Die Brandmauer bröckelt: Die AfD könnte bald in der Regierung sitzen!2000 Beweisstücke für die Verfassungsfeindlichkeit dieser Partei hat Philipp Ruch, Autor des Spiegel-Bestsellers »Schluss mit Geduld«, zusammengetragen. Beweise, die keinen Zweifel daran lassen, dass die AfD längst hätte verboten werden müssen. Der Autor blickt auf Jahrzehnte politischer Vergangenheit zurück und stellt sich der Frage: Sind wir heute besser vorbereitet als 1933? Dürfen wir der AfD weiterhin so verhängnisvoll tolerant begegnen oder müssen wir jetzt handeln? Denn: Unsere Demokratie und die Freiheit vieler Menschen sind in Gefahr!
"Dieses Buch ist eine geistige Waffe!" Georg Diez
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.08.2024Letzte Warnung
Philipp Ruch, Kopf des Zentrums für politische Schönheit, imaginiert die Machtübernahme der AfD. Es ist der Weckruf der Stunde.
Es sind nur noch wenige Tage bis zu den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am 1. September. Jeder, der liest, hört und sieht, weiß, dass die rechtsradikale AfD in diesen beiden Bundesländern sehr wahrscheinlich eine Stimmenmehrheit bekommen wird. Und wer sich nach dem Lesen und Hören umschaut, mag wenig allgemeine Besorgnis geschweige denn Widerstand gegen dieses Desaster mit Ansage erkennen. Der philosophisch-politische Aktivist Philipp Ruch hat genau deshalb einen Brandbrief an die Demokraten geschrieben, eine letzte Warnung vor der Katastrophe, die ihren Anfang in diesem Spätsommer nehmen könnte.
„Es ist 5 vor 1933“ heißt der Essay, der sich tief in das strukturelle Innere der AfD gräbt, deren unverstellten, militanten Hass auf Ausländer und Andersdenkende herausstellt und die demokratiefeindlichen Äußerungen ihrer Führungsfiguren mit den Ankündigungen der Nationalsozialisten in der späten Weimarer Republik überblendet – man kann das mit dem Argument der Unvergleichbarkeit zurückweisen, wirkungsvoll ist es aber allemal. Zumal dann, wenn Ruch die deutlichen Attacken demokratischer Politiker der Weimarer Republik mit der schulterzuckenden Wird-schon-werden-Philosophie Olaf Scholz’vergleicht. Scholz, schreibt Ruch, verharmlose die Partei anstatt ihr Verbot in Karlsruhe auf den Weg zu bringen. Noch schärfer geht Ruch den Oppositionsführer im Bundestag an. CDU-Chef Friedrich Merz habe Kernbotschaften der AfD, etwa zur Migration und Familienpolitik, übernommen und mache deren Themen groß, anstatt sie zu bekämpfen.
Auf Ruch selbst trifft der Vorwurf, die AfD nicht kräftig genug bekämpft zu haben, nicht zu. Als Kopf und Ideengeber des „Zentrums für Politische Schönheit“ hat er zum Beispiel eine Kopie des Holocaust-Denkmals in der Nähe des Grundstücks von Björn Höcke in Bornhagen aufgebaut. Der Zorn gegen das Zentrum war damals groß, selbst der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow nannte Ruchs Aktion „armselig“. Dabei ist der Stelenpark, ausgerechnet ins Blickfeld des Mannes gestellt, der beim Berliner Original von einem Denkmal der Schande sprach, eigentlich ein kluges und folgerichtiges Statement.
Philipp Ruchs neues Pamphlet stellt sich in die Tradition deutschsprachiger Mahn- und Erinnerungsbücher aus der Zeit des Nationalsozialismus wie Heinrich Manns hellsichtige Essaysammlung „Der Hass“, Walter Mehrings radikale Analyse der NS-Machthaber („Nazischergen sehen dich an“), allen voran aber Stefan Zweigs Memoiren „Die Welt von gestern“ (1942). Ruchs Lehre aus der Zweig-Lektüre lässt sich knapp bündeln: „Nehmen Sie die Worte der Partei ernst!“ Denn exakt das war es, was Zweig sich und seinen Zeitgenossen vorhielt: Sie hätten Hitlers Prophetien lächerlich gemacht, statt seine diktatorischen Fantasien als Vorlagen für seine spätere reale Gewaltpolitik zu begreifen.
Ruchs Mittel sind die Recherche, die Analyse sowie das mit diesen beiden eher fremdelnde Prinzip der Übertreibung, das in einer wahnwitzigen Dystopie der Machtübernahme durch die AfD wort- und bildmächtig wird. Die heute bekannten Parteifunktionäre kommen laut Ruchs Schreckenspanorama in Führungspositionen und setzen ihre vertrauten Gewaltfantasien in die Tat um. Demokratische Politiker werden getötet, kritische Journalisten hingerichtet, Kitas werden geschlossen, um die Familie zu stärken, der Euro macht der alten D-Mark Platz, und das Volk wird gegen die Volksschädlinge mit Messern und Macheten bewaffnet. Den ausgestellten Rassismus, die schamlose Demokratieverachtung, mit der die AfD sich ins politische Bewusstsein brennt, versetzt Ruch in eine grell ausgeleuchtete Simulation.
Die Angreifbarkeit eines solchen alarmistischen, mit scharfen Belichtungstechniken arbeitenden Buchs gehört gewissermaßen zum Angebot dazu. Philipp Ruch richtet sich an Leser, die bereit sind, statt mit dem Kopf zu nicken, die Faust zu ballen, es ist ein letztes Aufgebot gegen die Eroberung und Delegitimierung demokratischer Prinzipien und Institutionen durch die AfD. Deren Anhänger, schreibt Ruch, seien Opfer der Angstmaschine, mit der die Partei Szenarien der Überfremdung und, wie sie es nennt, „Umvolkung“ anschlussfähig gemacht hat. Ruch leitet den Begriff und seine programmatische Einkleidung durch die AfD aus der NS-Rassenlehre („Blutschande“) ab. Die Belege dafür sind nicht allzu belastbar, manches in diesem ansonsten auf konkreten und griffigen Belegen gebauten Text bezieht Wirkung aus dem Spekulativen.
Ruch ist dort am besten, wo er seinen Zorn zurücknimmt und die Polemik auf ein souveränes Maß bringt. Das Gerüst seines Essays sind ein gutes historisches Quellenstudium und eine sorgfältig belegte Analyse der Radikalisierung, die die AfD in den vergangenen fünf Jahren zu der Partei gemacht hat, die sie ist. Ruch nennt die AfD eine Bürgerkriegspartei, deren Erfolg auf dem Chaos und der Delegitimierung demokratischer Prinzipien beruht. Es ist der Geist des Geschichtspessimismus, der auf dem Text liegt, der aber den Mahn- und Appellwert des Buchs ein wenig schmälert. Denn wozu soll es sich zu kämpfen lohnen, wenn die Demokratie ohnehin an ihre Feinde verloren geht?
Gleichwohl hat Philipp Ruch das Buch der Stunde geschrieben. Sein Essay ist aufklärerisch und appellativ, ein Weckruf für eine sträflich phlegmatische Gesellschaft, die allzu lange zugeschaut hat und nun mit weit aufgerissenen Augen vor dem politischen Desaster steht.
HILMAR KLUTE
Demokratische Politiker
werden getötet, kritische
Journalisten hingerichtet
Philipp Ruch:
„Es ist 5 vor 1933 – Was die AfD vorhat und wie wir sie stoppen.“ Ludwig Verlag, München 2024. 224 Seiten, 16 Euro.
2021 ergaunerte Ruchs Zentrum für politische Schönheit Tausende Partei-Flyer der AfD.
Foto: Sean Gallup / Getty
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Philipp Ruch, Kopf des Zentrums für politische Schönheit, imaginiert die Machtübernahme der AfD. Es ist der Weckruf der Stunde.
Es sind nur noch wenige Tage bis zu den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am 1. September. Jeder, der liest, hört und sieht, weiß, dass die rechtsradikale AfD in diesen beiden Bundesländern sehr wahrscheinlich eine Stimmenmehrheit bekommen wird. Und wer sich nach dem Lesen und Hören umschaut, mag wenig allgemeine Besorgnis geschweige denn Widerstand gegen dieses Desaster mit Ansage erkennen. Der philosophisch-politische Aktivist Philipp Ruch hat genau deshalb einen Brandbrief an die Demokraten geschrieben, eine letzte Warnung vor der Katastrophe, die ihren Anfang in diesem Spätsommer nehmen könnte.
„Es ist 5 vor 1933“ heißt der Essay, der sich tief in das strukturelle Innere der AfD gräbt, deren unverstellten, militanten Hass auf Ausländer und Andersdenkende herausstellt und die demokratiefeindlichen Äußerungen ihrer Führungsfiguren mit den Ankündigungen der Nationalsozialisten in der späten Weimarer Republik überblendet – man kann das mit dem Argument der Unvergleichbarkeit zurückweisen, wirkungsvoll ist es aber allemal. Zumal dann, wenn Ruch die deutlichen Attacken demokratischer Politiker der Weimarer Republik mit der schulterzuckenden Wird-schon-werden-Philosophie Olaf Scholz’vergleicht. Scholz, schreibt Ruch, verharmlose die Partei anstatt ihr Verbot in Karlsruhe auf den Weg zu bringen. Noch schärfer geht Ruch den Oppositionsführer im Bundestag an. CDU-Chef Friedrich Merz habe Kernbotschaften der AfD, etwa zur Migration und Familienpolitik, übernommen und mache deren Themen groß, anstatt sie zu bekämpfen.
Auf Ruch selbst trifft der Vorwurf, die AfD nicht kräftig genug bekämpft zu haben, nicht zu. Als Kopf und Ideengeber des „Zentrums für Politische Schönheit“ hat er zum Beispiel eine Kopie des Holocaust-Denkmals in der Nähe des Grundstücks von Björn Höcke in Bornhagen aufgebaut. Der Zorn gegen das Zentrum war damals groß, selbst der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow nannte Ruchs Aktion „armselig“. Dabei ist der Stelenpark, ausgerechnet ins Blickfeld des Mannes gestellt, der beim Berliner Original von einem Denkmal der Schande sprach, eigentlich ein kluges und folgerichtiges Statement.
Philipp Ruchs neues Pamphlet stellt sich in die Tradition deutschsprachiger Mahn- und Erinnerungsbücher aus der Zeit des Nationalsozialismus wie Heinrich Manns hellsichtige Essaysammlung „Der Hass“, Walter Mehrings radikale Analyse der NS-Machthaber („Nazischergen sehen dich an“), allen voran aber Stefan Zweigs Memoiren „Die Welt von gestern“ (1942). Ruchs Lehre aus der Zweig-Lektüre lässt sich knapp bündeln: „Nehmen Sie die Worte der Partei ernst!“ Denn exakt das war es, was Zweig sich und seinen Zeitgenossen vorhielt: Sie hätten Hitlers Prophetien lächerlich gemacht, statt seine diktatorischen Fantasien als Vorlagen für seine spätere reale Gewaltpolitik zu begreifen.
Ruchs Mittel sind die Recherche, die Analyse sowie das mit diesen beiden eher fremdelnde Prinzip der Übertreibung, das in einer wahnwitzigen Dystopie der Machtübernahme durch die AfD wort- und bildmächtig wird. Die heute bekannten Parteifunktionäre kommen laut Ruchs Schreckenspanorama in Führungspositionen und setzen ihre vertrauten Gewaltfantasien in die Tat um. Demokratische Politiker werden getötet, kritische Journalisten hingerichtet, Kitas werden geschlossen, um die Familie zu stärken, der Euro macht der alten D-Mark Platz, und das Volk wird gegen die Volksschädlinge mit Messern und Macheten bewaffnet. Den ausgestellten Rassismus, die schamlose Demokratieverachtung, mit der die AfD sich ins politische Bewusstsein brennt, versetzt Ruch in eine grell ausgeleuchtete Simulation.
Die Angreifbarkeit eines solchen alarmistischen, mit scharfen Belichtungstechniken arbeitenden Buchs gehört gewissermaßen zum Angebot dazu. Philipp Ruch richtet sich an Leser, die bereit sind, statt mit dem Kopf zu nicken, die Faust zu ballen, es ist ein letztes Aufgebot gegen die Eroberung und Delegitimierung demokratischer Prinzipien und Institutionen durch die AfD. Deren Anhänger, schreibt Ruch, seien Opfer der Angstmaschine, mit der die Partei Szenarien der Überfremdung und, wie sie es nennt, „Umvolkung“ anschlussfähig gemacht hat. Ruch leitet den Begriff und seine programmatische Einkleidung durch die AfD aus der NS-Rassenlehre („Blutschande“) ab. Die Belege dafür sind nicht allzu belastbar, manches in diesem ansonsten auf konkreten und griffigen Belegen gebauten Text bezieht Wirkung aus dem Spekulativen.
Ruch ist dort am besten, wo er seinen Zorn zurücknimmt und die Polemik auf ein souveränes Maß bringt. Das Gerüst seines Essays sind ein gutes historisches Quellenstudium und eine sorgfältig belegte Analyse der Radikalisierung, die die AfD in den vergangenen fünf Jahren zu der Partei gemacht hat, die sie ist. Ruch nennt die AfD eine Bürgerkriegspartei, deren Erfolg auf dem Chaos und der Delegitimierung demokratischer Prinzipien beruht. Es ist der Geist des Geschichtspessimismus, der auf dem Text liegt, der aber den Mahn- und Appellwert des Buchs ein wenig schmälert. Denn wozu soll es sich zu kämpfen lohnen, wenn die Demokratie ohnehin an ihre Feinde verloren geht?
Gleichwohl hat Philipp Ruch das Buch der Stunde geschrieben. Sein Essay ist aufklärerisch und appellativ, ein Weckruf für eine sträflich phlegmatische Gesellschaft, die allzu lange zugeschaut hat und nun mit weit aufgerissenen Augen vor dem politischen Desaster steht.
HILMAR KLUTE
Demokratische Politiker
werden getötet, kritische
Journalisten hingerichtet
Philipp Ruch:
„Es ist 5 vor 1933 – Was die AfD vorhat und wie wir sie stoppen.“ Ludwig Verlag, München 2024. 224 Seiten, 16 Euro.
2021 ergaunerte Ruchs Zentrum für politische Schönheit Tausende Partei-Flyer der AfD.
Foto: Sean Gallup / Getty
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»Es ist der Weckruf der Stunde.« Süddeutsche Zeitung