Vielschichtiger und spannender Krimi mit Sogwirkung
Auf der kleinen Île Beaumont geschieht ein entsetzlicher Mord, die achtunddreißigjährige Touristin Apolline Chapuis wird tot aufgefunden, nackt an den Stamm eines Eukalyptusbaumes genagelt.
Zeitgleich taucht die geheimnisvolle Journalistin
Mathilde Monney auf der Insel auf, die aus unbekannten Gründen ein sehr großes Interesse an dem…mehrVielschichtiger und spannender Krimi mit Sogwirkung
Auf der kleinen Île Beaumont geschieht ein entsetzlicher Mord, die achtunddreißigjährige Touristin Apolline Chapuis wird tot aufgefunden, nackt an den Stamm eines Eukalyptusbaumes genagelt.
Zeitgleich taucht die geheimnisvolle Journalistin Mathilde Monney auf der Insel auf, die aus unbekannten Gründen ein sehr großes Interesse an dem Schriftsteller Nathan Fawles hat. Dieser hörte vor dreißig Jahren von einem Tag auf den anderen auf zu schreiben- nach der Veröffentlichung drei sehr erfolgreicher Bücher und dem Gewinn des Pulitzerpreises- und lebt nun extrem zurückgezogen auf der Insel. Auch Raphaël Bataille, der im Ort aushilfsweise in einer Buchhandlung arbeitet, sucht Kontakt zu dem geheimnisvollen Autor. Er hat ein Manuskript, „Die Unnahbarkeit der Baumkronen“, verfasst, das von mehreren Verlagen abgelehnt wurde und erhofft sich nun von Fawles professionelle Tipps, die es ihm dennoch ermöglichen, als Schriftsteller Fuß zu fassen.
Guillaume Musso ist für mich ein großartiger Erzähler. Er stellt die Geschichte auf ganz verschiedene Arten dar, aus der Perspektive Raphaëls, aus der Fawles, aber auch indem er Zeitungsausschnitte, Briefe oder andere Dokumente einfügt. Das gestaltet den Text abwechslungsreich und dadurch umso fesselnder. Musso widmet sich nicht nur dem aktuellen Geschehen des Falls. Er thematisiert auch im Diskurs immer wieder die Frage, was einen Schriftsteller, was das Schreiben ausmacht. In seinen Antworten zeigt sich seine besondere Fähigkeit, Dinge auf den Punkt zu bringen, zum Beispiel: Der Schriftsteller ist für einen Moment lang „ein Schöpfergott, der die Schicksale gestaltet und Protagonisten auch wieder vernichten kann“ oder „Das Schreiben strukturiert das Leben und die Gedanken, es bringt oft Ordnung in das Chaos des Daseins.“
Autor Guillaume Musso hat unter anderem mit Nathan Fawles, Mathilde Monney diverse Figuren erfunden, die alle sehr ambivalent erscheinen. Je mehr der Leser über sie erfährt, desto misstrauischer wird er ihnen gegenüber. Einem Puzzle gleich wird das Bild der Charaktere immer wieder erweitert und neu zusammengesetzt. Der Leser übernimmt, adaptiert teilweise Raphaëls Sicht, der Sympathieträger fungiert als recht neutraler Beobachter.
Die Handlung verdichtet sich zunehmend, immer mehr Fragen, verschiedene Zusammenhänge tauchen auf, bis alles ein stimmiges Ganzes ergibt und der vielschichtige Kriminalfall klar und logisch nachvollziehbar wird. Die Geschichte ist geschickt aufgebaut, die Spannung steigert sich kontinuierlich. Musso hat als „Schöpfergott“ ein fast perfektes logisches Konstrukt geschaffen, das auf solidem Fundament steht. Vielleicht hat er an ein paar Stellen ein wenig überkonstruiert und übertrieben. Das sei ihm aber verziehen, das Gesamtkonstrukt hält definitiv stand.
Interessant auch, wie Musso noch sich selbst als fiktiven Musso in den Epilog einbaut. Kurze Zeit war ich darüber so verwirrt, dass ich dachte, alles sei tatsächlich real.
Für mich ist „Ein Wort um dich zu retten“ viel mehr als ein „Strandbuch“, wie auf dem Klappentext das Magazin „Grazia“ zitiert wird. Musso beweist für mich erneut, dass sein Erfolg absolut gerechtfertigt ist: Nicht bloße mitreißende Unterhaltung, sondern oft ganz schön abgründig, intelligent aufgebaut und genau durchdacht. Und immer wieder nimmt Musso als Thema im Thema fast literaturwissenschaftlichen Bezug und stellt die Frage, was einen guten Autor auszeichnet und was Schreiben bedeutet. Absolut empfehlenswerter Krimi mit Sogwirkung, der über den Tellerrand des Genres hinausgeht.