Mit ironischem Blick auf die Sechzigerjahre beschreibt Genazino den Weg eines jungen Mannes: Weigand, der siebzehnjährige Ich-Erzähler ohne Vornamen, der wegen schlechter Noten vom Gymnasium fliegt und der Mutter zuliebe eine Lehrstelle bei einer Spedition annimmt. Eigentlich träumt Weigand aber von einem Leben als Schriftsteller. Und so beginnt er ein Doppelleben, angetrieben von drei Dingen, die es für ihn im Leben braucht: eine Frau, eine Wohnung und einen selbst geschriebenen Roman. Gelesen vom Autor selbst, haftet seiner Geschichte eine charmante Beiläufigkeit an.Ungekürzte Autorenlesung mit Wilhelm Genazino1 mp3-CD ca. 5 h 36 min
»Ein wahres Juwel und wohl das Beste, was Genazino je geschrieben hat.« Uwe Wittstock »Es gibt keinen Zweifel: Wer sich eine Bibliothek mit Weltliteratur in Form von Hörbüchern aufbauen möchte, kommt an dieser Edition nicht vorbei.« WDR 3 »Hier wird fündig, wer an Hörbuchproduktionen Freude hat, die nicht schnell hingeschludert sind, sondern mit einer Regie-Idee zum Text vom und für den Rundfunk produziert sind.« NDR KULTUR »Mehr Zeit hätte man ja immer gern, aber für diese schönen Hörbücher [...] besonders.« WAZ »Die Hörbuch-Edition 'Große Werke. Große Stimmen.' umfasst herausragende Lesungen deutschsprachiger Sprecherinnen und Sprecher, die in den Archiven der Rundfunkanstalten schlummern.« SAARLÄNDISCHER RUNDFUNK
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2003Torten, Torturen
"Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman": Wilhelm Genazino beschwört die alte Bundesrepublik
Auf dem Weg zu unserem Treffen hatte Wilhelm Genazino die U-Bahn genommen; und dann stiegen drei - wie er sie nannte - "fröhliche Musikanten" zu. Das hat ihm nicht gefallen, was aber nicht an der Musik lag, sondern an dem Gestus, mit dem die ungebetenen Spaßmacher ihm und allen Mitfahrern augenblicklich unterstellten, der Erheiterung dringend zu bedürfen, aber alleine nicht dafür sorgen zu können.
Solche Alltagszwischenfälle gibt es bei Genazino dauernd, und ganz besonders heftig empfindet er es, wenn die großen Unterhaltungsmaschinen des Fernsehens angeworfen werden und die Entertainer kommen: Dann fühle er sich als Zuschauer so, als werde er in ein Publikum eingemeindet, "das da sitzt, buchstäblich fertig vom Leben, und wartet, daß das humoristische Programm eröffnet wird". Genazino sorgt für seine Unterhaltung aber gerne selbst.
In seinem neuen, meisterhaften Buch "Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman", der in einer deutschen Provinzstadt der fünfziger Jahre spielt, gibt es zahlreiche Begegnungen mit den Frühformen der bundesrepublikanischen Frohsinnsindustrie, eigentlich sind es noch Frohsinnsmanufakturen - sei es die Eröffnung der italienischen Woche im lokalen Kaufhaus, ein JeKaMi-Abend in einer kleinen Bar oder ein Besuch von Rex Gildo zur Autogrammstunde im Schallplattenladen. Die zwar nur tastenden, noch unsicheren, aber den Protagonisten des Buchs schon schwer belästigenden Formen organisierter Fröhlichkeit mußten sich damals aber gegen einen Weltkriegsschrecken behaupten, der vielen Zeitgenossen wie dem gesamten Stadtbild noch ins Gesicht geschrieben stand.
Während die Unterhaltungsindustrie gut und allzugut lebt, liest sich die Beschreibung der bundesrepublikanischen Arbeitsgesellschaft wie eine Geschichte aus einer versunkenen Welt, in der es möglich war, in Redaktionen zu spazieren, um Aufträge als freier Journalist zu bekommen, in der Arbeiter und Angestellte getrennt lebten, und wer wohin gehört, sah man daran, ob einer beim Betriebsausflug aus der Flasche trank oder nach einem Glas verlangte.
Das Buch ist ein Bildungsroman aus einer Stadt, die zum Beispiel Mannheim sein könnte, die Heimatstadt des Autors, und erzählt davon, wie ein junger Mann sich von seiner Mutter artig eine Lehrstelle suchen läßt, die Bewerbungsgespräche und den Alltag als Lehrling verträumt, dann als freier Mitarbeiter einer Lokalzeitung arbeitet und schließlich - nach dem Selbstmord einer von ihm bewunderten Kollegin - Schriftsteller wird. Es ist vielleicht Genazinos bestes Buch, weil es in beeindruckender Klarheit all seine Motive kondensiert und einbettet in eine stringente Erzählung, wo man doch eine Zeitlang hätte befürchten mögen, daß er sich ganz dahin verlegt, Fragmente zu notieren. Jetzt gelingt es ihm, in knappen Sätzen die Geschichte exakt auf den Punkt zu bringen. Das geht beispielsweise so: Mutter und Sohn sitzen in der Küche. Der Sohn ist vom Gymnasium geflogen, hat noch keine Lehrstelle, will auch keine, sondern sowieso nur Schriftsteller werden oder wenigstens Journalist, also schickt er Texte an Zeitschriften. Gerade kamen mit der Post einige Umschläge mit abgelehnten Manuskripten. Sie liegen auf dem Küchentisch, Mutter und Sohn schweigen. "Erwünschte und unerwünschte Einsamkeiten flossen ineinander. Je stiller es wurde, desto mehr staute sich hinter der Ärmlichkeit des Tages die Vermutung von der Ärmlichkeit des ganzen Lebens. Diese Vermischungen durfte ich nicht zulassen. Ich nahm die Briefumschläge und verließ die Wohnung."
Das Draußen, die Innenstädte, die Fußgängerzonen und besonders deren Konditoreien, bietet bei Genazino indes kein befreiendes Gegenmodell zur drückenden Stille der Wohnküche. Es gibt keine schicke literarische Boheme in einer Stadt, die Mannheim sein könnte in den Fünfzigern, keine jedenfalls, die ein streunender Lehrling ohne weiteres gefunden hätte. Draußen sind weitere Szenen, Anekdoten und Beobachtungen, wie die von der Konditoreifachverkäuferin, die ihren Blick nicht von den sich drehenden, neonbeleuchteten Torten in der Kühlvitrine lassen kann; eine Folge von schrägen Eindrücken, die gleich wieder die Frage aufwerfen, ob hier der Spaziergänger komisch drauf ist - oder sind es die Verhältnisse? Auch das ein vertrautes Genazino-Mantra: In seiner großen, jetzt gerade wieder aufgelegten "Abschaffel"-Trilogie muß sich der Erzähler des öfteren fragen: "Warum war denn schon wieder alles so merkwürdig?"
Zu der in der Küche zurückgebliebenen Mutter gibt es dann noch folgende Passage: "Sie sah sich alle Filme von Liselotte Pulver an, manchmal nahm sie mich mit. In jedem Film war Liselotte Pulver lustig, zuversichtlich, schlagfertig, draufgängerisch, humorvoll und gewinnend. In allen Punkten war Mutter das krasse Gegenteil." Am Ende von "Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman" wartet der Erzähler auf das "Aufzucken des ersten Wortes" seines ersten Romans und ist damit schon zum Schriftsteller geworden.
Wilhelm Genazino ist das für seinen Teil schon sehr lange. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts gehörte er zum Team der "Pardon"-Autoren, aus dem später die Neue Frankfurter Schule um Robert Gernhardt und F. K. Waechter hervorgegangen ist. Aber Genazino ging dann doch lieber seinen eigenen Weg; er zieht vor und nach den Lesungen durch die Städte und beobachtet etwa die Verkäuferinnen in den Frankfurter Luxusboutiquen, die beide allein in ihrem Geschäft herumstehen, gähnende Leere, und nach draußen schauen, ob nicht doch mal ein Kunde käme. "Ja, es ist eben die Krise", stellt er dann trocken fest.
Über seine Karriere sagt er: "Man spielt abwechselnd auf mehreren Etagen. Man ist immer gleichzeitig ein beachteter und vergessener Autor. Drei Jahre später ist man wieder ein vergessener und beachteter Autor. Man ist immer alles gleichzeitig."
Und dann erzählt er auch von den Lesern, die nach seinen Lesungen zu ihm kommen und alles von ihm gelesen haben, und von den anderen, die auch nicht mehr ganz jung sind, die sagen, daß sie Zeitung lesen und das literarische Geschehen verfolgen, und die noch nie von ihm gehört haben. An dieser Stelle muß er dann fröhlich lachen, ganz hell klingt es, durch die ganze Konditorei.
NILS MINKMAR
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman": Wilhelm Genazino beschwört die alte Bundesrepublik
Auf dem Weg zu unserem Treffen hatte Wilhelm Genazino die U-Bahn genommen; und dann stiegen drei - wie er sie nannte - "fröhliche Musikanten" zu. Das hat ihm nicht gefallen, was aber nicht an der Musik lag, sondern an dem Gestus, mit dem die ungebetenen Spaßmacher ihm und allen Mitfahrern augenblicklich unterstellten, der Erheiterung dringend zu bedürfen, aber alleine nicht dafür sorgen zu können.
Solche Alltagszwischenfälle gibt es bei Genazino dauernd, und ganz besonders heftig empfindet er es, wenn die großen Unterhaltungsmaschinen des Fernsehens angeworfen werden und die Entertainer kommen: Dann fühle er sich als Zuschauer so, als werde er in ein Publikum eingemeindet, "das da sitzt, buchstäblich fertig vom Leben, und wartet, daß das humoristische Programm eröffnet wird". Genazino sorgt für seine Unterhaltung aber gerne selbst.
In seinem neuen, meisterhaften Buch "Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman", der in einer deutschen Provinzstadt der fünfziger Jahre spielt, gibt es zahlreiche Begegnungen mit den Frühformen der bundesrepublikanischen Frohsinnsindustrie, eigentlich sind es noch Frohsinnsmanufakturen - sei es die Eröffnung der italienischen Woche im lokalen Kaufhaus, ein JeKaMi-Abend in einer kleinen Bar oder ein Besuch von Rex Gildo zur Autogrammstunde im Schallplattenladen. Die zwar nur tastenden, noch unsicheren, aber den Protagonisten des Buchs schon schwer belästigenden Formen organisierter Fröhlichkeit mußten sich damals aber gegen einen Weltkriegsschrecken behaupten, der vielen Zeitgenossen wie dem gesamten Stadtbild noch ins Gesicht geschrieben stand.
Während die Unterhaltungsindustrie gut und allzugut lebt, liest sich die Beschreibung der bundesrepublikanischen Arbeitsgesellschaft wie eine Geschichte aus einer versunkenen Welt, in der es möglich war, in Redaktionen zu spazieren, um Aufträge als freier Journalist zu bekommen, in der Arbeiter und Angestellte getrennt lebten, und wer wohin gehört, sah man daran, ob einer beim Betriebsausflug aus der Flasche trank oder nach einem Glas verlangte.
Das Buch ist ein Bildungsroman aus einer Stadt, die zum Beispiel Mannheim sein könnte, die Heimatstadt des Autors, und erzählt davon, wie ein junger Mann sich von seiner Mutter artig eine Lehrstelle suchen läßt, die Bewerbungsgespräche und den Alltag als Lehrling verträumt, dann als freier Mitarbeiter einer Lokalzeitung arbeitet und schließlich - nach dem Selbstmord einer von ihm bewunderten Kollegin - Schriftsteller wird. Es ist vielleicht Genazinos bestes Buch, weil es in beeindruckender Klarheit all seine Motive kondensiert und einbettet in eine stringente Erzählung, wo man doch eine Zeitlang hätte befürchten mögen, daß er sich ganz dahin verlegt, Fragmente zu notieren. Jetzt gelingt es ihm, in knappen Sätzen die Geschichte exakt auf den Punkt zu bringen. Das geht beispielsweise so: Mutter und Sohn sitzen in der Küche. Der Sohn ist vom Gymnasium geflogen, hat noch keine Lehrstelle, will auch keine, sondern sowieso nur Schriftsteller werden oder wenigstens Journalist, also schickt er Texte an Zeitschriften. Gerade kamen mit der Post einige Umschläge mit abgelehnten Manuskripten. Sie liegen auf dem Küchentisch, Mutter und Sohn schweigen. "Erwünschte und unerwünschte Einsamkeiten flossen ineinander. Je stiller es wurde, desto mehr staute sich hinter der Ärmlichkeit des Tages die Vermutung von der Ärmlichkeit des ganzen Lebens. Diese Vermischungen durfte ich nicht zulassen. Ich nahm die Briefumschläge und verließ die Wohnung."
Das Draußen, die Innenstädte, die Fußgängerzonen und besonders deren Konditoreien, bietet bei Genazino indes kein befreiendes Gegenmodell zur drückenden Stille der Wohnküche. Es gibt keine schicke literarische Boheme in einer Stadt, die Mannheim sein könnte in den Fünfzigern, keine jedenfalls, die ein streunender Lehrling ohne weiteres gefunden hätte. Draußen sind weitere Szenen, Anekdoten und Beobachtungen, wie die von der Konditoreifachverkäuferin, die ihren Blick nicht von den sich drehenden, neonbeleuchteten Torten in der Kühlvitrine lassen kann; eine Folge von schrägen Eindrücken, die gleich wieder die Frage aufwerfen, ob hier der Spaziergänger komisch drauf ist - oder sind es die Verhältnisse? Auch das ein vertrautes Genazino-Mantra: In seiner großen, jetzt gerade wieder aufgelegten "Abschaffel"-Trilogie muß sich der Erzähler des öfteren fragen: "Warum war denn schon wieder alles so merkwürdig?"
Zu der in der Küche zurückgebliebenen Mutter gibt es dann noch folgende Passage: "Sie sah sich alle Filme von Liselotte Pulver an, manchmal nahm sie mich mit. In jedem Film war Liselotte Pulver lustig, zuversichtlich, schlagfertig, draufgängerisch, humorvoll und gewinnend. In allen Punkten war Mutter das krasse Gegenteil." Am Ende von "Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman" wartet der Erzähler auf das "Aufzucken des ersten Wortes" seines ersten Romans und ist damit schon zum Schriftsteller geworden.
Wilhelm Genazino ist das für seinen Teil schon sehr lange. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts gehörte er zum Team der "Pardon"-Autoren, aus dem später die Neue Frankfurter Schule um Robert Gernhardt und F. K. Waechter hervorgegangen ist. Aber Genazino ging dann doch lieber seinen eigenen Weg; er zieht vor und nach den Lesungen durch die Städte und beobachtet etwa die Verkäuferinnen in den Frankfurter Luxusboutiquen, die beide allein in ihrem Geschäft herumstehen, gähnende Leere, und nach draußen schauen, ob nicht doch mal ein Kunde käme. "Ja, es ist eben die Krise", stellt er dann trocken fest.
Über seine Karriere sagt er: "Man spielt abwechselnd auf mehreren Etagen. Man ist immer gleichzeitig ein beachteter und vergessener Autor. Drei Jahre später ist man wieder ein vergessener und beachteter Autor. Man ist immer alles gleichzeitig."
Und dann erzählt er auch von den Lesern, die nach seinen Lesungen zu ihm kommen und alles von ihm gelesen haben, und von den anderen, die auch nicht mehr ganz jung sind, die sagen, daß sie Zeitung lesen und das literarische Geschehen verfolgen, und die noch nie von ihm gehört haben. An dieser Stelle muß er dann fröhlich lachen, ganz hell klingt es, durch die ganze Konditorei.
NILS MINKMAR
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.04.2003Die halbbitteren Lehren des Lebens
„Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman”: Wilhelm Genazinos Bildungsroman im Bonsai-Format
Die bürgerliche Frage nach der Berufswahl ist der eigentliche Sitz im Leben für das sublime, typisch deutsche Genre des Bildungsromans. „Was soll der Junge einmal werden?” Diese Frage steht an seinem Ursprung. Aus ihr entwickelt sich dann jenes immer höherstufige Geschiebe zwischen Kontor und Kunst, Sittlichkeit und Abenteuerlust, Enge und Weite, Ästhetik und Ethik, welches – beim Durchlauf durch eine ganze wirkliche und geistige Welt – den Bildungsroman oft so geräumig und abgründig machte. Seine Helden, die Wilhelme und Heinriche, entschieden sich dann unter Schmerzen meist doch für den bürgerlichen Beruf, wurden Arzt oder Kaufmann, anstatt mit der Theatertruppe weiterzuziehen oder sich der Malerei hinzugeben. Und zu dieser Wendung ins Diesseitig-Nützliche läuteten dann gern noch Hochzeitsglocken.
Wilhelm Genazino hat in seiner Erzählung „Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman” diese klassische Konstellation auf eine unangestrengte, überhaupt nicht bildungshuberische Weise erneuert und in eine deutsche Mittelstadt der späten Adenauer-Zeit um 1960 verlegt. Schon dass dieses Buch so kurz ist und das gewaltige Genre, auf das es sich bezieht, im Bonsai-Format rekonstruiert, passt zur Epoche des Rosen züchtenden Kanzlers. Es geht um ein paar entscheidende Monate im Leben eines Siebzehnjährigen, der eine Lehre als Speditionskaufmann anfängt, parallel für die örtliche Zeitung schreibt, erste eher frostige Liebeserfahrungen absolviert und am Ende – nach damaligen Begriffen noch nicht einmal volljährig – eine eigene kleine Wohnung bezieht, um dort einen Roman zu schreiben. Alles, was Genazinos Bücher so reizvoll macht, die Beobachtungsgabe im Detail, die musivische Schreibart, Zartheit, Eleganz, Humor, findet sich auch hier; dazu kommt aber diesmal eine „Entwicklung”, die in ihren Halbtonrückungen nachgezeichnete Veränderung einer Person, ihr Festwerden. Der Titel spielt unüberhörbar auf eine ehrenfeste bürgerliche Maxime an: Drei Dinge solle ein Mensch in seinem Leben tun – ein Haus bauen, ein Kind zeugen und ein Buch schreiben.
Die erste Szene ist ein Bewerbungsgespräch. Die Mutter stellt ihren von der Schule geflogenen Sohn dem Geschäftsführer einer Großgärtnerei vor. Während des mühselig stockenden Wortwechsels beobachtet der junge Ich-Erzähler durch das Fenster, wie draußen ein Werbeplakat aufgeklebt wird. „Es war ein riesiges buntes Plakat für eine Halbbitter-Schokolade. Es dauerte keine halbe Minute, dann war ich in das Wort halbbitter vertieft. Ich begriff, dass ich mich selbst in einer halbbitteren Situation befand und dass das Plakat mir half, meine Lage zu verstehen.” Der Geschäftsführer kann sich nicht dazu durchringen, einen so verträumten Burschen einzustellen.
Der Frohsinn dreht auf
Die traditionelle Unentschiedenheit und Passivität des Bildungsromanhelden hat Genazino in diese lyrische Ablenkbarkeit durch die Minuzien der Alltagswelt verwandelt. Und da es sich um den Alltag in einem präzisen historischen Ambiente handelt, bietet die beobachtende Ablenkbarkeit seines Helden Genazino die Gelegenheit, über die vielen kleinen Dinge einer stummen poetischen Dingwelt den Sepiaton des tief Vergangenen zu legen. Schon das ist eine Quelle unablässigen Entzückens in diesem Buch. Es erlöst das, was längst als „Muff” oder restaurative Enge jener Zeit abgetan ist, aus seiner Existenz unterm Gerümpel der Geschichte. Aus Trödel wird Eleganz, und nach diesem Prinzip rettender Erinnerung lässt er eine komplette städtische Welt erstehen.
Der Ich-Erzähler, der schließlich eine Lehrstelle bei einem Spediteur findet, hat einen bevorzugten Aussichtspunkt auf diese Welt: Denn gleichzeitig beginnt er ein anspruchsvolles Nebenleben als Lokalreporter. Die örtliche Tageszeitung ließ sich von seinen eingereichten Textproben überzeugen und schickt ihn nun zu den verschiedensten Terminen: Eröffnung der italienischen Woche im Kaufhaus; Autogrammstunde mit Rex Gildo; Demonstration zum 1. Mai; Premiere eines Peter-Alexander-Films. So entsteht ein fast Arno-Schmidt-haft dichtes, nur eben nicht bitteres oder halbbitteres, sondern zartkomisches Sittenbild der Konsumkultur auf dem ersten Höhepunkt des Wirtschaftswunders – neben den gestochen scharfen Aufnahmen aus zwei Arbeitswelten, der des Speditionshandels und der einer Redaktion.
Das ist alles schon stofflich ungeheuer interessant, und es ersetzt das eine oder andere Geschichtsbuch. Der historische Moment ist genau festgehalten: Auf den ausgezehrten Gesichtern mancher Menschen erkennt der Ich- Erzähler noch das „eingestandene Entsetzen” der Nachkriegszeit. „Es gab weit und breit niemanden, der von ihnen verlangte, dass sie fröhlich, erfolgreich, lustig, optimistisch oder sonstwie sein sollten.” Doch im selben Augenblick dreht der Frohsinn schon auf, mit Peter Alexander und Rex Gildo; Rockkonzerte toben in den Kellern. Auf Partys trifft man Figuren wie den Lyriker Rolf Schube – liegt in diesem Namen nicht schon die ganze Geisteswelt der Nachkriegszeit? –, der darüber peroriert, dass Benn, Ezra Pound und Saint-John- Perse „gute Anlagen” hätten, „aber nicht zum Kern der modernen Existenz vorgedrungen seien”.
Literatur steht in dieser Gesellschaft hoch im Kurs, nicht wenige der Schreibenden in den Lokalblättern haben eingestandenermaßen einen Roman in Arbeit, und mit Vorträgen zu Kafka oder Dickens hält der Ich-Erzähler seine Freundin bei Laune. Der Chefredakteur weiß auch, was sein Lokalblatt da allenfalls bedeutet: Stimmungsbilder mit „Kitschpfützen” solle der Reporter liefern, bloß keine Analysen. Kultur ist noch gestuft und gestaffelt in dieser Welt.
Wie geht der Seelenkampf zwischen Spedition und Lokalblatt aus? Gegen die Erwartung. Der junge Literat schlägt ein Angebot zur Festanstellung bei der Zeitung aus. Ihn stört der Zwang zur beschönigenden Lüge beim journalistischen Schreiben, der gar nicht versteckte Hochmut dahinter. Das Buch exponiert diese Entscheidung als eine fürs wahre Leben und die wahre Kunst zugleich. Immer mehr Schönheit entdeckt der junge Mann, wenn er zweckfrei beobachtet; und er hat genug Kafka in sich, um die Tarnexistenz als Angestellter zu schätzen. Er will sich zu seinem Leben „als ein Lauschender verhalten”. Es entzückt ihn, wenn ein Arbeiter das Wort „Gefühl” wie „Gefäul” ausspricht – wer zu solcher Freude begabt ist, braucht nicht den Beruf des Literaten zu ergreifen, und nie wird er in Kitschpfützen treten mögen. Genazinos stiller Bildungsroman endet mit einer Harmonie von Kunst und Leben, die dem Genre seine letzte Wendung gibt.
GUSTAVSEIBT
WILHELM GENAZINO: Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman. Roman. Hanser Verlag, München 2003. 160 Seiten, 15,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
„Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman”: Wilhelm Genazinos Bildungsroman im Bonsai-Format
Die bürgerliche Frage nach der Berufswahl ist der eigentliche Sitz im Leben für das sublime, typisch deutsche Genre des Bildungsromans. „Was soll der Junge einmal werden?” Diese Frage steht an seinem Ursprung. Aus ihr entwickelt sich dann jenes immer höherstufige Geschiebe zwischen Kontor und Kunst, Sittlichkeit und Abenteuerlust, Enge und Weite, Ästhetik und Ethik, welches – beim Durchlauf durch eine ganze wirkliche und geistige Welt – den Bildungsroman oft so geräumig und abgründig machte. Seine Helden, die Wilhelme und Heinriche, entschieden sich dann unter Schmerzen meist doch für den bürgerlichen Beruf, wurden Arzt oder Kaufmann, anstatt mit der Theatertruppe weiterzuziehen oder sich der Malerei hinzugeben. Und zu dieser Wendung ins Diesseitig-Nützliche läuteten dann gern noch Hochzeitsglocken.
Wilhelm Genazino hat in seiner Erzählung „Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman” diese klassische Konstellation auf eine unangestrengte, überhaupt nicht bildungshuberische Weise erneuert und in eine deutsche Mittelstadt der späten Adenauer-Zeit um 1960 verlegt. Schon dass dieses Buch so kurz ist und das gewaltige Genre, auf das es sich bezieht, im Bonsai-Format rekonstruiert, passt zur Epoche des Rosen züchtenden Kanzlers. Es geht um ein paar entscheidende Monate im Leben eines Siebzehnjährigen, der eine Lehre als Speditionskaufmann anfängt, parallel für die örtliche Zeitung schreibt, erste eher frostige Liebeserfahrungen absolviert und am Ende – nach damaligen Begriffen noch nicht einmal volljährig – eine eigene kleine Wohnung bezieht, um dort einen Roman zu schreiben. Alles, was Genazinos Bücher so reizvoll macht, die Beobachtungsgabe im Detail, die musivische Schreibart, Zartheit, Eleganz, Humor, findet sich auch hier; dazu kommt aber diesmal eine „Entwicklung”, die in ihren Halbtonrückungen nachgezeichnete Veränderung einer Person, ihr Festwerden. Der Titel spielt unüberhörbar auf eine ehrenfeste bürgerliche Maxime an: Drei Dinge solle ein Mensch in seinem Leben tun – ein Haus bauen, ein Kind zeugen und ein Buch schreiben.
Die erste Szene ist ein Bewerbungsgespräch. Die Mutter stellt ihren von der Schule geflogenen Sohn dem Geschäftsführer einer Großgärtnerei vor. Während des mühselig stockenden Wortwechsels beobachtet der junge Ich-Erzähler durch das Fenster, wie draußen ein Werbeplakat aufgeklebt wird. „Es war ein riesiges buntes Plakat für eine Halbbitter-Schokolade. Es dauerte keine halbe Minute, dann war ich in das Wort halbbitter vertieft. Ich begriff, dass ich mich selbst in einer halbbitteren Situation befand und dass das Plakat mir half, meine Lage zu verstehen.” Der Geschäftsführer kann sich nicht dazu durchringen, einen so verträumten Burschen einzustellen.
Der Frohsinn dreht auf
Die traditionelle Unentschiedenheit und Passivität des Bildungsromanhelden hat Genazino in diese lyrische Ablenkbarkeit durch die Minuzien der Alltagswelt verwandelt. Und da es sich um den Alltag in einem präzisen historischen Ambiente handelt, bietet die beobachtende Ablenkbarkeit seines Helden Genazino die Gelegenheit, über die vielen kleinen Dinge einer stummen poetischen Dingwelt den Sepiaton des tief Vergangenen zu legen. Schon das ist eine Quelle unablässigen Entzückens in diesem Buch. Es erlöst das, was längst als „Muff” oder restaurative Enge jener Zeit abgetan ist, aus seiner Existenz unterm Gerümpel der Geschichte. Aus Trödel wird Eleganz, und nach diesem Prinzip rettender Erinnerung lässt er eine komplette städtische Welt erstehen.
Der Ich-Erzähler, der schließlich eine Lehrstelle bei einem Spediteur findet, hat einen bevorzugten Aussichtspunkt auf diese Welt: Denn gleichzeitig beginnt er ein anspruchsvolles Nebenleben als Lokalreporter. Die örtliche Tageszeitung ließ sich von seinen eingereichten Textproben überzeugen und schickt ihn nun zu den verschiedensten Terminen: Eröffnung der italienischen Woche im Kaufhaus; Autogrammstunde mit Rex Gildo; Demonstration zum 1. Mai; Premiere eines Peter-Alexander-Films. So entsteht ein fast Arno-Schmidt-haft dichtes, nur eben nicht bitteres oder halbbitteres, sondern zartkomisches Sittenbild der Konsumkultur auf dem ersten Höhepunkt des Wirtschaftswunders – neben den gestochen scharfen Aufnahmen aus zwei Arbeitswelten, der des Speditionshandels und der einer Redaktion.
Das ist alles schon stofflich ungeheuer interessant, und es ersetzt das eine oder andere Geschichtsbuch. Der historische Moment ist genau festgehalten: Auf den ausgezehrten Gesichtern mancher Menschen erkennt der Ich- Erzähler noch das „eingestandene Entsetzen” der Nachkriegszeit. „Es gab weit und breit niemanden, der von ihnen verlangte, dass sie fröhlich, erfolgreich, lustig, optimistisch oder sonstwie sein sollten.” Doch im selben Augenblick dreht der Frohsinn schon auf, mit Peter Alexander und Rex Gildo; Rockkonzerte toben in den Kellern. Auf Partys trifft man Figuren wie den Lyriker Rolf Schube – liegt in diesem Namen nicht schon die ganze Geisteswelt der Nachkriegszeit? –, der darüber peroriert, dass Benn, Ezra Pound und Saint-John- Perse „gute Anlagen” hätten, „aber nicht zum Kern der modernen Existenz vorgedrungen seien”.
Literatur steht in dieser Gesellschaft hoch im Kurs, nicht wenige der Schreibenden in den Lokalblättern haben eingestandenermaßen einen Roman in Arbeit, und mit Vorträgen zu Kafka oder Dickens hält der Ich-Erzähler seine Freundin bei Laune. Der Chefredakteur weiß auch, was sein Lokalblatt da allenfalls bedeutet: Stimmungsbilder mit „Kitschpfützen” solle der Reporter liefern, bloß keine Analysen. Kultur ist noch gestuft und gestaffelt in dieser Welt.
Wie geht der Seelenkampf zwischen Spedition und Lokalblatt aus? Gegen die Erwartung. Der junge Literat schlägt ein Angebot zur Festanstellung bei der Zeitung aus. Ihn stört der Zwang zur beschönigenden Lüge beim journalistischen Schreiben, der gar nicht versteckte Hochmut dahinter. Das Buch exponiert diese Entscheidung als eine fürs wahre Leben und die wahre Kunst zugleich. Immer mehr Schönheit entdeckt der junge Mann, wenn er zweckfrei beobachtet; und er hat genug Kafka in sich, um die Tarnexistenz als Angestellter zu schätzen. Er will sich zu seinem Leben „als ein Lauschender verhalten”. Es entzückt ihn, wenn ein Arbeiter das Wort „Gefühl” wie „Gefäul” ausspricht – wer zu solcher Freude begabt ist, braucht nicht den Beruf des Literaten zu ergreifen, und nie wird er in Kitschpfützen treten mögen. Genazinos stiller Bildungsroman endet mit einer Harmonie von Kunst und Leben, die dem Genre seine letzte Wendung gibt.
GUSTAVSEIBT
WILHELM GENAZINO: Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman. Roman. Hanser Verlag, München 2003. 160 Seiten, 15,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Der Held ist siebzehn und hat noch Träume. Ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und ein Kind zeugen will er offenbar nicht, das verrät schon der Titel. Eine Lehrstelle, wozuihn die Mutter drängt, auch nicht. Er will schreiben. Und so stolpert der halbstarke Flaneur und Schulabbrecher mit offenen Augen durchs Leben, entdeckt die Macht der Poesie in scheinbar zufälligen Begebenheiten. Mit melancholischem Humor erzählt der Autor von großen Sehnsüchten und kleine Fluchten aus dem Alltag eines Taugenichts. (Hörzu)
"Für mich eines der schönsten Bücher in diesem Frühjahr." Tilman Spreckelsen im Literatur im Foyer, Südwest Fernsehen, 21.03.03
"Sein neues, meisterhaftes Buch. ... Es ist vielleicht Genazinos bestes Buch, weil es in beeindruckender Klarheit all seine Motive kondensiert." Nils Minkmar, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.03.03
"Ein neuer Genazino, und das ist seit Jahr und Tag ein verlässliches Markenzeichen ... Was für ein mit Anspielungen an die Weltliteraturgeschichte aufgeladenes Pensum, und wie sanft und unscheinbar, fast beiläufig wird es erledigt." Reinhard Baumgart, Die Zeit, 20.03.03
"Ein wahres Juwel und wohl das Beste, was Genazino je geschrieben hat: Eine gelungene Mischung aus ironisch funkelndem Künstlerroman, aus zarter, untergangsgeweihter Liebesgeschichte und aus einer suggestiven 'Vergegenwärtigung der frühen sechziger Jahre. ... frisch und beschwingt." Uwe Wittstock, Die Welt, 15.03.03
"Das wundervolle Porträt eines Künstlers als Lehrling des Lebens" Martin Lüdke, Frankfurter Rundschau, 22.03.03
"Genazinos jüngste Prosa ist schön, wahr und weit mehr als nur interessant." Jochen Hörisch, Literaturen, 7/8 2003
"Ein großartiges, ein gewichtiges und schwebendes Buch ... Genazinos Bücher erwecken den Eindruck einer traumwandlerischen Leichtigkeit. Genazino beherrscht eine Kunst des Nebenbei, die die Hauptsache trifft. Die Beiläufigkeit, mit der hier filigran erzählt wird, erinnert zuweilen an den heiter-melancholischen Charme französischer Filme, zuweilen an den auf dem Papier spazieren gehenden Robert Walser. Es gibt nicht viele zeitgenössische Autoren, die einen so prägnanten Ton entwickelt haben." Ulrich Rüdenauer, Tagesspiegel, 13.04.03
"Unpathetisch, mit leisem Humor und jener hochoriginellen sprachlichen Prägnanz, die nur auf den ersten Blick simpel erscheint und Genazino berühmt gemacht hat." Julia Kospach, Profil, 24.03.03
"Manche Sätze möchte man sich wie Glücksbringer in die Jackentasche stecken." Natascha Freundel, Berliner Zeitung, 18.03.03
"Ein aufregendes Buch, vielleicht das aufregendste, das dieser Chronist der Zwangsneurosen, der Normalität und ihrer Nebenwege, der "Gesamtmerkwürdigkeit des Lebens" bislang geschrieben hat." Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.04.03
"Ein weiterer Prosa-Meisterstreich Wilhelm Genazinos ... seine Sätze - Delikatessen ... dass man sich glücklich, schwindlig und süchtig liest an der Akkuratesse von Genazino-Sätzen." Heinz Schafroth, Basler Zeitung, 02.05.03
"Wilhelm Genazino erzählt mitreißend vom Erwachsenwerden in der jungen Bundesrepublik. ... Genazino ist der große, stille Chronist der Bundesrepublik. Der schweigsame Träumer aus Heidelberg erweist sich auch in diesem Buch als einer der stärksten deutschen Erzähler." Volker Hage, Der Spiegel, 12.05.03
"Er hat der von einer milden Melancholie eingefärbten Geschichte in schönster Beiläufigkeit eine Reflexion auf das zutiefst Humane des Erzählens eingeschrieben und er hat ein wunderbares Selbstporträt geschaffen." Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung, 29./30.03.03
"Ein begeisternd intensives Porträt der späten Adenauer-Ära - ein Stück literarische Geschichtsvergegenwärtigung wie es hier zu Lande leider viel zu selten geschrieben wird." Uwe Wittstock, Die Welt, 04.06.04
"Sein neues, meisterhaftes Buch. ... Es ist vielleicht Genazinos bestes Buch, weil es in beeindruckender Klarheit all seine Motive kondensiert." Nils Minkmar, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.03.03
"Ein neuer Genazino, und das ist seit Jahr und Tag ein verlässliches Markenzeichen ... Was für ein mit Anspielungen an die Weltliteraturgeschichte aufgeladenes Pensum, und wie sanft und unscheinbar, fast beiläufig wird es erledigt." Reinhard Baumgart, Die Zeit, 20.03.03
"Ein wahres Juwel und wohl das Beste, was Genazino je geschrieben hat: Eine gelungene Mischung aus ironisch funkelndem Künstlerroman, aus zarter, untergangsgeweihter Liebesgeschichte und aus einer suggestiven 'Vergegenwärtigung der frühen sechziger Jahre. ... frisch und beschwingt." Uwe Wittstock, Die Welt, 15.03.03
"Das wundervolle Porträt eines Künstlers als Lehrling des Lebens" Martin Lüdke, Frankfurter Rundschau, 22.03.03
"Genazinos jüngste Prosa ist schön, wahr und weit mehr als nur interessant." Jochen Hörisch, Literaturen, 7/8 2003
"Ein großartiges, ein gewichtiges und schwebendes Buch ... Genazinos Bücher erwecken den Eindruck einer traumwandlerischen Leichtigkeit. Genazino beherrscht eine Kunst des Nebenbei, die die Hauptsache trifft. Die Beiläufigkeit, mit der hier filigran erzählt wird, erinnert zuweilen an den heiter-melancholischen Charme französischer Filme, zuweilen an den auf dem Papier spazieren gehenden Robert Walser. Es gibt nicht viele zeitgenössische Autoren, die einen so prägnanten Ton entwickelt haben." Ulrich Rüdenauer, Tagesspiegel, 13.04.03
"Unpathetisch, mit leisem Humor und jener hochoriginellen sprachlichen Prägnanz, die nur auf den ersten Blick simpel erscheint und Genazino berühmt gemacht hat." Julia Kospach, Profil, 24.03.03
"Manche Sätze möchte man sich wie Glücksbringer in die Jackentasche stecken." Natascha Freundel, Berliner Zeitung, 18.03.03
"Ein aufregendes Buch, vielleicht das aufregendste, das dieser Chronist der Zwangsneurosen, der Normalität und ihrer Nebenwege, der "Gesamtmerkwürdigkeit des Lebens" bislang geschrieben hat." Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.04.03
"Ein weiterer Prosa-Meisterstreich Wilhelm Genazinos ... seine Sätze - Delikatessen ... dass man sich glücklich, schwindlig und süchtig liest an der Akkuratesse von Genazino-Sätzen." Heinz Schafroth, Basler Zeitung, 02.05.03
"Wilhelm Genazino erzählt mitreißend vom Erwachsenwerden in der jungen Bundesrepublik. ... Genazino ist der große, stille Chronist der Bundesrepublik. Der schweigsame Träumer aus Heidelberg erweist sich auch in diesem Buch als einer der stärksten deutschen Erzähler." Volker Hage, Der Spiegel, 12.05.03
"Er hat der von einer milden Melancholie eingefärbten Geschichte in schönster Beiläufigkeit eine Reflexion auf das zutiefst Humane des Erzählens eingeschrieben und er hat ein wunderbares Selbstporträt geschaffen." Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung, 29./30.03.03
"Ein begeisternd intensives Porträt der späten Adenauer-Ära - ein Stück literarische Geschichtsvergegenwärtigung wie es hier zu Lande leider viel zu selten geschrieben wird." Uwe Wittstock, Die Welt, 04.06.04
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Für Rezensentin Felicitas von Lovenberg ist dieses zauberhaft leichte, unsentimentale Werk das vielleicht aufregendste Buch, das Genazino, ("dieser Chronist der Zwangsneurosen") bislang geschrieben hat. Zwar passiere augenscheinlich eher wenig in dieser Geschichte einer Initiation in einer deutschen Provinzstadt der frühen Sechziger. Der junge Held des Buchs, Weigand, der einen Roman schreiben will, hat für die Rezensentin deutlich autobiografische Züge und wäre keine Genazino-Figur, wenn er nicht auch ein "unbedarfter, unbeholfener, sehnsüchtig Liebender" wäre. Die Rezensentin liebt den Autor und auch seinen Protagonisten dafür, dass sich unter deren Blick jede noch so gewöhnliche Existenz in einen "anmutigen Prosafluss" verwandelt. Darin liegt die Besonderheit Genazinos für sie: In seiner Fähigkeit, "eine tröstliche Welt von außergewöhnlicher Gewöhnlichkeit" beschreiben zu können.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH