Donna Leon ist eine Konstante meines Leserlebens, ihre Brunetti-Romane begleiten mich seit über 25 Jahren. Eine Reihe, die nichts von ihrer Faszination für mich verloren hat. Die Autorin ist, wie auch ich, gealtert, und ihre Themenfelder haben sich im Lauf der Zeit verändert. Die Felder der mafiösen
Strukturen Italiens, die Korruption, Behördenwillkür, politischen Verflechtungen sind natürlich…mehrDonna Leon ist eine Konstante meines Leserlebens, ihre Brunetti-Romane begleiten mich seit über 25 Jahren. Eine Reihe, die nichts von ihrer Faszination für mich verloren hat. Die Autorin ist, wie auch ich, gealtert, und ihre Themenfelder haben sich im Lauf der Zeit verändert. Die Felder der mafiösen Strukturen Italiens, die Korruption, Behördenwillkür, politischen Verflechtungen sind natürlich noch immer präsent, aber sie nehmen nicht mehr so viel Raum ein. Stattdessen richtet sie verstärkt ihr Augenmerk auf die alltäglichen Probleme, die die Venezianer umtreiben. Aber es geht ihr nicht nur um die Vereinnahmung der Lagunenstadt durch Touristen und die sich daraus ergebenden Veränderung des Lebensraums, die Belastungen durch die Kreuzfahrtschiffe, sondern es sind auch immer wieder die individuellen Schicksale, die sie im Blick hat.
Wie das des betagten Kunsthändlers Gonzalo Rodriguez de Tejeda, Freund der Faliers und Paolas Patenonkel, der sein komplettes Vermögen einem jungen Liebhaber vererben möchte – sehr zum Missfallen seiner Familie und der venezianischen Gesellschaft. Brunetti wird von seinem Schwiegervater gebeten, den persönlichen Hintergrund des zukünftigen Erben zu durchleuchten, was ihm einige Bauchschmerzen bereitet. Aber was tut man nicht alles für die Familie. Alles scheint it rechten Dingen zuzugehen, doch dann erliegt Gonzalo einem Herzinfarkt und ein weiterer Todesfall in dessen Umfeld lässt Brunetti aufmerken…
Wie so oft in Donna Leons Romanen ist es nicht die Suche nach dem Täter, die die Handlung bestimmt. Es geht um die Natur des Menschen, um Ethik und persönliche Moral, über die der Commissario vor allem dann sinniert, wenn er nach Feierabend seine Klassiker liest. In diesem Fall ist es Euripides, aber auch eine alte Graphic Novel aus Paolas Studentenzeiten, die ihn über Flucht und Vertreibung nachdenken lässt, ein damals wie heute aktuelles Thema.
Keine Action, keine wilden Verfolgungsjagden, keine atemlose Spannung. Dafür ein intelligenter Kriminalroman, der mich, nachdem ich das Buch zugeklappt habe, höchst zufrieden aber auch nachdenklich zurückgelassen hat. Ich werde dem Commissario auf jeden Fall die Treue halten.