Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 1,00 €
  • Audio CD

Ein Mann, der die Gletscher so sehr liebt, dass er an ihrem Sterben verzweifelt: Zeno hat sein Leben als Glaziologe einem Alpengletscher gewidmet. Als das Sterben seines Gletschers nicht mehr aufzuhalten ist, heuert er auf einem Kreuzfahrtschiff an, um Touristen die Wunder der Antarktis zu erklären. Doch auf seiner Reise verzweifelt er an der Ignoranz der Urlauber, der mangelnden Achtung vor der fremden Welt und der fortschreitenden Schmelze des Eises. Ilija Trojanows neuer Roman erzählt mit gewaltiger Wortkunst von einem Mann, der auszieht, um für die Gletscher zu kämpfen. Ein poetischer und…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Ein Mann, der die Gletscher so sehr liebt, dass er an ihrem Sterben verzweifelt: Zeno hat sein Leben als Glaziologe einem Alpengletscher gewidmet. Als das Sterben seines Gletschers nicht mehr aufzuhalten ist, heuert er auf einem Kreuzfahrtschiff an, um Touristen die Wunder der Antarktis zu erklären. Doch auf seiner Reise verzweifelt er an der Ignoranz der Urlauber, der mangelnden Achtung vor der fremden Welt und der fortschreitenden Schmelze des Eises.
Ilija Trojanows neuer Roman erzählt mit gewaltiger Wortkunst von einem Mann, der auszieht, um für die Gletscher zu kämpfen. Ein poetischer und leidenschaftlicher Roman über die Erhabenheit der Natur und die Gefährdung unserer Welt.
Inszenierte Lesung mit Ilija Trojanow und anderen Mitwirkenden, mit eigens komponierter Musik von Hans Huyssen
Autorenporträt
Ilija Trojanow, geb. 1965 in Bulgarien, aufgewachsen in Kenia, studierte und arbeitete viele Jahre in Deutschland. Seit 1998 lebt er in Bombay. Trojanow ist Autor, Herausgeber und Verleger. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit afrikanischer Geschichte, Kultur und Literatur. Der Autor erhielt zahlreiche Preise: 1995 den Bertelsmann-Literaturpreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt, ein Aufenthaltsstipendium im Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf sowie ein Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds e.V., 1996 den Marburger Literaturpreis, 1997 den Viktor-von-Scheffel-Preis und Thomas-Valentin-Preis der Stadt Lippstadt und 2000 den Adelbert-von-Chamisso-Preis. 2009 wurde ihm der Preis der Literaturhäuser verliehen und 2010 wurde er als 'poetischer Chronist der großen Exil- und Migrationsphänomene der Moderne' mit dem Würth-Preis geehrt.
Trackliste
CD 1
1Titel 100:06:58
2Titel 200:06:50
3Titel 300:04:37
4Titel 400:05:11
5Titel 500:01:51
6Titel 600:02:31
7Titel 700:05:15
8Titel 800:07:48
9Titel 900:02:02
10Titel 1000:04:13
11Titel 1100:05:29
12Titel 1200:05:25
13Titel 1300:04:46
14Titel 1400:03:46
15Titel 1500:06:19
16Titel 1600:02:07
17Titel 1700:02:36
CD 2
1Titel 1800:04:40
2Titel 1900:04:22
3Titel 2000:03:30
4Titel 2100:07:34
5Titel 2200:03:28
6Titel 2300:07:48
7Titel 2400:02:36
8Titel 2500:03:02
9Titel 2600:03:02
10Titel 2700:08:03
11Titel 2800:08:19
12Titel 2900:02:43
13Titel 3000:05:07
14Titel 3100:02:08
15Titel 3200:04:55
16Titel 3300:04:17
17Titel 3400:03:42
CD 3
1Titel 3500:02:40
2Titel 3600:03:13
3Titel 3700:04:55
4Titel 3800:02:09
5Titel 3900:03:31
6Titel 4000:04:52
7Titel 4100:04:09
8Titel 4200:08:05
9Titel 4300:04:16
10Titel 4400:06:36
11Titel 4500:02:25
12Titel 4600:04:43
13Titel 4700:04:04
14Titel 4800:06:15
15Titel 4900:04:13
16Titel 5000:03:28
17Titel 5100:02:48
18Titel 5200:06:21
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.2011

Warten auf eine neue Eiszeit

In den Romanen von Jo Lendle und Ilija Trojanow finden Männer ihr Glück im ewigen Eis - einmal zur Freude der Leser, einmal nicht.

Dass einer, der reist, davon auch zu erzählen hat, ist sprichwörtlich verbürgt. Dass sich aber, je leichter inzwischen noch die entlegensten Ziele zu erreichen sind, das Erzählen umso weniger auf das bloße Schildern des Ziels zurückziehen kann, ist ebenso evident. Und so ist die Erfahrung aus zweihundert Jahren Reisepublizistik die einer fortgesetzten Entzauberung: Wer heute noch das Lesepublikum durch einen dürren Bericht über seine Reise zu den Nilquellen fesseln kann, ist ein Genie. Und wenn inzwischen beim Nacherzählen historischer Entdeckungsfahrten gewöhnlich ein wesentlicher Punkt in der Darstellung all dessen liegt, was damals schwerer war, das Ertragen extremer Witterung, die mangelnde Kommunikation mit der Außenwelt, die Unsicherheit über die Rückkehr, dann verliert gleichzeitig die schiere Landschaft einen Teil ihrer Faszination. Nach Legionen von Bildbänden meinen wir sie zu kennen. Auch wenn die abgelegensten Orte der Erde, die Polkappen, gegenwärtig einem Wandel unterworfen sind, dessen Folgen noch unabsehbar sind.

In diesem Spannungsfeld sind zwei Romane verortet, die nun beinahe gleichzeitig erschienen sind: Ilija Trojanows "Eistau" schildert die Reise eines Gletscherforschers, der mit einem Kreuzfahrtschiff als Lektor in die Antarktis unterwegs ist und dabei zwischen Faszination für die besuchte Region und Ekel vor der Dekadenz dieser Reise schwankt, bis er sich zu einem radikalen Schritt entscheidet: Er nutzt die kurzzeitige Abwesenheit von Passagieren und Mannschaft, um das leere Schiff zu kapern und die Touristen in der antarktischen Wüste zurückzulassen.

Jo Lendles "Alles Land" dagegen greift zurück in die Zeit, als der Wettlauf zum Südpol entschieden wurde und der Naturforscher Alfred Wegener seine Theorie der Kontinentaldrift entwickelte. Beides jährt sich gegenwärtig zum hundertsten Mal: Am 14. Dezember 1911 erreichte Roald Amundsen den südlichsten Punkt der Erde, und am 6. Januar 1912 sprach Wegener vor der Senckenberg-Gesellschaft in Frankfurt zum ersten Mal öffentlich über seine Theorie. Natürlich schildert Lendles in Schlaglichtern strukturierte Romanbiographie Wegeners auch diesen Auftritt.

Mehr noch geht es dem Autor allerdings darum, das Reifen der Idee von den über den Erdball wandernden Kontinenten in Kindheit und Jugend des Berliner Predigersohns darzustellen. Mit diskreter Effizienz konfrontiert er seinen Wegener mit Alltagseindrücken, die jeder scheinbaren Statik die Bewegung gegenüberstellen: Da brechen Eisschollen und vereinigen sich zu neuen Flächen, Ameisen geraten in eine Topffalle aus lauter driftenden Puderzuckerscheiben, und Wegeners Sehnsucht nach dem archimedischen Punkt, von dem aus die Welt zu fassen sei, mündet erst in die Einsicht der ständigen Bewegung aller Dinge und Zustände, dann aber in die ernsthafte Suche nach einer Theorie dieser Bewegung - man könnte auch sagen: nach einem System, das dem allgemeinen Driften eine Struktur und damit wiederum eine gewisse Statik verleiht.

Der Charme dieses Romans wurzelt vor allem in Lendles Vermögen, der Kontinentaldrift in all unseren Verhältnissen nachzuspüren, und sein Wegener erfährt dies am eigenen Leib, wenn es etwa um die Liebe zu seiner Frau Else geht: "Seine Wonne, sein Ballast" nennt Lendle sie, und führt das in einer wundervollen Ballonfahrt-Szene ganz wörtlich aus. Nach der unsanften Landung kommen sich die Liebenden erstmals körperlich nahe, sie schmiegen sich aneinander, passgenau wie einst die südamerikanische und die afrikanische Atlantikküste, und als dann Kinder kommen, die nachts ins eheliche Bett drängen, übernehmen diese die Funktion der Plattentektonik: Das Paar driftet auseinander. Lendle aber ist klug genug, den Leser diese Analogie entdecken zu lassen, ohne ihn darauf zu stoßen.

Von dieser Dezenz ist in Trojanows "Eistau" nicht viel zu spüren. Sein Erzähler, der Glaziologe Zeno beendete seine wissenschaftliche Karriere, als er feststellen musste, dass ein von ihm regelmäßig untersuchter Alpengletscher eines Sommers im Klimawandel geradezu pulverisiert wurde. Seither begleitet er Touristen auf Kreuzfahrtschiffen in die Antarktis, hält fachwissenschaftliche Vorträge und leidet darunter, dass ihn die globale Umweltzerstörung einerseits immer stärker erregt, er andererseits all dem tatenlos zusehen muss. "Wenn Mr. Iceberger" - so sein Spitzname unter den Kollegen - "apodiktisch loslegt, endet es apokalyptisch", heißt es zu Beginn des Romans, und dass Zeno in den Augen der anderen durchaus hysterische Züge entwickelt, wird selbst in seiner eigenen Perspektive deutlich, durch die wir weite Teile des Geschehens erleben. Es gibt allerdings noch - neben Zenos mit römischen Ziffern unterteiltem Bericht - eine weitere Quelle für die dramatischen Ereignisse dieser Kreuzfahrt, die arabisch nummerierten Collagen aus Funksprüchen, Verhörprotokollen, Schlagertexten und dergleichen mehr: Das Geschnatter der Welt.

So reizvoll es sein mag, einem weltanschaulich stark konturierten Erzähler das Wort zu erteilen, so rasch ermüdet dieser obsessive Naturfreund, der etwa in den ovalen Öffnungen der Eisberge "gewaltige Vulven" erkennt und daraus "schmelzende Lockrufe" vernimmt, den Leser. Zwischen Zeno und seiner Geliebten, einer als Kellnerin auf dem Schiff arbeitenden Philippinin, sind die Rollen klar verteilt, denn wo sich die deutlich jüngere Frau - Zenos Ansicht nach - naturkindhaft wünscht, "dass wir einfach nur sind", gibt er den grübelnden westlichen Intellektuellen. Dass der aber Platitüden notiert, macht die Sache nicht besser: Da "führt" ein Friedhof allen Ernstes "ein kleines, aber feines Sortiment an Dahingeschiedenen". Zenos Nachsinnen über die verlassene Walfangstation mündet in den Merkspruch: "In der Fabrik zerlegte der Mensch Wale, die Zeit zerlegt die Fabriken." Und sein Unbehagen über die Menschen in seiner Umgebung und die eigene Haltung fasst er gern in ebenso gesuchte wie schiefe Bilder: "Alle haben dieselbe Verharmlosungssoftware heruntergelanden, bereit zu kauern, wenn es stürmt" und dergleichen mehr.

Mit dem Grunddilemma jeder Wissenschaft, so tragisch wie entlastend, hält sich Zeno nicht auf: Forscher können Fakten zusammentragen und vor Irrwegen warnen, entscheiden können sie nicht. Welche Rolle spielen dann aber die Schriftsteller? "Die Klassiker", weiß Zeno, "dürfen Licht ins Dunkel tragen", uns "ins Gewissen reden" und "Sätze verfassen, die man in steinerne Fassaden hauen kann" - im Gegensatz zu Gegenwartsautoren, die in den Augen der Mehrheit "auf gar keinen Fall" versuchen dürfen, mit Texten "die Welt zu verändern". Wie aber dann? Zeno, der selbst mit seinem Notizbuch zum mahnredenden Autor wird, findet während des Schreibprozesses eine erste Leserin in seiner Geliebten, die allerdings, so die arge Pointe dieser Szene, des Deutschen nicht mächtig ist.

Wo Trojanow seinen Zeno ganz in seiner Wut aufgehen lässt, ist der Roman am dichtesten. Wenn der verzweifelte Forscher beim Anschauen einer Fernsehdokumentation voller Emphase eine Lawine anfeuert, noch mehr menschliche Behausungen unter sich zu begraben (und damit seine neben ihm sitzende Gattin aufs höchste befremdet), nimmt man dem Autor seinen Erzähler auf einmal ab: Das Thesenpapier, als das dieser Roman mitunter erscheint, hat aufgehört zu rascheln, es geht um Menschen aus Fleisch und Blut.

Dieses Problem stellt sich in Jo Lendles fabelhaftem Buch auf keiner Seite. Sein Wegener, so sehr er sich den Studien des Autors verdanken mag, führt eine Existenz, die sich von den Quellen emanzipiertund nie in Gefahr gerät, als wie auch immer geartetes authentisches Bild des Forschers zu erscheinen. Am Ende sind sie beide verschwunden: Zeno, der sich den südpolaren Wogen übergibt, und Wegener, der 1930 auf dem grönländischen Inlandeis überwintern will und unter einer dicken Schneeschicht begraben wird. Dass wir diesen Gletscherfreund vermissen, jenen dagegen nicht so sehr, ist der jeweiligen Romankonstruktion geschuldet. Schließlich bleibt die Hoffnung auf ein Wiedersehen, wie Lendles Wegener sie formuliert: Wenn die Kontinente nur lange genug voneinander weg gedriftet sind, müssten sie sich in etwa 250 Millionen Jahren am anderen Ende der Erde neu zusammenfinden. Und mit ihnen alles, was in der Zwischenzeit verloren ging.

TILMAN SPRECKELSEN

Ilija Trojanow: "Eistau". Roman.

Hanser Verlag, München 2011. 176 S., geb., 18,90 [Euro].

Jo Lendle: "Alles Land". Roman.

Deutsche Verlagsanstalt, München 2011. 384 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr