Produktdetails
- Verlag: Universal Music
- Gesamtlaufzeit: 250 Min.
- Erscheinungstermin: September 2007
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783829120210
- Artikelnr.: 22866669
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2007Archäologe in eigener Sache
Sprich, Erinnerung: Der Brite Daniel Hope, ein gefeierter Geiger, stieß zufällig auf die deutschen Wurzeln seiner Familie. Jetzt hat er diese Geschichte aufgeschrieben.
VON SASCHA LEHNARTZ
Daniel Hope ist 33 Jahre alt, und das ist eigentlich zu wenig gelebtes Leben, um eine Biographie zu schreiben. Selbst wenn man als Wundergeiger gilt und im Hause eines Zaubergeigers aufwuchs.
Beides ist bei Hope der Fall. Als er drei Jahre alt war, wurde seine Mutter Privatsekretärin von Yehudi Menuhin. Daher war er häufig im Londoner Haus des Virtuosen zu Gast und hörte ihn spielen. Mit vier begann er selbst mit dem Geigenunterricht. Allerdings nicht beim Meister, sondern bei der Musikpädagogin Sheila Nelson.
Offenbar hat der Knirps im Hause Menuhin genau hingehört, denn er lernt schnell und wird gut. Mit zehn wechselt er an das Royal College of Music und studiert bei Itzhak Rashkovsky, Felix Andrievsky und Grigory Zhislin. Menuhin erfährt von den Fortschritten des kleinen Daniel - dessen Mutter ist inzwischen zu seiner Managerin avanciert. Eines Tages lässt er ihn vorspielen. Was er hört, gefällt ihm. Der Jahrhundertgeiger lädt den Elfjährigen ein, mit ihm die Bartók-Duos aufzuführen, der Beginn einer großen Geiger-Partnerschaft. Von 1985 bis 1999 geben Menuhin und Hope mehr als sechzig gemeinsame Konzerte. Auch seinen letzten öffentlichen Auftritt bestreitet Menuhin an der Seite von Daniel Hope. Am 7. März 1999 führen die beiden in der Düsseldorfer Tonhalle Alfred Schnittkes Violinkonzert auf. Fünf Tage später stirbt Menuhin in Berlin.
Ohne seinen Mentor setzt Daniel Hope seine vielversprechende Laufbahn fort. Einem größeren Publikum wird er in Deutschland bekannt, als er im Sommer 2000 kurzfristig für den Problemfrisur-Geiger Nigel Kennedy bei einem Open-Air-Konzert auf dem Münchener Königsplatz einspringt und vor 20 000 Zuschauern spielt. Ein Jahr darauf verleiht ihm der britische "Evening Standard" die Auszeichnung "Klassischer Interpret des Jahres", 2002 wird er als jüngster Musiker überhaupt Mitglied des hochangesehenen Beaux Arts Trios. Er gewinnt in der Folge zahlreiche Preise und Auszeichnungen, ist beinahe pausenlos auf Tournee und findet auch noch Zeit für Kooperationen jenseits der Klassikszene. Von Gaurav Mazumdar, einem Meisterschüler Ravi Shankars, lässt er sich in die indische Musik einführen. Und mit dem "Police"-Drummer Stewart Copeland hat er auch schon zusammengespielt. Nebenbei findet er noch die Zeit, eine deutsche Kontrabassistin zu heiraten.
Hope spricht exzellent Deutsch. Als er vor drei Jahren bei der NDR Talk Show "Drei nach neun" aus seinem bewegten Leben plaudert, wird eine Lektorin auf ihn aufmerksam. Sie schlägt ihm vor, seine Biographie zu schreiben. Hope bedankt sich artig für das Angebot und lehnt ab: Für eine Biographie fühlt er sich zu jung.
Kurze Zeit darauf ist er bei einem Gastspiel in Berlin. In seiner Freizeit treibt ihn etwas in das Villenviertel Dahlem im Berliner Südwesten. Eine Erinnerung. Dort, in der Straße "Im Dol", lebten einst Daniel Hopes Urgroßeltern Wilhelm und Margarete Valentin, bis sie 1935 als Juden von den Nazis zum Verkauf des Hauses und in die Emigration gezwungen wurden. Daniel Hope will nach ihren Spuren suchen, denn aus Familienerzählungen ist bei ihm stets der Satz hängengeblieben: "Wir hatten einst diese Villa in Dahlem." Sehr viel mehr wusste Hope nicht, denn wie in so vielen Familien wurden über all das, was man verloren hatte, keine großen Worte gemacht.
Als Hope vor dem Haus steht, herrscht ihn eine ältere Dame aus einem Fenster im zweiten Stock an, er solle verschwinden. Zur Begründung fügt sie hinzu: "Ich kenne die Geschichte dieses Hauses." Jetzt ist Hopes Neugier erst recht geweckt. Er umkreist das Gebäude und entdeckt eine Erinnerungstafel: Nach dem Auszug seiner Großeltern war in dem Haus zwischen 1936 und 1939 die "Jüdische Waldschule Kaliski" untergebracht. 1939 wurde sie geschlossen. Nur einem Teil der Lehrerschaft und der zeitweise bis zu 320 Schüler gelang es, sich vor der Vernichtung zu retten. Heute beherbergt ein Flügel der Villa seltsam passenderweise das Deutsche Archäologische Institut.
Daniel Hope verabredet sich mit dem Leiter des Instituts und erfährt von diesem, dass das Gebäude in den späten dreißiger Jahren schließlich vom Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop okkupiert wurde. Das Reichsaußenamt hatte in der Villa eine Nachrichtenzentrale eingerichtet.
Auf dem Rückweg in sein Hotel hat Hope Mühe, die bewegte Geschichte des Hauses, in dem seine Großmutter noch geboren worden war, zu verdauen. Das Angebot der Lektorin kommt ihm wieder in den Sinn: Wenn es für eine Biographie zu früh ist - für eine Familiengeschichte scheint doch reichlich Stoff vorhanden zu sein. Die Lektorin ist begeistert. Hope beginnt zu recherchieren, in Archiven und natürlich durch Gespräche mit seinen Angehörigen. "Für mich war es wichtig, das zu tun", sagt der Musiker. "Ich dachte, ich werde nie wieder so eine Chance bekommen, über meine Familie alles herauszufinden, was ich nie wusste. Und dann auch noch dafür bezahlt zu werden!" Seine Mutter findet die Idee toll, sein Vater warnt ihn: "Du bist verrückt. Du weißt nicht, was auf dich zukommt."
Christopher Hope ist selbst Schriftsteller. Er wusste, wovon er sprach. Sein Sohn hat das Wagnis dennoch nicht bereut. Zusammengetragen hat er eine weitläufige und schillernde Familiengeschichte - und natürlich doch auch ein wenig Autobiographie. Hope beginnt mit seinem Ururgroßvater Julius Valentin, der ein Jugendfreund des späteren AEG-Gründers Emil Rathenau war und mit diesem 1865 in der Berliner Chausseestraße eine kleine Dampfmaschinenfabrik übernahm. Er erzählt, wie sich die deutschen Urgroßeltern vor den Nazis nach Südafrika retteten und auf einer Hühnerfarm wieder von vorn begannen. Und er berichtet auch von seinen irischen Vorfahren: Seinen mittellosen irischen Urgroßvater hatte es während des zweiten Burenkrieges von der grünen Insel ans Kap der Guten Hoffnung verschlagen. In Südafrika brachte er es später bis zum Bürgermeister.
Hope hält die disparaten Lebenslinien seiner Vorfahren für exemplarisch für das schicksalsschwere 20. Jahrhundert. "Es war ein unbeschreibliches Gefühl, sich damit zu beschäftigen. Wenn man in Akten des Dritten Reiches stöbert und es betrifft die eigene Familie, da wird einem ganz anders. Es kommt einem fast so vor, als sei man mittendrin."
Natürlich war die Arbeit an dem Buch für den Dreiunddreißigjährigen auch ein Stück eigener Identitätssuche. Als Hope ein halbes Jahr alt war, erhielt sein Vater nach langem Warten endlich ein Ausreisevisum, um das Apartheidland Südafrika zu verlassen. "Ich habe mich nie als Südafrikaner gesehen, obwohl ich da geboren bin", erzählt Hope. Am meisten habe er sich stets mit England identifiziert, denn dort sei er aufgewachsen und zur Schule gegangen. "Wenn England Fußball spielt und meist verliert, bin ich der, der am lautesten schreit." Aber durch die Arbeit an dem Buch habe sich seine gefühlte Nähe zu Deutschland noch vergrößert, erzählt er. Und seine Nähe zum Judentum. "Ich habe immer eine Empathie gespürt, die ich mir nicht erklären konnte, denn ich bin ja nicht jüdisch." Als Kind habe er einmal vor dem Kindermädchen behauptet: "Ich bin jüdisch", aber die habe ihn gleich korrigiert: "Kann gar nicht sein, du bist Katholik."
Durch die Arbeit am Buch seien ihm die deutschen und jüdischen Anteile an seiner Identität stärker bewusst geworden. "Ich verstehe jetzt, weshalb ich mich in Deutschland immer wohl gefühlt habe. Und dass ich eine deutsche Frau geheiratet habe, ist vielleicht kein Zufall", glaubt Hope.
Aber hätte die Recherche in den Abgründen der eigenen Familiengeschichte nicht auch Befremden auslösen können?
"So tragisch die Geschichte ist - man darf nicht vergessen, dass fast die ganze Familie überlebt hat." Für ihn gebe es "so viele tolle Assoziationen mit Deutschland", dass die kurze Periode der Nazizeit das nicht wegwischen könne. Für Hope - wie schon für Menuhin - besteht Deutschland vor allem aus seinem kulturellen Schatz: "Goethe, Schiller, Mendelssohn." Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert hat Hope gerade in der bislang kaum bekannten Originalfassung von 1844 eingespielt. Der Komponist hatte die Partitur einst vor der Uraufführung auf Wunsch des Geigers Ferdinand David noch einmal geändert. Das Stück hat für Hope eine spezielle Bedeutung. Es ist das erste, das er je live hörte, es ist das erste, das er lernte, und das erste, mit dem er öffentlich auftrat. Es jetzt in seiner Urfassung spielen zu dürfen war ein besonderes Vergnügen: "Es ist, als ob ich vor einem phantastischen Meisterwerk im Museum gestanden hätte, das mit der Zeit immer dunkler geworden war. Nun hat man die Patina abgewischt, und es kommt etwas ganz anderes zum Vorschein."
Daniel Hope hat einiges an Ausgrabungsarbeiten geleistet in der letzten Zeit. Und es scheint, als sei er sich bei diesen Reisen in diverse Vergangenheiten selbst nähergekommen. An Yehudi Menuhin, so erzählt Hope, habe ihn stets beeindruckt, wie geerdet dieser bei allem Erfolg geblieben sei. Als ihn im hohen Alter einmal ein Journalist fragte, was er über sein beeindruckendes Leben und Werk denke, habe er nur gesagt: "I know my place." - "Das fand ich sehr treffend", sagt Hope. "Trotz allem, was er erreicht hatte, wusste er immer, woher er kam und wohin er gehörte. Und er hatte immer Respekt für seine Kollegen und sein Publikum." Mit 33 Jahren hat Daniel Hope "seinen Platz" wahrscheinlich noch nicht ganz gefunden. Aber er ist ihm in der letzten Zeit ein Stück näher gekommen.
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Sprich, Erinnerung: Der Brite Daniel Hope, ein gefeierter Geiger, stieß zufällig auf die deutschen Wurzeln seiner Familie. Jetzt hat er diese Geschichte aufgeschrieben.
VON SASCHA LEHNARTZ
Daniel Hope ist 33 Jahre alt, und das ist eigentlich zu wenig gelebtes Leben, um eine Biographie zu schreiben. Selbst wenn man als Wundergeiger gilt und im Hause eines Zaubergeigers aufwuchs.
Beides ist bei Hope der Fall. Als er drei Jahre alt war, wurde seine Mutter Privatsekretärin von Yehudi Menuhin. Daher war er häufig im Londoner Haus des Virtuosen zu Gast und hörte ihn spielen. Mit vier begann er selbst mit dem Geigenunterricht. Allerdings nicht beim Meister, sondern bei der Musikpädagogin Sheila Nelson.
Offenbar hat der Knirps im Hause Menuhin genau hingehört, denn er lernt schnell und wird gut. Mit zehn wechselt er an das Royal College of Music und studiert bei Itzhak Rashkovsky, Felix Andrievsky und Grigory Zhislin. Menuhin erfährt von den Fortschritten des kleinen Daniel - dessen Mutter ist inzwischen zu seiner Managerin avanciert. Eines Tages lässt er ihn vorspielen. Was er hört, gefällt ihm. Der Jahrhundertgeiger lädt den Elfjährigen ein, mit ihm die Bartók-Duos aufzuführen, der Beginn einer großen Geiger-Partnerschaft. Von 1985 bis 1999 geben Menuhin und Hope mehr als sechzig gemeinsame Konzerte. Auch seinen letzten öffentlichen Auftritt bestreitet Menuhin an der Seite von Daniel Hope. Am 7. März 1999 führen die beiden in der Düsseldorfer Tonhalle Alfred Schnittkes Violinkonzert auf. Fünf Tage später stirbt Menuhin in Berlin.
Ohne seinen Mentor setzt Daniel Hope seine vielversprechende Laufbahn fort. Einem größeren Publikum wird er in Deutschland bekannt, als er im Sommer 2000 kurzfristig für den Problemfrisur-Geiger Nigel Kennedy bei einem Open-Air-Konzert auf dem Münchener Königsplatz einspringt und vor 20 000 Zuschauern spielt. Ein Jahr darauf verleiht ihm der britische "Evening Standard" die Auszeichnung "Klassischer Interpret des Jahres", 2002 wird er als jüngster Musiker überhaupt Mitglied des hochangesehenen Beaux Arts Trios. Er gewinnt in der Folge zahlreiche Preise und Auszeichnungen, ist beinahe pausenlos auf Tournee und findet auch noch Zeit für Kooperationen jenseits der Klassikszene. Von Gaurav Mazumdar, einem Meisterschüler Ravi Shankars, lässt er sich in die indische Musik einführen. Und mit dem "Police"-Drummer Stewart Copeland hat er auch schon zusammengespielt. Nebenbei findet er noch die Zeit, eine deutsche Kontrabassistin zu heiraten.
Hope spricht exzellent Deutsch. Als er vor drei Jahren bei der NDR Talk Show "Drei nach neun" aus seinem bewegten Leben plaudert, wird eine Lektorin auf ihn aufmerksam. Sie schlägt ihm vor, seine Biographie zu schreiben. Hope bedankt sich artig für das Angebot und lehnt ab: Für eine Biographie fühlt er sich zu jung.
Kurze Zeit darauf ist er bei einem Gastspiel in Berlin. In seiner Freizeit treibt ihn etwas in das Villenviertel Dahlem im Berliner Südwesten. Eine Erinnerung. Dort, in der Straße "Im Dol", lebten einst Daniel Hopes Urgroßeltern Wilhelm und Margarete Valentin, bis sie 1935 als Juden von den Nazis zum Verkauf des Hauses und in die Emigration gezwungen wurden. Daniel Hope will nach ihren Spuren suchen, denn aus Familienerzählungen ist bei ihm stets der Satz hängengeblieben: "Wir hatten einst diese Villa in Dahlem." Sehr viel mehr wusste Hope nicht, denn wie in so vielen Familien wurden über all das, was man verloren hatte, keine großen Worte gemacht.
Als Hope vor dem Haus steht, herrscht ihn eine ältere Dame aus einem Fenster im zweiten Stock an, er solle verschwinden. Zur Begründung fügt sie hinzu: "Ich kenne die Geschichte dieses Hauses." Jetzt ist Hopes Neugier erst recht geweckt. Er umkreist das Gebäude und entdeckt eine Erinnerungstafel: Nach dem Auszug seiner Großeltern war in dem Haus zwischen 1936 und 1939 die "Jüdische Waldschule Kaliski" untergebracht. 1939 wurde sie geschlossen. Nur einem Teil der Lehrerschaft und der zeitweise bis zu 320 Schüler gelang es, sich vor der Vernichtung zu retten. Heute beherbergt ein Flügel der Villa seltsam passenderweise das Deutsche Archäologische Institut.
Daniel Hope verabredet sich mit dem Leiter des Instituts und erfährt von diesem, dass das Gebäude in den späten dreißiger Jahren schließlich vom Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop okkupiert wurde. Das Reichsaußenamt hatte in der Villa eine Nachrichtenzentrale eingerichtet.
Auf dem Rückweg in sein Hotel hat Hope Mühe, die bewegte Geschichte des Hauses, in dem seine Großmutter noch geboren worden war, zu verdauen. Das Angebot der Lektorin kommt ihm wieder in den Sinn: Wenn es für eine Biographie zu früh ist - für eine Familiengeschichte scheint doch reichlich Stoff vorhanden zu sein. Die Lektorin ist begeistert. Hope beginnt zu recherchieren, in Archiven und natürlich durch Gespräche mit seinen Angehörigen. "Für mich war es wichtig, das zu tun", sagt der Musiker. "Ich dachte, ich werde nie wieder so eine Chance bekommen, über meine Familie alles herauszufinden, was ich nie wusste. Und dann auch noch dafür bezahlt zu werden!" Seine Mutter findet die Idee toll, sein Vater warnt ihn: "Du bist verrückt. Du weißt nicht, was auf dich zukommt."
Christopher Hope ist selbst Schriftsteller. Er wusste, wovon er sprach. Sein Sohn hat das Wagnis dennoch nicht bereut. Zusammengetragen hat er eine weitläufige und schillernde Familiengeschichte - und natürlich doch auch ein wenig Autobiographie. Hope beginnt mit seinem Ururgroßvater Julius Valentin, der ein Jugendfreund des späteren AEG-Gründers Emil Rathenau war und mit diesem 1865 in der Berliner Chausseestraße eine kleine Dampfmaschinenfabrik übernahm. Er erzählt, wie sich die deutschen Urgroßeltern vor den Nazis nach Südafrika retteten und auf einer Hühnerfarm wieder von vorn begannen. Und er berichtet auch von seinen irischen Vorfahren: Seinen mittellosen irischen Urgroßvater hatte es während des zweiten Burenkrieges von der grünen Insel ans Kap der Guten Hoffnung verschlagen. In Südafrika brachte er es später bis zum Bürgermeister.
Hope hält die disparaten Lebenslinien seiner Vorfahren für exemplarisch für das schicksalsschwere 20. Jahrhundert. "Es war ein unbeschreibliches Gefühl, sich damit zu beschäftigen. Wenn man in Akten des Dritten Reiches stöbert und es betrifft die eigene Familie, da wird einem ganz anders. Es kommt einem fast so vor, als sei man mittendrin."
Natürlich war die Arbeit an dem Buch für den Dreiunddreißigjährigen auch ein Stück eigener Identitätssuche. Als Hope ein halbes Jahr alt war, erhielt sein Vater nach langem Warten endlich ein Ausreisevisum, um das Apartheidland Südafrika zu verlassen. "Ich habe mich nie als Südafrikaner gesehen, obwohl ich da geboren bin", erzählt Hope. Am meisten habe er sich stets mit England identifiziert, denn dort sei er aufgewachsen und zur Schule gegangen. "Wenn England Fußball spielt und meist verliert, bin ich der, der am lautesten schreit." Aber durch die Arbeit an dem Buch habe sich seine gefühlte Nähe zu Deutschland noch vergrößert, erzählt er. Und seine Nähe zum Judentum. "Ich habe immer eine Empathie gespürt, die ich mir nicht erklären konnte, denn ich bin ja nicht jüdisch." Als Kind habe er einmal vor dem Kindermädchen behauptet: "Ich bin jüdisch", aber die habe ihn gleich korrigiert: "Kann gar nicht sein, du bist Katholik."
Durch die Arbeit am Buch seien ihm die deutschen und jüdischen Anteile an seiner Identität stärker bewusst geworden. "Ich verstehe jetzt, weshalb ich mich in Deutschland immer wohl gefühlt habe. Und dass ich eine deutsche Frau geheiratet habe, ist vielleicht kein Zufall", glaubt Hope.
Aber hätte die Recherche in den Abgründen der eigenen Familiengeschichte nicht auch Befremden auslösen können?
"So tragisch die Geschichte ist - man darf nicht vergessen, dass fast die ganze Familie überlebt hat." Für ihn gebe es "so viele tolle Assoziationen mit Deutschland", dass die kurze Periode der Nazizeit das nicht wegwischen könne. Für Hope - wie schon für Menuhin - besteht Deutschland vor allem aus seinem kulturellen Schatz: "Goethe, Schiller, Mendelssohn." Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert hat Hope gerade in der bislang kaum bekannten Originalfassung von 1844 eingespielt. Der Komponist hatte die Partitur einst vor der Uraufführung auf Wunsch des Geigers Ferdinand David noch einmal geändert. Das Stück hat für Hope eine spezielle Bedeutung. Es ist das erste, das er je live hörte, es ist das erste, das er lernte, und das erste, mit dem er öffentlich auftrat. Es jetzt in seiner Urfassung spielen zu dürfen war ein besonderes Vergnügen: "Es ist, als ob ich vor einem phantastischen Meisterwerk im Museum gestanden hätte, das mit der Zeit immer dunkler geworden war. Nun hat man die Patina abgewischt, und es kommt etwas ganz anderes zum Vorschein."
Daniel Hope hat einiges an Ausgrabungsarbeiten geleistet in der letzten Zeit. Und es scheint, als sei er sich bei diesen Reisen in diverse Vergangenheiten selbst nähergekommen. An Yehudi Menuhin, so erzählt Hope, habe ihn stets beeindruckt, wie geerdet dieser bei allem Erfolg geblieben sei. Als ihn im hohen Alter einmal ein Journalist fragte, was er über sein beeindruckendes Leben und Werk denke, habe er nur gesagt: "I know my place." - "Das fand ich sehr treffend", sagt Hope. "Trotz allem, was er erreicht hatte, wusste er immer, woher er kam und wohin er gehörte. Und er hatte immer Respekt für seine Kollegen und sein Publikum." Mit 33 Jahren hat Daniel Hope "seinen Platz" wahrscheinlich noch nicht ganz gefunden. Aber er ist ihm in der letzten Zeit ein Stück näher gekommen.
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