Miki ist erst drei, als seine Mutter an Krebs stirbt. Ab da lebt er bei seinem homosexuellen Onkel Slawa und dessen Partner Lew. Am Anfang ergeben sich wenig Probleme, aber als er in die Schule kommt, muss er lernen, um sich herum eine Scheinwelt aufzubauen, in der es nur einen alleinerziehenden
Vater gibt. Niemand darf die Wahrheit wissen, nicht nur wegen der Vorurteile, sondern weil die reelle…mehrMiki ist erst drei, als seine Mutter an Krebs stirbt. Ab da lebt er bei seinem homosexuellen Onkel Slawa und dessen Partner Lew. Am Anfang ergeben sich wenig Probleme, aber als er in die Schule kommt, muss er lernen, um sich herum eine Scheinwelt aufzubauen, in der es nur einen alleinerziehenden Vater gibt. Niemand darf die Wahrheit wissen, nicht nur wegen der Vorurteile, sondern weil die reelle Gefahr besteht, dass Slawa dann seine Erziehungsberechtigung verliert. Für Miki wird es immer belastender, diesen Lügenpalast aufrechterhalten zu müssen, und als er ins Teenageralter kommt, entwickelt er Depressionen, Angstzustände und den Drang zu Selbstverletzungen. Komplett aus dem Gleichgewicht gerät er, als er merkt, dass er sich von Jungen angezogen fühlt. Dem Vorurteil, homosexuelle Eltern würden homosexuelle Kinder großziehen, in die Hand gespielt zu haben, ist für ihn Versagen und nah einem Verrat an seinen Vätern.
Ich habe „Die Lüge“ von Mikita Franko geliebt. Punkt.
Dieses Buch ist so vielseitig, liebenswert, schrecklich, bewegend, wütend machend, amüsant, rührend, intelligent… Und dabei immer überzeugend, nie ins Kitschige driftend, nicht konstruiert oder manipulierend. Er fühlt sich einfach real und wahrhaftig an.
Franko selbst soll gesagt haben, dass er sich bewusst sei, dass sein Roman nicht perfekt ist. Ich habe das zu keinem Zeitpunkt so empfunden. Davon abgesehen, dass perfekt ein extrem dehnbarer und nicht wirklich erreichbarer Begriff ist, war für mich einfach alles rund und stimmig. Wird die Geschichte Homophobie umstimmen? Sicher nicht, aber ich glaube auch nicht, dass das das Anliegen des Autors war. Meiner Meinung nach ist es auch nicht nur ein Buch über Homosexualität, sondern vor allem die Erzählung eines jungen Menschen über seine Suche nach seiner Individualität und deren Akzeptanz. Ein ungeschönter Coming-of-Age-Roman, der auch Themen aufgreift, die ich so in anderen Büchern des Genres so noch nicht gefunden habe.
Ich bin mir bewusst, dass nicht jeder den gleichen Enthusiasmus für „Die Lüge“ aufbringen wird, wie ich. Vielleicht wird der Roman sogar polarisieren. Aber auch das würde mich nur noch mehr von ihm überzeugen, weil nicht nur das Thema an sich schon für hitzige Gemüter sorgt, sondern auch die Frage, wie man es präsentieren und aufarbeiten sollte. Und meiner Meinung hat Franko da einen guten Weg gewählt, indem er einfach authentisch und ehrlich bleibt, und das bis zu einem Punkt, der auch mal weh tut. Ich bin jedenfalls ziemlich sicher, einen meiner Top Ten Romane des Jahres 2022 gefunden zu haben. Ein mutiges Buch und eine riesige Leseempfehlung.