Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei
Tetraplegie und Suizidhilfe sind selten das Thema in einem Roman. Doch in „Ein ganzes halbes Jahr“ greift Jojo Moyes genau diese beiden Motive auf und erzählt die Geschichte von Tetraplegiker Will, der seinen Lebensmut verloren hat – bis er Lou begegnet, die
ihn aufmuntern und unterstützen soll. Da ich selbst kaum weder dieser Form der Querschnittslähmung…mehrQuelle: Buchblog Buchstabenträumerei
Tetraplegie und Suizidhilfe sind selten das Thema in einem Roman. Doch in „Ein ganzes halbes Jahr“ greift Jojo Moyes genau diese beiden Motive auf und erzählt die Geschichte von Tetraplegiker Will, der seinen Lebensmut verloren hat – bis er Lou begegnet, die ihn aufmuntern und unterstützen soll. Da ich selbst kaum weder dieser Form der Querschnittslähmung vertraut bin, noch etwas über die Folgen und Komplikationen weiß, war das allein schon ein sehr interessanter und aufwühlender Aspekt des Buches. Die Autorin geht in die Tiefe und erzählt von den Einschränkungen, den Schmerzen, den Risiken und auch den – im Fall von Will – dadurch hervorgerufenen Depressionen.
Das alles geschieht in sehr ruhigen Tönen und äußerst gefühlvoll, ohne dabei kitschig zu werden. Moyes ist immer mit großem Ernst und Respekt bei ihren Charakteren und deren Gefühlen. Daher konnte ich sofort mit Will mitfühlen und seine Wut, seine Trauer und seinen dringenden Wunsch, Suizid begehen zu wollen, nachempfinden. Außerdem lässt sich Jojo Moyes Zeit mit ihrer Erzählung, und das wird dem fordernden und sicherlich auch strittigen Thema gerecht.
Der Roman hat zwar über 500 Seiten, doch das nahm ich kaum wahr. Die Seiten flogen nur so an mir vorüber. „Ein ganzes halbes Jahr“ ist sowohl traurig und feinfühlig als auch kraftvoll, eindringlich und lebensbejahend. Einziger Kritikpunkt meinerseits ist, dass die Tetraplegie allzu oft als Spannungselement genutzt wird. Die Geschichte entwickelt sich nicht unabhängig davon, stattdessen werden gezielt bestimmte Komplikationen eingestreut, die die Geschichte vorantreiben. Das hätte sicherlich auch ohne funktioniert, denn so wird die Tetraplegie zu sehr Mittel zum Zweck für die Entwicklung der Story und des Charakters von Lou.
Schreibstil
Erzählt wird aus der Perspektive von Lou, wodurch der Leser ihr natürlich ganz nah ist. Aufgrund von Lou’s Art wird die Geschichte besonders zu Beginn in beschwingtem Ton erzählt, humorvoll und bisweilen auch ein wenig unbedarft. Erst später kommen die ernsten Töne hinzu, wenn Lou’s Verständnis und ihre Gefühle für Will als Freund wachsen.
In der zweiten Hälfte des Buches kommen weitere Erzählperspektiven hinzu: Pfleger Nathan, die Eltern von Will und Lou’s Schwester. Sie bringen andere Denkweisen zum Thema mit ein und lassen „Ein ganzes halbes Jahr“ vielschichtiger werden. Parallel dazu spitzt sich die Situation zu. Es erscheint dadurch, als würde Lou die Kraft für eigene Worte verlieren.
Charaktere
Lou hat mich anfangs ziemlich aufgeregt. Sie ist mit 26 beziehungsweise 27 Jahren furchtbar naiv, ziellos und unfähig und zweifelt ständig an sich selbst. Wie kann es zum Beispiel sein, dass sich jemand in diesem Alter und im Jahr 2009 in England nicht ansatzweise mit Computern auskennt? Im weiteren Verlauf legte sich diese Naivität und Ziellosigkeit ein wenig, so dass sie ein angenehmerer Charakter wurde.
Will hingegen gefiel mir von Anfang an. Er ist sarkastisch, traurig und wütend da er sich nicht mit seiner Situation abfinden kann. Man spürt seine Zerrissenheit, wenn er mit Lou zusammen ist und glückliche Momente erlebt, diese aber für ihn persönlich immer von seiner Lähmung überschattet werden.
Die Familien von Will und Lou könnten nicht unterschiedlicher sein. Die eine chaotisch, liebevoll und fröhlich, die andere distanziert und jegliche Gefühle unterdrückend. Beide waren gut ausgearbeitet und bildeten einen guten Rahmen um die Protagonisten.
Fazit
Eine sehr emotionale Geschichte, die mich berührt hat, und ein Thema, das einen auch nach dem Lesen nicht mehr loslässt. Eine Leseempfehlung von mir!