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Das große Werk über die gescheiterte Revolution auf dem Tahrir-Platz
Kairo, 25. Januar 2011, fünfundzwanzigtausend Menschen demonstrieren gegen Mubarak. Sie träumen von der großen Veränderung, doch während in der euphorischen Menge Liebesbeziehungen aufblühen, wird der Bürgerrechtler Khaled vor den Augen aller ermordet. Seine Freundin Dania will ihren Widerstand nicht aufgeben - und sei es gegen den eigenen Vater, den bigotten Geheimdienstchef, der islamische Werte predigt und heimlich Pornos schaut. Ob es die Lehrerin Asma ist, die sich weigert im Englischunterricht Kopftuch zu tragen,…mehr

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Produktbeschreibung
Das große Werk über die gescheiterte Revolution auf dem Tahrir-Platz

Kairo, 25. Januar 2011, fünfundzwanzigtausend Menschen demonstrieren gegen Mubarak. Sie träumen von der großen Veränderung, doch während in der euphorischen Menge Liebesbeziehungen aufblühen, wird der Bürgerrechtler Khaled vor den Augen aller ermordet. Seine Freundin Dania will ihren Widerstand nicht aufgeben - und sei es gegen den eigenen Vater, den bigotten Geheimdienstchef, der islamische Werte predigt und heimlich Pornos schaut. Ob es die Lehrerin Asma ist, die sich weigert im Englischunterricht Kopftuch zu tragen, oder der resignierte Kopte Ashraf, der neuen Mut fasst, als er die Demonstranten sieht - al-Aswanis Figuren verkörpern in diesem mitreißenden Werk, das in Ägypten verboten wurde, alle Facetten der Revolution, die für jede von ihnen einen Wendepunkt in ihrem Schicksal bedeutet.
Autorenporträt
al-Aswani, AlaaAlaa al-Aswani, 1957 geboren, ist Zahnarzt, Journalist und Schriftsteller und lebt im Exil in New York. Er beteiligt sich aktiv an der Oppositionsbewegung »Kifaya«, die das Leid Ägyptens den korrupten Eliten zuschreibt und den Staat und die religiösen Autoritäten herausfordert. In deutscher Übersetzung erschienen bereits seine Romane »Der Jakubijan-Bau« (2007), »Chicago« (2008) und »Der Automobilclub von Kairo« (2015).
Rezensionen
"Das Hörbuch wird ansprechend und mitreißend von Torben Kessler gelesen, der die über 15 Hörstunden wie im Fluge vergehen lässt." Travel Without Moving 20220501

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Das Wort "bitter" benutzt Rezensent Cornelius Wüllenkemper gleich zweimal in seiner Besprechung zur Charakterisierung dessen, wie Aswani die Arabellion in Ägypten und ihre Protagonisten auffasst. Zum einen verweist der Autor mit "bitterer Ironie" auf die herrschende Klasse, die mit Bigotterie, Gehorsam gegen die Obrigkeit und brutaler Beherrschung der Untergebenen - auch der Familie und besonders der Frauen - gut durchs Leben kommt, so Wüllenkemper. Zum anderen folgt nach allem Romangeschehen, das über weite Strecken wie eine "Reportage" vom Tahir-Platz funktioniere, immer aber auch menschliche Geschichten erzähle, Aswanis "bittere Erkenntnis", so der beeindruckte Kritiker, dass die Angst großer Massen eine wirkliche gesellschaftliche Umwälzung leider immer verhindert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.01.2021

Aufbruch, Staunen, Sterben
Alaa Al-Aswani, einer der führenden Intellektuellen Ägyptens, hat einen Roman über den
Arabischen Frühling in Kairo geschrieben: eine seltsam unpolitische Revolutionsgeschichte
VON SONJA ZEKRI
Alaa Al-Aswani ist der erfolgreichste arabische Schriftsteller, ein Vordenker der ägyptischen Demokratie, der mit seinem Buch „Der Jakubijan-Bau“ die Lähmung und die Wut im Staate Mubaraks so klar beschrieb wie kein anderer. Der Arabische Frühling war ein Jahrhundertereignis, das die Region für immer veränderte, auch wenn es zehn Jahre danach so scheint, als sei es vor allem zum Schlechteren. Wenn also der Weltbestsellerautor Alaa Al-Aswani ein Buch über den Aufstand auf dem Tahrir-Platz schreibt, dann ist selbst sein Scheitern von Bedeutung.
Denn bedauerlicherweise scheitert der Roman, wie auch sein Autor im politischen Getümmel Ägyptens auf exemplarische Weise scheiterte. Aswani ist der Modellfall eines öffentlichen Intellektuellen, der nur das Beste will, aber unter Umständen lebt, in denen das Beste schwer zu erkennen ist. In der Spätphase der Mubarak-Herrschaft war Aswani, Schriftsteller und Zahnarzt, einer der Mitgründer der Demokratiebewegung „Kefaja“ (Genug). Er empfing Journalisten in seiner eisig kalten Praxis im Kairoer Stadtteil Garden City und redete sich bereitwillig um Kopf und Kragen. Als im Januar 2011 der Aufstand ausbrach, hatte er es nicht weit zum Tahrir-Platz.
Jahrelang hatte er den politischen Islam der Muslimbrüder und die Militärherrschaft kritisiert, dennoch gehörte er 2012 zu jenen Intellektuellen, die bei einem berühmten Treffen im Kairoer Fairmont-Hotel dem demokratisch gewählten Muslimbruder-Präsidenten Mohammed Mursi ihre Unterstützung versprachen. Ein Jahr später wandte er sich bitter enttäuscht von Mursi ab und dem putschenden Militär unter Abdel-Fattah al-Sisi zu, dem Geheimdienstchef und jetzigen Präsidenten, um sich kurz darauf wiederum von Sisi loszusagen, weil dieser eine neue, noch schlimmere Gewaltherrschaft installierte. Bald schon durfte Aswani im ägyptischen Fernsehen nicht mehr auftreten. Nach einer Kolumne für die Deutsche Welle drohte ihm ein Prozess vor einem Militärtribunal wegen Beleidigung der Armee, des Präsidenten und der Justiz. Inzwischen lebt er in den USA.
Aswanis Bücher sind in die ganze Welt übersetzt worden, nun, fast in die ganze Welt. Eine Übersetzung ins Hebräische lehnt er ab. Dass manche seiner Werke – nicht der „Jakubijan-Bau“ – doch in Israel erscheinen konnten, sei gegen seine Zustimmung geschehen, sagt er.
Am Nil wird jede Erinnerung an den Aufstand inzwischen brutal wegmoderiert, die Revolution gilt als historische Verirrung, als Verführung des edlen ägyptischen Volkes durch Amerikaner, Israel, Islamisten oder alle gemeinsam. Aswanis Roman „Die Republik der Träumer“ kam vor zwei Jahren unter dem arabischen Titel „Republik Als-ob“ in Beirut heraus. In Kairo darf er nicht erscheinen.
„Die Republik der Träumer“ beschränkt sich auf das Jahr 2011, den Aufbruch, das Staunen, das Sterben. Das Buch endet vor Mursi und Sisi, vor Aswanis Irrtümern. Eine Ahnung seiner Verstörung bekommt man am Ende des Romans, wenn er Asma, eine junge Lehrerin, düster Bilanz ziehen lässt. Asma wurde vom Militär geschlagen, geschunden floh sie nach London. Dort rechnet sie mit den Ägyptern ab, die zusahen, „wie wir“ – die Aufständischen – „verhaftet, erschossen oder vergewaltigt wurden“, aber auch mit den Aufständischen, die eine „Revolution gemacht haben, die niemand brauchte und niemand wollte“. Ägypten, schreibt sie, sei „eine große Lüge“.
Aswani ist kein Epiker. Seine Stärke sind Szenen und Dialoge, in denen sich ein ganzes Land wiedererkennt. Eine Zementfabrik gehört italienischen Besitzern, aber auch dem ägyptischen Staat, und muss absichtlich Verluste machen, weil die Italiener dem Mubarak-Regime keine Gewinne gönnen: Von solcher Klüngelei können Ägyptens Arbeiter ein Lied singen. Der Generalsekretär der Muslimbrüder kommt immer zehn Minuten zu früh: Die bürokratische Kleinkariertheit der Islamisten war legendär.
Auch diesmal schafft Aswani Figuren mit archetypischem Potenzial: Den christlichen Bonvivant Aschraf, der auf dem Tahrir sein politisches Erwachen erlebt, den Geheimdienstchef Alwani, der seine Familie liebt und Pornos mag, den Fabrikchef Issam, einen Ex-Kommunisten, der einst unter der Folter zerbrach und nun selbst Menschen schikaniert. Das Risiko von Aswanis Methode liegt auf der Hand. Vom Archetypischen zum Stereotypen ist es nicht weit, vom Wiedererkennbaren zum Erwartbaren noch kürzer.
Weibliche Figuren gelingen Aswani ohnehin nicht so recht, und sein Frauenbild bedarf, vorsichtig ausgedrückt, der Überholung. Ikram etwa, die Hausangestellte und Geliebte des christlichen Revolutionärs Aschraf, kann kaum lesen und schreiben, aber sie besitzt eine solche innere Noblesse, eine so unverstellte Reinheit, dass sie auf den 450 Romanseiten weniger als Mensch aus Fleisch und Blut erscheint denn als Vertreterin des mystisch verklärten „einfachen Volkes“, ja, als Verkörperung Ägyptens schlechthin.
In seinen besten Momenten entkommt Aswani der Gefahr des Klischees, indem er den Ton ins Satirische treibt. Die schöne Nurhan beispielsweise nutzt nicht nur ihre brillante Beischlaftechnik, um einen Mann nach dem anderen zu ehelichen, sondern verfügt außerdem über ein unerschöpfliches Repertoire religiöser Killerphrasen. Der Gatte, ein Fabrikbesitzer, scheut zurück vor krummen Geschäften? „Ich erkenne nur das Gesetz Unseres Herren an“, schnurrt sie. Ein anderer hatte ihr die Ehe versprochen, aber nur ohne Kinder, und jetzt ist sie trotzdem schwanger? „Unser Herr, gepriesen sei Er, der Hocherhabene, wenn er eine Sache will, dann sagt Er, sei, und sie ist.“
Es geschieht allerhand in der „Republik der Träumer“, die Wege der Figuren kreuzen sich mal auf glückliche, mal auf verhängnisvolle Weise. Nur die Spannung und Aufgregtheit jener Zeit stellt sich nicht ein. Fast nebenbei wickelt Aswani die 18 Tage des Aufstandes ab, die Mubarak-Reden, den Angriff peitschenschwingender Kamelreiter, Bürgerwehren von Teenagern mit Küchenmessern.
Bis heute ist es ein Rätsel, warum die ägyptischen Sicherheitskräfte überhaupt zuließen, dass die Aufständischen den Tahrir-Platz besetzten, nachdem die Proteste in Tunesien bereits zum Sturz der Regierung von Ben Ali geführt hatten. Aswani lagert diesen Herzschlagmoment in eine Mail-Korrespondenz zwischen der Lehrerin Asma und dem Gewerkschaftsführer Mazen aus, wo er zwischen Liebesschwüren abgehandelt wird.
So wird „Die Republik der Träumer“ zu einer seltsam unpolitischen Revolutionsgeschichte. Umso auffälliger sind deshalb jene Passagen, in denen Aswani dann doch eine Deutung vorlegt, und zwar eine sehr deutliche. Am Tag der Abdankung Mubaraks lässt er den familiensinnigen Geheimdienstchef und den kleinkrämerischen Generalsekretär der Muslimbrüder zusammentreffen, um das gemeinsame Vorgehen gegen den Aufstand zu verabreden.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass es ein solches Treffen wirklich gab, aber es ist eben auch nicht belegt. Der literarischen Kniff hat weitreichende Folgen, denn Aswani legt nahe, dass die jungen Idealisten wie Asma und Mazen gerade nicht von ihren undankbaren Landsleuten im Stich gelassen wurden, sondern einem Komplott der alten Rivalen Ägyptens – der Religiösen und des Geheimdienstes – zum Opfer gefallen sind. Damit hätte er, der öffentliche Intellektuelle Aswani, ebenso wie die Revolution, nie eine Chance gehabt.
War es eine Revolution, die
niemand brauchte
und niemand wollte?
In den besten Momenten entgeht
Aswani dem Klischee, indem
er denTon ins Satirische treibt
Archetypisches Potenzial: Der Tahrir-Platz in Kairo nach dem Rücktritt Hosni Mubaraks am 11. Februar 2011.
Foto: AMR ABDALLAH DALSH / Reuters
Alaa al-Aswani:
„Die Republik der Träumer“.
Roman. Aus dem Arabischen von Markus Lemke.
Carl Hanser Verlag,
München 2021,
464 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2021

Das Innerste der Menschen offenlegen

Vor zehn Jahren trat Hosni Mubarak zurück, der Arabische Frühling schien zu triumphieren. Was dann kam, erzählt Alaa al-Aswanis "Die Republik der Träumer".

Das Gesicht des Offiziers verfinsterte sich, und für einen Moment schien es, als wollte er etwas erwidern, aber stattdessen senkte er nur den Kopf, zog dann seine Pistole und gab einen Schuss ab. Einen einzigen Schuss." Das ist der Moment, in dem Alaa al-Aswanis Roman "Die Republik der Träumer" umkippt von einem Freudenfest in einen Totentanz. Zuvor schien alles möglich: Ein Land lehnt sich gegen seinen Diktator auf, bringt ihn binnen Tagen zu Fall, Menschen aus den unterschiedlichsten Klassen verbünden sich mit dem Ziel, eine Gesellschaft nun endgültig aus dem Würgegriff des Militärs zu befreien, die Welt feiert die Revolution und verleiht ihr den Namen "Frühling". Doch noch bevor dieses Ziel auch nur kalendarisch erreicht wäre, ist alles schon wieder vorbei. Und ein einziger Schuss kündigt es an.

Was Ende Januar 2011 in Kairo und vielen anderen ägyptischen Städten geschah, war für Leser von Alaa al-Aswani keine Überraschung. Sein Roman "Der Jakubijan-Bau" war auf Arabisch 2002 erschienen, vielfach übersetzt und vier Jahre später in Ägypten verfilmt worden, nochmals ein Jahr danach erschien endlich die deutsche Fassung im Schweizer Lenos Verlag; die großen Häuser hatten das Buch allesamt verschlafen. Wer damals las, wie al-Aswani den Mikrokosmos eines Gebäudes und seiner Bewohner entwarf, in dem sich die ägyptische Gegenwart spiegelte, der konnte an zwei Dingen keinen Zweifel hegen: dass der seit 1981 amtierende Staatspräsident Hosni Mubarak einem durch und durch verbrecherischen Regime vorstand und dass der politische Druck im Land so hoch geworden war, dass daraus nur eine Explosion folgen konnte. Eine Revolution.

Als die Proteste in Kairo auf dem zentralen Tahrir-Platz begannen, war al-Aswani unter den Demonstranten und blieb dort bis zu Mubaraks Sturz. Davon profitieren nun die atemraubend lebendigen Szenen seines jüngsten Romans, der schon 2018 im Libanon publiziert wurde - in Ägypten hat sich das niemand mehr getraut; nicht zufällig ging al-Aswani im Jahr des Erscheinens ins Exil nach New York. In Deutschland hat er mittlerweile einen großen Verlag gefunden: Hanser. Der wartete den zehnten Jahrestag des "Arabischen Frühlings" ab, zu dem er das Buch jetzt herausbrachte, war damit aber immer noch schnell; nur die italienische Fassung erschien früher. Das internationale Interesse am bekanntesten ägyptischen Gegenwartsautor ist gesunken, die Welt hat sich damit arrangiert, dass die Revolution in seinem Heimatland nicht viel verändert hat. Das Militär ist immer noch an der Macht. Politisch ist al-Aswani gescheitert.

"Die Republik der Träumer" ist deshalb ein gut gewählter deutscher Titel: verheißungsvoll und traurig zugleich. Im Arabischen heißt der Roman weitaus boshafter "Die Als-ob-Republik". Wie im "Jakubijan-Bau" gibt es darin viele kurze Kapitel, die aus wechselnden Perspektiven erzählen: denen von Organisatoren der Revolution, von Sympathisanten, Mitläufern, Skeptikern, Gegnern und Feinden. Dem wichtigsten der Letzteren, Generalmajor Achmed Alwani, dem Chef des Geheimdienstes, gehört das Auftaktkapitel, und selten hat man eine derart zynische Figur vorgestellt bekommen. Und das in einer Sprache, die mit ihren blumigen Archaismen an die orientalische Märchendiktion erinnert.

Andere Stilelemente verdanken sich dem Prinzip des Brief- oder des Feuilletonromans. Was Markus Lemke bei seiner ersten Übersetzung eines Al-Aswani-Buchs an Sprachvielfalt abverlangt wird und auch vorführt, lässt den Verzicht auf den bislang so bewährten Hartmut Fähndrich verschmerzen. Wir lesen Protokollstimmen, Straßenreportagen, manchmal bleibt die Handlung betrachtend an der Oberfläche, dann wieder legt sie das Innerste einzelner Figuren und Institutionen offen. Und aus einem pikaresken Helden - "Ashraf Wissa, der Kiffer und Komparse, der sich seit Jahren von der Welt zurückgezogen hatte" - wird ein echter Heros. Erst ganz zum Schluss löst sich einer der Akteure vom Geschehen, ansonsten sind wir immer unmittelbar dabei. Literarisch ist al-Aswani auf dem Höhepunkt.

Politisches, Literarisches - das eine bedingt das andere. Irgendwann im Roman wird das Gespräch eines alten Arztes mit dem dank seines Familienvermögens direkt am Tahrir-Platz wohnenden Ashraf Wissa geschildert: ",Die Revolution ist es, die uns zusammengebracht hat.' Dann verstummte er und drückte Ashraf fest die Hand, als seien ihm die eigenen sentimentalen Worte mit einem Mal peinlich." Es gibt manche Stellen in "Die Republik der Träumer", an denen man sich dieser Charakterisierung erinnert: pathetische Szenen, von al-Aswani erkennbar verfasst aus Sympathie für Protestierer, mitgerissen von der Erinnerung an ihren Elan - Szenen, die aber auch der Autor selbst abbricht. Man könnte sie für Cliffhanger halten, doch sie zeugen von Ergriffenheit.

Umso grausamer dann die eingestreuten Kapitel mit Strategiesitzungen der alten Elite, die nach dem ersten Schock über die Unbotmäßigkeit der "Gören", der "Rotzlöffel" ein skrupelloses Machtspiel entfaltet. Wer sich noch erinnert, wie der von der Muslimbruderschaft ins Amt gebrachte Präsident Mursi von seinem bis heute regierenden Nachfolger Sisi, einem Mubarak redivivus, abgelöst wurde, wird "Die Republik der Träume" für ihre analytische Schärfe schätzen, obwohl die Handlung schon vor Mursis Wahl endet. Da ist bereits alles verloren.

Der Schmerz darüber prägt das Buch. Wie es auch bei Omar Robert Hamiltons Roman "Stadt der Rebellion" der Fall war, der von denselben Ereignissen erzählte (F.A.Z. vom 6. Februar 2018), aber über den dokumentarischen die literarischen Qualitäten vernachlässigte. Alaa al-Aswani dagegen hat sich diesbezüglich noch einmal gesteigert: War "Der Jakubijan-Bau" ein prärevolutionäres Romanmanifest, ist "Die Republik der Träumer" ein postrevolutionärer Abgesang. Einer, der auch eine Erklärung dafür liefern kann, warum Alaa al-Aswani nicht seinen Frieden mit Israel gemacht hat, obwohl sein Land es doch getan hat.

Diesbezügliche Vorwürfe gegen ihn sind seit 2013 in der Welt, erst kürzlich hat sie sein irakischer Kollege Najem Wali in dieser Zeitung erneuert (F.A.Z. vom 23. Januar). Al-Aswanis Zorn auf das heimische Regime kann nicht tolerieren, dass es vom Westen deshalb gestützt wird, weil es eine der wenigen israelfreundlichen arabischen Regierungen ist. Perfide wie die sonstigen Methoden der Militärs erscheint im Buch auch deren Instrumentalisierung des Antizionismus. Es gibt kein einziges böses Wort über Israel in diesem Roman, das nicht von bösen Leuten stammte.

Was al-Aswani indes unausgesprochen lässt, ist, dass er über die gutgemeinte Duldung dieser bösen Leute verzweifeln muss. Womöglich lassen sich so Äußerungen des Schriftstellers erklären, in denen er sich betreffs Israels explizit gegen das ausgesprochen hat, was die arabische Welt "Normalisierung" nennt. Repression treibt die Aufgeklärten ins Ressentiment. Ein weiterer trauriger Aspekt der verfahrenen Lage im Nahen Osten.

Wenn sich schließlich im Roman die Frage stellt, wer angesichts der reüssierenden Konterrevolution in Ägypten bleiben wird und wer nicht, dann ist das auch eine Selbstbefragung von Alaa al-Aswani vor dem eigenen Gang ins Exil gewesen. Das Finale der Geschichte ist noch einmal das Werk eines Träumers. Vervielfachte Rache, "mehrere Feuerstöße. Danach war Stille." Albtraum.

ANDREAS PLATTHAUS

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