Zu intim für ihre Zeit
Sylvie und Andrée sind unzertrennlich. Gemeinsam kämpfen sie gegen den erstickenden Konformismus einer Gesellschaft, in der Küsse vor der Ehe und freie Gedanken für Frauen verboten sind. Sylvie bewundert Andrée: Sie scheint so selbstständig - und doch gerät gerade sie immer tiefer in die Falle ihrer ach so tugendhaften Familie. Diese trennt Andrée von dem Jungen, den sie liebt. Sylvie will ihrer Freundin helfen. Aber wie?
Als Simone de Beauvoir das autofiktionale Manuskript 1954 Sartre zeigte, befand der es als zu intim für eine Veröffentlichung. Es blieb in der Schublade. Nun hat ihre Adoptivtochter diesen kurzen Roman freigegeben und macht damit einen Urtext des frühen Feminismus zugänglich, mehr noch - eine Liebeserklärung de Beauvoirs an ihre Freundin Elizabeth Le Coin, genannt Zaza, die sich in Andrée spiegelt und die jung verstarb.
Sylvie und Andrée sind unzertrennlich. Gemeinsam kämpfen sie gegen den erstickenden Konformismus einer Gesellschaft, in der Küsse vor der Ehe und freie Gedanken für Frauen verboten sind. Sylvie bewundert Andrée: Sie scheint so selbstständig - und doch gerät gerade sie immer tiefer in die Falle ihrer ach so tugendhaften Familie. Diese trennt Andrée von dem Jungen, den sie liebt. Sylvie will ihrer Freundin helfen. Aber wie?
Als Simone de Beauvoir das autofiktionale Manuskript 1954 Sartre zeigte, befand der es als zu intim für eine Veröffentlichung. Es blieb in der Schublade. Nun hat ihre Adoptivtochter diesen kurzen Roman freigegeben und macht damit einen Urtext des frühen Feminismus zugänglich, mehr noch - eine Liebeserklärung de Beauvoirs an ihre Freundin Elizabeth Le Coin, genannt Zaza, die sich in Andrée spiegelt und die jung verstarb.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.10.2021Junge Frau in Flammen
Ein unveröffentlichter Roman aus dem Nachlass von Simone de Beauvoir
zeigt die Philosophin als große Liebende
VON FELIX STEPHAN
Wenn es bei Simone de Beauvoir um körperliches Begehren geht, wird es sehr schnell technisch. Dann ist nicht mehr von Männern und Frauen die Rede, sondern vom Prinzip der Autonomie, vom Prinzip der Großzügigkeit und vom „Charakter als Sekundärreaktion auf eine Situation“ (Kursivierung im Original). Geschlechterbeziehungen sind bei de Beauvoir immer zuerst ein soziologisch-theoretisches Problem, was vor allem deshalb auffällt, weil alle anderen Gegenstandsbereiche der Romantisierung durchaus offenstehen.
Umso mehr fallen deshalb die Passagen ins Auge, in denen sie ihre sapphische Großbegabung fürs Lieben und Schwärmen tatsächlich einmal aufscheinen lässt. Im ersten Band ihrer Autobiografie „Memoiren einer Tochter aus gutem Hause” ist das zum Beispiel gut zu beobachten. Allerdings gilt die Schwärmerei dort nicht etwa Jean-Paul Sartre, sondern ausnahmslos Elisabeth „Zaza“ Lacoin, einer Freundin aus Schulzeiten. Die Beziehung zwischen Simone de Beauvoir und Zaza gehört zu den am gründlichsten ausgeleuchteten der Literaturgeschichte, wobei de Beauvoir die Kontrolle über diese frühe Freundschaft, wie sie immer genannt wird, nie verloren hat. Ihre Version der Geschichte ist bis heute die Grundlage aller Interpretationen. Vor ein paar Monaten wurde nun bekannt, dass noch ein weiteres Buch über die Beziehung der beiden Frauen existiert, ein autofiktionaler Roman aus der Feder de Beauvoirs, den sie 1954 geschrieben, aber nie veröffentlicht hat, weil Jean-Paul Sartre ihn damals als zu persönlich empfand und von einer Publikation abriet. Nach dem Tod de Beauvoirs fiel das Manuskript ihrer Adoptivtochter Sylvie Le Bon de Beauvoir zu, die es jetzt zur Veröffentlichung freigab. Auf Deutsch trägt den Titel „Die Unzertrennlichen“, die Übersetzung stammt von Amelie Thoma.
Vieles in diesem Buch ist aus den mémoires vertraut, das Buch stellt die De-Beauvoir-Philologie nicht vom Kopf auf die Füße. Elizabeth Lacoin trägt hier den Namen Andrée Gallant, der Cours Désir heißt Collège Adelaïde, sonst ändert sich wenig. Die Erzählung bewegt sich entlang der biografischen Tatsachen: Die beiden Mädchen begegneten sich zum ersten Mal 1918 in der katholischen Privatschule Cours Désir in der Rue Jacob in Saint-Germain-de-Près. Beide wachsen in Familien auf, die der katholisch-konservativen Bourgeoisie angehören, die Lacoins vielleicht noch etwas konservativer als die de Beauvoirs. Zaza Lacoin hatte acht Geschwister.
Es ist eine Welt, die ihren Söhnen und Töchtern strenge Rollenbilder vorgibt: Während die Männer aufgefordert sind, ein möglichst unabhängiges und aufregendes Leben zu führen, besteht die Aufgabe der Frauen vor allem in der Selbstaufgabe. Zu Hause auf den Wohnzimmertischen liegt das royalistisch-nationalistische Magazin Action française jederzeit griffbereit, arrangierte Ehen sind keineswegs die Ausnahme, Liebesheiraten äußerst suspekt.
Am Anfang des Romans kommt Andrée neu in die Klasse und spricht die Erzählerin direkt an: Sie habe gehört, sie habe die besten Noten der Klasse, ob sie ihre Aufzeichnungen ausleihen könne. Sie habe sich „bis aufs Fleisch“ verbrannt und ein Jahr nicht zur Schule gehen können. Das Motiv des Feuers spiegelt hier vor allem das Innere der Erzählerin, sie kann ihren Blick kaum abwenden, die jahrelange Freundschaft beginnt im ersten Moment: „Andrée war eine brillante Schülerin, ich war nur deswegen noch die Klassenbeste, weil dieser Rang sie nicht interessierte; ich bewunderte ihre Ungezwungenheit, ohne sie nachahmen zu können.“ Als sie das erste Mal in ihrem Zimmer zu Besuch ist, heißt es: „Ängstlich befragte ich die Wände und die Dinge, die Andrée umgaben. Ich hätte gern verstanden, was sie sich sagte, wenn sie den Bogen über die Saiten ihrer Geige führte.“
Die Erzählerin vergeht bei dem Gedanken, Andrée könnte das Interesse an ihr verlieren. Jede Schwäche legt sie ihr als Vorzug aus, zum Beispiel dass ihre persönliche Bibliothek neben „Don Quijote“, „Gullivers Reisen“ und „Eugénie Grandet“ auch den Liebesroman „Tristan und Isolde“ enthält, eigentlich beschämend weit unter ihrem Niveau. Einmal schreibt sie ihr mit kindlicher Aufrichtigkeit einen Brief und stirbt fast vor Schmerz, als er der Angebeteten wenig bedeutet.
Zur Krankheit der Liebe gehört aber nicht nur der Schmerz, sondern auch die Verklärung. Die Erzählerin überformt Andrée zu einem Ideal, einer außerweltlichen Erscheinung, die von katholischen Heiligenbildern abgeleitet ist: „Wenn ich zum Beten in die Kapelle ging, fand ich sie dort oft vor dem Altar kniend, den Kopf in den Händen vergraben, oder mit ausgestreckten Armen vor den Stationen des Kreuzwegs. Dachte sie daran, später einmal einem Orden beizutreten?” Solange Andrée bei ihr sei, bemerkt die Erzählerin einmal, benötige sie keine Träume.
Die Erzählerin selbst hingegen verliert im Laufe der Adoleszenz ihre Gottesfurcht: Sie achtet die Priester nicht mehr, begeht kleinere Sünden, ohne diese zu beichten, und beobachtet die ausbleibende Strafe Gottes. Indem sie vom Glauben abfällt, gewinnt sie einen neuen Blick auf ihre Freundin, sie schaut jetzt auf sie wie auf eine frühere Version ihrer selbst. Andrée ringt weiterhin darum, ihr gemeinsames Ideal von persönlicher Freiheit und Unabhängigkeit mit ihrem Glauben und den Traditionen ihrer Familie in Einklang zu bringen.
Im zweiten Teil des Romans beobachtet die Erzählerin dann zunehmend hilflos, wie Andrée an diesem unauflösbaren Widerspruch langsam, aber unaufhaltsam zugrunde geht. Das soziale Gefüge ist so entworfen, dass es sie zwangsläufig zermalmen muss. Sie kann weder ihrer Familie gerecht werden noch ihrer besten Freundin, noch Pascal, der sie eigentlich heiraten möchte, aber nur zu Bedingungen, die für ihre Familie nicht akzeptabel sind, weshalb ihr die zweijährige Verbannung nach England droht.
Die wirkliche Elisabeth Lacoin starb 1929 im Alter von 22 Jahren an einer viralen Enzephalitis. Für Simone de Beauvoir aber ist es zeitlebens der grausame Traditionalismus der französischen Bourgeoisie gewesen, der ihre Freundin auf dem Gewissen hat. Zazas Tod wurde in ihrem Werk zu einer zentralen Metapher, zur Ursprungserzählung der weltbekannten Intellektuellen, zu der sie später wurde. Im letzten Satz des ersten Bandes ihrer mémoires schreibt Simone de Beauvoir, sie habe lange das Gefühl gehabt, dass Zazas Tod der Preis für ihre eigene Freiheit gewesen sei.
Liebesheiraten waren in
de Beauvoirs katholischem
Herkunftsmilieu suspekt
Solange Andrée bei ihr sei,
bemerkt die Erzählerin einmal,
benötige sie keine Träume
Hier kommt der Zellstoff aus
Stendal in der
Papierfabrik
der Firma Reflex in der nordrhein-
westfälischen Stadt Düren an. Die Stadt ist ein Zentrum
der Papier-
herstellung seit dem späten
16. Jahrhundert.
Simone de Beauvoir:
Die Unzertrennlichen. Roman. Aus dem Französischen von Amelie Thoma. Rowohlt Verlag, Hamburg 2021. 144 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ein unveröffentlichter Roman aus dem Nachlass von Simone de Beauvoir
zeigt die Philosophin als große Liebende
VON FELIX STEPHAN
Wenn es bei Simone de Beauvoir um körperliches Begehren geht, wird es sehr schnell technisch. Dann ist nicht mehr von Männern und Frauen die Rede, sondern vom Prinzip der Autonomie, vom Prinzip der Großzügigkeit und vom „Charakter als Sekundärreaktion auf eine Situation“ (Kursivierung im Original). Geschlechterbeziehungen sind bei de Beauvoir immer zuerst ein soziologisch-theoretisches Problem, was vor allem deshalb auffällt, weil alle anderen Gegenstandsbereiche der Romantisierung durchaus offenstehen.
Umso mehr fallen deshalb die Passagen ins Auge, in denen sie ihre sapphische Großbegabung fürs Lieben und Schwärmen tatsächlich einmal aufscheinen lässt. Im ersten Band ihrer Autobiografie „Memoiren einer Tochter aus gutem Hause” ist das zum Beispiel gut zu beobachten. Allerdings gilt die Schwärmerei dort nicht etwa Jean-Paul Sartre, sondern ausnahmslos Elisabeth „Zaza“ Lacoin, einer Freundin aus Schulzeiten. Die Beziehung zwischen Simone de Beauvoir und Zaza gehört zu den am gründlichsten ausgeleuchteten der Literaturgeschichte, wobei de Beauvoir die Kontrolle über diese frühe Freundschaft, wie sie immer genannt wird, nie verloren hat. Ihre Version der Geschichte ist bis heute die Grundlage aller Interpretationen. Vor ein paar Monaten wurde nun bekannt, dass noch ein weiteres Buch über die Beziehung der beiden Frauen existiert, ein autofiktionaler Roman aus der Feder de Beauvoirs, den sie 1954 geschrieben, aber nie veröffentlicht hat, weil Jean-Paul Sartre ihn damals als zu persönlich empfand und von einer Publikation abriet. Nach dem Tod de Beauvoirs fiel das Manuskript ihrer Adoptivtochter Sylvie Le Bon de Beauvoir zu, die es jetzt zur Veröffentlichung freigab. Auf Deutsch trägt den Titel „Die Unzertrennlichen“, die Übersetzung stammt von Amelie Thoma.
Vieles in diesem Buch ist aus den mémoires vertraut, das Buch stellt die De-Beauvoir-Philologie nicht vom Kopf auf die Füße. Elizabeth Lacoin trägt hier den Namen Andrée Gallant, der Cours Désir heißt Collège Adelaïde, sonst ändert sich wenig. Die Erzählung bewegt sich entlang der biografischen Tatsachen: Die beiden Mädchen begegneten sich zum ersten Mal 1918 in der katholischen Privatschule Cours Désir in der Rue Jacob in Saint-Germain-de-Près. Beide wachsen in Familien auf, die der katholisch-konservativen Bourgeoisie angehören, die Lacoins vielleicht noch etwas konservativer als die de Beauvoirs. Zaza Lacoin hatte acht Geschwister.
Es ist eine Welt, die ihren Söhnen und Töchtern strenge Rollenbilder vorgibt: Während die Männer aufgefordert sind, ein möglichst unabhängiges und aufregendes Leben zu führen, besteht die Aufgabe der Frauen vor allem in der Selbstaufgabe. Zu Hause auf den Wohnzimmertischen liegt das royalistisch-nationalistische Magazin Action française jederzeit griffbereit, arrangierte Ehen sind keineswegs die Ausnahme, Liebesheiraten äußerst suspekt.
Am Anfang des Romans kommt Andrée neu in die Klasse und spricht die Erzählerin direkt an: Sie habe gehört, sie habe die besten Noten der Klasse, ob sie ihre Aufzeichnungen ausleihen könne. Sie habe sich „bis aufs Fleisch“ verbrannt und ein Jahr nicht zur Schule gehen können. Das Motiv des Feuers spiegelt hier vor allem das Innere der Erzählerin, sie kann ihren Blick kaum abwenden, die jahrelange Freundschaft beginnt im ersten Moment: „Andrée war eine brillante Schülerin, ich war nur deswegen noch die Klassenbeste, weil dieser Rang sie nicht interessierte; ich bewunderte ihre Ungezwungenheit, ohne sie nachahmen zu können.“ Als sie das erste Mal in ihrem Zimmer zu Besuch ist, heißt es: „Ängstlich befragte ich die Wände und die Dinge, die Andrée umgaben. Ich hätte gern verstanden, was sie sich sagte, wenn sie den Bogen über die Saiten ihrer Geige führte.“
Die Erzählerin vergeht bei dem Gedanken, Andrée könnte das Interesse an ihr verlieren. Jede Schwäche legt sie ihr als Vorzug aus, zum Beispiel dass ihre persönliche Bibliothek neben „Don Quijote“, „Gullivers Reisen“ und „Eugénie Grandet“ auch den Liebesroman „Tristan und Isolde“ enthält, eigentlich beschämend weit unter ihrem Niveau. Einmal schreibt sie ihr mit kindlicher Aufrichtigkeit einen Brief und stirbt fast vor Schmerz, als er der Angebeteten wenig bedeutet.
Zur Krankheit der Liebe gehört aber nicht nur der Schmerz, sondern auch die Verklärung. Die Erzählerin überformt Andrée zu einem Ideal, einer außerweltlichen Erscheinung, die von katholischen Heiligenbildern abgeleitet ist: „Wenn ich zum Beten in die Kapelle ging, fand ich sie dort oft vor dem Altar kniend, den Kopf in den Händen vergraben, oder mit ausgestreckten Armen vor den Stationen des Kreuzwegs. Dachte sie daran, später einmal einem Orden beizutreten?” Solange Andrée bei ihr sei, bemerkt die Erzählerin einmal, benötige sie keine Träume.
Die Erzählerin selbst hingegen verliert im Laufe der Adoleszenz ihre Gottesfurcht: Sie achtet die Priester nicht mehr, begeht kleinere Sünden, ohne diese zu beichten, und beobachtet die ausbleibende Strafe Gottes. Indem sie vom Glauben abfällt, gewinnt sie einen neuen Blick auf ihre Freundin, sie schaut jetzt auf sie wie auf eine frühere Version ihrer selbst. Andrée ringt weiterhin darum, ihr gemeinsames Ideal von persönlicher Freiheit und Unabhängigkeit mit ihrem Glauben und den Traditionen ihrer Familie in Einklang zu bringen.
Im zweiten Teil des Romans beobachtet die Erzählerin dann zunehmend hilflos, wie Andrée an diesem unauflösbaren Widerspruch langsam, aber unaufhaltsam zugrunde geht. Das soziale Gefüge ist so entworfen, dass es sie zwangsläufig zermalmen muss. Sie kann weder ihrer Familie gerecht werden noch ihrer besten Freundin, noch Pascal, der sie eigentlich heiraten möchte, aber nur zu Bedingungen, die für ihre Familie nicht akzeptabel sind, weshalb ihr die zweijährige Verbannung nach England droht.
Die wirkliche Elisabeth Lacoin starb 1929 im Alter von 22 Jahren an einer viralen Enzephalitis. Für Simone de Beauvoir aber ist es zeitlebens der grausame Traditionalismus der französischen Bourgeoisie gewesen, der ihre Freundin auf dem Gewissen hat. Zazas Tod wurde in ihrem Werk zu einer zentralen Metapher, zur Ursprungserzählung der weltbekannten Intellektuellen, zu der sie später wurde. Im letzten Satz des ersten Bandes ihrer mémoires schreibt Simone de Beauvoir, sie habe lange das Gefühl gehabt, dass Zazas Tod der Preis für ihre eigene Freiheit gewesen sei.
Liebesheiraten waren in
de Beauvoirs katholischem
Herkunftsmilieu suspekt
Solange Andrée bei ihr sei,
bemerkt die Erzählerin einmal,
benötige sie keine Träume
Hier kommt der Zellstoff aus
Stendal in der
Papierfabrik
der Firma Reflex in der nordrhein-
westfälischen Stadt Düren an. Die Stadt ist ein Zentrum
der Papier-
herstellung seit dem späten
16. Jahrhundert.
Simone de Beauvoir:
Die Unzertrennlichen. Roman. Aus dem Französischen von Amelie Thoma. Rowohlt Verlag, Hamburg 2021. 144 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2021Aber ich liebe das Leben, sagte ich
Nach fast siebzig Jahren erscheint erstmals Simone de Beauvoirs Geschichte einer frühen Frauenliebe: Ihr Roman "Die Unzertrennlichen" ist autobiographisch getönt.
Simone de Beauvoir empfand ihre Tage auf Erden als ihr "Werk". Sie schrieb darüber und amalgamierte Leben und Literatur. In fünf autobiographischen Bänden verwandelte sie - zwischen Kindheit ("Memoiren einer Tochter aus gutem Hause") und Alter ("Die Zeremonie des Abschieds") - zeitgeschichtlich eingebundene Erlebnisse in Erzählungen. Ihre Beziehung zu Jean-Paul Sartre, der "Pakt" von 1929, in dem beide eine Liebeshierarchie schufen, die neben ihrer hohen Beziehung beiläufige Gespielinnen und Gespielen zuließ, ihr politisches Engagement an Sartres Seite, ihre (späte) Inthronisierung als Ikone der Frauenbewegung haben Kulturgeschichte geschrieben. Simone de Beauvoir galt als mutige Frau. Doch zu den lesbischen Beziehungen, die sie, bevorzugt mit jüngeren Frauen, lebte, hat sie sich zeitlebens nicht bekannt.
1962: Eines Abends sitzt die französische Philosophin und Schriftstellerin in einem Restaurant des Pariser Quartier Latin einer scheuen jungen Frau gegenüber. Simone de Beauvoir ist ein Star von 54 Jahren; Sylvie Le Bon ist Studentin, 21 Jahre alt. Bald verbindet die beiden Frauen eine innige Beziehung. Nach Sartres Tod (1980) adoptierte Simone de Beauvoir ihre Lebenspartnerin, um dieser die Rechte am eigenen Werk zu sichern. Sylvie Le Bon wird Beauvoirs Tochter; eine Ehe mit der "Mutter-Geliebten" wäre in den Achtzigerjahren nicht möglich gewesen. Nach Beauvoirs Tod (1986) kümmert sich Sylvie um den Nachlass. In der legendären "Bibliothèque de la Pléiade" erscheint seitdem das autobiographische Werk; neben den Memoiren auch Briefe und Tagebücher.
Mit "Die Unzertrennlichen" ist 2020 auf Französisch und nun auch auf Deutsch eine Liebesgeschichte herausgekommen, an der sich Simone de Beauvoir immer wieder abgearbeitet hat. Es geht um ihre Kinder- und Jugendliebe zu Zaza, einer Klassenkameradin und späteren Studienkollegin. In einem ebenso einfühlsamen wie kundigen Vorwort schreibt Sylvie Le Bon de Beauvoir: "Vier Mal schon hat die Schriftstellerin auf verschiedene Weisen vergeblich versucht, Zaza wiederauferstehen zu lassen: in unveröffentlichten Jugendromanen, im Erzählband 'Marcelle, Chantal, Lisa . . .', in einer gestrichenen Passage des Romans 'Die Mandarins von Paris', der ihr 1954 den Prix Goncourt einbrachte. Im selben Jahr wagt sie es ein weiteres Mal."
Zazas Leben und Tod werden vier Jahre später in einer nochmaligen Umarbeitung in die "Memoiren einer Tochter aus gutem Hause" eingehen. Le Bon de Beauvoir weist auf die Momente von Verfremdung und Fiktionalisierung hin. Zaza (eigentlich Elisabeth Lacoin) tritt im Roman als Andrée Gallard auf, Simone de Beauvoir als die Ich-Erzählerin Sylvie Lepage. Die Anzahl der jeweiligen Geschwister und die Namen von Landgütern sind geändert. Das katholische Institut Cours Désir, in dem die zehnjährige Simone die gleichaltrige Zaza kennenlernte, heißt nun Collège Adélaide. Maurice Merleau-Ponty, an dessen rigider Moral, wie es Simone de Beauvoir im Roman darstellt, die junge Zaza zerbricht, erscheint unter dem Namen Pascal.
Dem Buch ist ein Bildteil beigegeben: Zaza im Kreis der neun Geschwister, Zaza und Simone in weißen Kleidern auf dem Landgut Gangnepan der Familie Lacoin, Simone dort auch beim Tennisspielen; Simone vor einer Schießbude an der Porte d'Orléans, eine Pistole in der Hand, zielend; Sartre mit Pfeife im Mundwinkel daneben. Es ist das Jahr des "Pakts", das Jahr von Zazas Tod. Sie stirbt am 25. November 1929, einen Monat vor ihrem 22. Geburtstag, an einer viralen Enzephalitis. Im Bildteil erscheinen auch Briefe der beiden Frauen. Einer der letzten, den Simone de Beauvoir an Zaza schreibt, beginnt: "Liebe, liebe Zaza, wie könnte ich so sehr an Sie denken, ohne den Wunsch zu verspüren, es Ihnen zu sagen? Ich empfinde heute Abend wieder dieses dringende Verlangen nach Ihrer Nähe, das mich als kleines Mädchen so oft vor Rührung weinen ließ; doch damals wagte ich nicht, es Ihnen zu schreiben; wieso es mir jetzt versagen, da zwei Tage ohne Sie mir, lächerlicherweise, wie eine lange Trennung vorkommen?" Und es finden sich Zeilen wie: "Diese letzten Tage haben die seltenere Schönheit eingelöster Versprechen. Von Ihnen mir gegenüber, mit dem klareren Bewusstsein dessen, was Sie daran verweigern müssen." Das Fluidum zwischen Verehrung, Sehnsucht und dem Mysterium sexuellen Begehrens, das Zaza auslöst, wird im Milieu eines unerbittlichen Katholizismus zum Sprengstoff.
"Die Unzertrennlichen" sind ein psychologisches Kabinettstück über zwei sich nahe und doch polare Frauen, die, beide in gesellschaftliche Zwänge verstrickt, verschieden handeln. Auf der einen Seite Andrée, aus dem strengen, standesbewussten Pariser Großbürgertum, und daneben Sylvie, Tochter einer Familie, die nach dem Ersten Weltkrieg einen sozialen Abstieg erfuhr. Sylvie entwickelt früh die Freiheit, dem Glauben zu entsagen. Andrée verliebt sich nach der von der Mutter brutal verbotenen Kinderliebe zu Bernard als junge Frau auch körperlich in den moralisch engen und letztlich nicht mutigen Pascal ("Jeden Moment stand die Ewigkeit auf dem Spiel"). Eine Liebe, die auch dieses Mal durch die Mutter vereitelt wird ("'In unseren Kreisen kommen Hochzeiten nicht auf diese Weise zustande', sagte Andrée und fügte bitter hinzu: 'Eine Liebesheirat ist suspekt'"). Sylvie hingegen liebt keinen Mann, sondern Andrée.
Auch wenn Andrée an einer Gehirnentzündung stirbt, ist sie in diesem Roman das Opfer von gesellschaftlicher Observation und katholischer Gewalt. Die junge moralisch reflektierte Frau zerbricht daran, sich selbst nicht treu sein zu dürfen. Beauvoir schreibt mit sicherem Blick für Schattierungen des Milieus und seelische Zwischentöne. Ihre Porträts sind großartig, ihre Beschreibungen von malerischer Sinnlichkeit: "Eines Morgens saßen wir unter einem Feigenbaum und aßen Feigen. Die großen, violetten Feigen, die sie in Paris verkaufen, taugen nichts, doch ich liebte diese kleinen blassen, prall mit körniger Konfitüre gefüllten Früchte." Und Beauvoir konnte Dialoge schreiben: "Sie suchte meinen Blick. 'Sylvie, wenn Sie nicht an Gott glauben, wie können Sie das Leben dann ertragen?' - ' Aber ich liebe das Leben', sagte ich." Und obwohl das böse Ende von Anfang an klar ist, liest sich der kleine Roman mit Spannung.
Auf die Frage von Alice Schwarzer, warum Simone de Beauvoir gerade sie, Sylvie Le Bon, als Freundin gewählt habe, antwortete die langjährige Vertraute, Montesquieu zitierend: "Wir haben uns gewählt. 'Weil sie es war, weil ich es war!' Es gab tiefe Gemeinsamkeiten. Und sie wollte wiederfinden, was sie einst mit Zaza hatte: eine Intimität mit einer Frau." So wäre diese Edition - in der sehr schönen Übersetzung von Amelie Thoma - ein autobiographisches Echo-Kapitel in der Lebensgeschichte der Simone de Beauvoir. ANGELIKA OVERATH.
Simone de Beauvoir: "Die Unzertrennlichen". Roman.
Mit einem Vorwort von Sylvie Le Bon de Beauvoir. Aus dem Französischen von Amelie Thoma. Rowohlt Verlag, Hamburg 2021. 168 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nach fast siebzig Jahren erscheint erstmals Simone de Beauvoirs Geschichte einer frühen Frauenliebe: Ihr Roman "Die Unzertrennlichen" ist autobiographisch getönt.
Simone de Beauvoir empfand ihre Tage auf Erden als ihr "Werk". Sie schrieb darüber und amalgamierte Leben und Literatur. In fünf autobiographischen Bänden verwandelte sie - zwischen Kindheit ("Memoiren einer Tochter aus gutem Hause") und Alter ("Die Zeremonie des Abschieds") - zeitgeschichtlich eingebundene Erlebnisse in Erzählungen. Ihre Beziehung zu Jean-Paul Sartre, der "Pakt" von 1929, in dem beide eine Liebeshierarchie schufen, die neben ihrer hohen Beziehung beiläufige Gespielinnen und Gespielen zuließ, ihr politisches Engagement an Sartres Seite, ihre (späte) Inthronisierung als Ikone der Frauenbewegung haben Kulturgeschichte geschrieben. Simone de Beauvoir galt als mutige Frau. Doch zu den lesbischen Beziehungen, die sie, bevorzugt mit jüngeren Frauen, lebte, hat sie sich zeitlebens nicht bekannt.
1962: Eines Abends sitzt die französische Philosophin und Schriftstellerin in einem Restaurant des Pariser Quartier Latin einer scheuen jungen Frau gegenüber. Simone de Beauvoir ist ein Star von 54 Jahren; Sylvie Le Bon ist Studentin, 21 Jahre alt. Bald verbindet die beiden Frauen eine innige Beziehung. Nach Sartres Tod (1980) adoptierte Simone de Beauvoir ihre Lebenspartnerin, um dieser die Rechte am eigenen Werk zu sichern. Sylvie Le Bon wird Beauvoirs Tochter; eine Ehe mit der "Mutter-Geliebten" wäre in den Achtzigerjahren nicht möglich gewesen. Nach Beauvoirs Tod (1986) kümmert sich Sylvie um den Nachlass. In der legendären "Bibliothèque de la Pléiade" erscheint seitdem das autobiographische Werk; neben den Memoiren auch Briefe und Tagebücher.
Mit "Die Unzertrennlichen" ist 2020 auf Französisch und nun auch auf Deutsch eine Liebesgeschichte herausgekommen, an der sich Simone de Beauvoir immer wieder abgearbeitet hat. Es geht um ihre Kinder- und Jugendliebe zu Zaza, einer Klassenkameradin und späteren Studienkollegin. In einem ebenso einfühlsamen wie kundigen Vorwort schreibt Sylvie Le Bon de Beauvoir: "Vier Mal schon hat die Schriftstellerin auf verschiedene Weisen vergeblich versucht, Zaza wiederauferstehen zu lassen: in unveröffentlichten Jugendromanen, im Erzählband 'Marcelle, Chantal, Lisa . . .', in einer gestrichenen Passage des Romans 'Die Mandarins von Paris', der ihr 1954 den Prix Goncourt einbrachte. Im selben Jahr wagt sie es ein weiteres Mal."
Zazas Leben und Tod werden vier Jahre später in einer nochmaligen Umarbeitung in die "Memoiren einer Tochter aus gutem Hause" eingehen. Le Bon de Beauvoir weist auf die Momente von Verfremdung und Fiktionalisierung hin. Zaza (eigentlich Elisabeth Lacoin) tritt im Roman als Andrée Gallard auf, Simone de Beauvoir als die Ich-Erzählerin Sylvie Lepage. Die Anzahl der jeweiligen Geschwister und die Namen von Landgütern sind geändert. Das katholische Institut Cours Désir, in dem die zehnjährige Simone die gleichaltrige Zaza kennenlernte, heißt nun Collège Adélaide. Maurice Merleau-Ponty, an dessen rigider Moral, wie es Simone de Beauvoir im Roman darstellt, die junge Zaza zerbricht, erscheint unter dem Namen Pascal.
Dem Buch ist ein Bildteil beigegeben: Zaza im Kreis der neun Geschwister, Zaza und Simone in weißen Kleidern auf dem Landgut Gangnepan der Familie Lacoin, Simone dort auch beim Tennisspielen; Simone vor einer Schießbude an der Porte d'Orléans, eine Pistole in der Hand, zielend; Sartre mit Pfeife im Mundwinkel daneben. Es ist das Jahr des "Pakts", das Jahr von Zazas Tod. Sie stirbt am 25. November 1929, einen Monat vor ihrem 22. Geburtstag, an einer viralen Enzephalitis. Im Bildteil erscheinen auch Briefe der beiden Frauen. Einer der letzten, den Simone de Beauvoir an Zaza schreibt, beginnt: "Liebe, liebe Zaza, wie könnte ich so sehr an Sie denken, ohne den Wunsch zu verspüren, es Ihnen zu sagen? Ich empfinde heute Abend wieder dieses dringende Verlangen nach Ihrer Nähe, das mich als kleines Mädchen so oft vor Rührung weinen ließ; doch damals wagte ich nicht, es Ihnen zu schreiben; wieso es mir jetzt versagen, da zwei Tage ohne Sie mir, lächerlicherweise, wie eine lange Trennung vorkommen?" Und es finden sich Zeilen wie: "Diese letzten Tage haben die seltenere Schönheit eingelöster Versprechen. Von Ihnen mir gegenüber, mit dem klareren Bewusstsein dessen, was Sie daran verweigern müssen." Das Fluidum zwischen Verehrung, Sehnsucht und dem Mysterium sexuellen Begehrens, das Zaza auslöst, wird im Milieu eines unerbittlichen Katholizismus zum Sprengstoff.
"Die Unzertrennlichen" sind ein psychologisches Kabinettstück über zwei sich nahe und doch polare Frauen, die, beide in gesellschaftliche Zwänge verstrickt, verschieden handeln. Auf der einen Seite Andrée, aus dem strengen, standesbewussten Pariser Großbürgertum, und daneben Sylvie, Tochter einer Familie, die nach dem Ersten Weltkrieg einen sozialen Abstieg erfuhr. Sylvie entwickelt früh die Freiheit, dem Glauben zu entsagen. Andrée verliebt sich nach der von der Mutter brutal verbotenen Kinderliebe zu Bernard als junge Frau auch körperlich in den moralisch engen und letztlich nicht mutigen Pascal ("Jeden Moment stand die Ewigkeit auf dem Spiel"). Eine Liebe, die auch dieses Mal durch die Mutter vereitelt wird ("'In unseren Kreisen kommen Hochzeiten nicht auf diese Weise zustande', sagte Andrée und fügte bitter hinzu: 'Eine Liebesheirat ist suspekt'"). Sylvie hingegen liebt keinen Mann, sondern Andrée.
Auch wenn Andrée an einer Gehirnentzündung stirbt, ist sie in diesem Roman das Opfer von gesellschaftlicher Observation und katholischer Gewalt. Die junge moralisch reflektierte Frau zerbricht daran, sich selbst nicht treu sein zu dürfen. Beauvoir schreibt mit sicherem Blick für Schattierungen des Milieus und seelische Zwischentöne. Ihre Porträts sind großartig, ihre Beschreibungen von malerischer Sinnlichkeit: "Eines Morgens saßen wir unter einem Feigenbaum und aßen Feigen. Die großen, violetten Feigen, die sie in Paris verkaufen, taugen nichts, doch ich liebte diese kleinen blassen, prall mit körniger Konfitüre gefüllten Früchte." Und Beauvoir konnte Dialoge schreiben: "Sie suchte meinen Blick. 'Sylvie, wenn Sie nicht an Gott glauben, wie können Sie das Leben dann ertragen?' - ' Aber ich liebe das Leben', sagte ich." Und obwohl das böse Ende von Anfang an klar ist, liest sich der kleine Roman mit Spannung.
Auf die Frage von Alice Schwarzer, warum Simone de Beauvoir gerade sie, Sylvie Le Bon, als Freundin gewählt habe, antwortete die langjährige Vertraute, Montesquieu zitierend: "Wir haben uns gewählt. 'Weil sie es war, weil ich es war!' Es gab tiefe Gemeinsamkeiten. Und sie wollte wiederfinden, was sie einst mit Zaza hatte: eine Intimität mit einer Frau." So wäre diese Edition - in der sehr schönen Übersetzung von Amelie Thoma - ein autobiographisches Echo-Kapitel in der Lebensgeschichte der Simone de Beauvoir. ANGELIKA OVERATH.
Simone de Beauvoir: "Die Unzertrennlichen". Roman.
Mit einem Vorwort von Sylvie Le Bon de Beauvoir. Aus dem Französischen von Amelie Thoma. Rowohlt Verlag, Hamburg 2021. 168 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Eingelesen von der reifen, trockenen und lebensklugen Birgitta Assheuer ist diese CD ein lohnendes Hörvergnügen und ein Appell, vorsichtig zu sein mit den Eimern, die wir über die Kinderköpfe stürzen.« Sabine Busch-Frank, Passauer Neue Presse, 19.04.2022 Sabine Busch-Frank Passauer Neue Presse 20220419
Rezensentin Angelika Overath liest den autobiografisch gefärbten kleinen Roman von Simone de Beauvoir mit Spannung. Gekonnte Dialoge und sinnliche Beschreibungen von Figuren und Milieus machen die verbotene Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen für sie so lesenswert. Wie die Liebe der beiden unter den gesellschaftlichen Konventionen zerbricht, erzählt die Autorin laut Overath mit psychologischem Gespür für die beiden unterschiedlichen Charaktere. Abbildungen und Briefe im Band werfen ein Licht auf die dem Text zugrundeliegende Beziehung zwischen der Beauvoir und Elisabeth Lacoin, erklärt die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Uli Aumüller entdeckt in Simone de Beauvoirs jüngst aus ihrem Nachlass erschienenen Roman viele Themen, Ereignisse und Motive, die die Autorin auch in späteren Texten beschäftigt haben. Teils sogar in wörtlicher und zudem in großer Übereinstimmung mit ihren realen Erfahrungen, erzählt de Beauvoir in "Die Unzertrennlichen" jene Geschichte, die sie vier Jahre später auch in "Marcelle, Chantal, Lisa…" bearbeiten wird: Die Geschichte ihrer unzertrennlichen Freundschaft mit Zaza bzw. Andrée im Roman, so wie deren Verlust. Beide, Simone und Zaza, erklärt Aumüller, kamen aus gutem Hause, wurden religiös erzogen, doch im Gegensatz zu ihrer Freundin, gelang es Simone - auch aufgrund anderer ökonomischer und familiärer Bedingungen, sich aus der für sie vorgesehenen Rolle zu befreien - ohne Frage ein "weiter Weg", der eines enormen Kraftaufwands bedurfte. Ihrer Freundin dagegen blieb in den alten Machtstrukturen gefangen, sie verstarb mit nur 21 Jahren - erstickt von den "Zwängen ihrer Klasse", erkennt der Rezensent. Aumüller scheint den Roman in jedem Fall mit Gewinn gelesen zu haben.
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Das kleine Werk ist das Herzzentrum all ihrer Bücher. Iris Radisch Die Zeit 20211202