Er ist eine Bedrohung. Keiner will ihr glauben.
Vor sieben Jahren ist der reiche Geschäftsmann Philipp Petersen während einer Südamerikareise spurlos verschwunden. Seither zieht seine Frau Sarah den gemeinsamen Sohn alleine groß. Doch dann erhält Sarah wie aus heiterem Himmel die Nachricht, dass Philipp am Leben ist. Seine Rückkehr löst ein gewaltiges Medieninteresse aus. Sarah hat zwiespältige Gefühle: Was wird werden? Gibt es noch eine gemeinsame Zukunft? Sie ist auf alles vorbereitet, nur auf das eine nicht: Der Mann, der aus dem Flugzeug steigt, ist nicht ihr Ehemann. Es ist ein Fremder - und er droht Sarah. Wenn sie ihn jetzt bloßstelle, werde sie alles verlieren: ihren Mann, ihr Kind, ihr ganzes Leben ...
Gelesen von den prominenten Schauspielern Nina Kunzendorf, Andreas Pietschmann und Devid Striesow.
(1 mp3-CD, Laufzeit: 8h 3)
Vor sieben Jahren ist der reiche Geschäftsmann Philipp Petersen während einer Südamerikareise spurlos verschwunden. Seither zieht seine Frau Sarah den gemeinsamen Sohn alleine groß. Doch dann erhält Sarah wie aus heiterem Himmel die Nachricht, dass Philipp am Leben ist. Seine Rückkehr löst ein gewaltiges Medieninteresse aus. Sarah hat zwiespältige Gefühle: Was wird werden? Gibt es noch eine gemeinsame Zukunft? Sie ist auf alles vorbereitet, nur auf das eine nicht: Der Mann, der aus dem Flugzeug steigt, ist nicht ihr Ehemann. Es ist ein Fremder - und er droht Sarah. Wenn sie ihn jetzt bloßstelle, werde sie alles verlieren: ihren Mann, ihr Kind, ihr ganzes Leben ...
Gelesen von den prominenten Schauspielern Nina Kunzendorf, Andreas Pietschmann und Devid Striesow.
(1 mp3-CD, Laufzeit: 8h 3)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.09.2016Wenn die Vögel verstummen
Geschlossene Räume: Melanie Raabe lässt eine Frau ihre eigene Wahrheit suchen
Alles beginnt mit einer Sonnenfinsternis, wie überhaupt in diesem Roman die Natur, auch der urbane Raum als vielsagende Zeichen eingesetzt sind. Da verhungern Tausende Hummeln unter Linden, weil sie, angelockt vom Duft der Bäume, die erhoffte Nahrung dort nicht finden. Der Wald wird in seiner Stille als bedrohlich erlebt, die nächtliche Stadt ist Ort der Wirrnis. Im Innern des Hauses verselbständigt sich die Einrichtung zur bedrohlichen Dingwelt. Und die Frage, ob die Vögel bei einer Sonnenfinsternis verstummen, wann sie ihren Gesang wiederaufnehmen, wird nachgerade zu einem Omen. Das ist für einen ausgewachsenen Thriller etwas zu viel des Guten an derartigen Schilderungen, aber es schafft Atmosphäre, wie Kulissen im Theater oder Kameraschwenks im Film das tun, und es füllt die Zeilen auf mehr als vierhundert Seiten.
Der eigentliche Plot bedient derweil alle Wünsche wohliger Spannungslektüre: Sarah ist siebenunddreißig, als die Geschichte einsetzt, sie lebt mit ihrem achtjährigen Sohn Leo in einer großen alten Stadtvilla in Hamburg, vermutlich irgendwo an der Elbchaussee. Seit sieben Jahren ist ihr Mann Philipp Petersen in Kolumbien verschollen, er war zu einer Dienstreise nach Bogotá aufgebrochen und verschwand dort gleich am ersten Tag spurlos, auf dem Weg zum Treffen in einem Hotel mit einem Geschäftspartner. Sarah arbeitet als Lehrerin, sie hat sich ihr Leben allein mit Leo eingerichtet. Philipp leitete das ererbte Unternehmen, alte Hamburger Familie natürlich, man ist vermögend, es heißt sogar, "reich". Grund genug also ist das für eine Entführung, aber eine Lösegeldforderung ist nie eingegangen.
Alles in allem ist das ein Setting wie in den beliebten Krimis, die in den dafür besonders beliebten, besseren Verhältnissen spielen. Keine finanziellen Probleme daheim, eine junge attraktive athletisch trainierte Frau, die das Geld des verschwundenen Gatten, schon aus Stolz, nicht anrührt; die an Alzheimer erkrankte bösartige Schwiegermutter Constanze wird in einem teuren Heim gepflegt. Als Sarah nach den sieben Jahren gerade begonnen hat, sich von dem Gedanken zu lösen, Philipp werde zurückkehren, trifft die Nachricht seiner Freilassung ein, er landet, begleitet von Vertretern des Auswärtigen Amts, in Hamburg, wo ihn Sarah und Leo auf dem Rollfeld erwarten.
Sarah empfindet sofort, dass sie dort kurz darauf nicht ihr Mann umarmt, während die Journalisten ihre Fotos von der unerwarteten Rückkehr des begüterten Bürgers machen. Es beginnt ihr zähes Ringen mit "dem Fremden", der darauf besteht, mit in die Villa zu kommen. Die Auseinandersetzung zwischen der Frau und dem Mann ist auf drei Tage verdichtet, das gibt der Handlung ihren Kick.
"Die Wahrheit" ist Melanie Raabes zweiter Roman. Der erste, "Die Falle", hat der Autorin, Jahrgang 1981, einige Lorbeeren eingetragen. Er wurde in mehrere Sprachen übersetzt, die Option auf die Filmrechte ist nach Amerika verkauft. Dieser zweite Roman nun folgt einem ähnlichen Muster wie "Die Falle": Eine Frau begibt sich auf die Suche nach der Wahrheit, der ihrer eigenen Vergangenheit und ihres gegenwärtigen Lebens.
Das ist in jedem Fall ein dankbares Thema. Entsprechend setzt Melanie Raabe früh Marker, die auf traumatische Erfahrungen und dunkle Geheimnisse im früheren Leben von Sarah hinweisen, die als Ich-Erzählerin fungiert. Außerdem greift Raabe schlau zu einem erzähltechnischen Trick: Immer wieder sind kurze Kapitel in den Handlungsverlauf eingefügt mit der Überschrift "Der Fremde". In ihnen werden die Gedanken des Mannes wiedergegeben - und das ebenfalls in Ich-Form. So entsteht eine parallele Inszenierung der Geschehnisse, ein perfider Hase-und-Igel-Wettstreit. Dabei gehorcht "Die Wahrheit" der klassischen Steigerungslogik des Thrillers, die Ereignisse eskalieren Schritt für Schritt.
Weil der Fremde auf seiner Anwesenheit in Sarahs Haus besteht, bekommen weite Passagen des Romans den Charakter des Kammerspiels, der phobischen Situation im geschlossenen Raum. Währenddessen ist das Kind Leo vorsorglich in der Familie einer Freundin Sarahs untergebracht; an alles ist gedacht, damit das Paar-Duell sich entfalten kann. Und Raabe inszeniert es mit einigem Aufwand. Nicht zuletzt deshalb bleibt später die Enttäuschung nicht aus über das Ende, an dem "Die Wahrheit" schließlich strandet. Bis dahin bleibt die Story weitgehend spannend - auch wenn dem geübten Leser doch relativ früh die Auflösung dämmern mag. Sarah will den Eindringling durch trickreiche Wendungen der Lüge überführen. Sie vermutet, dass er es auf das Geld ihres Mannes abgesehen habe; schließlich mutmaßt sie, dass er von einem schlimmen Vorfall weiß, den sie in ihrem Gedächtnis zurückgedrängt hat. Die in der Schuss-Gegenschuss-Technik des Filmschnitts gelieferten Überlegungen des Fremden steigern ihre Befürchtungen dramatisch.
Über lange Strecken kann Melanie Raabe den Spannungsbogen, für den sie einleitend weit ausholt, aufbauen und auch halten. Sie hat ein Talent für die Ökonomie bildreichen Erzählens, mit den inneren Selbstgesprächen der Frau und des Fremden, den zunächst kryptisch bleibenden Rückblenden, dem gut sortierten Nebenpersonal. Physische wie psychische Erregungszustände werden plastisch, so dass die Wahrheitsfindung nicht zu langatmig wirkt, bis fast zum Ende. Denn auch die Außenwelt scheint ja mit Bedeutungen aufgeladen zu sein.
Entsprechend frustrierend ist die geringe Fallhöhe, aus der die angestaute Erwartung am Schluss in die Auflösung des Geschehens taumelt. Versöhnlich ist dafür ein freundliches Wort, beinah düpiert fühlt sich der Leser, angesichts des zuvor betriebenen Aufwands an Gefühlsexzessen. Beim nächsten Thriller wünscht man Melanie Raabe die Idee und den Mumm für eine weniger glatt unglaubwürdige Landung.
ROSE-MARIA GROPP
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Geschlossene Räume: Melanie Raabe lässt eine Frau ihre eigene Wahrheit suchen
Alles beginnt mit einer Sonnenfinsternis, wie überhaupt in diesem Roman die Natur, auch der urbane Raum als vielsagende Zeichen eingesetzt sind. Da verhungern Tausende Hummeln unter Linden, weil sie, angelockt vom Duft der Bäume, die erhoffte Nahrung dort nicht finden. Der Wald wird in seiner Stille als bedrohlich erlebt, die nächtliche Stadt ist Ort der Wirrnis. Im Innern des Hauses verselbständigt sich die Einrichtung zur bedrohlichen Dingwelt. Und die Frage, ob die Vögel bei einer Sonnenfinsternis verstummen, wann sie ihren Gesang wiederaufnehmen, wird nachgerade zu einem Omen. Das ist für einen ausgewachsenen Thriller etwas zu viel des Guten an derartigen Schilderungen, aber es schafft Atmosphäre, wie Kulissen im Theater oder Kameraschwenks im Film das tun, und es füllt die Zeilen auf mehr als vierhundert Seiten.
Der eigentliche Plot bedient derweil alle Wünsche wohliger Spannungslektüre: Sarah ist siebenunddreißig, als die Geschichte einsetzt, sie lebt mit ihrem achtjährigen Sohn Leo in einer großen alten Stadtvilla in Hamburg, vermutlich irgendwo an der Elbchaussee. Seit sieben Jahren ist ihr Mann Philipp Petersen in Kolumbien verschollen, er war zu einer Dienstreise nach Bogotá aufgebrochen und verschwand dort gleich am ersten Tag spurlos, auf dem Weg zum Treffen in einem Hotel mit einem Geschäftspartner. Sarah arbeitet als Lehrerin, sie hat sich ihr Leben allein mit Leo eingerichtet. Philipp leitete das ererbte Unternehmen, alte Hamburger Familie natürlich, man ist vermögend, es heißt sogar, "reich". Grund genug also ist das für eine Entführung, aber eine Lösegeldforderung ist nie eingegangen.
Alles in allem ist das ein Setting wie in den beliebten Krimis, die in den dafür besonders beliebten, besseren Verhältnissen spielen. Keine finanziellen Probleme daheim, eine junge attraktive athletisch trainierte Frau, die das Geld des verschwundenen Gatten, schon aus Stolz, nicht anrührt; die an Alzheimer erkrankte bösartige Schwiegermutter Constanze wird in einem teuren Heim gepflegt. Als Sarah nach den sieben Jahren gerade begonnen hat, sich von dem Gedanken zu lösen, Philipp werde zurückkehren, trifft die Nachricht seiner Freilassung ein, er landet, begleitet von Vertretern des Auswärtigen Amts, in Hamburg, wo ihn Sarah und Leo auf dem Rollfeld erwarten.
Sarah empfindet sofort, dass sie dort kurz darauf nicht ihr Mann umarmt, während die Journalisten ihre Fotos von der unerwarteten Rückkehr des begüterten Bürgers machen. Es beginnt ihr zähes Ringen mit "dem Fremden", der darauf besteht, mit in die Villa zu kommen. Die Auseinandersetzung zwischen der Frau und dem Mann ist auf drei Tage verdichtet, das gibt der Handlung ihren Kick.
"Die Wahrheit" ist Melanie Raabes zweiter Roman. Der erste, "Die Falle", hat der Autorin, Jahrgang 1981, einige Lorbeeren eingetragen. Er wurde in mehrere Sprachen übersetzt, die Option auf die Filmrechte ist nach Amerika verkauft. Dieser zweite Roman nun folgt einem ähnlichen Muster wie "Die Falle": Eine Frau begibt sich auf die Suche nach der Wahrheit, der ihrer eigenen Vergangenheit und ihres gegenwärtigen Lebens.
Das ist in jedem Fall ein dankbares Thema. Entsprechend setzt Melanie Raabe früh Marker, die auf traumatische Erfahrungen und dunkle Geheimnisse im früheren Leben von Sarah hinweisen, die als Ich-Erzählerin fungiert. Außerdem greift Raabe schlau zu einem erzähltechnischen Trick: Immer wieder sind kurze Kapitel in den Handlungsverlauf eingefügt mit der Überschrift "Der Fremde". In ihnen werden die Gedanken des Mannes wiedergegeben - und das ebenfalls in Ich-Form. So entsteht eine parallele Inszenierung der Geschehnisse, ein perfider Hase-und-Igel-Wettstreit. Dabei gehorcht "Die Wahrheit" der klassischen Steigerungslogik des Thrillers, die Ereignisse eskalieren Schritt für Schritt.
Weil der Fremde auf seiner Anwesenheit in Sarahs Haus besteht, bekommen weite Passagen des Romans den Charakter des Kammerspiels, der phobischen Situation im geschlossenen Raum. Währenddessen ist das Kind Leo vorsorglich in der Familie einer Freundin Sarahs untergebracht; an alles ist gedacht, damit das Paar-Duell sich entfalten kann. Und Raabe inszeniert es mit einigem Aufwand. Nicht zuletzt deshalb bleibt später die Enttäuschung nicht aus über das Ende, an dem "Die Wahrheit" schließlich strandet. Bis dahin bleibt die Story weitgehend spannend - auch wenn dem geübten Leser doch relativ früh die Auflösung dämmern mag. Sarah will den Eindringling durch trickreiche Wendungen der Lüge überführen. Sie vermutet, dass er es auf das Geld ihres Mannes abgesehen habe; schließlich mutmaßt sie, dass er von einem schlimmen Vorfall weiß, den sie in ihrem Gedächtnis zurückgedrängt hat. Die in der Schuss-Gegenschuss-Technik des Filmschnitts gelieferten Überlegungen des Fremden steigern ihre Befürchtungen dramatisch.
Über lange Strecken kann Melanie Raabe den Spannungsbogen, für den sie einleitend weit ausholt, aufbauen und auch halten. Sie hat ein Talent für die Ökonomie bildreichen Erzählens, mit den inneren Selbstgesprächen der Frau und des Fremden, den zunächst kryptisch bleibenden Rückblenden, dem gut sortierten Nebenpersonal. Physische wie psychische Erregungszustände werden plastisch, so dass die Wahrheitsfindung nicht zu langatmig wirkt, bis fast zum Ende. Denn auch die Außenwelt scheint ja mit Bedeutungen aufgeladen zu sein.
Entsprechend frustrierend ist die geringe Fallhöhe, aus der die angestaute Erwartung am Schluss in die Auflösung des Geschehens taumelt. Versöhnlich ist dafür ein freundliches Wort, beinah düpiert fühlt sich der Leser, angesichts des zuvor betriebenen Aufwands an Gefühlsexzessen. Beim nächsten Thriller wünscht man Melanie Raabe die Idee und den Mumm für eine weniger glatt unglaubwürdige Landung.
ROSE-MARIA GROPP
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"Die deutsche Meisterin des Duells schlägt zu." Elmar Krekeler, Die Welt