Spektakuläre Abenteuer zu Land, zu Wasser und in der Luft. Nicht nur Fans von Paul Temple und Edgar Wallace wird bei Sándor Ferenczys opulent inszenierten Hörspielen der Atem stocken - Nervenkitzel für die ganze Familie! Das Hörbuch »Die Marsrakete und weitere Abenteuer« enthält die Original-Hörspiele: »Die Marsrakete«»Peterwagen 7«»Stopp für Nord-Express«»Froschmänner im Einsatz«Hörspiel mit Hermann Rockmann, Helmut Peine1 CD ca. 47 min
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2018Holla,
die Waldhexe
Kinder- und Märchenhörspiele aus den
Fünfziger- und Sechzigerjahren
VON TOBIAS LEHMKUHL
Über Sándor Ferenczy ist wenig bekannt. Geboren 1906, starb er 1993. Vor allem in den Fünfziger- und Sechzigerjahren produzierte er sehr fleißig Hörspiele – Kinderhörspiele und Märchenhörspiele vor allem. Allerdings nicht fürs Radio, sondern für Schallplattenveröffentlichungen. Mag sein, dass er vergessen wurde, weil die Schallplatten irgendwann auf Flohmärkten verschwanden oder weil es keine Wiederholungen seiner Stücke im Radio gab. Vor einigen Jahren stieß Ferenczys Schwiegersohn Michel Sturiale auf das Archiv seines Schwiegervaters und restaurierte die Aufnahmen. Der Audio Verlag wurde glücklicherweise darauf aufmerksam und hat fünf CDs mit zwanzig Märchenstücken und acht Originalhörspielen herausgebracht, weitere sollen folgen.
Was zuerst auffällt, legt man die erste CD ein, zum Beispiel „Aladin und die Wunderlampe und weitere Geschichten aus 1001 Nacht“: Die Produktion ist genauso aufwendig wie jede Radioproduktion. Die technischen Mittel der Zeit werden gänzlich ausgeschöpft, sogar die Szenen, die unter freiem Himmel spielen, wirken höchst realistisch. Einen solch natürlichen Raumklang zu erzeugen, gelingt noch heute nicht jedem Hörspielregisseur – der sich dabei freilich auf einen guten Tontechniker verlassen muss. Bei Ferenczy ist das immer Carl-Adolf (Carlos) Olms.
Weshalb man außerdem meint, einer öffentlich-rechtlich finanzierten Produktion zu lauschen, ist die Musik. Hat es sich damals für private Schallplattenfirmen tatsächlich gelohnt, eigene Komponisten und ganze Orchester zu beschäftigen – für Märchenhörspiele? Offenbar, denn auch die Musik lässt nichts zu wünschen übrig. Ob Klaus Cornell, Rainer Winkelmann, Gerhard Gregor, Franz Josef Breuer oder Erich Bender, hier sind uneitle Virtuosen am Werk, die feinfühlig die jeweilige Stimmung zu unterstreichen wissen, die mit ihrer Musik die Geschehnisse pointiert kommentieren, die ein Händchen haben für Instrumentierung, Tempo und überhaupt für das richtige Maß: Niemals ist der Orchestersatz zu fett, gleichzeitig geht die Musik aber auch niemals im Ziselierten verloren.
Und dann wären da natürlich noch die Sprecher, die man eben auch aus den Radioproduktionen der Zeit kennt, allen voran Hans Paetsch, dessen unverwechselbare Erzählerstimme alten Winnetou-Hörern noch heute Schauer über den Rücken laufen lässt. Auch Eduard Marks fungiert hier als hervorragender Erzähler, Hans Irle als schalkhafter Kaspar, und Inge Meysel spricht die Geiß, deren Geißlein vom bösen Wolf gefressen werden. Nicht zu finden sind hier die Namen anderer großer Schauspieler der Zeit, die sich auch damals schon gerne ein Zubrot beim Hörspiel verdienten – zum Glück, denn so sind die Stimmen immer wieder eine schöne Überraschung, so hat jede Figur wirklich ihren eigenen Charakter, und es schiebt sich nicht ständig das Bild eines alten Bekannten vors innere Auge.
Am meisten hervorzuheben ist freilich die Regie selbst. Sándor Ferenczy weiß nicht nur aus den Sprechern das Beste hervorzuholen, das heißt die rechte Lebhaftigkeit in ihnen zu wecken, untrüglich ist vor allem sein Gespür für Tempo und Rhythmus, der flotte, aber niemals übereilte Wechsel von Erzählerstimme, Figurenstimmen und Musik. Hört man genau hin, merkt man plötzlich, wie kleinteilig Ferenczy arbeitet, wie es mitunter im Sekundentakt zwischen den einzelnen Ebenen hin und her geht. Dennoch erscheinen die Stücke niemals hastig oder sprunghaft.
Schwer zu sagen, welche Märchen (kaum ein Stück ist länger als zehn Minuten) Ferenczy besonders gelungen sind: „Hans im Glück“ ist von großem Witz, „Rumpelstilzchen“ hat die beste Stimme und bei „Ali Baba“ hielt sich der fünfjährige Junge, den der Rezensent praktischerweise zu Hause hatte, vor Spannung die Ohren zu (bei den grausamsten Lego-Ninjago-Videos hingegen zuckt er kaum mehr mit der Wimper). Auch „Till Eulenspiegel“ ist mindestens so überzeugend, als hätte Daniel Kehlmann es geschrieben, und beim Flug auf dem Hexenbesen, den Kaspar in „Kaspar und die Waldhexe“ absolviert meint man wirklich, es pfeife einem der scharfe Wind um die Ohren.
Also auch heute noch ein Hörvergnügen für die ganze Familie. Die Originalhörspiele jedoch sind eher von historischen Interesse. „Die Marsrakete“ ist zu kurz und zu überladen, um wirklich Spannung zu entfalten. „Froschmänner im Einsatz“ und „Peterwagen 7“ sind sehr technisch und im Stile von Polizeiberichten aufgebaut, abgesehen davon, dass kein Kind heute mehr weiß, was ein Peterwagen, was ein Froschmann ist. Auch die Dramatik der Geschehnisse in „Stopp für Nordexpress“ überträgt sich nur bedingt: „In der Bezirksdirektion schlägt die Nachricht wie eine Bombe ein: Was sagen Sie da, der Schlusswagen von G-319 brennt? Menschenskind, wissen Sie denn was das bedeutet? Der Schlusswagen von G-319 ist eine geheime Armeesache! Ich werde alles weitere veranlassen.“
Tobby und Robby schließlich, zwei Jungs die Kriminalfälle lösen, sind für Ferenczys Verhältnisse nicht gut, das heißt sehr grell und häufig übersteuert, in Szene gesetzt. Ob ihrer Unbeholfenheit entlocken dem Hörer immerhin die „11 echten Polizisten der Revierwache 12, Hamburg“, die bei der Entstehung des Hörspiels beteiligt waren, ein kleines Lächeln.
So legt man also lieber noch einmal die Märchen auf, hört die Tauben „Blut ist im Schuh“ gurren und das Rumpelstilzchen seine Bösartigkeiten quäken, freut sich, wenn nicht Hänsel, sondern die gefräßige Hexe in den Backofen plumpst und pfeift mit Hans das Lied seliger Unbeschwertheit: „Was schert Hans Gold und gar der Stein/ sein froher Sinn ist Glück allein.“
Sándor Ferenczy: Die Original-Hörspiele. Mit Hans Paetsch, Hans Irle, Eduard Marks u.a. Hänsel und Gretel und weitere Märchen. 59 Minuten. Der Rattenfänger von Hameln und weitere Geschichten. 59 Minuten. Aschenputtel und weitere Märchen. 54 Minuten. Aladin und die Wunderlampe und weitere Geschichten aus 1001 Nacht. 58 Minuten. Der Mann mit der dunklen Brille und weitere Abenteuer von Tobby und Robby. 51 Minuten. Die Marsrakete und weitere Abenteuer. 47 Minuten. DAV, Berlin 2018. Je CD 9,99 Euro.
Hans im Glück ist von großem
Witz, Rumpelstilzchen
hat die beste Stimme
„Was schert Hans Gold und gar
der Stein/ sein froher Sinn
ist Glück allein“
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die Waldhexe
Kinder- und Märchenhörspiele aus den
Fünfziger- und Sechzigerjahren
VON TOBIAS LEHMKUHL
Über Sándor Ferenczy ist wenig bekannt. Geboren 1906, starb er 1993. Vor allem in den Fünfziger- und Sechzigerjahren produzierte er sehr fleißig Hörspiele – Kinderhörspiele und Märchenhörspiele vor allem. Allerdings nicht fürs Radio, sondern für Schallplattenveröffentlichungen. Mag sein, dass er vergessen wurde, weil die Schallplatten irgendwann auf Flohmärkten verschwanden oder weil es keine Wiederholungen seiner Stücke im Radio gab. Vor einigen Jahren stieß Ferenczys Schwiegersohn Michel Sturiale auf das Archiv seines Schwiegervaters und restaurierte die Aufnahmen. Der Audio Verlag wurde glücklicherweise darauf aufmerksam und hat fünf CDs mit zwanzig Märchenstücken und acht Originalhörspielen herausgebracht, weitere sollen folgen.
Was zuerst auffällt, legt man die erste CD ein, zum Beispiel „Aladin und die Wunderlampe und weitere Geschichten aus 1001 Nacht“: Die Produktion ist genauso aufwendig wie jede Radioproduktion. Die technischen Mittel der Zeit werden gänzlich ausgeschöpft, sogar die Szenen, die unter freiem Himmel spielen, wirken höchst realistisch. Einen solch natürlichen Raumklang zu erzeugen, gelingt noch heute nicht jedem Hörspielregisseur – der sich dabei freilich auf einen guten Tontechniker verlassen muss. Bei Ferenczy ist das immer Carl-Adolf (Carlos) Olms.
Weshalb man außerdem meint, einer öffentlich-rechtlich finanzierten Produktion zu lauschen, ist die Musik. Hat es sich damals für private Schallplattenfirmen tatsächlich gelohnt, eigene Komponisten und ganze Orchester zu beschäftigen – für Märchenhörspiele? Offenbar, denn auch die Musik lässt nichts zu wünschen übrig. Ob Klaus Cornell, Rainer Winkelmann, Gerhard Gregor, Franz Josef Breuer oder Erich Bender, hier sind uneitle Virtuosen am Werk, die feinfühlig die jeweilige Stimmung zu unterstreichen wissen, die mit ihrer Musik die Geschehnisse pointiert kommentieren, die ein Händchen haben für Instrumentierung, Tempo und überhaupt für das richtige Maß: Niemals ist der Orchestersatz zu fett, gleichzeitig geht die Musik aber auch niemals im Ziselierten verloren.
Und dann wären da natürlich noch die Sprecher, die man eben auch aus den Radioproduktionen der Zeit kennt, allen voran Hans Paetsch, dessen unverwechselbare Erzählerstimme alten Winnetou-Hörern noch heute Schauer über den Rücken laufen lässt. Auch Eduard Marks fungiert hier als hervorragender Erzähler, Hans Irle als schalkhafter Kaspar, und Inge Meysel spricht die Geiß, deren Geißlein vom bösen Wolf gefressen werden. Nicht zu finden sind hier die Namen anderer großer Schauspieler der Zeit, die sich auch damals schon gerne ein Zubrot beim Hörspiel verdienten – zum Glück, denn so sind die Stimmen immer wieder eine schöne Überraschung, so hat jede Figur wirklich ihren eigenen Charakter, und es schiebt sich nicht ständig das Bild eines alten Bekannten vors innere Auge.
Am meisten hervorzuheben ist freilich die Regie selbst. Sándor Ferenczy weiß nicht nur aus den Sprechern das Beste hervorzuholen, das heißt die rechte Lebhaftigkeit in ihnen zu wecken, untrüglich ist vor allem sein Gespür für Tempo und Rhythmus, der flotte, aber niemals übereilte Wechsel von Erzählerstimme, Figurenstimmen und Musik. Hört man genau hin, merkt man plötzlich, wie kleinteilig Ferenczy arbeitet, wie es mitunter im Sekundentakt zwischen den einzelnen Ebenen hin und her geht. Dennoch erscheinen die Stücke niemals hastig oder sprunghaft.
Schwer zu sagen, welche Märchen (kaum ein Stück ist länger als zehn Minuten) Ferenczy besonders gelungen sind: „Hans im Glück“ ist von großem Witz, „Rumpelstilzchen“ hat die beste Stimme und bei „Ali Baba“ hielt sich der fünfjährige Junge, den der Rezensent praktischerweise zu Hause hatte, vor Spannung die Ohren zu (bei den grausamsten Lego-Ninjago-Videos hingegen zuckt er kaum mehr mit der Wimper). Auch „Till Eulenspiegel“ ist mindestens so überzeugend, als hätte Daniel Kehlmann es geschrieben, und beim Flug auf dem Hexenbesen, den Kaspar in „Kaspar und die Waldhexe“ absolviert meint man wirklich, es pfeife einem der scharfe Wind um die Ohren.
Also auch heute noch ein Hörvergnügen für die ganze Familie. Die Originalhörspiele jedoch sind eher von historischen Interesse. „Die Marsrakete“ ist zu kurz und zu überladen, um wirklich Spannung zu entfalten. „Froschmänner im Einsatz“ und „Peterwagen 7“ sind sehr technisch und im Stile von Polizeiberichten aufgebaut, abgesehen davon, dass kein Kind heute mehr weiß, was ein Peterwagen, was ein Froschmann ist. Auch die Dramatik der Geschehnisse in „Stopp für Nordexpress“ überträgt sich nur bedingt: „In der Bezirksdirektion schlägt die Nachricht wie eine Bombe ein: Was sagen Sie da, der Schlusswagen von G-319 brennt? Menschenskind, wissen Sie denn was das bedeutet? Der Schlusswagen von G-319 ist eine geheime Armeesache! Ich werde alles weitere veranlassen.“
Tobby und Robby schließlich, zwei Jungs die Kriminalfälle lösen, sind für Ferenczys Verhältnisse nicht gut, das heißt sehr grell und häufig übersteuert, in Szene gesetzt. Ob ihrer Unbeholfenheit entlocken dem Hörer immerhin die „11 echten Polizisten der Revierwache 12, Hamburg“, die bei der Entstehung des Hörspiels beteiligt waren, ein kleines Lächeln.
So legt man also lieber noch einmal die Märchen auf, hört die Tauben „Blut ist im Schuh“ gurren und das Rumpelstilzchen seine Bösartigkeiten quäken, freut sich, wenn nicht Hänsel, sondern die gefräßige Hexe in den Backofen plumpst und pfeift mit Hans das Lied seliger Unbeschwertheit: „Was schert Hans Gold und gar der Stein/ sein froher Sinn ist Glück allein.“
Sándor Ferenczy: Die Original-Hörspiele. Mit Hans Paetsch, Hans Irle, Eduard Marks u.a. Hänsel und Gretel und weitere Märchen. 59 Minuten. Der Rattenfänger von Hameln und weitere Geschichten. 59 Minuten. Aschenputtel und weitere Märchen. 54 Minuten. Aladin und die Wunderlampe und weitere Geschichten aus 1001 Nacht. 58 Minuten. Der Mann mit der dunklen Brille und weitere Abenteuer von Tobby und Robby. 51 Minuten. Die Marsrakete und weitere Abenteuer. 47 Minuten. DAV, Berlin 2018. Je CD 9,99 Euro.
Hans im Glück ist von großem
Witz, Rumpelstilzchen
hat die beste Stimme
„Was schert Hans Gold und gar
der Stein/ sein froher Sinn
ist Glück allein“
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