Die DDR in den 1970-er-Jahren. Edgar W., 17, einst Musterschüler und Sohn einer systemtreuen Abteilungsleiterin, steigt aus. Er schmeißt die Lehre, geht nach Berlin, um Maler zu werden, verliebt sich heftig in die bereits verlobte Kindergärtnerin Charlie - und kommt schließlich in einer Berliner Gartenlaube durch einen Stromschlag ums Leben.Witzig, traurig und hochpolitisch wird die Story abwechselnd aus Edgars posthumer Perspektive und der Befragung seiner engsten Hinterbliebenen erzählt. So wie Edgar kurz vor seinem Tod nach seinem Vater gesucht hat, sucht dieser nun nach Hinweisen, die ihm das Leben seines Sohnes näher bringen. Für Verwirrung sorgen dabei Tonbandaufnahmen, die Edgar seinem Freund Willi hinterlassen hat - mit Zitaten aus Goethes Werther, die seine eigene Lage gut beschreiben. Erschienen 1972/73 in beiden Teilen Deutschlands wurde Ulrich Plenzdorfs Prosa- und Bühnenstück zum Kult-Buch mit einer erstaunlichen Rezeptionsgeschichte. "Die neuen Leiden des jungen W."ist eine Geschichte über Anpassung und Revolte, Liebe und Identitätssuche, die aufgrund ihres sympathischen Helden, der damaligen Jugendsprache und dem Einblick in die jazzige Jugendkultur der DDR auch heute noch "poppt".
Es ist auch Ausweis einer souveränen Schreibmethode, einer überzeugenden Bewältigung des Materials. Wie Plenzdorf auf diesen wenigen Seiten alle Register moderner Prosa zieht, wie aus den Tonbändern des Technik-Fex Edgar Wibeau jene Briefe des jungen W. werden, die Sprachebenen sowohl wie soziale Realität ein bringen als auch gleichzeitig abwehren, gar versetzen, das ist nicht nur geschickt, sondern kenntnisreich und gelungen. Dieser Tod des jungen W. scheint die Geburt einer eminenten neuen Begabung zu annoncieren, vielleicht sogar den lang erwarteten Anfang einer neuen Literatur.