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5 Kundenbewertungen

Ein wenig Leben handelt von der lebenslangen Freundschaft zwischen vier Männern in New York, die sich am College kennengelernt haben. Jude St. Francis, brillant und enigmatisch, ist die charismatische Figur im Zentrum der Gruppe - ein aufopfernd liebender und zugleich innerlich zerbrochener Mensch. Wie in ein schwarzes Loch werden die Freunde in Judes dunkle, schmerzhafte Welt hineingesogen, deren Ungeheuer nach und nach hervortreten. Ein wenig Leben ist zugleich realistischer Roman und Märchen - ein rauschhaftes, mit kaum fasslicher Dringlichkeit erzähltes Epos über Trauma, menschliche Güte…mehr

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Produktbeschreibung
Ein wenig Leben handelt von der lebenslangen Freundschaft zwischen vier Männern in New York, die sich am College kennengelernt haben. Jude St. Francis, brillant und enigmatisch, ist die charismatische Figur im Zentrum der Gruppe - ein aufopfernd liebender und zugleich innerlich zerbrochener Mensch. Wie in ein schwarzes Loch werden die Freunde in Judes dunkle, schmerzhafte Welt hineingesogen, deren Ungeheuer nach und nach hervortreten. Ein wenig Leben ist zugleich realistischer Roman und Märchen - ein rauschhaftes, mit kaum fasslicher Dringlichkeit erzähltes Epos über Trauma, menschliche Güte und Erlösung. Es begibt sich an die dunkelsten Orte, an die Literatur sich wagen kann, und bricht dabei immer wieder zum hellen Licht durch.

Ein unvergleichlich mutiger und erschütternder Roman über Freundschaft als wahre Liebe - und die Frage, ob sie uns retten kann.
Autorenporträt
Yanagihara, Hanya
Hanya Yanagihara, geboren 1975, US-amerikanische Schriftstellerin und Journalistin, ist Redakteurin beim Stilmagazin T der New York Times. Sie gewann mit ihrem Roman Ein wenig Leben den Kirkus Prize und stand auf der Shortlist des Man Booker Prize, des National Book Award und des Baileys Prize. Es ist eines der bestverkauften und meistdiskutierten literarischen Werke der vergangenen Jahre.

Kessler, Torben
Torben Kessler, geboren 1975, studierte Schauspiel, Gesang und Tanz an der Folkwang Hochschule Essen. Es folgten Engagements in Düsseldorf, Freiburg und Leipzig. Er war festes Ensemblemitglied am Schauspiel Frankfurt und spielt derzeit in Düsseldorf. Daneben war er in Fernsehserien wie Tatort, SOKO Leipzig und Polizeiruf 110 sowie im Kinofilm Der Baader Meinhof Komplex zu sehen. Als Hörbuchsprecher konnte sich Torben Kessler mit Lesungen von Joël Dickers Romanen Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert und Die Geschichte der Baltimores sowie mit Dave Eggers Der Circle einen Namen machen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2017

Herzgewächse im Schatten der Vergangenheit
Hanya Yanagiharas großer, in jedem Sinne zeitloser Roman "Ein wenig Leben"

Es tut mir leid. I'm sorry. Wie viele Male fällt auf fast tausend Seiten dieser Satz? Unzählige Male, und fast immer stammt er aus dem Mund von Jude St. Francis. Dessen Leben bekommen wir erzählt, von seiner Aufnahme als Waise frühkindlichen Alters in einer kirchlichen Fürsorgeeinrichtung bis zum Tod mit Mitte fünfzig und sogar noch sechs Jahre darüber hinaus, denn mit einem wie Jude wird man nicht fertig. Sein ständiges Bedauern ist pathologisch wie seine ganze Existenz, und doch ist er umgeben von einer Gemeinschaft treuer Freunde, die wie er sämtlich großen Erfolg im Leben haben: Seine Jugendfreunde Willem Ragnasson, JB Marion und Malcolm Irvine werden zu Stars in ihrem jeweiligen Metier: dem Kino, der Malerei, der Architektur. Sein Adoptivvater Harold Stein ist der renommierteste Juraprofessor der Vereinigten Staaten, sein Arzt Andy Contractor ein brillanter Mediziner. Und Jude selbst, ein Wunder an Wissen, wird Partner in einer großen Anwaltskanzlei, Willem schließlich seine große Liebe. "Die Karriere, das Geld, die Wohnung, den Mann. Womit", fragt JB nach drei Vierteln des Buchs seinen Freund Jude, "hast du dieses Glück bloß verdient?" Und Jude antwortet: "Weißt du, ich habe schon immer Glück gehabt." Er lügt.

Wir Leser wissen das, die Menschen im Buch aber nicht. Noch nicht. So wie wir es lange nicht wussten. Dass mit Jude etwas nicht stimmt, merkt man schnell, doch was es ist, das wird erst nach und nach offenbar. Beim Einstieg in die Handlung ist das Jugendfreundesquartett schon Anfang zwanzig, Jude und Willem, noch lange kein Liebespaar, suchen eine billige Wohnung in New York. Alle stehen am Anfang, nur Jude hat schon ein Leben hinter sich, denn er musste mit einer Vergangenheit brechen, die ihn gebrochen hat. Was er will, sagt der Titel des Romans: ein wenig Leben. Richtiges, unbeschwertes, freudiges. Im amerikanischen Original heißt das Buch "A Little Life". Das ist weniger als wenig, ein kleines Leben eben, und zugleich auch mehr, denn es ist auch ein ganzes Leben - wenn auch klein. Robert Seethaler hat einen schmalen Erfolgsroman mit einem großen Titel geschrieben: "Ein ganzes Leben". Daran verblüfft, dass man tatsächlich in knapp mehr als 150 Seiten ein ganzes Leben in all seinen Facetten beschreiben kann, man vermisst nichts. An "Ein wenig Leben", beim selben deutschen Verlag erschienen und mit allen Aussichten, ein ähnlicher Erfolg wie Seethalers Buch zu werden, verblüfft dagegen, dass man fast tausend Seiten für angeblich wenig Leben lesen soll. Doch am Ende wünscht man sich, es würde weitergehen. Noch ein wenig Lesen, bitte. Aber los wird man das Buch ohnehin nicht mehr.

Was Hanya Yanagihara da gelungen ist, einer Amerikanerin hawaiianischer Abstammung, kann man daran ermessen, dass dieses Buch, ihr erst zweiter Roman (und der erste ins Deutsche übersetzte), fassungslos macht. Nicht gleich, nicht nach einem Auftakt, der erst einmal den Eindruck erweckt, vier Parallelbiographien zu erzählen. Ganz konventionell werden da wechselnde Figuren ins Zentrum gesetzt, allerdings auch schon mit einer Erzählstimme, die von Stephan Kleiner so gekonnt ins Deutsche gebracht ist, dass man die großen Vorbilder heraushört, die Yanagihara ersichtlich hat und auch erreicht: Tom Wolfe, den frühen James Joyce und Don DeLillo. Und wer sich nicht spätestens auf Seite 40 durch die Schilderung einer Subway-Fahrt gefangennehmen und forttragen lässt, dem ist nicht zu helfen. "Was er an seinen abendlichen Fahrten noch liebte, war das Licht, die Art und Weise, wie es die Wagen füllte wie etwas Lebendiges, wenn die Bahn über die Brücke ratterte, wie es die Müdigkeit von den Gesichtern seiner Sitznachbarn wusch und sie so zeigte, wie sie gewesen waren, als sie in dieses Land gekommen waren, als sie jung waren und Amerika noch für bezwingbar hielten. Er sah diesem Licht dabei zu, wie es den Bahnwagen mit Sirup füllte, Stirnfalten fortwischte, graue Haare polierte, bis sie golden leuchteten, das aggressive Leuchten billiger Stoffe sanft auf einen feinen Schimmer reduzierte. Und dann trieb die Sonne davon, der Wagen ratterte gleichgültig von ihr fort, und die Welt nahm wieder ihre normalen traurigen Formen und Farben an, die Menschen ihren normalen traurigen Zustand, eine Veränderung, die sich so grob und abrupt vollzog, als wäre sie vom Zauberstab eines Magiers herbeigeführt worden."

Man könnte vermuten, das entspräche auch der Erzähltechnik des Buchs, das uns immer wieder nach strahlenden Passagen wie dieser zu Ereignissen aus Judes Leben, dem verschwiegenen wie dem aktuellen, verschlägt, die den Boden unter den Füßen rauben. Zunächst Szenen der Gewalt gegen sich selbst. Unter seiner nachlässig weiten Kleidung verbirgt sich ein malträtierter Körper, und ständig fügt Jude sich neue Verletzungen zu. Er ist ein Ritzer, der sich nur mit äußerlichem Leiden über das noch größere Leid in seinem Inneren hinwegretten kann. Doch wir erfahren auch früh, dass er als Jugendlicher erst mit orthopädischen Gestellen wieder ans Laufen gekommen ist, dass sein Rücken vernarbt ist, seine Seele verwundet. Jude ist ein Schmerzensmann, und benannt wurde das namenlose Findelkind im katholischen Heim nach Judas Thaddäus, dem Schutzpatron der Hoffnungslosen.

Es ist viel, was Yanagihara dieser Figur, die sich nach hundert Seiten als Hauptprotagonist erweist, aufbürdet. Und das Pathos, das dieser Roman anschlägt, ist nahezu ohne Beispiel. Zugleich aber auch sein Verlangen nach Schönheit, das einen ganzen Kreis von Schutzpatronen um Jude versammelt, die alle wie Abziehbilder wirken könnten, dienten sie einzig der Schaffung eines Kontrastes zu dieser gebrochenen Persönlichkeit, in der alle anderen aber eine Schönheit erkennen, die ihre eigene weit übersteigt. Nur Jude akzeptiert das nicht, und dass man als Leser an ihm verzweifelt, wenn er an sich zweifelt, ist eine große literarische Leistung, denn die Faszination für ihn lässt bei der Lektüre ebenso wenig nach wie bei seinen Freunden. Es ist, als hätten wir einen unschuldigen Humbert Humbert vor uns.

Jude ist ein sexuelles Opfer, zunächst unschuldig als Kind, dann durch die verzweifelte Suche nach einer Liebe, die in Kategorien gegenseitiger Erfüllung gelebt wird, doch da er sich nicht öffnet, wird sein Schweigen auch ausgenutzt. Denn wo es Engel gibt wie die Menschen um Jude, da sind auch Teufel, drei an der Zahl in diesem Buch, die jeweils Jude vergewaltigen und im doppelten Sinne so zurichten, dass man keinen Menschen mehr in ihm erkennen kann. Und so sieht er sich denn auch selbst nicht mehr als einer.

Das alles hat Yanagihara neben euphorischer Begeisterung in den Vereinigten Staaten auch harsche Kritik eingetragen. Maßlosigkeit wird ihr vorgehalten, manichäische Figurenkonstruktion, und das stimmt, doch es ist meisterhaft, weil hier der uralte Konflikt von Gut und Böse auf eine Art durchgespielt wird, die zwischen den beiden Polen eine kleine Magnetnadel hin und her kreisen lässt, und es nie klar ist, wohin es Jude ziehen wird. Solche Unklarheit erzeugt Spannung. Moralische Unklarheit gestattet Yanagihara weder sich noch ihren Figuren.

Die Vergangenheit vergleicht Jude einmal - sehr spät im Buch und natürlich nur für sich - mit einer Krebserkrankung, die er nicht bekämpft, sondern ignoriert habe. Das ist wahr, doch zugleich auch eine der vielen ausgelegten Fährten in diesem Roman, die auf gängige Pfade der Psychologie zu führen scheinen. Tatsache aber ist, dass "Ein wenig Leben" alles andere als konventionelle Wege beschreitet, und das ist es, was verstörend daran wirken kann. So gibt es etwa, obwohl über mehr als ein halbes Jahrhundert erzählt wird, nur einen einzigen, wohl unfreiwilligen Hinweis auf die Handlungszeit: Es wird ein Kunstwerk des jungen JB erwähnt, das die "nuller Jahre" darstellt, so dass man wohl einen Handlungszeitraum von etwa 1990 bis 2050 ansetzen kann. Aber das Großartige ist, dass man keinen zeitlichen Bezug vermisst, dass sich auch gar nichts ändert: technisch oder politisch. Wir blicken in eine isolierte Erzählwelt, die aber deshalb allgemeingültig wirkt, weil sich darin Grundlegendes zur menschlichen Existenz abspielt.

Dass eine Frau ein Buch schreibt, das fast nur von Männern erzählt und dazu von Liebe jeder Art unter Männern - der bösesten wie der besten -, ohne dass Homosexualität problematisiert würde, das erweist "Ein wenig Leben" in Analogie zur Science-Fiction als Social Fiction, deren Pathos aus der Selbstsicherheit der ästhetischen wie gesellschaftlichen Ideale der Autorin herrührt. Diese mitreißende, aber auch alles verschlingende Emotionalität treibt ihre Literatur an und auch über die Grenzen. Das ist ein Kunststück. Uns tut keine Sekunde leid, die wir mit diesem Buch verbracht haben.

ANDREAS PLATTHAUS

Hanya Yanagihara: "Ein wenig Leben". Roman.

Aus dem Englischen von Stephan Kleiner. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2016. 958 S., geb., 28,- [Euro].

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»Es könnte ablenken vom eigenen Kummer und einen daran erinnern, dass auch andere Menschen schwere Schicksale haben - und dass man nie denken soll: Warum ich?« Zeit Wissen 20211207