Katastrophen, Schlamassel und ein perfekter Tag
Katastrophen, Schlamassel und ein perfekter Tag
Die 15-jährige Maggie Butt hat vor, ihr Leben zu ändern: Eine neue beste
Freundin, gute Noten und eine zumutbare Abschlussballbegleitung. Aber das
Schuljahr dauert nur noch zwei Monate. Und die völlig verschnittene neue Frisur
trägt auch nicht gerade dazu bei, dass alles rund läuft, genauso wenig wie der neue
Lover ihrer Mutter. Diese Nervensäge gibt plötzlich überall ihren Senf dazu und
macht damit alles noch schlimmer.
Das perfekte Leben der Maggie Butt? Weit davon entfernt.
Katastrophen, Schlamassel und ein perfekter Tag
Die 15-jährige Maggie Butt hat vor, ihr Leben zu ändern: Eine neue beste
Freundin, gute Noten und eine zumutbare Abschlussballbegleitung. Aber das
Schuljahr dauert nur noch zwei Monate. Und die völlig verschnittene neue Frisur
trägt auch nicht gerade dazu bei, dass alles rund läuft, genauso wenig wie der neue
Lover ihrer Mutter. Diese Nervensäge gibt plötzlich überall ihren Senf dazu und
macht damit alles noch schlimmer.
Das perfekte Leben der Maggie Butt? Weit davon entfernt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.03.2018Alles verwirbelt
Das ganz normale Chaos im Teenager-Universum
Ja, man könnte die gesammelte Katastrophen von Maggie, einer Fünfzehnjährigen, aus einer gewissen Entfernung betrachten, wie einen filigranen lebenden Wandteppich, in dem tausende von Einzelheiten zu einem großen kunterbunten Ganzen verknüpft sind. Dann wäre „Die Nervensäge, meine Mutter, Sir Tiffy, der Nerd & Ich“ einer von vielen Jugendromanen, die sich dem ewigen Thema „Erwachsenwerden, aber wie?“ widmen. Abgelegt in der Untergruppe „Zusätzliches Konfliktpotential: Einzelkind, alleinerziehende Mutter mit neuem Freund, der von der Tochter nicht akzeptiert wird“.
Aber der Autor ist der Australier Michael Gerard Bauer, der schon mit seinen temporeichen, gewitzten und vor allem selbstironischen Ismael-Geschichten aus der Reihe schwungvoller Coming-of-Age-Romane tanzte. Maggie Butts könnte zweifelsohne als Ismaels Schwester im Geiste durchgehen, wenn man ihre Nöte – das fein gesponnene Katastrophengesamtkunstwerk – nicht aus der Distanz betrachtet, sondern aus unmittelbarer Nähe. Und das tun die Leser nahezu zwangsweise, denn die Ich-Erzählerin versteht es (auch dank der frisch-frech-fröhlichen Übersetzung von Ute Mihr), sie mit der gebündelten Suggestionskraft eines von sich selbst überzeugten und gleichzeitig zutiefst verunsicherten Teenagers ins eigene Universum zu ziehen. Oder, wie Maggie es zu betrachten pflegt, in die „Burg Butt“, die sie mit Klauen und Zähnen verteidigt, gegenüber Eindringlingen, wie Mums neuem Freund, den sie sogleich als „Nervensäge“ tituliert.
Dass der arme Mann seine Interessen mit ironischen Kommentaren durchzusetzen versucht, kommt bei einer um sich selbst kreisenden Göre allerdings nicht besonders gut an. Weil Maggie noch unter weiteren Defiziten leidet: Keine gute Freundin in Sicht. Kein Partner für den Abschlussball der Zehnten. Keine Eins in ihrem Lieblingsfach Englisch. Ihre neue Englischlehrerin, Schwester Evangelista, weist sie freundlich aber bestimmt darauf hin, dass ein kunterbuntes, weitschweifiges Durcheinander in einer Macbeth-Interpretation weniger ein Zeichen schriftstellerischer Fähigkeit als vielmehr Ausdruck großartiger Selbsttäuschung sein dürfte.
Nun könnte man glauben und der Text scheint es zu bestätigen: So assoziativ und figurativ Michael Gerard Bauer seine Hauptfigur in Szene setzt, wisse der Autor selbst nicht, wo das alles enden soll. Weit gefehlt: Er strickt, verquickt und benützt Maggies Chaosuniversum so, dass die Leser – genauso wie die Heldin selbst – kaum Zeit zum Durchatmen finden. Wie in einer Sitcom, in der alles mit allem verwirbelt wird. Doch am Ende erweist sich diese Verwirbelung als genialer dramaturgischer Kunstgriff und obendrein als kathartischer Prozess.
Maggie und die Leser können endlich einen Schritt vom Bilderteppich eines jugendlichen Lebens zurücktreten und das Große und Ganze von Glücksereignissen und Katastrophen an der Schwelle zum Erwachsensein betrachten. Figurativ gesprochen, natürlich. (ab 13 Jahre)
SIGGI SEUSS
Michael Gerard Bauer: Die Nervensäge, meine Mutter, Sir Tiffy, der Nerd & Ich. Aus dem Englischen von Ute Mihr. Carl Hanser Verlag, München 2018, 280 Seiten, 16 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Das ganz normale Chaos im Teenager-Universum
Ja, man könnte die gesammelte Katastrophen von Maggie, einer Fünfzehnjährigen, aus einer gewissen Entfernung betrachten, wie einen filigranen lebenden Wandteppich, in dem tausende von Einzelheiten zu einem großen kunterbunten Ganzen verknüpft sind. Dann wäre „Die Nervensäge, meine Mutter, Sir Tiffy, der Nerd & Ich“ einer von vielen Jugendromanen, die sich dem ewigen Thema „Erwachsenwerden, aber wie?“ widmen. Abgelegt in der Untergruppe „Zusätzliches Konfliktpotential: Einzelkind, alleinerziehende Mutter mit neuem Freund, der von der Tochter nicht akzeptiert wird“.
Aber der Autor ist der Australier Michael Gerard Bauer, der schon mit seinen temporeichen, gewitzten und vor allem selbstironischen Ismael-Geschichten aus der Reihe schwungvoller Coming-of-Age-Romane tanzte. Maggie Butts könnte zweifelsohne als Ismaels Schwester im Geiste durchgehen, wenn man ihre Nöte – das fein gesponnene Katastrophengesamtkunstwerk – nicht aus der Distanz betrachtet, sondern aus unmittelbarer Nähe. Und das tun die Leser nahezu zwangsweise, denn die Ich-Erzählerin versteht es (auch dank der frisch-frech-fröhlichen Übersetzung von Ute Mihr), sie mit der gebündelten Suggestionskraft eines von sich selbst überzeugten und gleichzeitig zutiefst verunsicherten Teenagers ins eigene Universum zu ziehen. Oder, wie Maggie es zu betrachten pflegt, in die „Burg Butt“, die sie mit Klauen und Zähnen verteidigt, gegenüber Eindringlingen, wie Mums neuem Freund, den sie sogleich als „Nervensäge“ tituliert.
Dass der arme Mann seine Interessen mit ironischen Kommentaren durchzusetzen versucht, kommt bei einer um sich selbst kreisenden Göre allerdings nicht besonders gut an. Weil Maggie noch unter weiteren Defiziten leidet: Keine gute Freundin in Sicht. Kein Partner für den Abschlussball der Zehnten. Keine Eins in ihrem Lieblingsfach Englisch. Ihre neue Englischlehrerin, Schwester Evangelista, weist sie freundlich aber bestimmt darauf hin, dass ein kunterbuntes, weitschweifiges Durcheinander in einer Macbeth-Interpretation weniger ein Zeichen schriftstellerischer Fähigkeit als vielmehr Ausdruck großartiger Selbsttäuschung sein dürfte.
Nun könnte man glauben und der Text scheint es zu bestätigen: So assoziativ und figurativ Michael Gerard Bauer seine Hauptfigur in Szene setzt, wisse der Autor selbst nicht, wo das alles enden soll. Weit gefehlt: Er strickt, verquickt und benützt Maggies Chaosuniversum so, dass die Leser – genauso wie die Heldin selbst – kaum Zeit zum Durchatmen finden. Wie in einer Sitcom, in der alles mit allem verwirbelt wird. Doch am Ende erweist sich diese Verwirbelung als genialer dramaturgischer Kunstgriff und obendrein als kathartischer Prozess.
Maggie und die Leser können endlich einen Schritt vom Bilderteppich eines jugendlichen Lebens zurücktreten und das Große und Ganze von Glücksereignissen und Katastrophen an der Schwelle zum Erwachsensein betrachten. Figurativ gesprochen, natürlich. (ab 13 Jahre)
SIGGI SEUSS
Michael Gerard Bauer: Die Nervensäge, meine Mutter, Sir Tiffy, der Nerd & Ich. Aus dem Englischen von Ute Mihr. Carl Hanser Verlag, München 2018, 280 Seiten, 16 Euro.
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