Irgendwann im Laufe des Jahres 1894 explodierte der Kopf des Senatspräsidenten Daniel Paul Schreber, worauf er, der Sohn des Schrebergartenschrebers, sich in einer Nervenheilanstalt wiederfand, umgeben von Geisterbildern und Phantomen, "flüchtig hingemachten Männern", wie er sie nannte, und von denen er glaubte, daß es sich nur um Attrappen und Luftgespinste handelte. Mehr noch: diese Phantome begannen zu sprechen. Nur daß ihr körperloses Sagen sich artikulierte als eine Art des VerSagens: als ein Verschwinden des Sinns und der Sinne. Schreber ist tot, sein Wahn hat alle Deutungsversuche…mehr
Irgendwann im Laufe des Jahres 1894 explodierte der Kopf des Senatspräsidenten Daniel Paul Schreber, worauf er, der Sohn des Schrebergartenschrebers, sich in einer Nervenheilanstalt wiederfand, umgeben von Geisterbildern und Phantomen, "flüchtig hingemachten Männern", wie er sie nannte, und von denen er glaubte, daß es sich nur um Attrappen und Luftgespinste handelte. Mehr noch: diese Phantome begannen zu sprechen. Nur daß ihr körperloses Sagen sich artikulierte als eine Art des VerSagens: als ein Verschwinden des Sinns und der Sinne. Schreber ist tot, sein Wahn hat alle Deutungsversuche überlebt. Wir hängen im Netz, das der Schreberschen Nervenapparatur so überaus verwandt ist, wir sind umgeben von Apparaten, die strukturiert sind wie der Schrebersche Wahn. Ein einziges telegenes Stimmengewirr, das zwar Ton und Stimme hat, in Wirklichkeit aber ein SagenVersagen ist. Und weil diese Sprechmaschinen überall sind, bilden die Schreberschen Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken das Material für Martin Burckhardts Versuch, diesen Gang in die Irre für ein akustisches Szenario zu nutzen: so daß die Rede des irren Senatspräsidenten ihm als Fremdenführer dient in unsere Gegenwart, wo das Sagenwollen versagt, wo der Satz zum Versatz wird, die Stimme zum Stimmaterial - und weil alles hier durcheinandergeht, betreibt der Autor Reststoffverwertung und ordnet sein Material neu: zu Litaneien, Chören und Rezitativen.
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Autorenporträt
Martin Burckhardt, geboren 1957, ist freier Autor, Audiokünstler und Kulturtheoretiker. Er lebt in Berlin und ist als Dozent an der Humboldt-Universität und an der FU Berlin tätig. Er verfasste zahlreiche Hörstücke und Essays.
Jens Wawrczeck, geb. 1963 in Dänemark, zog dann nach Hamburg und arbeitet bundesweit als Sprecher, Dialogbuchregisseur und begeisterter Theaterspieler. Seine jugendliche Stimme ist einzigartig, er setzt sie sowohl bei klassischen Texten als auch bei Hörspielen gekonnt und natürlich in Szene.
Hanns Zischler, geboren 1947, ist Schauspieler, Publizist und freischaffender Künstler. Neben zahlreichen Fernsehauftritten ist er in internationalen Filmproduktionen zu sehen, wie z.B. Wim Wenders' "Im Lauf der Zeit" und Steven Spielbergs "München".
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