Übersetzungen von Shakespeares berühmten Liebesgedichten gibt es wie Sand am Meer, auch an Prosafassungen haben sich etliche versucht. Dem Anglisten Klaus Reichert allerdings ist ein großer Wurf gelungen: Er hat alle 154 Sonette übersetzt und dabei den zupackenden, nüchternen Ton des Originals getroffen. Diese Sonette sind fast wie Briefe der Leidenschaft, gerichtet an einen schönen, fernen Geliebten. Die Liebe selbst durchläuft dabei mehrere Stadien: vom ersten Verliebtsein über die Verwandlung der Welt durch die Liebe bis hin zu totaler Besessenheit.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2009Liebe zur Endsilbe
Die Anzahl deutscher Übersetzungen muss im Jubiläumsjahr der Erstpublikation längst die Anzahl der Sonette übersteigen, die William Shakespeare je verfasste. 154 Beispiele Shakespearescher Sonettkunst waren es, die der Verleger Thomas Thorpe in London vor vierhundert Jahren in einer Quartausgabe herausbrachte. Lange standen sie im Schatten der ungleich prominenteren Bühnenwerke. Erst mit dem Interesse der Romantiker an biographischen Lesarten stießen sie auf öffentliche Resonanz, die sich im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts bald mit moralischer Entrüstung und Verlegenheit verband, da viele der Sonette allzu klar homoerotische Verstrickungen des Autors auszusprechen scheinen. Den deutschen Dichtern aber waren sie da schon zum Lieblingsobjekt ihrer Obsession geworden, sich den englischen Barden durch Übersetzung gänzlich anzueignen. Auch wenn es in späteren Zeiten Shakespeares Fremdheit sein mochte, die faszinierte, die deutsche Anstrengung zur Nach- und Neu- und Umdichtung seiner Sonette ist nie abgerissen und kann als Selbstausweis eigener Sprachkunst gelten. Jetzt also macht sich der Lyriker Jan Weinert daran. Er setzt auf "Klangzauber" wie auf "Humor" und will vor allem den Effekt der endsilbenbetonten Verse wiedergeben. Doch was im Geleitwort derart klangvoll annonciert wird, wirkt doch bei der Lektüre zumeist flach und in der Wortwahl wie der Syntax unbeholfen: "Die Liebe dir bestärkts, verstehst du dies, / Du liebst doch mehr, was bald dich schon verließ." Wer das versteht, liebt seinen Shakespeare ganz bestimmt; alle anderen verlassen sich besser auf stärkere Übersetzer. (William Shakespeare: "Sonette". Nachdichtung von Jan Weinert. Zweisprachige Ausgabe. Erata Literaturverlag, Leipzig 2009. 165 S., br., 16,95 [Euro]; geb., 26,95 [Euro].) todö
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Anzahl deutscher Übersetzungen muss im Jubiläumsjahr der Erstpublikation längst die Anzahl der Sonette übersteigen, die William Shakespeare je verfasste. 154 Beispiele Shakespearescher Sonettkunst waren es, die der Verleger Thomas Thorpe in London vor vierhundert Jahren in einer Quartausgabe herausbrachte. Lange standen sie im Schatten der ungleich prominenteren Bühnenwerke. Erst mit dem Interesse der Romantiker an biographischen Lesarten stießen sie auf öffentliche Resonanz, die sich im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts bald mit moralischer Entrüstung und Verlegenheit verband, da viele der Sonette allzu klar homoerotische Verstrickungen des Autors auszusprechen scheinen. Den deutschen Dichtern aber waren sie da schon zum Lieblingsobjekt ihrer Obsession geworden, sich den englischen Barden durch Übersetzung gänzlich anzueignen. Auch wenn es in späteren Zeiten Shakespeares Fremdheit sein mochte, die faszinierte, die deutsche Anstrengung zur Nach- und Neu- und Umdichtung seiner Sonette ist nie abgerissen und kann als Selbstausweis eigener Sprachkunst gelten. Jetzt also macht sich der Lyriker Jan Weinert daran. Er setzt auf "Klangzauber" wie auf "Humor" und will vor allem den Effekt der endsilbenbetonten Verse wiedergeben. Doch was im Geleitwort derart klangvoll annonciert wird, wirkt doch bei der Lektüre zumeist flach und in der Wortwahl wie der Syntax unbeholfen: "Die Liebe dir bestärkts, verstehst du dies, / Du liebst doch mehr, was bald dich schon verließ." Wer das versteht, liebt seinen Shakespeare ganz bestimmt; alle anderen verlassen sich besser auf stärkere Übersetzer. (William Shakespeare: "Sonette". Nachdichtung von Jan Weinert. Zweisprachige Ausgabe. Erata Literaturverlag, Leipzig 2009. 165 S., br., 16,95 [Euro]; geb., 26,95 [Euro].) todö
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Christoph Schmaus stellt beruhigt und die Leser seiner Kritik beruhigend fest, dass eine reimlose Übersetzung der Sonette Shakespeares, wie sie Klaus Reicher vorgelegt und Jürgen Hentsch nun auf einer CD eingelesen hat, durchaus zu verkraften ist und sogar Vorteile haben kann. Das Ansinnen Reichers, sich mit seinen Prosanachdichtungen näher am Original halten zu können, hat sich bei den Sonetten nicht selten erfüllt, lobt der Rezensent, wenn er auch manchmal von ihrer engen Anlehnung an die Shakespeare'schen Verse etwas "befremdet" ist. Insgesamt aber brächten die Nachdichtungen durchaus frischen Wind in die Sonette und überzeugten mit Kraft und Intensität, lobt der Rezensent, der die Übertragungen nicht als die einzig richtige Form, aber zumindest als eine Möglichkeit anerkennt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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