Mit der drohenden Staatspleite einzelner Länder scheint der Traum von der europäischen Währungsunion ausgeträumt. Auch wenn Angela Merkel mit ihrem Diktum Europa scheitert, wenn der Euro scheitert jüngst noch einmal diese Schimäre beschwor, so müssen wir uns doch fragen, ob wir um jeden Preis am Euro festhalten wollen.
In bewährter kritischer Manier zeichnet Thilo Sarrazin in seinem neuen Buch noch einmal die Geschichte des Euro nach. Er zeigt, dass unsere wirtschaftlichen Probleme ursächlich auf Mängel der politischen Führung zurückgehen. Abschließend präsentiert Sarrazin konkrete Maßnahmen und entwirft eine Marschroute für Europa. (2 mp3-CD)
In bewährter kritischer Manier zeichnet Thilo Sarrazin in seinem neuen Buch noch einmal die Geschichte des Euro nach. Er zeigt, dass unsere wirtschaftlichen Probleme ursächlich auf Mängel der politischen Führung zurückgehen. Abschließend präsentiert Sarrazin konkrete Maßnahmen und entwirft eine Marschroute für Europa. (2 mp3-CD)
MP3 CD 1 | |||
1 | Einleitung | ||
2 | Einleitung | ||
3 | Einleitung | ||
4 | Einleitung | ||
5 | Einleitung | ||
6 | Einleitung | ||
7 | Einleitung | ||
8 | Kapitel 1: Von der dt. Währungsreform zum Europ. Währungssystem - die Vorgeschichte - Die Währungsordnung von... - | ||
9 | Deutsche Prägungen: Die D-Mark und das Wirtschaftswunder | ||
10 | Deutsche Prägungen: Die D-Mark und das Wirtschaftswunder | ||
11 | Deutsche Prägungen: Die D-Mark und das Wirtschaftswunder | ||
12 | Das Ende der Währungsordnung von Bretton Woods | ||
13 | Die keynesianische Lehre scheitert an der Praxis | ||
14 | Die keynesianische Lehre scheitert an der Praxis | ||
15 | Überschüssländer als Sündenböcke: Die Lokomotivtheorie | ||
16 | Überschüssländer als Sündenböcke: Die Lokomotivtheorie | ||
17 | Überschüssländer als Sündenböcke: Die Lokomotivtheorie | ||
18 | Zwischen Keynes und Konsolidierung: Die letzten Jahre der sozialliberalen Koalition | ||
19 | Zwischen Keynes und Konsolidierung: Die letzten Jahre der sozialliberalen Koalition | ||
20 | Staatsverschuldung, Inflation und Wechselkurse | ||
Weitere 75 Tracks anzeigen | |||
21 | Kapitel 2: Das Konzept der Europäischen Währungsunion und seine Bruchstellen - eine Bestandsaufnahme - | ||
22 | Voraussetzungen für gutes Geld: Das Beispiel des Goldstandards | ||
23 | Der Antrieb für die gemeinsame Währung | ||
24 | Der Antrieb für die gemeinsame Währung | ||
25 | Ordnungsbilder und -konzepte | ||
26 | Ordnungsbilder und -konzepte | ||
27 | Der Maastricht-Vertrag | ||
28 | Der Maastricht-Vertrag | ||
29 | Der Maastricht-Vertrag | ||
30 | Die Konvergenzkriterien | ||
31 | Erfolgsvoraussetzungen und Bruchstellen | ||
32 | Erfolgsvoraussetzungen und Bruchstellen | ||
33 | Erfolgsvoraussetzungen und Bruchstellen | ||
34 | Erfolgsvoraussetzungen und Bruchstellen | ||
35 | Erfolgsvoraussetzungen und Bruchstellen | ||
36 | Erfolgsvoraussetzungen und Bruchstellen | ||
37 | Erfolgsvoraussetzungen und Bruchstellen | ||
38 | Kapitel 3: Der Vollzug der Europäischen Währungsunion: Was ging schief und warum? - | ||
39 | Missverständnisse | ||
40 | Missverständnisse | ||
41 | Missverständnisse | ||
42 | Missverständnisse | ||
43 | Missverständnisse | ||
44 | Vertragsbrüche | ||
45 | Vertragsbrüche | ||
46 | Vertragsbrüche | ||
47 | Vertragsbrüche | ||
48 | Vertragsbrüche | ||
49 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
50 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
51 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
52 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
53 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
54 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
55 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
56 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
57 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
58 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
59 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
60 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
61 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
62 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
63 | Die ökonomischen Ergebnisse | ||
64 | Notenbank und "Sovereign Debt" | ||
65 | Notenbank und "Sovereign Debt" | ||
66 | Notenbank und "Sovereign Debt" | ||
67 | Notenbank und "Sovereign Debt" | ||
68 | Notenbank und "Sovereign Debt" | ||
69 | Notenbank und "Sovereign Debt" | ||
70 | Kapitel 4: Die europäische Rettungs- und Währungspolitik 2009 bis 2012 - | ||
71 | Die Ruhe vor dem Sturm | ||
72 | Warum gerade Griechenland? | ||
73 | Die griechische Frage sine ira et studio | ||
74 | Die Logik des No-Bail-Out | ||
75 | Die Logik des Rettungsschirms | ||
76 | Die Logik des Rettungsschirms | ||
77 | Der Charme der Insolvenz | ||
78 | Austritt aus dem Euro? | ||
79 | Die Bankenfrage | ||
80 | Die Bankenfrage | ||
81 | Ansteckung, Brandmauern und Bazookas | ||
82 | Eurobonds | ||
83 | Lender of last resort | ||
84 | Die Rettungspolitik und das Grundgesetz | ||
85 | Die Rettungspolitik und das Grundgesetz | ||
86 | Sechzehn Krisengipfel und viele Rettungsschirme | ||
87 | Anleihekauf durch die EZB: Die Vertreibung aus dem Paradies | ||
88 | Die deutsche Gesamthaftung: Risiken und Wahrscheinlichkeiten | ||
89 | Wirtschaftsregierung und Fiskalunion | ||
90 | Der zwischenstaatliche Vertrag | ||
91 | Der zwischenstaatliche Vertrag | ||
92 | Das "entgültige" Griechenland-Paket | ||
93 | Die "Dicke Bertha" der EZB | ||
94 | Die "Dicke Bertha" der EZB | ||
95 | Die "Dicke Bertha" der EZB | ||
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1 | Kapitel 5: Die "Vorteile" der Währungsunion, prinzipiell hinterfragt - Wäre der Euro gekommen, wenn wir 1992... - | ||
2 | Scheitert Europa, wenn der Euro scheitert? | ||
3 | Wird Deutschland verschweizert? | ||
4 | Der Missbrauch des Euro für währungsfremde Zwecke | ||
5 | Der Euro als Katalysator der europäischen Integration? | ||
6 | Außenhandel und Binnemarkt | ||
7 | Wachstum und Beschäftigung | ||
8 | Was bleibt? | ||
9 | Kapitel 6: Die Weltfinanzkrise, die Systemfrage und was daraus zu lernen ist - | ||
10 | Die Krisengeschichte | ||
11 | Die Krisengeschichte | ||
12 | Die Krisengeschichte | ||
13 | Die Krisengeschichte | ||
14 | Die Krisengeschichte | ||
15 | Die Krisengeschichte | ||
16 | Die Krisengeschichte | ||
17 | Die Krisengeschichte | ||
18 | Die Psychologie des Kollektivirrtums | ||
19 | Lehren aus der Krise | ||
20 | Lehren aus der Krise | ||
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21 | Lehren aus der Krise | ||
22 | Lehren aus der Krise | ||
23 | Lehren aus der Krise | ||
24 | Lehren aus der Krise | ||
25 | Lehren aus der Krise | ||
26 | Lehren aus der Krise | ||
27 | Lehren aus der Krise | ||
28 | Lehren aus der Krise | ||
29 | Lehren aus der Krise | ||
30 | Schuld und Schulden: Die Systemfrage | ||
31 | Schuld und Schulden: Die Systemfrage | ||
32 | Schuld und Schulden: Die Systemfrage | ||
33 | Kapitel 7: Die Rolle der Staatlichen Haushalte - Vorbemerkung - | ||
34 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
35 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
36 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
37 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
38 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
39 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
40 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
41 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
42 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
43 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
44 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
45 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
46 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
47 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
48 | Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen | ||
49 | Der Blick auf einzelne Euroländer | ||
50 | Der Blick auf einzelne Euroländer | ||
51 | Der Blick auf einzelne Euroländer | ||
52 | Der Blick auf einzelne Euroländer | ||
53 | Der Blick auf einzelne Euroländer | ||
54 | Der Blick auf einzelne Euroländer | ||
55 | Der Blick auf einzelne Euroländer | ||
56 | Der Blick auf einzelne Euroländer | ||
57 | Der Blick auf einzelne Euroländer | ||
58 | Europäische Finanzpolitik | ||
59 | Europäische Finanzpolitik | ||
60 | Europäische Finanzpolitik | ||
61 | Europäische Finanzpolitik | ||
62 | Europäische Finanzpolitik | ||
63 | Europäische Finanzpolitik | ||
64 | Europäische Finanzpolitik | ||
65 | Europäische Finanzpolitik | ||
66 | Wie geht es weiter? | ||
67 | Kapitel 8: Die Währungsunion und die Zukunft Europas - | ||
68 | Was ist Europa? | ||
69 | Was ist Europa? | ||
70 | Europa und seine Völker | ||
71 | Europa und seine Völker | ||
72 | Europa und seine Völker | ||
73 | Europa und seine Völker | ||
74 | Die deutsche Flucht nach Europa | ||
75 | Was ist ein Scheitern Europas? | ||
76 | Was ist ein Scheitern Europas? | ||
77 | Europa in der Welt | ||
78 | Ordnungsbilder für Europa | ||
79 | Ordnungsbilder für Europa | ||
80 | Ein europäischer Bundesstaat? | ||
81 | Ein europäischer Bundesstaat? | ||
82 | Ein europäischer Bundesstaat? | ||
83 | Ausblick | ||
84 | Ausblick |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.08.2016Sarrazins Holzhammer
Warum Politiker so häufig scheitern? Ganz einfach: Weil sie keine Buchautoren sind
Es gibt Bücher, bei denen es sich lohnt, erst einmal abzuwarten, bevor man sich ein Urteil erlaubt, um zu sehen, wie es um die Halbwertzeit steht. Besonders dann, wenn es sich um ein Buch wie das von Thilo Sarrazin handelt, der das "Wunschdenken" in der Politik untersucht und zeigen will, "warum Politik so häufig scheitert". Vor vier Monaten kam es heraus, und seither wurde schon wieder ganz schön häufig gescheitert. Brexit, Türkei, Syrien, Terrorismus, Olympia - und so fort. Wunschdenken, wohin man blickt. Scheitern, so weit das Auge reicht. Insofern: Respekt! Wer hätte zeigen wollen, warum Politik so häufig Erfolg hat, wäre mit seinem Buch sicher auf die Nase gefallen. Aber wäre es deshalb schlechter geworden?
Erst recht fragt man sich das, wenn es um die Themen geht, die sich Sarrazin ausgewählt hat. Den Erfolg des Euros darstellen? Die Blüten des deutschen Bildungssystems? Die deutsche Demographie? Gab es dazu jemals Bücher, die dem Lehrsatz der Literaturkritik folgen: Verrisse schreiben ist ein Kinderspiel, aber loben, das will gekonnt sein?
Sarrazin lobt zwar durchaus, aber meist sich selbst. Drum herum das nackte Scheitern. Wie man überhaupt am Ende dieses Buches vor lauter Fehlern, die gemacht werden, vor lauter offenkundiger Dummheit, die in Deutschland und Europa herrscht, vor lauter Verfall, Schlechtwetter, Jammertal und Sarkasmus ein wenig deprimiert ist und für den Rest seines Lebens eigentlich nur noch Asterix-Hefte lesen möchte. Sarrazin sollte in seinem nächsten Buch wenigstens ein bisschen mehr Humor einbauen.
Vor allem, wenn es um sein Steckenpferd geht, die Erblichkeit. Wir erinnern uns: Vor sechs Jahren legte Sarrazin ein Buch vor, in dem er darin den Grund sah, dass Deutschland sich abschaffe - weil zu viele intelligente Deutsche nicht intelligent genug sind, Kinder haben zu wollen, und zu viele nicht ganz so intelligente Ausländer immerhin so intelligent sind, zu viele, aber leider nicht ganz so intelligente Kinder zu bekommen. Auch in diesem Buch treibt ihn die Frage wieder um, ob Intelligenz nun vererbt wird oder nicht. Zu einem Exkurs in die ethnologische Hirnforschung kommt es nicht, aber es ist doch alle zwanzig Seiten zu spüren, wie wichtig Sarrazin das Thema ist, so wichtig, dass man meinen könnte, er brauche die Gewissheit biologischer Gesetze, um die großen Linien der Politik mit naturwissenschaftlicher Präzision begründen zu können und scheinbar unwiderlegbar zu machen.
Der Leser möge sich das so erklären: Sarrazin ist SPD-Politiker. Ein idealtypischer CDU-Politiker hätte dazu tendiert, sich bei aller Wissenschaftlichkeit, Planbarkeit und Machbarkeit das Restrisiko des Irrtums einzugestehen. Irren ist schließlich menschlich, und deshalb schützt selbst die größte Intelligenz vor politischer Dummheit nicht. Da kommt dann der Humor ins Spiel. Ohne ihn ist das alles (und die Bücher darüber) nämlich kaum zu ertragen, ganz besonders nicht für intelligente Menschen.
Nicht zum Lachen ist sicherlich einer der Schwerpunkte des Buches, die Einwanderungspolitik, die Flüchtlingskrise, das Asylrecht. Obwohl die Angriffsfläche deutscher Politik hier besonders groß ist, bringt es Sarrazin fertig, über das Ziel hinauszuschießen. Sein schärfstes Argument besteht darin, "Rechtsbrüche" der Bundesregierung zu geißeln. Aber wo die liegen sollen, kann er nicht begründen. Hat es sie überhaupt gegeben? Aufschlussreich für die Interessen Sarrazins ist eine Tabelle, die mit dem mathematischen Holzhammer zeigen soll, dass in Deutschland, wenn es so weiterginge wie im Jahr 2015, bald weniger Deutsche als Ausländer leben. Aber geht es so weiter? Nicht erst im April dieses Jahres hätte man wissen können: sicher nicht. Sarrazin gibt das auch zu. Aber warum dann die Tabelle? Wunschdenken, nur negativ?
Die Frage ließe sich auch auf andere Teile des Buches anwenden. Nehmen wir die Bildungspolitik. Sicher: Was hier schiefläuft, liegt (wie so vieles andere, was Sarrazin zusammenträgt) auf der Hand. In der Klage über Kulturföderalismus, Verdummung, Verfall und Gleichmacherei geht aber oft unter, dass der Zentralismus vielleicht auch nicht das Gelbe vom Ei wäre, die Klage über die Verdummung der Schüler so alt ist wie die Schulpflicht und auch so manche bildungspolitische Schlaubergerei aus der liberal-konservativen Ecke, die sich gegen nationale Leistungsschwäche und Gleichmacherei richten sollte, in die Irre geführt hat. Muss deshalb aber immer gleich der Untergang des Abendlandes oder auch nur Deutschlands drohen? Auch hier gilt: Wer so weit geht, setzt sich der Gefahr aus, nur danach zu suchen, was ihm gefällt. Auch so sieht Wunschdenken aus.
Trotzdem hätte man an manchen Stellen lieber mehr Sarrazin gehabt als weniger. Die Asterix-Hefte verlören sofort ihren Reiz, wenn man beispielsweise mehr erfahren hätte über den Satz: "Unter den verlogenen Verwaltungen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, schoss die Berliner Schulverwaltung den Vogel ab." Ja, das wäre doch einmal ein Buch! An anderer Stelle schildert Sarrazin, wie Klaus Wowereit nicht gerade ausgeprägtes Interesse daran zeigte, den Bau des neuen Berliner Flughafens durch eine Personalpolitik zu forcieren, die sich an Kompetenz orientiert. Auch das fiel in die Zeit, als Sarrazin Finanzsenator in Berlin war, und auch da hätte man gerne viel mehr erfahren. Zugegeben: alles Wunschdenken eines kleinmütigen Lesers.
Denn Sarrazin hat sein Buch eine Nummer größer angelegt. Ach was, mindestens zehn Nummern größer! Er beginnt mit Platon und Aristoteles und endet mit grundsätzlichen Ausführungen darüber, was Politik im Innersten zusammenhält, wie sie sich zur Macht, Moral und zur Demokratie verhält. Unter dem Stichwort "politischer Kairos" unternimmt Sarrazin dann noch einmal lesenswerte Ausflüge in die (eigene) Praxis der Politik. Ein "rundes" Werk wird daraus aber nicht, vielmehr das unausgesprochene Eingeständnis, dass Politik doch ganz anders funktioniert, als es Zahlen, Naturgesetze, Statistiken, Wissenschaft und noch so gründlich vererbte Intelligenz eigentlich verlangen. Sie ist nicht das Reich der Notwendigkeiten, sondern der Möglichkeiten. Das unterscheidet den Aktionsradius aktiver Politiker in einer Demokratie ganz wesentlich von dem der Buchautoren, die einmal Politiker waren.
Thilo Sarrazins Buch ist allerdings immer noch geistvoller als viele andere Bücher, die sich auf dem Gebiet wohlfeiler Politikkritik tummeln. Wirklich lernen und verstehen, wie Politik "funktioniert", kann der politisch Interessierte aber auch in seinem Fall allenfalls zwischen den Zeilen - wenn er denn überhaupt dazu kommt, denn schließlich hat er auf jeder Seite alle Hände voll zu tun, seine Vorurteile zu bestätigen. An einer Stelle fällt das meinungsgesättigte Kartenhaus des Lesers dann aber doch krachend wieder zusammen. Er erfährt nämlich ganz nebenbei, dass der Autor in Klasse 11 und 12 die Fächer Physik, Chemie, Biologie und Musik abgewählt hat! Was für ein Kulturverfall, der darin zum Ausdruck kommt! Was für ein Scheitern! Aber er kann so schlimm nicht gewesen sein. Es ist ja dann doch noch etwas aus ihm geworden.
JASPER VON ALTENBOCKUM
Thilo Sarrazin: Wunschdenken. Europa, Währung, Bildung, Einwanderung - warum Politik so häufig scheitert. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2016. 571 S., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Warum Politiker so häufig scheitern? Ganz einfach: Weil sie keine Buchautoren sind
Es gibt Bücher, bei denen es sich lohnt, erst einmal abzuwarten, bevor man sich ein Urteil erlaubt, um zu sehen, wie es um die Halbwertzeit steht. Besonders dann, wenn es sich um ein Buch wie das von Thilo Sarrazin handelt, der das "Wunschdenken" in der Politik untersucht und zeigen will, "warum Politik so häufig scheitert". Vor vier Monaten kam es heraus, und seither wurde schon wieder ganz schön häufig gescheitert. Brexit, Türkei, Syrien, Terrorismus, Olympia - und so fort. Wunschdenken, wohin man blickt. Scheitern, so weit das Auge reicht. Insofern: Respekt! Wer hätte zeigen wollen, warum Politik so häufig Erfolg hat, wäre mit seinem Buch sicher auf die Nase gefallen. Aber wäre es deshalb schlechter geworden?
Erst recht fragt man sich das, wenn es um die Themen geht, die sich Sarrazin ausgewählt hat. Den Erfolg des Euros darstellen? Die Blüten des deutschen Bildungssystems? Die deutsche Demographie? Gab es dazu jemals Bücher, die dem Lehrsatz der Literaturkritik folgen: Verrisse schreiben ist ein Kinderspiel, aber loben, das will gekonnt sein?
Sarrazin lobt zwar durchaus, aber meist sich selbst. Drum herum das nackte Scheitern. Wie man überhaupt am Ende dieses Buches vor lauter Fehlern, die gemacht werden, vor lauter offenkundiger Dummheit, die in Deutschland und Europa herrscht, vor lauter Verfall, Schlechtwetter, Jammertal und Sarkasmus ein wenig deprimiert ist und für den Rest seines Lebens eigentlich nur noch Asterix-Hefte lesen möchte. Sarrazin sollte in seinem nächsten Buch wenigstens ein bisschen mehr Humor einbauen.
Vor allem, wenn es um sein Steckenpferd geht, die Erblichkeit. Wir erinnern uns: Vor sechs Jahren legte Sarrazin ein Buch vor, in dem er darin den Grund sah, dass Deutschland sich abschaffe - weil zu viele intelligente Deutsche nicht intelligent genug sind, Kinder haben zu wollen, und zu viele nicht ganz so intelligente Ausländer immerhin so intelligent sind, zu viele, aber leider nicht ganz so intelligente Kinder zu bekommen. Auch in diesem Buch treibt ihn die Frage wieder um, ob Intelligenz nun vererbt wird oder nicht. Zu einem Exkurs in die ethnologische Hirnforschung kommt es nicht, aber es ist doch alle zwanzig Seiten zu spüren, wie wichtig Sarrazin das Thema ist, so wichtig, dass man meinen könnte, er brauche die Gewissheit biologischer Gesetze, um die großen Linien der Politik mit naturwissenschaftlicher Präzision begründen zu können und scheinbar unwiderlegbar zu machen.
Der Leser möge sich das so erklären: Sarrazin ist SPD-Politiker. Ein idealtypischer CDU-Politiker hätte dazu tendiert, sich bei aller Wissenschaftlichkeit, Planbarkeit und Machbarkeit das Restrisiko des Irrtums einzugestehen. Irren ist schließlich menschlich, und deshalb schützt selbst die größte Intelligenz vor politischer Dummheit nicht. Da kommt dann der Humor ins Spiel. Ohne ihn ist das alles (und die Bücher darüber) nämlich kaum zu ertragen, ganz besonders nicht für intelligente Menschen.
Nicht zum Lachen ist sicherlich einer der Schwerpunkte des Buches, die Einwanderungspolitik, die Flüchtlingskrise, das Asylrecht. Obwohl die Angriffsfläche deutscher Politik hier besonders groß ist, bringt es Sarrazin fertig, über das Ziel hinauszuschießen. Sein schärfstes Argument besteht darin, "Rechtsbrüche" der Bundesregierung zu geißeln. Aber wo die liegen sollen, kann er nicht begründen. Hat es sie überhaupt gegeben? Aufschlussreich für die Interessen Sarrazins ist eine Tabelle, die mit dem mathematischen Holzhammer zeigen soll, dass in Deutschland, wenn es so weiterginge wie im Jahr 2015, bald weniger Deutsche als Ausländer leben. Aber geht es so weiter? Nicht erst im April dieses Jahres hätte man wissen können: sicher nicht. Sarrazin gibt das auch zu. Aber warum dann die Tabelle? Wunschdenken, nur negativ?
Die Frage ließe sich auch auf andere Teile des Buches anwenden. Nehmen wir die Bildungspolitik. Sicher: Was hier schiefläuft, liegt (wie so vieles andere, was Sarrazin zusammenträgt) auf der Hand. In der Klage über Kulturföderalismus, Verdummung, Verfall und Gleichmacherei geht aber oft unter, dass der Zentralismus vielleicht auch nicht das Gelbe vom Ei wäre, die Klage über die Verdummung der Schüler so alt ist wie die Schulpflicht und auch so manche bildungspolitische Schlaubergerei aus der liberal-konservativen Ecke, die sich gegen nationale Leistungsschwäche und Gleichmacherei richten sollte, in die Irre geführt hat. Muss deshalb aber immer gleich der Untergang des Abendlandes oder auch nur Deutschlands drohen? Auch hier gilt: Wer so weit geht, setzt sich der Gefahr aus, nur danach zu suchen, was ihm gefällt. Auch so sieht Wunschdenken aus.
Trotzdem hätte man an manchen Stellen lieber mehr Sarrazin gehabt als weniger. Die Asterix-Hefte verlören sofort ihren Reiz, wenn man beispielsweise mehr erfahren hätte über den Satz: "Unter den verlogenen Verwaltungen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, schoss die Berliner Schulverwaltung den Vogel ab." Ja, das wäre doch einmal ein Buch! An anderer Stelle schildert Sarrazin, wie Klaus Wowereit nicht gerade ausgeprägtes Interesse daran zeigte, den Bau des neuen Berliner Flughafens durch eine Personalpolitik zu forcieren, die sich an Kompetenz orientiert. Auch das fiel in die Zeit, als Sarrazin Finanzsenator in Berlin war, und auch da hätte man gerne viel mehr erfahren. Zugegeben: alles Wunschdenken eines kleinmütigen Lesers.
Denn Sarrazin hat sein Buch eine Nummer größer angelegt. Ach was, mindestens zehn Nummern größer! Er beginnt mit Platon und Aristoteles und endet mit grundsätzlichen Ausführungen darüber, was Politik im Innersten zusammenhält, wie sie sich zur Macht, Moral und zur Demokratie verhält. Unter dem Stichwort "politischer Kairos" unternimmt Sarrazin dann noch einmal lesenswerte Ausflüge in die (eigene) Praxis der Politik. Ein "rundes" Werk wird daraus aber nicht, vielmehr das unausgesprochene Eingeständnis, dass Politik doch ganz anders funktioniert, als es Zahlen, Naturgesetze, Statistiken, Wissenschaft und noch so gründlich vererbte Intelligenz eigentlich verlangen. Sie ist nicht das Reich der Notwendigkeiten, sondern der Möglichkeiten. Das unterscheidet den Aktionsradius aktiver Politiker in einer Demokratie ganz wesentlich von dem der Buchautoren, die einmal Politiker waren.
Thilo Sarrazins Buch ist allerdings immer noch geistvoller als viele andere Bücher, die sich auf dem Gebiet wohlfeiler Politikkritik tummeln. Wirklich lernen und verstehen, wie Politik "funktioniert", kann der politisch Interessierte aber auch in seinem Fall allenfalls zwischen den Zeilen - wenn er denn überhaupt dazu kommt, denn schließlich hat er auf jeder Seite alle Hände voll zu tun, seine Vorurteile zu bestätigen. An einer Stelle fällt das meinungsgesättigte Kartenhaus des Lesers dann aber doch krachend wieder zusammen. Er erfährt nämlich ganz nebenbei, dass der Autor in Klasse 11 und 12 die Fächer Physik, Chemie, Biologie und Musik abgewählt hat! Was für ein Kulturverfall, der darin zum Ausdruck kommt! Was für ein Scheitern! Aber er kann so schlimm nicht gewesen sein. Es ist ja dann doch noch etwas aus ihm geworden.
JASPER VON ALTENBOCKUM
Thilo Sarrazin: Wunschdenken. Europa, Währung, Bildung, Einwanderung - warum Politik so häufig scheitert. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2016. 571 S., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main