktionen und eines für Bildung. Osama hatte in den Büros der bin Ladens gearbeitet, wo es Hochglanzbroschüren gab und Werbe- und Marketingspezialisten tätig waren. Seine Arbeit für das saudische Königshaus und die Religionsführer in Medina und Mekka hatte ihn gelehrt, dass ein Projekt nur erfolgreich sein konnte, wenn die Geldgeber es als erfolgreich wahrnahmen. Dafür waren Werbung und Marketing verantwortlich. Diesen Geschäftssinn brachte er schon Jahre vor der Gründung von al-Qaida in seine frühesten Projekte in der pakistanisch-afghanischen Grenzstadt Peschawar ein.
Hier beteiligte sich Osama am internationalen Waffenhandel, da er sich entschlossen hatte, seine eigene Miliz zu schaffen. Seine eigentliche Berufung fand er aber, wie zuvor in seinem „zivilen” Leben, als Bauunternehmer: Mit Material und Ausrüstung seiner Familie baute er 1986 Straßen in Richtung Tora Bora, wo es viele Höhlen gab, die sich gut befestigen und verteidigen ließen. Dadurch sollte Osama 2001 die Flucht vor den Amerikanern nach Pakistan gelingen.
Steve Coll und sein Rechercheteam haben zwar keine Beweise gefunden, die nahelegen, dass Osama sich jemals mit einem amerikanischen Geheimdienstmitarbeiter getroffen hat. Fakt ist aber: Ihre Operationen an der pakistanischen Grenze überschnitten sich. Über Islamabads Geheimdienst versorgte die CIA afghanische Anführer mit Baumaterialien für die Höhlen und Lagerstätten, die um 1986 im Grenzgebiet entstanden. Osamas Bauarbeiten mit der Ausrüstung der bin Ladens brachten diese Projekte ebenfalls voran. Unfreiwillige Bündnisse – eben die Ironie der Geschichte. THOMAS SPECKMANN
STEVE COLL: Die Bin Ladens. Eine arabische Familie. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008. 736 S., 24,95 Euro.
Zündeln mit Osama bin Laden: der Terrorist als Streichholzwerbung. Foto: dpa
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2008

Der Anführer
Steve Coll beschreibt das Leben von Usama Bin Ladin

Persönlich getroffen hat er Usama Bin Ladin nie. Dennoch legt Steve Coll die umfassendste Biographie des Top-Terroristen vor, die derzeit auf dem Markt ist. Steve Coll hat jahrelang das Leben des berüchtigtsten Menschen der Welt erforscht: Mit einem Gastvisum hat er Saudi-Arabien besucht. Er hat in der Stadt Dschidda, in der Bin Ladin gelebt hat, Informationen zusammengetragen, mit Menschen gesprochen, die ihn kennen, und schließlich auch Zugang zur Familie Bin Ladin erhalten.

Der zweifache Pulitzerpreisgewinner präsentiert den Al-Qaida-Anführer als gewöhnlichen Menschen, nicht als Dämon und nicht als Fleischwerdung des Bösen. Steve Coll beschreibt Usama Bin Ladin unter anderem als Kämpfer in Afghanistan. Er, der Spross einer noblen Familie, wird von Familienmitgliedern im Kampf finanziell unterstützt, einige besuchen ihn am Hindukusch. Nach seiner Rückkehr aus dem Guerrillakampf ist er, wie viele andere junge Krieger auch, in seiner Heimat ein gefeierter Held. Mit dem Rückhalt seiner Bewunderer beginnt er, das saudische Königshaus zu kritisieren. Maßvoll, aber dennoch über Gebühr dessen, was das politische System seinerzeit an Freiheiten zugelassen hat. Sein Hauptkritikpunkt ist die Kooperation des Herrscherhauses mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Durch seine andauernde Kritik fällt er bei den Saudis in Ungnade, sein Vermögen wird eingefroren, er verliert die Staatsbürgerschaft.

Diese Ereignisse sind es schließlich, so Coll, durch die Usama Bin Ladin sich radikalisiert: Aus seiner abwägenden Kritik wird ungezügelte Ablehnung. Den Einfluss westlicher Mächte, in denen er die Feinde des Islam erkennt, auf die islamische Welt, will er mit allen Mitteln brechen. Der geistliche Fokus von Bin Ladins Äußerungen liegt fortan auf der inneren Reinigung der muslimischen Gemeinschaft, zu deren Anmahnung er sich berufen fühlt. Doch diese Rolle fällt ihm eher zu, als dass er sie aktiv gesucht hat.

Der junge Kämpfer ordnet sich nicht seiner Familie und ihrem Einfluss unter - wie seine Geschwister und Anverwandten. Das macht ihn nach Coll zu einer Pop-Ikone unter muslimischen Jugendlichen - bis heute: Bin LadIn ist nicht der beste Theoretiker einer islamischen Gesellschaftsordnung. Aber er gilt als der ehrlichste Verfechter einer islamischen Utopie. Er hat den Reichtum seiner Familie hinter sich gelassen, um den Weg des Islam zu gehen. Das trägt ihm Respekt ein, deshalb hört man darauf, was er zu sagen hat. Bin Ladin hat nicht aufgehört, zu kritisieren und den Finger in die Wunden der islamischen Länder zu legen. Er kommt, wie ein Al-Dschazira-Reporter, per Videobotschaft in die Wohnzimmer der islamischen Welt. Dabei kommentiert er kritischer, als das ein normaler Journalist in den jeweiligen Ländern je könnte. Auch das bringt ihm den Respekt ein, der den Menschen im Westen so schwer verständlich ist.

Dort kennt man nur den Teil seiner Botschaften, die um seine apokalyptische Weltsicht kreisen: Am Ende der Zeit kommt es nach der Vorstellung der islamistischen Ideologie zu einem Showdown zwischen den Kräften des Islam und denen des Unglaubens. Der Islam wird daraus als Sieger hervorgehen. Bin Ladin, so Coll, nimmt mit Wohlwollen wahr, dass auch sein Widersacher, personifiziert in George W. Bush, die Terminologie "großer Krieg" für die Auseinandersetzung mit Al Qaida gebraucht.

Coll schreibt Usama Bin Ladin einen zurückhaltenden Charakter zu, ein Mann, der bescheiden und nicht aufbrausend ist. Und er deckt in seiner Biographie auch die Schwachstellen des Top-Terroristen auf: Er gerate immer dann außer sich, wenn er nach den vielen zivilen Opfern muslimischen Glaubens gefragt wird, die sein Dschihad bislang gefordert hat, sei es am 11. September 2001, sei es irgendwo sonst auf der Welt. Dann gebe er unklare Antworten, gerate ins Stottern. Über nichtmuslimische Opfer sehe der abgebrühte Ideologe jedoch knallhart hinweg.

Sollte Bin Ladin in der nächsten Zeit gefasst werden, wird die Organisation - also die von ihm in den Medien geschickt propagierte "Marke" Al Qaida - weiterbestehen, meint Coll. Irgendwo entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze vermutet er den Ex-Saudi. Die Bereitschaft, Bin Ladin zu verraten, sei in der Zwischenzeit gewachsen. Als Grund nennt er die vielen zivilen Opfer, die Al Qaida in Pakistan zu verantworten habe.

ALEXANDER GÖRLACH

Steve Coll: Die Bin Ladens. Eine arabische Familie. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008. 736 S., 24,95 [Euro].

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