Thomas Manns satirisch-poetische Antwort auf den Rassenwahn des Dritten Reiches
Sita liebt die unzertrennlichen Freunde Shridaman und Nanda, den einen wegen seines klugen Kopfes, den anderen wegen seines herrlichen Körpers. Von irdischen Leidenschaften überwältigt, treiben die drei der unlösbaren Verknotung ihres Schicksals entgegen, die das Eingreifen der Götter erfordert ...
»Die Geschichte der schönhüftigen Sita, Tochter des aus Kriegerblut stammenden Kuhzüchters Sumantra, und ihrer beiden Gatten stellt, blutig und sinnverwirrend, wie sie ist, die höchsten Anforderungen an die Seelenstärke des Lauschenden.« Thomas Mann
Sita liebt die unzertrennlichen Freunde Shridaman und Nanda, den einen wegen seines klugen Kopfes, den anderen wegen seines herrlichen Körpers. Von irdischen Leidenschaften überwältigt, treiben die drei der unlösbaren Verknotung ihres Schicksals entgegen, die das Eingreifen der Götter erfordert ...
»Die Geschichte der schönhüftigen Sita, Tochter des aus Kriegerblut stammenden Kuhzüchters Sumantra, und ihrer beiden Gatten stellt, blutig und sinnverwirrend, wie sie ist, die höchsten Anforderungen an die Seelenstärke des Lauschenden.« Thomas Mann
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.06.2007DAS HÖRBUCH
Donnerstimme gesucht
Christian Brückner liest Thomas Mann: „Die vertauschten Köpfe”
Auf der Hülle des Hörbuchs „Die vertauschten Köpfe” ist der Auszug eines Briefes des Autors, Thomas Mann, abgedruckt, worin er einer Korrespondentin berichtet, „daß wir alle Tränen dabei gelacht haben – der Vorleser und Verfasser nicht ausgenommen.” Dies lockt, sich die Erzählung, vorgelesen von Christian Brückner, zu Gemüte zu führen.
Diese vor langer Zeit in Indien handelnde Geschichte von den Jünglingen Nanda und Schridaman, der eine hübsch, der andere nur gescheit, und ihrer Zuneigung zur schönen Sita aus einem Nachbardorfe ist eine auf die Spitze getriebene Satire, wie sie nur jener Autor zustande brachte, der in langen überfeinerten Sätzen seinen Spott wie Champagner in eine Pyramide aus tönernen Bechern gießt, die er aus dem Boden der indischen Legende gegraben hat.
Beispielsweise heißen die beiden die Handlung fixierenden Dörfer „Wohlfahrt der Kühe” und „Buckelstierheim”. Am Ufer des Flüsschens „Goldfliege” wachsen Mango-, Tiek- und Kadambabäume zwischen Talapalmen, Magnolien und daneben immergrüne Tamarisken, allesamt dicht an dicht – botanische Phantastik. Ein schlichter Fluch lautet „Blitzkeil, Wurfring und Wolkendonner”. Die einfachen Menschen ziselieren lange, umständliche Sätze, während die unnahbare Weltenmutter nicht ansteht, mit „Wolkendonnerstimme” aus den Lüften heraus die schöne Sita in einer Rede als „dumme Ziege”, „Närrin”, „Pute” und „neugierige Gans” zu beschimpfen.
Als ein großer Kuddelmuddel – nämlich der Kopf des einen Jünglings auf dem Leib des andern – angerichtet ist, begibt man sich in einen von einsiedlerischen Asketen „stark bevölkerten” Wald, um Kamadamana entscheiden zu lassen, mit wem Sita sich als verheiratet betrachten soll. Der den Waldboden mit einem Besen leerfegende Heilige ist die bedeutendste Witzfigur der Erzählung, aber das kann man alles selbst nachlesen. Oder anhören? Christian Brückner hat für diese Satire einer Legende seine oft bewährte Position als Erzähler nicht verlassen und reiht routiniert, nuanciert und sogar zügig die langen Sätze von Thomas Mann aneinander, welche so geschickt gefügt sind, dass sie vorzutragen wahrscheinlich mehr Freude bereitet als eine zu nehmende Hürde darstellt.
Die Vorzüge der Bauchatmung
Und doch: Wer von den „Vertauschten Köpfen” zum ersten Mal in dieser Lesung von Brückner erfährt, muss Manns Groteske für einen Schmarren halten: langatmig, geschwätzig, verblasen. Woran das liegt? Wo doch Thomas Mann denselben Text seiner Familie vorgelesen hat und man, wie oben zitiert, gemeinsam „Tränen lachen” konnte?
In den Aufnahmen des Autors selbst, der beispielsweise die Musterungsszene aus dem „Felix Krull” vorgelesen hat, hört man eine gänzlich andere Art des Vortrags: scharf und spitz, dabei nicht ohne gewaltiges Volumen. Eine Regieanweisung könnte von einem aufrecht stehenden Sprecher der komischen Texte von Thomas Mann neben gespitzten, zumindest gespannten Lippen auch einen durchgedrückten Rücken und eine herausgeschobene Brust verlangen sowie die Fußspitzen ganz leicht nach innen zu drehen und die rechte Hand auf Herzhöhe zu heben, wobei Daumen und Zeigefinger einen Kreis formen und die drei restlichen Finger sich fächerförmig spreizen, eine Geste, in der sich die Spannung des ganzen Körpers darstellt, was aber von einer kräftigen Bauchatmung nicht abhalten darf, denn der Text braucht auch Kraft in der Stimme; immerhin werden Köpfe abgeschlagen und wieder aufgesetzt. Was Brückners Lesung fehlt, ist Spannung, er ist nicht „der Typ” für diese Art Text. Er klingt im Gegensatz zu dem Stoff, den er vorträgt, humorlos, langweilig und verblasen. MARTIN Z. SCHRÖDER
THOMAS MANN: Die vertauschten Köpfe. Eine indische Legende. Vorgelesen von Christian Brückner. 242 min. Edition Parlando 2007, 3 CD, 24,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Donnerstimme gesucht
Christian Brückner liest Thomas Mann: „Die vertauschten Köpfe”
Auf der Hülle des Hörbuchs „Die vertauschten Köpfe” ist der Auszug eines Briefes des Autors, Thomas Mann, abgedruckt, worin er einer Korrespondentin berichtet, „daß wir alle Tränen dabei gelacht haben – der Vorleser und Verfasser nicht ausgenommen.” Dies lockt, sich die Erzählung, vorgelesen von Christian Brückner, zu Gemüte zu führen.
Diese vor langer Zeit in Indien handelnde Geschichte von den Jünglingen Nanda und Schridaman, der eine hübsch, der andere nur gescheit, und ihrer Zuneigung zur schönen Sita aus einem Nachbardorfe ist eine auf die Spitze getriebene Satire, wie sie nur jener Autor zustande brachte, der in langen überfeinerten Sätzen seinen Spott wie Champagner in eine Pyramide aus tönernen Bechern gießt, die er aus dem Boden der indischen Legende gegraben hat.
Beispielsweise heißen die beiden die Handlung fixierenden Dörfer „Wohlfahrt der Kühe” und „Buckelstierheim”. Am Ufer des Flüsschens „Goldfliege” wachsen Mango-, Tiek- und Kadambabäume zwischen Talapalmen, Magnolien und daneben immergrüne Tamarisken, allesamt dicht an dicht – botanische Phantastik. Ein schlichter Fluch lautet „Blitzkeil, Wurfring und Wolkendonner”. Die einfachen Menschen ziselieren lange, umständliche Sätze, während die unnahbare Weltenmutter nicht ansteht, mit „Wolkendonnerstimme” aus den Lüften heraus die schöne Sita in einer Rede als „dumme Ziege”, „Närrin”, „Pute” und „neugierige Gans” zu beschimpfen.
Als ein großer Kuddelmuddel – nämlich der Kopf des einen Jünglings auf dem Leib des andern – angerichtet ist, begibt man sich in einen von einsiedlerischen Asketen „stark bevölkerten” Wald, um Kamadamana entscheiden zu lassen, mit wem Sita sich als verheiratet betrachten soll. Der den Waldboden mit einem Besen leerfegende Heilige ist die bedeutendste Witzfigur der Erzählung, aber das kann man alles selbst nachlesen. Oder anhören? Christian Brückner hat für diese Satire einer Legende seine oft bewährte Position als Erzähler nicht verlassen und reiht routiniert, nuanciert und sogar zügig die langen Sätze von Thomas Mann aneinander, welche so geschickt gefügt sind, dass sie vorzutragen wahrscheinlich mehr Freude bereitet als eine zu nehmende Hürde darstellt.
Die Vorzüge der Bauchatmung
Und doch: Wer von den „Vertauschten Köpfen” zum ersten Mal in dieser Lesung von Brückner erfährt, muss Manns Groteske für einen Schmarren halten: langatmig, geschwätzig, verblasen. Woran das liegt? Wo doch Thomas Mann denselben Text seiner Familie vorgelesen hat und man, wie oben zitiert, gemeinsam „Tränen lachen” konnte?
In den Aufnahmen des Autors selbst, der beispielsweise die Musterungsszene aus dem „Felix Krull” vorgelesen hat, hört man eine gänzlich andere Art des Vortrags: scharf und spitz, dabei nicht ohne gewaltiges Volumen. Eine Regieanweisung könnte von einem aufrecht stehenden Sprecher der komischen Texte von Thomas Mann neben gespitzten, zumindest gespannten Lippen auch einen durchgedrückten Rücken und eine herausgeschobene Brust verlangen sowie die Fußspitzen ganz leicht nach innen zu drehen und die rechte Hand auf Herzhöhe zu heben, wobei Daumen und Zeigefinger einen Kreis formen und die drei restlichen Finger sich fächerförmig spreizen, eine Geste, in der sich die Spannung des ganzen Körpers darstellt, was aber von einer kräftigen Bauchatmung nicht abhalten darf, denn der Text braucht auch Kraft in der Stimme; immerhin werden Köpfe abgeschlagen und wieder aufgesetzt. Was Brückners Lesung fehlt, ist Spannung, er ist nicht „der Typ” für diese Art Text. Er klingt im Gegensatz zu dem Stoff, den er vorträgt, humorlos, langweilig und verblasen. MARTIN Z. SCHRÖDER
THOMAS MANN: Die vertauschten Köpfe. Eine indische Legende. Vorgelesen von Christian Brückner. 242 min. Edition Parlando 2007, 3 CD, 24,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Sollte man Thomas Manns Satire "Die vertauschten Köpfe" in der Lesung von Christian Brückner kennen lernen, wird man den hinreißend komischen, dabei in "ziselierten" Sätzen brillant konstruierten Text nicht zu würdigen wissen, bedauert Martin Z. Schröder. Zuviel Routine und zu wenig Grundspannung kritisiert der Rezensent an der Vortragsart Brückners und er befürchtet, dass Manns virtuose Erzählung dabei als öde, witzlos und schlicht "verblasen" erscheint. Für Schröder ist der Vorleser schlicht eine Fehlbesetzung.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH