'Der Berg rief nach mir. Ich musste einfach weglaufen. Ich konnte nicht anders.' (S.9)
Eigentlich wollte Mark den Gipfel des Mount Rainier irgendwann mit seinem Großvater besteigen, der ein begeisterter Bergsteiger war, aber dann starb sein Großvater, mit dem Versprechen, dass Mark den Gipfel
irgendwann für sie beide besteigen wird. Dafür haut Mark von zuhause ab, denn Mark ist schwer krank,…mehr'Der Berg rief nach mir. Ich musste einfach weglaufen. Ich konnte nicht anders.' (S.9)
Eigentlich wollte Mark den Gipfel des Mount Rainier irgendwann mit seinem Großvater besteigen, der ein begeisterter Bergsteiger war, aber dann starb sein Großvater, mit dem Versprechen, dass Mark den Gipfel irgendwann für sie beide besteigen wird. Dafür haut Mark von zuhause ab, denn Mark ist schwer krank, und hat wahrscheinlich nur noch kurze Zeit zu leben. So wird das Versprechen ein Kampf gegen die Zeit und ein Kampf gegen sich selbst, denn wo der Wille bei Mark stark ist das Unternehmen in die Tat umzusetzen, lässt sein geschwächter Körper ihn im Stich. Unterstützung in seinem schier ausweglosen Vorhaben findet er in seiner besten Freundin Jessie, die er zurückgelassen hat, in seinem treuen Hund Beau, der ihn begleitet, und zufälligen Wegebekanntschaften.
Die Geschichte hat ein paar Kapitel gebraucht, bis sie mich für sich einnehmen konnte, dann hatte mich Dan Gemeinharts ungewöhnlicher Aufbau jedoch völlig in seinem Bann: die Geschichte wird abwechselnd von Mark erzählt, immer mit der Vorgabe unter jeder Kapitelzahl, wie viele Meilen er noch bis zum Gipfel des Mount Rainier vor sich hat, und seiner Freundin Jessie, die zuhause sitzt und gemeinsam mit Marks Eltern verzweifelt nach der Suche nach ihm ist. Marks Erzählabschnitte sind immer mit ganzen Kapitelzahlen gekennzeichnet und einer groben Strichzeichnung des Berges, der in immer greifbarere Nähe rückt, Jessies Kapitel mit halben Kapitelzahlen und der aktuellen Wetterlage. Neben dieser speziellen Aufmachung fasziniert Marks und Jessies Vorliebe für Haikus - einer dreizeiligen japanischen Gedichtform. Jessies Kapitel beginnen und enden immer mit einem Haiku. Ganz unabhängig von der Geschichte haben mich die ganze Gestaltung des Buches und die Erzählweise des Autors unglaublich fasziniert.
Die Zeichnung seiner Protagonisten ist Dan Gemeinhart sehr gut gelungen, obwohl Marks Geschichte relativ kompakt erzählt ist. Sowohl Marks Verzweiflung im Kampf gegen seinen schwachen Körper, der ihn immer mehr im Stich lässt, als auch die große Freundschaft zu Jessie und die starke Bindung zu seinem Hund Beau werden bei Lesen spürbar. Daneben skizziert Dan Gemeinhart mit wenigen Szenen ungewöhnliche Begegnungen, die Mark auf seinem Weg zum Gipfel macht. Darunter unter anderem einen gnädigen Dieb und einen Vater, der seinen eigenen Sohn selbst viel zu früh verloren hat. Man teilt den Schmerz mit Mark, wenn einem bewusst wird, das ihm manche Hilfe nur wegen seiner Krankheit zu Teil wird, so viele reduzieren ihn nur auf seinen Krebs. Wobei man sich auch in diese Personen hineinversetzen kann, wer kann schon Mitleid verhindern, gerade wenn ein Kind von dieser Krankheit betroffen ist? Aber auch Marks unglaubliche Wut und Hilflosigkeit gegenüber diesen Reaktionen ist verständlich. Man ist beim Lesen Hin- und Hergerissen zwischen den Gefühlswelten der Protagonisten.
Es gibt viele Bücher, die sich mit dem Thema krebskranke Kinder befassen, aber spontan fallen mir nur wenige ein, die die Krankheit ganz abseits von Krankenhäusern oder Therapien behandeln. Dan Gemeinhart beschreitet mit seinem Protagonisten Mark einen ungewöhnlichen Weg, über dieses Thema zu erzählen und verknüpft dies zugleich mit einer rührenden Freundschaft zwischen Mensch und Tier und dem Kampf eines starken Willens gegen alle Widrigkeiten, die sich auf dem Weg ein Ziel zu erreichen als scheinbar unbezwingbare Hindernisse in den Weg legen können.
"Die wirkliche Wahrheit" hat mich begeistert von der Art der Umsetzung, berührt von der Figurenzeichnung, und setzt dem Ganzen mit dem Ende der Geschichte noch die Krone auf, wenn sich der Kreis zwischen den beiden getrennten Erzählperspektiven von Mark und Jessie schließt.
Ob Mark den Gipfel des Mount Rainier letzten Endes erreicht hat? Ganz unabhängig davon hat sich mir selten so erschlossen, warum häufig der Weg das Ziel ist und welche Werte eine wahre Freundschaft ausmachen.