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Hella, 70, will sterben. In der Schweiz, in einem Krankenhaus. Also macht sie sich auf den Weg. Diese letzte Fahrt wird ihr alter Passat schon noch schaffen. Doch kaum auf der Autobahn, fällt etwas Schweres auf die Motorhaube ihres Wagens. Juli, 16, wollte sich von der Autobahnbrücke in den Tod stürzen. Jetzt ist sie nur leicht verletzt - und steigt zu Hella ins Auto. Zwei Frauen mit dem Wunsch zu sterben - doch wollen sie zusammen noch, was ihnen einzeln als letzte Möglichkeit erschien? Tieftraurig, elegant und lakonisch erzählt Ronja von Rönne von zwei Frauen, denen der Tod als letzter…mehr

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Produktbeschreibung
Hella, 70, will sterben. In der Schweiz, in einem Krankenhaus. Also macht sie sich auf den Weg. Diese letzte Fahrt wird ihr alter Passat schon noch schaffen. Doch kaum auf der Autobahn, fällt etwas Schweres auf die Motorhaube ihres Wagens. Juli, 16, wollte sich von der Autobahnbrücke in den Tod stürzen. Jetzt ist sie nur leicht verletzt - und steigt zu Hella ins Auto. Zwei Frauen mit dem Wunsch zu sterben - doch wollen sie zusammen noch, was ihnen einzeln als letzte Möglichkeit erschien? Tieftraurig, elegant und lakonisch erzählt Ronja von Rönne von zwei Frauen, denen der Tod als letzter Ausweg erscheint: ein unvorhersehbares, dramatisches, unangemessen komisches Lesevergnügen.
Autorenporträt
von Rönne, RonjaRonja von Rönne, geboren 1993, ist Schriftstellerin, Journalistin und Moderatorin. 2015 las sie beim Ingeborg-Bachmann-Preis. Seit 2017 moderiert sie auf 'Arte' die Sendung 'Streetphilosophy' und schreibt für die 'DIE ZEIT' und 'ZEIT ONLINE'.
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1Ende In Sicht
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2022

Der Tod ist so nah auf der Autobahn
Träge, schräg, mutig: Ronja von Rönnes Roman "Ende in Sicht" über zwei lebensmüde Frauen

Wie sagenhaft trostlos sich das Leben für Heranwachsende anfühlen kann, ist jemand Altem nicht zu vermitteln. Ein ganzes Leben steht dazwischen, ein neidvoll vorgestelltes: Du hast doch alles noch vor dir. Das Leid der Alten verstehen die Jungen umgekehrt auch nicht oder verwechseln es mit Feigheit, aber es ist nicht die Aufgabe der Jungen, Erwachsene zu verstehen.

Eine Frau fährt auf der Autobahn in Richtung Schweiz, weil sie ihr Leben beenden will. Ein Mädchen stürzt aus dem gleichen Grund von einer Autobahnbrücke, aber sie überlebt. Jetzt sitzen sie nebeneinander, es geht weiter. Das eine Unglück ist neu, das andere alt, und wo ein unversehrter Mensch sich vorstellen mag, wie sich diese unter dem Autodach wabernden Unglücke miteinander vereinen, weiß jeder Versehrte, dass sie sich gegenseitig ausschließen, dass da kein Platz ist für die Traurigkeit der anderen.

Die Autorin Ronja von Rönne hat diese Geschichte geschrieben, und zwar, wie sie sagt, nicht über ihre, sondern trotz ihrer eigenen Depression. Womit sie einerseits an die Form erinnerte, denn auf dem Buch steht Roman, und andererseits daran, dass eine Depression nicht mit einer vorübergehenden Schwermut zu vergleichen ist, die zu einem kreativen Ausbruch inspiriert. Aber weil Ronja von Rönne ein bekanntes Gesicht hat, weil sie ihre eigene psychische Erkrankung öffentlich machte und nun über das Buch und sein Thema spricht, verhandelt, schreibt, fühlten sich viele zu einer Metabetrachtung aufgefordert. Sie haben Rönne in den vergangenen Wochen bei sich zu Hause besucht, über die Schatten unter ihren Augen geschrieben und dann in "Ende in Sicht" nach einem Widerhall gesucht.

Vorher war es eine Weile ruhig um die Autorin, nachdem es noch früher lange laut war. Erst wegen eines Essays über den Feminismus, in dem das Wort "anekeln" vorkam und der zur Instrumentalisierung einlud, dann wegen eines Preises dafür, den Rönne ablehnte. Aber seitdem war da auch eine Sprache, die mutig klang und kompromisslos, nicht abwägend, ohne Rücksicht auf und Angst vor Haltungskorrekturen, die es zum Wettlesen nach Klagenfurt und in einen Debütroman schaffte, in dem es auch schon um Panikattacken und Therapie ging, eine Art Tagebuch für den Therapeuten, Geschichte des inneren Chaos.

Damals war da wenig Plot. In "Ende in Sicht" ist alles Plot. Der Roadtrip, die Begegnungen, die Schicksalsmomente: Steigt Juli, die lebensmüde Fünfzehnjährige, auf dem Rastplatz zu einem Lastwagenfahrer um, kommt Hella, die zum Sterben Reisende, noch rechtzeitig ins Bad des Autobahnmotels, als das Kind in der Wanne mit der Nagelschere hantiert? In ihrem Alter weiß Juli längst, was Depressionen sind, das steht da als kleine Provokation mit Blick auf Rönnes Vorgeschichte: Mental Health sei im Netz allgegenwärtig, "irgendwie war ja jeder heutzutage mal depressiv, und dagegen gab es Apps, Tabletten und ganz, ganz viel Verständnis". Aber im Unterschied zu dem, was Künstler und Prominente über ihre grauen Tage veröffentlichen, erlebt Juli einen grellen Alltag, der sich umso mehr mit der nächtlichen Leere beißt. Weil jede Depression anders ist und es am Ende halt doch nicht hilft, Fremden beim öffentlichen Leiden zuzusehen.

Und weil es bei einem Buch über den Alltag in der Depression schlimmstenfalls genauso käme und man sich bestenfalls langweilte, so meint die Autorin, bedarf es einer unwahrscheinlichen, beinahe grotesken Handlung und einer Meyerhoff'schen Schrullenhaftigkeit ihrer Heldinnen. So steht in "Ende in Sicht" alles nebeneinander, die unfreiwillige Albernheit von Hellas Sprüchen und ihre nüchternen Überlegungen: wie nah der Tod ist, wenn man so auf der Autobahn entlangfährt. Die Wut und der Ärger über diese und jene Peinlichkeit, der Selbsthass, die unglaubliche Machtlosigkeit: "Früher konnte man sich auf den Zufall verlassen. Heute hatten Ärzte zufälligerweise keine Sprechstunde, wenn Hella gerade krank war." Und Julis profane Erkenntnis: "Nicht mal Sterben bekam sie hin."

Für diese Kombination aus Widersprüchlichkeit, Schmerz und Banalität den richtigen Ton zu finden ist schwierig. Bov Bjerg hat einen der schönsten gefunden in "Auerhaus", zum Klingen gebracht durch Jugend, Leichtsinn und unsentimentale Rührung. Sarah Kuttner hat für ihre depressive Protagonistin in "Mängelexemplar" einen Ton gewählt, in dem die überdrehte Gereiztheit der Krankheit lag. Bei Rönne ist der Ton anders als früher, mal lakonisch wie bei Nick Hornby in "A Long Way Down", dann wieder uneins mit sich, mutig wie Juli in ihren Momenten der Wut, schräg und daneben wie Hellas Erziehungsversuche. Da treten Menschen auf mit haariger Gesichtstracht, Turnbeutel kauern wie Kätzchen in Fußräumen, und die Zukunft liegt wie eine lustlose leere Seite herum. Da reden zwei so redundant und unnachgiebig träge aneinander vorbei, dass es beim Lesen dem Sujet angemessen ein bisschen wehtut.

Wenn Ronja von Rönne zuletzt über das Thema ihres Buches gesprochen und geschrieben hat, erinnerte sie an Sylvia Plath und ihren im Jahr ihres Selbstmordes erschienenen Roman "Die Glasglocke". Sie bezog sich mühelos auf das Genre des Depressionsromans und seine lange Tradition. Sie warnte noch einmal vor einer Romantisierung der Krankheit, beschrieb ihre Verbreitung in allen Gesellschaftsschichten und den Stolz, den es verdient, wenn jemand den Kampf nach langer Energielosigkeit wieder aufnimmt und - zum Beispiel - ein Buch schreibt.

Mit dieser Metavergewisserung steht Ronja von Rönne in der Tradition der Ronja von Rönne, was nur konsequent und wohlig vertraut ist. Man darf also "Ende in Sicht" als Beitrag zu einer Debatte lesen, die sechs Jahre nach dem Hashtag "Notjustsad" und der darauf folgenden Massendiagnose differenziert und kritisch nach der öffentlichen Konstruktion von Depressionen fragt. Oder eben als zweiten Roman einer Autorin, die schonungslos auf das Wesen einer Krankheit blickt, die sie sich auf ihre eigene Weise unterworfen hat. ELENA WITZECK

Ronja von Rönne: "Ende in Sicht". Roman.

Dtv, München 2022. 256 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ein Roadmovie über die Depression, geht das? Rezensent Roman Bucheli findet: Wenn man Ronja von Rönne heißt, schon. Denn Rönne verarbeitet nicht nur eigene Erfahrungen mit der Krankheit, sondern schafft es laut Rezensent auch, Slapstick und empathischer Ernst einigermaßen glaubhaft auf eine Buchseite zu bringen. Zwei Frauen, eine junge, eine alte, beide lebensmüde, aber irgendwie nicht so richtig in der Lage ihren Suizid zu organisieren - schon wieder schaut Bucheli skeptisch. Geht denn das? Auch das geht, schließt er schließlich. In diese Schicksalsgemeinschaft ist Bucheli vernarrt, und lässt Rönne durchgehen, dass der Roman sich um Erzähltechnik, Perspektive und Figurenzeichnung nicht schert.

© Perlentaucher Medien GmbH
Hella war Schlagerstar, Juli ist ein depressiver Teenager. Beide möchten sich umbringen. Wie es Ronja von Rönne gelingt, die beiden Frauen wieder ins Leben zu schubsen, ist rasant und komisch und berührend. Die Zeit, Literaturbeilage 20220317