Ein literarisches Kabinettstück erster Güte Sommer 2011. Adolf Hitler erwacht auf einem leeren Grundstück in Berlin-Mitte. Ohne Krieg, ohne Partei, ohne Eva, im tiefsten Frieden, unter Tausenden von Ausländern. 66 Jahre nach seinem vermeintlichen Ende strandet er in der Gegenwart und startet gegen jegliche Wahrscheinlichkeit eine neue Karriere - im Fernsehen. Dieser Hitler ist keine Witzfigur und gerade deshalb erschreckend real. Und das Land, auf das er trifft, ist es auch: zynisch, hemmungslos erfolgsgeil und auch trotz Jahrzehnten deutscher Demokratie vollkommen chancenlos gegenüber dem Demagogen und der Sucht nach Quoten, Klicks und "Gefällt mir"-Buttons. Eine Persiflage? Eine Satire? Polit-Comedy?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2012Diktator sucht Volk
Böses Erwachen: Die Hitler-Satire von Timur Vermes
Der deutschen Schenkelklopfliteratur ist die Wiederaufersteherei nicht fremd. So kehrte vor vier Jahren bei David Safier der Messias zurück, einigermaßen konsistent im Hinblick auf die Vorgeschichte. Der Journalist Timur Vermes hat jetzt das Gegenteil vollbracht und, mit Detailkenntnis, den Antichrist hervorgezaubert, genauer: Adolf Hitler, erwacht am 30. August 2011 in einer Berliner Brache und vom Benzin noch stinkend wie ein Tankstellenwärter. Der Rückkehrer hält an seiner Mission fest, und zwar so unbeirrbar, dass ihm eine Gesellschaft, die an keine Wahrheiten mehr glaubt, schutzlos ausgeliefert ist. Wenn dies auch ein pointenlastiges Buch ist, hat es doch eine gruselige Rückseite, weil sich eine große Frage andeutet: Wären wir gefeit gegen blinde Entschlossenheit und Demagogie?
Germanien, stellt der Erwachte fest, ist zerfallen und verweichlicht: Die "Frau mit der zuversichtlichen Ausstrahlung einer Trauerweide" an der Spitze des Staates "hatte sich mit den bayerischen Gemütstrinkern zusammengetan, einer, wie mir schien, erbärmlichen Kopie des Nationalsozialismus", sowie mit einer Gruppe von "rat- und orientierungslosen Jünglingen". Regiert von unfähigen Demokraten also, verblödet durch die Medien und bestimmt von Gier - alles war offenbar wie 1930, nur noch schlimmer. Und schon weiß der Held, was zu tun ist. Er kann sich nur wundern, dass sein medial inszenierter Wiederaufstieg noch geschmierter vonstattengeht als vor achtzig Jahren. Kaum hält er eine der alten Reden mit leichter Drehung in die Gegenwart, brandet Applaus auf, irritierenderweise vermischt mit Gelächter, das den Applaudierenden noch früh genug vergehen würde. Immer hemmungsloser spielt das Publikum mit.
Die ehrlichen Antworten des Protagonisten gelten als glänzende Einfälle. Aus dem Zusammenprall der Welten bezieht das Buch seine Komik. So wird der befremdlich, aber nicht feindselig Angestaunte gefragt: "Wo treten Sie auf? Haben Sie ein Programm?" Die Antwort: "Selbstverständlich, seit 1920! Sie werden als Volksgenosse ja wohl die 25 Punkte kennen." Die Handlung lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Der neue Hitler, den die Deutschen in ihrer blinden Ironiegläubigkeit für einen mit seiner Rolle verwachsenen, besonders subtil ideologiekritischen Schauspieler halten, steigt zum gefragten Fernsehunterhalter auf. So böse wie treffend ist die Darstellung der quotenfixierten Fernsehbranche: Eine private Produktionsgesellschaft investiert in Hitler, so dass er ein kleines Führerhauptquartier einrichten und eine neue Traudl Junge - diesmal die gutgläubige Frau Krömeier - anstellen kann. Einziger politischer Lichtblick für Hitler sind die Grünen, denen wenigstens gesunder Boden am Herzen liegt. Grandios ist die Schilderung von Renate Künasts Auftritt in seiner Sendung. Dass der Einspieler "Hitler bei der NPD" - natürlich staucht der Führer die "unvorstellbare Witzfigur" Holger Apfel, den NPD-Vorsitzenden, für seine Waschlappenhaftigkeit zusammen - mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wird, diesen Triumph können die "Funkfrettchen" kaum glauben, brüllen immer wieder "Premium!" oder auch: "Ich hab's gewusst. Wir können mehr als nur Comedy-Trash!" Es endet mit "Sieg-Heil"-Rufen.
Eine Hürde galt es freilich zu nehmen: Die "Bild"-Zeitung, geleitet von "Schriftleiter" Diekmann und vom Helden für einen Verbündeten gehalten, erweist sich als zäher Gegner, der es auf den Abschuss des "irren Youtube-Hitler" abgesehen hat. Doch er gewinnt den Kampf spielend und muss von dem kapitulierenden Blatt zähneknirschend als "Gewinner des Tages" verbucht werden. Von da an verliert die zunächst anvisierte Gleichschaltung der Presse an Bedeutung, erledigt sie derlei doch selbst.
In ironischer Brechung stellt das Buch dar, wovon es handelt: ein Stück jener Hitlermanie, die manche Magazine und Fernsehsender bis heute kennzeichnet. Dass der Führer als scharfer, ja überlegener Kritiker neudeutscher Hanswurstigkeit recht sympathisch herüberkommt, gehört zum Konzept, ist aber auch das Problem. Vermes versucht es offensiv anzugehen, indem er den Protagonisten in antisemitische Tiraden ausbrechen lässt. Die Persiflage der eigentümlich stakkatohaften Rhetorik des Diktators gelingt vorzüglich. Gleichwohl sind vierhundert Seiten Satire im Hitler-Sound zu viel, es gibt Längen und Wiederholungen. Von den Kalauern hat man irgendwann genug. Ohne Komik aber bleibt kaum etwas von dem Buch. Zwar will es etwas angestrengt subversiv sein, doch so überraschend oder intelligent sind die satirisch ausgesprochenen ,Wahrheiten' in Bezug auf die zynische, egoistische und dümmlich politisch-korrekte Gegenwart nicht.
OLIVER JUNGEN
Timur Vermes: "Er ist wieder da". Roman.
Eichborn Verlag, Köln 2012. 396 S., geb., 19,33 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Böses Erwachen: Die Hitler-Satire von Timur Vermes
Der deutschen Schenkelklopfliteratur ist die Wiederaufersteherei nicht fremd. So kehrte vor vier Jahren bei David Safier der Messias zurück, einigermaßen konsistent im Hinblick auf die Vorgeschichte. Der Journalist Timur Vermes hat jetzt das Gegenteil vollbracht und, mit Detailkenntnis, den Antichrist hervorgezaubert, genauer: Adolf Hitler, erwacht am 30. August 2011 in einer Berliner Brache und vom Benzin noch stinkend wie ein Tankstellenwärter. Der Rückkehrer hält an seiner Mission fest, und zwar so unbeirrbar, dass ihm eine Gesellschaft, die an keine Wahrheiten mehr glaubt, schutzlos ausgeliefert ist. Wenn dies auch ein pointenlastiges Buch ist, hat es doch eine gruselige Rückseite, weil sich eine große Frage andeutet: Wären wir gefeit gegen blinde Entschlossenheit und Demagogie?
Germanien, stellt der Erwachte fest, ist zerfallen und verweichlicht: Die "Frau mit der zuversichtlichen Ausstrahlung einer Trauerweide" an der Spitze des Staates "hatte sich mit den bayerischen Gemütstrinkern zusammengetan, einer, wie mir schien, erbärmlichen Kopie des Nationalsozialismus", sowie mit einer Gruppe von "rat- und orientierungslosen Jünglingen". Regiert von unfähigen Demokraten also, verblödet durch die Medien und bestimmt von Gier - alles war offenbar wie 1930, nur noch schlimmer. Und schon weiß der Held, was zu tun ist. Er kann sich nur wundern, dass sein medial inszenierter Wiederaufstieg noch geschmierter vonstattengeht als vor achtzig Jahren. Kaum hält er eine der alten Reden mit leichter Drehung in die Gegenwart, brandet Applaus auf, irritierenderweise vermischt mit Gelächter, das den Applaudierenden noch früh genug vergehen würde. Immer hemmungsloser spielt das Publikum mit.
Die ehrlichen Antworten des Protagonisten gelten als glänzende Einfälle. Aus dem Zusammenprall der Welten bezieht das Buch seine Komik. So wird der befremdlich, aber nicht feindselig Angestaunte gefragt: "Wo treten Sie auf? Haben Sie ein Programm?" Die Antwort: "Selbstverständlich, seit 1920! Sie werden als Volksgenosse ja wohl die 25 Punkte kennen." Die Handlung lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Der neue Hitler, den die Deutschen in ihrer blinden Ironiegläubigkeit für einen mit seiner Rolle verwachsenen, besonders subtil ideologiekritischen Schauspieler halten, steigt zum gefragten Fernsehunterhalter auf. So böse wie treffend ist die Darstellung der quotenfixierten Fernsehbranche: Eine private Produktionsgesellschaft investiert in Hitler, so dass er ein kleines Führerhauptquartier einrichten und eine neue Traudl Junge - diesmal die gutgläubige Frau Krömeier - anstellen kann. Einziger politischer Lichtblick für Hitler sind die Grünen, denen wenigstens gesunder Boden am Herzen liegt. Grandios ist die Schilderung von Renate Künasts Auftritt in seiner Sendung. Dass der Einspieler "Hitler bei der NPD" - natürlich staucht der Führer die "unvorstellbare Witzfigur" Holger Apfel, den NPD-Vorsitzenden, für seine Waschlappenhaftigkeit zusammen - mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wird, diesen Triumph können die "Funkfrettchen" kaum glauben, brüllen immer wieder "Premium!" oder auch: "Ich hab's gewusst. Wir können mehr als nur Comedy-Trash!" Es endet mit "Sieg-Heil"-Rufen.
Eine Hürde galt es freilich zu nehmen: Die "Bild"-Zeitung, geleitet von "Schriftleiter" Diekmann und vom Helden für einen Verbündeten gehalten, erweist sich als zäher Gegner, der es auf den Abschuss des "irren Youtube-Hitler" abgesehen hat. Doch er gewinnt den Kampf spielend und muss von dem kapitulierenden Blatt zähneknirschend als "Gewinner des Tages" verbucht werden. Von da an verliert die zunächst anvisierte Gleichschaltung der Presse an Bedeutung, erledigt sie derlei doch selbst.
In ironischer Brechung stellt das Buch dar, wovon es handelt: ein Stück jener Hitlermanie, die manche Magazine und Fernsehsender bis heute kennzeichnet. Dass der Führer als scharfer, ja überlegener Kritiker neudeutscher Hanswurstigkeit recht sympathisch herüberkommt, gehört zum Konzept, ist aber auch das Problem. Vermes versucht es offensiv anzugehen, indem er den Protagonisten in antisemitische Tiraden ausbrechen lässt. Die Persiflage der eigentümlich stakkatohaften Rhetorik des Diktators gelingt vorzüglich. Gleichwohl sind vierhundert Seiten Satire im Hitler-Sound zu viel, es gibt Längen und Wiederholungen. Von den Kalauern hat man irgendwann genug. Ohne Komik aber bleibt kaum etwas von dem Buch. Zwar will es etwas angestrengt subversiv sein, doch so überraschend oder intelligent sind die satirisch ausgesprochenen ,Wahrheiten' in Bezug auf die zynische, egoistische und dümmlich politisch-korrekte Gegenwart nicht.
OLIVER JUNGEN
Timur Vermes: "Er ist wieder da". Roman.
Eichborn Verlag, Köln 2012. 396 S., geb., 19,33 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.01.2013Ha, ha, Hitler
Die Polit-Satire „Er ist wieder da“ hat die Bestseller-Listen erobert. An der Qualität des Romans kann das nicht liegen
So viel Hitler war lange nicht mehr. Im Weihnachtsgeschäft hat ein Buch überraschend Platz eins der Bestsellerlisten erobert, das mit nichts als einem schwarzen Seitenscheitel und dem charakteristischen, fast quadratischen Bärtchen auf weißem Titelbild unweigerlich alle Blicke auf sich zieht. Bei genauem Hinsehen zerfällt der Hitlerbart in die Worte „Er ist wieder da“ – den Titel von Timur Vermes’ Aufmerksamkeit erregendem Romandebüt. Vermes lässt Adolf Hitler im Jahr 2011 in einer Berliner Baulücke erwachen und auf ein verwirrend modernes, jedoch nachhaltig führerfasziniertes Deutschland treffen. Schon bald bietet sich dem gewesenen Diktator eine zweite Karriere im Rampenlicht: als Comedy-Star.
Unterbrochen von sehr langen, polternden inneren Monologen des Gröfaz entwickelt sich die Story der Satire recht absehbar. Hitler wird von einem Privatsender „entdeckt“ und für einen begnadeten Parodisten gehalten, der nie aus der Rolle fällt. Erste Auftritte in der Show eines Comedians, der seit Jahren erfolgreich seine „Türkennummer“ absolviert, machen Hitler bald zum Star, vor allem in „diesem Internetz“ auf Youtube und Co. Die Bild-Zeitung hetzt zunächst gegen ihn, schwenkt dann aber auf Jubel um, und bald winkt sogar der Grimme-Preis für Adolf Hitler.
Die literarische Qualität des Romans, so viel steht schnell fest, kann für den enormen Verkaufserfolg von „Er ist wieder da“ kaum verantwortlich sein: Vermes erzählt nämlich nicht nur durchgängig aus der Perspektive des auferstandenen Adolf Hitler, er schreibt auch konsequent Hitlerisch: Die verschraubt, feldwebelnden Gedankengänge und Brachialanalysen, die er ihm in den Mund legt, stehen „Mein Kampf“ in Sachen schwerfälliger Metaphorik in nichts nach.
Das Ganze entwickelt einige Komik, etwa wenn Hitler den lautstarken, aber vergeblichen Einsatz eines Laubblasegerätes vor seinem Hotelfenster im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie einzuordnen sucht: „Ein Mann befolgte einen Befehl, so einfach war das. Und klagte er dabei? Heulte er auf, das sei doch sinnlos bei diesem Wind? Nein, er erfüllte stoisch lärmend seine Pflicht. Wie die treuen Männer der SS.“ Vermes landet einige solcher Treffer. Doch die seitenlangen Ergüsse in durchaus kunstvoll verkorkstem Propagandastil machen die Lektüre letztlich vor allem anstrengend.
Was genau das Publikum an den vermeintlichen Comedy-Auftritten so beeindruckt, muss Vermes nicht näher ausführen – für Erzähler Hitler ist die eigene Fähigkeit, die Massen zu faszinieren, ja selbstverständlich. Hitlers erste Fernsehauftritte sind satirische Kommentare, bald kommen Film-Einspieler von Straßenumfragen hinzu, die ein altbekanntes Muster bedienen: Hitler gibt den Anwalt der kleinen Leute, er brandmarkt rasende Autofahrer, Lebensmittelskandale, Telefonieren am Steuer. Nur: Hitler meint es ernst, alle anderen jedoch versuchen, egal wie rassistisch und chauvinistisch seine Ausfälle werden, ein immer noch größeres Maß an Ironie herauszulesen.
Hitler trifft auf eine Gesellschaft, die das Lachen über ihn längst als Zeichen der eigenen Aufgeklärtheit definiert hat – und wohl auch als notwendigen Schritt, um die lästige Vergangenheit zu entsorgen. Zudem scheint Konsens zu sein, dass ein Lachen, das einem im Halse stecken bleibt, das mit leichtem Gruseln oder sogar einem kleinen Schuldgefühl einhergeht, als anspruchsvoller, komplexer, vielschichtiger gilt.
Die hohen Zuschauerquoten im Roman haben offenbar ähnliche Gründe wie der reale Verkaufserfolg des Buches selbst. In Deutschland hat sich eine seltsame Hitler-Fixierung herausgebildet, die fast schon etwas Manisches hat. Der Journalist Daniel Erk, der sechs Jahre lang im „Hilterblog“ der tageszeitung Parodien, Witze, NS-Vergleiche und sogar Werbung mit Hitler gesammelt und kommentiert hat, nennt diesen Prozess die „Banalisierung des Bösen“. „Dieser Hitler“, schreibt Erk in seinem Buch mit dem Titel „So viel Hitler war selten“ (Heyne 2012), „der heute durch die Gazetten und Fernsehkommentare geistert, ist ein Abziehbild (. . .) ein medialer Wiedergänger, dem jede Widersprüchlichkeit genommen wurde.“
Hitler posiert in zuverlässiger Regelmäßigkeit auf Magazin-Titeln, er geistert mit einer Penetranz durchs Fernsehen, dass es kaum möglich ist, zu zappen, ohne ihn den Arm in die Höhe klappen zu sehen, und eine kleine, angedeutete „Föhrrerrr“-Parodie mit zwei Fingern unter der Nase ist in fast jeder geselligen Runde ein Garant für lang anhaltende, leicht hysterische Heiterkeitsschübe.
Diese Fokussierung auf Hitler – wahlweise als komische Figur oder aber als Inkarnation des Bösen – läuft Gefahr, die geschichtlichen Fakten verblassen zu lassen. Warum noch über die breite historische Zustimmung der Deutschen zur nationalsozialistischen Politik sprechen, oder über den tief verwurzelten Antisemitismus, wenn sich doch ein durchgeknallter Irrer als Alleinschuldiger anbietet? Timur Vermes persifliert diese Hitleritis. Sein Roman bedient sie jedoch auch und verleiht ihr sogar eine neue Dimension: Das Lachen nicht über, sondern mit Hitler, der im Buch mit seiner verschroben, aber wenig gefährlich wirkenden Art tatsächlich so manchen treffenden Seitenhieb auf unsere Mediengesellschaft landet. Allzu oft lässt sich der Autor dazu hinreißen, seinen Hitler als humorigen Gesellen zu zeichnen und das wirkt letztlich verharmlosend.
Vermes scheint sehr darauf zu vertrauen, dass sein Publikum schon auf der richtigen Seite stehen und in der Lage sein wird, das Gelesene zu reflektieren. Das wiederum ist, vor allem angesichts seiner intensiven Recherchen, politisch überraschend naiv.
CORNELIA FIEDLER
Die Darstellung Hitlers als
komischer Kauz lässt die
historischen Tatsachen verblassen
Der Autor surft geschickt
auf derselben Humor-Welle,
die er vorgeblich nur parodiert
Timur Vermes:
Er ist wieder da.
Roman.
Eichborn Verlag
bei Bastei Lübbe,
Köln 2012. 396 Seiten, 19,33 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Die Polit-Satire „Er ist wieder da“ hat die Bestseller-Listen erobert. An der Qualität des Romans kann das nicht liegen
So viel Hitler war lange nicht mehr. Im Weihnachtsgeschäft hat ein Buch überraschend Platz eins der Bestsellerlisten erobert, das mit nichts als einem schwarzen Seitenscheitel und dem charakteristischen, fast quadratischen Bärtchen auf weißem Titelbild unweigerlich alle Blicke auf sich zieht. Bei genauem Hinsehen zerfällt der Hitlerbart in die Worte „Er ist wieder da“ – den Titel von Timur Vermes’ Aufmerksamkeit erregendem Romandebüt. Vermes lässt Adolf Hitler im Jahr 2011 in einer Berliner Baulücke erwachen und auf ein verwirrend modernes, jedoch nachhaltig führerfasziniertes Deutschland treffen. Schon bald bietet sich dem gewesenen Diktator eine zweite Karriere im Rampenlicht: als Comedy-Star.
Unterbrochen von sehr langen, polternden inneren Monologen des Gröfaz entwickelt sich die Story der Satire recht absehbar. Hitler wird von einem Privatsender „entdeckt“ und für einen begnadeten Parodisten gehalten, der nie aus der Rolle fällt. Erste Auftritte in der Show eines Comedians, der seit Jahren erfolgreich seine „Türkennummer“ absolviert, machen Hitler bald zum Star, vor allem in „diesem Internetz“ auf Youtube und Co. Die Bild-Zeitung hetzt zunächst gegen ihn, schwenkt dann aber auf Jubel um, und bald winkt sogar der Grimme-Preis für Adolf Hitler.
Die literarische Qualität des Romans, so viel steht schnell fest, kann für den enormen Verkaufserfolg von „Er ist wieder da“ kaum verantwortlich sein: Vermes erzählt nämlich nicht nur durchgängig aus der Perspektive des auferstandenen Adolf Hitler, er schreibt auch konsequent Hitlerisch: Die verschraubt, feldwebelnden Gedankengänge und Brachialanalysen, die er ihm in den Mund legt, stehen „Mein Kampf“ in Sachen schwerfälliger Metaphorik in nichts nach.
Das Ganze entwickelt einige Komik, etwa wenn Hitler den lautstarken, aber vergeblichen Einsatz eines Laubblasegerätes vor seinem Hotelfenster im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie einzuordnen sucht: „Ein Mann befolgte einen Befehl, so einfach war das. Und klagte er dabei? Heulte er auf, das sei doch sinnlos bei diesem Wind? Nein, er erfüllte stoisch lärmend seine Pflicht. Wie die treuen Männer der SS.“ Vermes landet einige solcher Treffer. Doch die seitenlangen Ergüsse in durchaus kunstvoll verkorkstem Propagandastil machen die Lektüre letztlich vor allem anstrengend.
Was genau das Publikum an den vermeintlichen Comedy-Auftritten so beeindruckt, muss Vermes nicht näher ausführen – für Erzähler Hitler ist die eigene Fähigkeit, die Massen zu faszinieren, ja selbstverständlich. Hitlers erste Fernsehauftritte sind satirische Kommentare, bald kommen Film-Einspieler von Straßenumfragen hinzu, die ein altbekanntes Muster bedienen: Hitler gibt den Anwalt der kleinen Leute, er brandmarkt rasende Autofahrer, Lebensmittelskandale, Telefonieren am Steuer. Nur: Hitler meint es ernst, alle anderen jedoch versuchen, egal wie rassistisch und chauvinistisch seine Ausfälle werden, ein immer noch größeres Maß an Ironie herauszulesen.
Hitler trifft auf eine Gesellschaft, die das Lachen über ihn längst als Zeichen der eigenen Aufgeklärtheit definiert hat – und wohl auch als notwendigen Schritt, um die lästige Vergangenheit zu entsorgen. Zudem scheint Konsens zu sein, dass ein Lachen, das einem im Halse stecken bleibt, das mit leichtem Gruseln oder sogar einem kleinen Schuldgefühl einhergeht, als anspruchsvoller, komplexer, vielschichtiger gilt.
Die hohen Zuschauerquoten im Roman haben offenbar ähnliche Gründe wie der reale Verkaufserfolg des Buches selbst. In Deutschland hat sich eine seltsame Hitler-Fixierung herausgebildet, die fast schon etwas Manisches hat. Der Journalist Daniel Erk, der sechs Jahre lang im „Hilterblog“ der tageszeitung Parodien, Witze, NS-Vergleiche und sogar Werbung mit Hitler gesammelt und kommentiert hat, nennt diesen Prozess die „Banalisierung des Bösen“. „Dieser Hitler“, schreibt Erk in seinem Buch mit dem Titel „So viel Hitler war selten“ (Heyne 2012), „der heute durch die Gazetten und Fernsehkommentare geistert, ist ein Abziehbild (. . .) ein medialer Wiedergänger, dem jede Widersprüchlichkeit genommen wurde.“
Hitler posiert in zuverlässiger Regelmäßigkeit auf Magazin-Titeln, er geistert mit einer Penetranz durchs Fernsehen, dass es kaum möglich ist, zu zappen, ohne ihn den Arm in die Höhe klappen zu sehen, und eine kleine, angedeutete „Föhrrerrr“-Parodie mit zwei Fingern unter der Nase ist in fast jeder geselligen Runde ein Garant für lang anhaltende, leicht hysterische Heiterkeitsschübe.
Diese Fokussierung auf Hitler – wahlweise als komische Figur oder aber als Inkarnation des Bösen – läuft Gefahr, die geschichtlichen Fakten verblassen zu lassen. Warum noch über die breite historische Zustimmung der Deutschen zur nationalsozialistischen Politik sprechen, oder über den tief verwurzelten Antisemitismus, wenn sich doch ein durchgeknallter Irrer als Alleinschuldiger anbietet? Timur Vermes persifliert diese Hitleritis. Sein Roman bedient sie jedoch auch und verleiht ihr sogar eine neue Dimension: Das Lachen nicht über, sondern mit Hitler, der im Buch mit seiner verschroben, aber wenig gefährlich wirkenden Art tatsächlich so manchen treffenden Seitenhieb auf unsere Mediengesellschaft landet. Allzu oft lässt sich der Autor dazu hinreißen, seinen Hitler als humorigen Gesellen zu zeichnen und das wirkt letztlich verharmlosend.
Vermes scheint sehr darauf zu vertrauen, dass sein Publikum schon auf der richtigen Seite stehen und in der Lage sein wird, das Gelesene zu reflektieren. Das wiederum ist, vor allem angesichts seiner intensiven Recherchen, politisch überraschend naiv.
CORNELIA FIEDLER
Die Darstellung Hitlers als
komischer Kauz lässt die
historischen Tatsachen verblassen
Der Autor surft geschickt
auf derselben Humor-Welle,
die er vorgeblich nur parodiert
Timur Vermes:
Er ist wieder da.
Roman.
Eichborn Verlag
bei Bastei Lübbe,
Köln 2012. 396 Seiten, 19,33 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»Christoph Maria Herbst gelingt das kleine Kunststück, den mitunter vorhersehbaren Text sehr unterhaltsam vorzulesen. Das Spannende dabei ist, dass er zwar im Hitler-Duktus bleibt, ihn aber immer wieder so variiert, teilweise gar umkippen lässt ins Sanft-Verletzliche, dass es eine Freude ist, zuzuhören.« (Saarländischer Rundfunk, Kai Schmieding)
»Christoph Maria Herbst spricht alle Figuren, mal im Reichsparteitagston, mal als kodderige Berliner Schnauze. Genial!« (Hörzu)
»Christoph Maria Herbst liest den Roman mit einer grossartigen Stimme und einer Ausdrucksweise, dass es einem kalt den Rücken hinunterläuft.« (Neue Zuger Zeitung)
»Christoph Maria Herbst spricht alle Figuren, mal im Reichsparteitagston, mal als kodderige Berliner Schnauze. Genial!« (Hörzu)
»Christoph Maria Herbst liest den Roman mit einer grossartigen Stimme und einer Ausdrucksweise, dass es einem kalt den Rücken hinunterläuft.« (Neue Zuger Zeitung)