Ob düstere Schauergeschichten, Kunstmärchen oder spannende Kriminalnovellen - wie kaum ein anderer beherrschte E. T. A. Hoffmann alle Spielarten der romantischen Literatur. Diese Ausgabe versammelt seine bekanntesten Werke wie »Die Elixiere des Teufels«, »Der Sandmann«, »Nussknacker und Mausekönig« und »Die Bergwerke zu Falun« u.v.a. Interpretiert werden die Hoffmannschen Stücke von den beliebtesten deutschen Hörbuchsprechern. So lesen u.a. Gerd Wameling, Peter Matic, Hans Paetsch und Christian Brückner die Werke des berühmten Romantikers ein und finden für das Abgründig-Dämonische der literarischen Vorlage genau den richtigen Ton. Inhalt: - Die Elixiere des Teufels - Der Sandmann - Der goldene Topf - Das Majorat - Nussknacker und Mausekönig- Die Bergwerke zu Falun - Das Fräulein von Scuderi - Ritter Gluck - Rat KrespelLesung mit Gerd Wameling, Peter Matic, Hans Paetsch4 mp3-CDs ca. 28 h 53 min
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Angetan lauscht Rezensent Nicolas Freund den gesammelten Werken E.T.A Hoffmanns die in "klassischen Aufnahmen" zwischen 1966 und 2004 von Schauspielern eingelesen wurden. In dieser Sammlung sind alle wichtigen Werke Hoffmanns versammelt, meint der Rezensent und stellt fest, dass diese selbst 200 Jahre später kaum an "Faszination und Spannung" eingebüßt haben, was er sich auch damit erklärt, dass sie Vorreiter für heutige Erzählgenres waren. Im "Sandmann" greife der Autor beispielsweise Motive der Psychoanalyse und Gestaltspsychologie vorweg, die sich erst ein Jahrhundert später als Disziplin durchsetzten, erklärt Freund. Doch nicht nur die Texte selbst, sondern auch die Lesungen laden den Rezensenten auf eine Reise durch die Geschichte ein, nämlich die des Fernsehens und Theaters: Im Hörbuch sind bekannte Stimmen wie die des Tatort-Schauspielers Gerd Wameling oder von Hans Paetsch zu hören, schwärmt Freund. Nur darüber, dass ausschließlich Männer die Texte eingelesen haben, wundert sich der Rezensenten etwas.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2022Schwarzer Romantiker
Die großen Werke des Fantasten E. T. A. Hoffmann
Es geht ja vor lauter Geistern, Teufeln und Doppelgängern leicht etwas unter, aber die Prosa E.T.A. Hoffmanns hat auch eine feine, sehr angenehme Musikalität. Klar, Hoffmann war ja auch Komponist, aber richtig bemerkt man diese Rhythmik seiner klaren Sprache erst bei Lesungen, wie der von „Der goldne Topf“, die Gerhart Lippert 1977 für den Hessischen Rundfunk aufnahm. Lippert gibt der Erzählung über den Studenten Anselmus, der von der geheimnisvollen Serpentina in eine fantastische Welt namens Atlantis entführt wird, sogar eine Art Basslinie mit, wenn seine Stimme immer wieder in die sehr tiefen Register herabsinkt. Das passt sehr schön zu den oft fantastischen, schwarzromantischen Erzählungen des Schriftstellers, Malers, Komponisten, Kritikers und Juristen E.T.A. Hoffmann, der in diesem Jahr seinen 200. Todestag hat. Der Audioverlag gibt diese Erzählungen nun in einer Art hörbarer Gesamtausgabe heraus.
Fast 30 Stunden Hörspiel umfasst die Sammlung mit allen wichtigen Werken Hoffmanns, die allerdings nicht in den neuesten Fassungen vorliegen, also eben nicht in der neueren Lesung von „Der goldne Topf“ von Rufus Beck, sondern in geradezu klassischen Aufnahmen, die Schauspieler wie Gerd Wameling, Hans Paetsch und Peter Matić zwischen 1966 und 2004 für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einsprachen. Den größten Teil nehmen „Die Elixiere des Teufels“ ein, aber enthalten sind fast alle wichtigen Erzählungen: „Das Fräulein von Scuderi“, „Das Majorat“, natürlich „Der Sandmann“ und einige mehr. (Nur die „Lebens-Ansichten des Katers Murr“ fehlen leider.)
Das ist auch ein kleiner Ausflug, sowohl in die deutsche Literatur- als auch in die jüngere Theater- und Fernsehgeschichte. Gerd Wameling, der den „Sandmann“ liest, begann seine Karriere 1974 bei Peter Stein in Berlin, war regelmäßig im „Tatort“ zu sehen und liest die Erzählung über den jungen Nathanael mit einem Zittern und einer leichten Verzweiflung in der Stimme, die sehr gut zu der Geschichte über den Studenten passt, der immer weniger zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden vermag. In einem Wetterglashändler namens Coppola meint dieser Nathanael den Advokaten Coppelius wiederzuerkennen, eine Schreckensgestalt aus seiner Kindheit. Hoffmann spielt in der Erzählung, die eine der meistgelesenen und bekanntesten der deutschen Literatur ist, geschickt mit dem Motiv des Sehens und des Kippens der Perspektiven, ähnlich wie beim Betrachten eines Vexierbildes, das zwei Motive gleichzeitig darstellen kann, je nachdem, auf welches sich der Betrachter gerade konzentriert. Hoffmann nimmt hier nicht nur Elemente der fantastischen Literatur vorweg, sondern vor allem der Psychoanalyse und der Gestaltpsychologie, die sich erst etwa 100 Jahre später als Disziplin der Psychologie herausbilden wird. Ein maßgeblicher Text, und wenn man nur einen aus dieser Sammlung herausgreifen würde, es müsste unbedingt dieser sein.
Seiner Zeit voraus schien Hoffmann auch mit der Erzählung „Das Majorat“, aus derselben Sammlung namens „Nachtstücke“ von 1817 wie „Der Sandmann“. Eine geschickt aufgebaute Gespenstergeschichte, die auch schon vorwegzunehmen scheint, was später Edgar Allan Poe und andere Autoren der Schauerliteratur zu Weltbekanntheit brachte. Es geht um den Untergang eines Adelsgeschlechts und des dazugehörigen Landsitzes, eine Geschichte von Wandel und Verfall, in der die Vergangenheit wie ein Gespenst die Lebendigen bedrängt. Hans Paetsch, der vielleicht bekannteste Märchen- und Krimivorleser Deutschlands, trägt das mit einer gesunden Skepsis in der Stimme vor, die eine schöne, leicht ironische Distanz zum Geschehen schafft und auch die manchmal für heutige Hörer und Hörerinnen leicht verschnörkelte Sprache schön zur Geltung kommen lässt.
Ebenfalls literarisch bis heute einflussreich ist „Das Fräulein von Scuderi“ von 1819, eine Erzählung, die als der erste deutsche Krimi gilt und als eine der frühesten Kriminalerzählungen überhaupt. Es geht um eine Mordserie im Frankreich des 17. Jahrhunderts am Hofe König Ludwigs XIV., in die die alte Dichterin Madeleine von Scuderi verwickelt wird. Christian Brückner, Schauspieler und Synchronsprecher (unter anderem von Robert De Niro), hat das 1986 für den NDR eingesprochen, mit wesentlich weniger Bass und Raunen in der Stimme als Paetsch und Wameling, was aber auch sehr gut zu der Kriminalgeschichte und ihrem etwas nüchternerem Ton passt.
Da sich die Aufnahmen durchweg, von einigen Kürzungen abgesehen, eng an die originale Textvorlage halten und auf Hörspieleffekte wie Musik oder mehrere Sprecher verzichtet wird, eignet sich die Sammlung auch gut als Ergänzung zum Lesen im Germanistikstudium. Wobei die Erzählungen Hoffmanns, obwohl uns mehr als 200 Jahre von ihm trennen, kaum etwas von ihrer Faszination und Spannung verloren haben, was wohl auch daran liegt, dass sie viele der heute noch beliebten Erzählgenres miterfunden haben. Einziger Kritikpunkt an der Sammlung, für den aber der Verlag nicht viel kann: Es wäre schön gewesen, wenn sich nicht nur Männer gefunden hätten, die Werke E.T.A. Hoffmanns vorzulesen.
NICOLAS FREUND
Geschichten von
Wandel und Verfall,
in denen die Vergangenheit
wie ein Gespenst
die Lebendigen bedrängt
E. T. A. Hoffmann:
Die großen Werke.
Gelesen von
Gerd Wameling, Peter Matić,
Hans Paetsch,
Christian Brückner
und vielen anderen.
4 CDs, 29 Stunden.
Der Audio Verlag, Berlin 2022, 29,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Die großen Werke des Fantasten E. T. A. Hoffmann
Es geht ja vor lauter Geistern, Teufeln und Doppelgängern leicht etwas unter, aber die Prosa E.T.A. Hoffmanns hat auch eine feine, sehr angenehme Musikalität. Klar, Hoffmann war ja auch Komponist, aber richtig bemerkt man diese Rhythmik seiner klaren Sprache erst bei Lesungen, wie der von „Der goldne Topf“, die Gerhart Lippert 1977 für den Hessischen Rundfunk aufnahm. Lippert gibt der Erzählung über den Studenten Anselmus, der von der geheimnisvollen Serpentina in eine fantastische Welt namens Atlantis entführt wird, sogar eine Art Basslinie mit, wenn seine Stimme immer wieder in die sehr tiefen Register herabsinkt. Das passt sehr schön zu den oft fantastischen, schwarzromantischen Erzählungen des Schriftstellers, Malers, Komponisten, Kritikers und Juristen E.T.A. Hoffmann, der in diesem Jahr seinen 200. Todestag hat. Der Audioverlag gibt diese Erzählungen nun in einer Art hörbarer Gesamtausgabe heraus.
Fast 30 Stunden Hörspiel umfasst die Sammlung mit allen wichtigen Werken Hoffmanns, die allerdings nicht in den neuesten Fassungen vorliegen, also eben nicht in der neueren Lesung von „Der goldne Topf“ von Rufus Beck, sondern in geradezu klassischen Aufnahmen, die Schauspieler wie Gerd Wameling, Hans Paetsch und Peter Matić zwischen 1966 und 2004 für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einsprachen. Den größten Teil nehmen „Die Elixiere des Teufels“ ein, aber enthalten sind fast alle wichtigen Erzählungen: „Das Fräulein von Scuderi“, „Das Majorat“, natürlich „Der Sandmann“ und einige mehr. (Nur die „Lebens-Ansichten des Katers Murr“ fehlen leider.)
Das ist auch ein kleiner Ausflug, sowohl in die deutsche Literatur- als auch in die jüngere Theater- und Fernsehgeschichte. Gerd Wameling, der den „Sandmann“ liest, begann seine Karriere 1974 bei Peter Stein in Berlin, war regelmäßig im „Tatort“ zu sehen und liest die Erzählung über den jungen Nathanael mit einem Zittern und einer leichten Verzweiflung in der Stimme, die sehr gut zu der Geschichte über den Studenten passt, der immer weniger zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden vermag. In einem Wetterglashändler namens Coppola meint dieser Nathanael den Advokaten Coppelius wiederzuerkennen, eine Schreckensgestalt aus seiner Kindheit. Hoffmann spielt in der Erzählung, die eine der meistgelesenen und bekanntesten der deutschen Literatur ist, geschickt mit dem Motiv des Sehens und des Kippens der Perspektiven, ähnlich wie beim Betrachten eines Vexierbildes, das zwei Motive gleichzeitig darstellen kann, je nachdem, auf welches sich der Betrachter gerade konzentriert. Hoffmann nimmt hier nicht nur Elemente der fantastischen Literatur vorweg, sondern vor allem der Psychoanalyse und der Gestaltpsychologie, die sich erst etwa 100 Jahre später als Disziplin der Psychologie herausbilden wird. Ein maßgeblicher Text, und wenn man nur einen aus dieser Sammlung herausgreifen würde, es müsste unbedingt dieser sein.
Seiner Zeit voraus schien Hoffmann auch mit der Erzählung „Das Majorat“, aus derselben Sammlung namens „Nachtstücke“ von 1817 wie „Der Sandmann“. Eine geschickt aufgebaute Gespenstergeschichte, die auch schon vorwegzunehmen scheint, was später Edgar Allan Poe und andere Autoren der Schauerliteratur zu Weltbekanntheit brachte. Es geht um den Untergang eines Adelsgeschlechts und des dazugehörigen Landsitzes, eine Geschichte von Wandel und Verfall, in der die Vergangenheit wie ein Gespenst die Lebendigen bedrängt. Hans Paetsch, der vielleicht bekannteste Märchen- und Krimivorleser Deutschlands, trägt das mit einer gesunden Skepsis in der Stimme vor, die eine schöne, leicht ironische Distanz zum Geschehen schafft und auch die manchmal für heutige Hörer und Hörerinnen leicht verschnörkelte Sprache schön zur Geltung kommen lässt.
Ebenfalls literarisch bis heute einflussreich ist „Das Fräulein von Scuderi“ von 1819, eine Erzählung, die als der erste deutsche Krimi gilt und als eine der frühesten Kriminalerzählungen überhaupt. Es geht um eine Mordserie im Frankreich des 17. Jahrhunderts am Hofe König Ludwigs XIV., in die die alte Dichterin Madeleine von Scuderi verwickelt wird. Christian Brückner, Schauspieler und Synchronsprecher (unter anderem von Robert De Niro), hat das 1986 für den NDR eingesprochen, mit wesentlich weniger Bass und Raunen in der Stimme als Paetsch und Wameling, was aber auch sehr gut zu der Kriminalgeschichte und ihrem etwas nüchternerem Ton passt.
Da sich die Aufnahmen durchweg, von einigen Kürzungen abgesehen, eng an die originale Textvorlage halten und auf Hörspieleffekte wie Musik oder mehrere Sprecher verzichtet wird, eignet sich die Sammlung auch gut als Ergänzung zum Lesen im Germanistikstudium. Wobei die Erzählungen Hoffmanns, obwohl uns mehr als 200 Jahre von ihm trennen, kaum etwas von ihrer Faszination und Spannung verloren haben, was wohl auch daran liegt, dass sie viele der heute noch beliebten Erzählgenres miterfunden haben. Einziger Kritikpunkt an der Sammlung, für den aber der Verlag nicht viel kann: Es wäre schön gewesen, wenn sich nicht nur Männer gefunden hätten, die Werke E.T.A. Hoffmanns vorzulesen.
NICOLAS FREUND
Geschichten von
Wandel und Verfall,
in denen die Vergangenheit
wie ein Gespenst
die Lebendigen bedrängt
E. T. A. Hoffmann:
Die großen Werke.
Gelesen von
Gerd Wameling, Peter Matić,
Hans Paetsch,
Christian Brückner
und vielen anderen.
4 CDs, 29 Stunden.
Der Audio Verlag, Berlin 2022, 29,99 Euro.
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»Hoffmann gelingt es, das Abgründig-Dämonische darzustellen. Darin besteht das Moderne seiner Epik.« Marcel Reich-Ranicki